171325.fb2 Alarm! -Das Weiberschiff - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 11

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Kapitel 11

Doc Blandy war ein harter Brocken. Noch bevor die Eskimos mit ihren Hundeschlitten die vier Männer erreichten, die in ihre Bärenjagd hineingeraten waren, kehrte das Bewußtsein bei Blandy zurück und mit ihm auch ein wahnsinniger Schmerz in Brust und Rük-ken. Er kniete nun auf dem Eis. Slingman hielt ihn umfaßt, und rings um den Verletzten wurde das Eis jetzt rot.

«Zieht mir den Mantel aus, verdammt!«stöhnte er und warf den Kopf nach hinten.»Den Mantel und alles, was ich anhabe.«

«Wollen Sie erfrieren, Doc?«schrie Yenkins. Er winkte noch immer mit beiden Armen und brüllte:»Hierher! Hierher! Hilfe! Hilfe!«

«Ihr Idioten! Anders bekomme ich die schönste Infektion!«Blandy wollte aufstehen, aber es war unmöglich. Als er die Hände auf das Eis stützte, um sich hochzustemmen, war es ihm, als wäre sein Oberkörper in zwei Teile geteilt.»Wenn Haare in die Wunden kommen. Zieht mich doch aus, ihr Rindviecher.«

Das Hundegebell übertönte seine Stimme. Mit knirschenden Kufen hielten die drei Schlitten. Sie bildeten einen Kreis um die vier Män-ner und den toten Bären mit der Eisenharpune im Leib. Unter den dicken haarigen Pelzmützen blickten die Eskimos stumm auf die Gruppe. Kleine, flache, braungelbe Gesichter mit geschlitzten Augen. Forschend, mißtrauisch, abwartend. Das hier war ihr Jagdgebiet. Wo kamen die fremden Männer her?

Puckray ging auf einen Schlitten zu und zeigte mit dem ausgestreckten Arm auf Slingman und Blandy.

«Hilfe!«rief Puckray.»Verletzt. Der Bär! Mit den Schlitten zu uns! Los, schnell!«

Die Eskimos rührten sich nicht. Sie sahen Blandy mißtrauisch an.

«Sie verstehen nichts!«heulte Puckray.»Aber sie müssen doch sehen, was los ist.«

Die Eskimos sahen es genau. Ein blutender Mann. Langsam stieg einer von ihnen vom Schlitten. Er stampfte zu Blandy, beugte sich über ihn, dann ging er zu dem Bären, betrachtete auch ihn und entdeckte in den Pranken schließlich die Fetzen von Blandys Mantel. Dann ging er zurück zu den Schlitten, rief mit heller Stimme den andern etwas zu. Ein Schlitten wurde freigemacht, indem sie einfach alles aufs Eis warfen. Nur die Felle ließen sie liegen.

«Endlich!«schrie Yenkins und wischte sich die Tränen aus den Augen.»Endlich haben sie begriffen.«

Die Eskimos verhandelten untereinander. Dann machten sie durch Handzeichen deutlich, daß Slingman Blandy loslassen sollte. Sie faßten mit sicheren Griffen den schweren, stöhnenden Mann, stellten ihn auf die Beine und unterstützten ihn. Blandy nickte. Vor seinen Augen wurde das Meer lila, der Himmel rosa und das Eis blau. Eine Welt aus fantastischen Farben.

«Ich kann gehen!«sagte Blandy.»Die Umarmung eines Eisbären wirft mich doch nicht um.«

Er taumelte einige Schritte. Gestützt auf die kleinen Eskimos, erreichte er den Schlitten und brach dort wieder in die Knie. Aber es genügte. Slingman half. Sie legten Blandy auf die Seite in den Schlitten und warfen dann die Felldecken über ihn.

«Ausziehen!«stammelte Blandy wieder.»Ihr blöden Hunde, zieht mich doch aus! Das gibt sonst Blutvergiftung!«

Die Eskimos starrten die fremden Männer fragend an. Yenkins be-griff.Sie wollten wissen, wohin.

«Dorthin!«sagte er und zeigte nach Süden.»Unser Lager!«Er machte mit den Händen ein Zelt und hob dann drei Finger hoch. Die Eskimos nickten und lächelten. Drei Zelte. Sie zeigten auf die anderen Schlitten und liefen dann zu ihrem Gespann.

«Einsteigen!«schrie Puckray und riß sich die Kistendeckel vom Fuß.»Nicht wegwerfen, vielleicht brauchen wir sie noch!«

Sie stellten sich neben die Eskimos an die Haltestangen der Schlitten, ein paar helle Schreie ertönten, die Hundeketten zogen an, und fast schwerelos glitten die lustigen Fahrzeuge über das blanke Eis. Ihr Tempo war erstaunlich.

Bei der Steigung mußten sie alle vom Schlitten und schieben. Aber oben, auf dem Flachland, setzten sie die jagende Fahrt fort. Die Hunde hechelten, jaulten und bellten und legten sich in die Seile, immer wieder angefeuert von den hellen Schreien der Eskimos.

Yenkins und Puckray standen nebeneinander im zweiten Schlitten und klammerten sich an den mit Hundefell überzogenen Haltestangen fest. Ein Eskimo kniete vor ihnen, um ihnen Platz zu machen.

«Das wird die Russen munter machen, wenn wir so mit Trara ankommen!«schrie Puckray hinüber zu Yenkins.

Yenkins winkte ab.»Das ist mir jetzt scheißegal! Der Doc muß versorgt werden. Er hat ja im Lager alles bei sich.«

«Und wer kann damit umgehen? Kannst du Spritzen geben?«

«Wenn's sein muß, kann der Mensch alles!«

Sie zogen die Schals fest ins Gesicht, beugten sich über die Haltestange und verkrochen sich in ihre Pelze. Der eisige Zugwind war wie ein Messer, das in die Haut schnitt.

Nach einer Stunde erreichten sie das Lager. Man hatte sie kommen sehen. Alle standen vor den Zelten, auch die Mädchen. Leutnant Hendricks kam von seinem Beobachtungsstand herüber.

«Die Russen hören und sehen natürlich diesen Krach«, sagte er ruhig.»Aber sie werden annehmen, daß es sich nur um Eskimos handelt. Das ist für uns eine fabelhafte Tarnung. Drei Hundeschlitten. Bernie, haben wir ein Glück! Jetzt erreichen wir auch VENUS XI!«

Cornell hob die Schultern. Er ging hinüber zu den Mädchen, die verrückt spielten, sich umarmten, lachten, sich küßten und herumsprangen wie beim Karneval in Rio.»Gerettet!«schrie ihm Lili entgegen.»Wir sind gerettet! Hundeschlitten! Uns kann gar nichts mehr passieren.«

«Das ist kein Grund, sich gleich mit den Eskimos ins Bett zu legen!«sagte Cornell trocken. Er gab Joan einen Kuß und wollte gerade hinzufügen:»Nun haltet endlich den Mund, Girls!«Doch da kam Hendricks gelaufen.

«Ich sehe im Glas Yenkins, Puckray und Slingman!«rief er.»Aber der Doc fehlt.«

Cornell ließ Joan los. Die Mädchen schwiegen betroffen. Das kleine rote Biest Evelyn riß Hendricks das Fernglas aus der Hand und suchte die Schlitten ab.

«Es sind nur drei«, stammelte sie.»Wo haben sie mein Bärchen gelassen? Wo ist Pauli? Wo ist er geblieben?«

«Nun drehen Sie nur nicht durch, Evelyn!«sagte Cornell energisch.»Wir werden das gleich erfahren! Vielleicht ist er im Lager der Eskimos geblieben, um alles Weitere vorzubereiten.«

Die Hundeschlitten waren jetzt deutlich sichtbar. Sie jagten in einem Höllentempo übers Eis. Das Gekläff der Hunde flog ihnen voraus, es war der einzige Laut in dieser eisigen, klaren Stille. Geduckt liefen die Männer der POSEIDON I den Schlitten entgegen und gaben Zeichen. Im Bogen fahren! Nicht von der Küste herankommen, sondern von der Landseite! Tami Tamaroo, der auf Beobachtungsposten stand, rutschte im Schutz der Eismauer heran und machte Cornell Meldung.

«Die Russen haben es gehört, Sir! Ihr Turm ist besetzt, und sie suchen mit den Ferngläsern das Land ab.«

«Dann sollte man gleich einen Hundeschlitten demonstrativ am Rande des Felsens entlangfahren lassen«, sagte Cornell.»Das wird die Russen beruhigen.«

«Auf dem dritten Schlitten liegt etwas Großes!«schrie Evelyn. Sie schaute noch immer durchs Glas.»Und Slingman steht drauf. Pauli ist etwas passiert! Sie bringen ihn! Mein Bärchen! Dort im Schlitten liegt Pauli.«

Sie rannte den Schlitten entgegen. Ihre Pelzmütze fiel auf das Eis, ihr rotes Haar wehte frei wie eine zerzauste Fahne um ihren Kopf.

«Aufhalten!«brüllte Cornell.»Haltet das Mädchen fest! Daß die Eskimos eine rote Flagge zur Begrüßung schwenken, glauben selbst die Russen nicht! Aufhalten!«

Ein kleiner Sergeant stellte Evelyn ein Bein. Sie stolperte darüber, stürzte hin und schlug wild um sich, als zwei Mann sie festhielten. Dann waren die Schlitten da. Sie hielten. Die Hunde heulten wie toll, wälzten sich auf der Erde und standen dann zitternd in den Seilen. Aus ihren Fellen stiegen dichte Dampfwolken. Cornell, Hendricks und fünf Mann waren die ersten, die die Schlitten erreichten. Ihnen rannte Yenkins entgegen.

«Der Doc ist schwer verletzt!«schrie er.»Ein Eisbär! Er muß sofort behandelt werden! Los! Schnell!«

Sie hoben Blandy vom Schlitten und brachten ihn in das große Zelt. Er wurde vorsichtig auf eine Luftmatratze gelegt, und Cornell begann, ihn auszuwickeln. Blandy schwebte in einem Zustand von Wachsein und Dahindämmern. Was um ihn herum geschah, nahm er nur undeutlich wahr… kehrte das volle Bewußtsein zurück, war auch das wahnsinnige Brennen in Brust und Rücken wieder da, und er knirschte mit den Zähnen.

Während Cornell und Slingman den Verletzten aus dem Mantel schälten, brachten drei Männer draußen die tobende und schreiende Evelyn ins Frauenzelt. Sie war mit Worten nicht zu beruhigen, und es war auch unmöglich, daß zwei oder drei Mann sie ständig festhalten konnten.

«Sorry, Miß!«sagte ein stämmiger Gefreiter höflich. Dann zielte er vorsichtig, aber doch stark genug mit der Faust auf Evelyns Kinn und schläferte sie mit einem klassischen K.o. ein. Lili, die neben ihr hockte, starrte den Gefreiten giftig an.

«Sie Untier!«sagte sie.»Sie Mistkerl!«

«Wissen Sie was Besseres, Miß?«fragte der Gefreite.»Wenn sie aufwacht und nicht friedlich ist, sollten Sie einen kleinen Nachschlag versuchen.«

Im großen Zelt hatten sie Dr. Blandy mittlerweile ausgezogen. Nackt lag er da, ein Berg aus Muskeln und Knochen, aber trotz aller Stärke zur Strecke gebracht durch eine einzige Bärenumarmung. Die Wunden sahen furchtbar aus. Die Brust war aufgerissen, und aus dem Rük-ken hatte der Eisbär mit einem Hieb ein großes Stück Fleisch herausgehackt. Was Blandy befürchtet hatte, war Tatsache: Mit den Prankenhieben waren eine Menge Fellhaare und Stoffetzen in die Wunden geraten. Aus der Rückenwunde ragte ein ganzes Fellbüschel heraus.

«O Scheiße!«sagte Cornell immer wieder. Er kniete neben Blandy, den man auf die Seite gelegt hatte, um an beide Wunden heranzukommen.»Den Koffer vom Doc her! Schnell! Und heißes Wasser! Zuerst muß der ganze Mist aus den Wunden raus!«

«Kannst du das denn?«fragte Hendricks.»Das sitzt tief drin. Da bleibt immer etwas zurück. Da muß ein Arzt ran — «

«Kannst du einen zaubern?«Zwei Männer rannten aus dem Zelt, um das heiße Wasser zu besorgen. Dafür kamen die Eskimos herein, grinsten freundlich die Offiziere an und beugten sich über Blan-dy. Sie betrachteten die Wunden genau, sprachen dann miteinander und gingen wieder hinaus. Slingman brachte Blandys Sanitätskoffer und klappte ihn auf. In ihm war alles enthalten, was man brauchte: Medikamente, Instrumente, Verbandszeug und sogar ein Beatmungsgerät. Nur müßte man damit umgehen können… für einen Laien war das ein Labyrinth aus Tuben und Schachteln, verchromten Kästen und Spritzen.

Cornell wühlte in dem großen Instrumentenkasten und holte eine lange Pinzette heraus.»Das zuerst!«sagte er unsicher.»Und Mull, Hendricks! Da, die Schere auch!«Er beugte sich über Blandys dicken Kopf. Das Gesicht war gerötet und fühlte sich heiß an. Begann bereits das Wundfieber? Cornells Gaumen wurde knochentrocken.»Doc«, sagte er,»können Sie mich hören? Doc, reißen Sie sich zusammen. Wir brauchen Ihre Angaben, was wir mit Ihnen machen sollen.«

Blandys Augen bewegten sich. Er hörte und verstand, was Cornell sagte, aber es war ihm unmöglich, zu antworten. Ein paarmal setzte er an, aber der verrückte Schmerz zerriß die Worte, bevor sie von seinen Lippen kamen.

Cornell wartete nicht länger. Mit der Pinzette ergriff er die Haarbüschel und riß sie aus der schrecklichen Rückenwunde. Sie begann wieder zu bluten. Hendricks hielt Zellstoff darunter und fing das Blut damit auf.»Da im Kasten liegt blutstillende Watte«, sagte er heiser.»Es steht drauf. Claudenwatte.«

«Für kleine Wunden! Wie willst du dieses Loch damit zustopfen?«

Cornell zupfte immer noch Fellhaare aus der Wunde. Blandy ächzte und zuckte mit den Beinen. Sein ganzer Körper bäumte sich gegen die Schmerzen auf.

«Wir sollten ihn betäuben, Bernie«, sagte Hendricks tonlos.

«Such im Koffer nach Morphium. «Cornell beugte sich wieder über Blandys Kopf. Der Doc hatte die Augen offen — glänzende, fiebrige Augen.»Ist Morphium richtig, Doc?«

«Arschlöcher!«Mehr konnte Blandy nicht herausbringen. Nach dieser Kraftanstrengung fiel er wieder zusammen und rang mit weiteren Worten, die aber von den Schmerzen vertrieben wurden.

Hendricks wühlte im Arztkoffer. Von draußen ertönte das Gebell der Hunde. Die Eskimos hatten sie ausgeschirrt und ihnen einen Sack mit gefrorenem Fleisch hingeworfen. Jetzt balgten sie sich um das Fressen. Sie rissen Stücke aus den Fleischklumpen, legten sich auf das Eis, tauten mit ihrer Zunge das Fleisch auf und fraßen es.

Cornell blickte hoch, als ihn ein eisiger Lufthauch traf. Monika war ins Zelt gekommen und warf ihren Pelzmantel ab.»Ich möchte Ihnen helfen, Bernie«, sagte sie. Cornell schüttelte den Kopf.

«Das ist nichts für zarte Gemüter, Miß Herrmann! Gehen Sie in ihr Zelt zurück. Kümmern Sie sich um diese hysterische Evelyn.«

«Das macht Joan. Sie hat bereits den dritten Kinnhaken ange-bracht.«

«Hier ist Morphium, Bernie!«Hendricks hatte die Ampullen ge-fanden.»Aber nur für Spritzen! Kannst du eine Spritze geben?«

«Lassen Sie mich das machen, Bernie. «Monika hockte sich neben Cornell und riß eine Packung mit Einwegspritzen auf. Cornell sah sie fragend an.

«Sie können das?«

«Ich habe einen Krankenpflegekurs mitgemacht. «Sie lächelte, als wolle sie um Verzeihung bitten.»Mit irgend etwas muß sich auch eine Tochter beschäftigen, die einen reichen Vater hat. Und ich habe mich schon immer für Medizin interessiert. Ein paar Grundkenntnisse und Grundgriffe beherrsche ich noch.«

«Dann los!«Cornell rückte ein wenig zur Seite. Der Kessel mit dem heißen Wasser wurde herangeschoben. Monika überlegte nicht lange. Sie warf drei Scheren, vier Skalpelle und einige Klemmen in den dampfenden Topf. Dann brach sie die Morphiumampulle auf und zog die wasserhelle Flüssigkeit in den Spritzenkörper.

«Noch besser wäre ein richtiges Anästhesiemittel«, sagte sie ruhig.

«Das nimmt auch den Schmerz weg, das Morphium.«

«Aber nicht so gründlich, daß der Doktor nachher nichts spürt. Wenn ich in die Wunde gehe.«

«Was wollen Sie?«fragte Cornell entgeistert.

«Ich will versuchen, zu operieren. Die Wunde bis in die Tiefe säubern.«

«Ich werd verrückt!«sagte Hendricks leise.»Bernie, das Mädchen zeigt uns, was für Waschlappen wir sind. Monika, ich sage nie mehr ein schiefes Wort über Sie!«

Es dauerte über eine Stunde, bis Monika und Cornell die Wunden so gesäubert hatten, daß sie dicke Mullkompressen darüberlegen und mit dem Verbinden beginnen konnten. Das Morphium wirkte. Blandy verhielt sich still, obwohl Monika mit Skalpell und Schere die Wunden anging, Muskelfetzen abtrennte und Splitter einer zertrümmerten Rippe herausholte. Dann stäubte sie alles mit Penicillinpuder ein, injizierte eine hohe Dosis Antibiotika und kontrol-lierte mit dem Membranstethoskop Blandys Herzschlag und Atmung.

Zweimal kamen auch noch die Eskimos ins Zelt. Sie standen still herum, beobachteten wortlos, was die fremden Männer mit dem Verletzten taten, nickten ein paarmal zustimmend bei Monikas schnellen Handgriffen und gaben Laute von sich, die wie ein Grunzen klangen. Als sie das drittemal ins Zelt kamen, war Blandy gerade verbunden und schlief röchelnd, von dieser Welt genommen, solange das betäubende Morphium wirkte. Monika kontrollierte Blan-dys Atmung.

Die Eskimos brachten einen Tontopf mit, stellten ihn vor Blandys Füße und sagten etwas mit ihren hellen Stimmen. Dabei zeigten sie auf Blandy und machten die Zeichen des Einschmierens. Cornell tauchte den Zeigefinger in den Tontopf und zog ihn wieder heraus. Eine breiige, zähe Flüssigkeit klebte daran. Er roch an dem Brei und verzog das Gesicht.

«Das stinkt bestialisch!«sagte er.»Wie faule Eier und ranzige Butter zusammen. Damit sollen wir den Doc einschmieren?«

«Wenn's hilft, Bernie. «Monika schnupperte an dem Topf. Es roch wirklich abscheulich.»Die alte Volksmedizin ist oft besser als die modernste Chemie!«Sie deutete auf den Topf und dann auf den röchelnden Blandy, nickte und lächelte. Die Eskimos lächelten auch und verließen das Zelt. Cornell breitete eine Decke über Blandys nackten Körper.

«Jetzt haben wir drei Schlitten«, sagte Cornell und zündete sich mit bebenden Fingern eine Zigarette an.»Wenn das Wetter so gut bleibt, könnten wir VENUS XI in vier Tagen erreichen. Ob unser Doc transportfähig sein wird?«

«Das wird sich morgen zeigen. «Monika schob einen zusammenklappbaren Hocker heran und setzte sich zu Blandy.»Und wenn nicht, Bernie — was sollte Sie abhalten, aufzubrechen?«

«Ich laß unseren Doc nicht allein zurück! Nie! Wie können Sie so etwas denken, Monika?«

«Ich bleibe bei ihm, Bernie.«

«Das ist absoluter Blödsinn!«

«Sie werden versuchen, mit den Schlitten und meinen Freundinnen diese Radarstation zu erreichen. Der Doc, ich und vielleicht vier Männer — sie sollten sich freiwillig melden, Bernie — bleiben bei mir. Gelingt es Ihnen, VENUS XI zu erreichen, können Sie uns von dort mit Motorschlitten sofort abholen. Es sind, grob gerechnet, acht Tage. Glauben Sie nicht, daß wir hier noch acht Tage aushalten? Das meiste Material bleibt ja bei uns.«

«Es ist unmöglich!«Cornell schüttelte den Kopf.»Wir machen es genau umgekehrt. Hendricks und ihr Mädchen zieht mit den Hundeschlitten los, und ich bleibe mit ein paar Mann beim Doktor.«

«Damit ist ihm nicht geholfen, daß einer neben ihm sitzt und ihn traurig anschaut«, sagte Monika hartnäckig.»Was machen Sie, wenn er hohes Fieber bekommt? Eisstücke auf die Stirn legen, was? Oder Wadenwickel — «

«Sie werden mir heute und morgen die nötigen Handgriffe erklären, Monika«, entgegnete Cornell.»Und Sie werden mir die Medikamente zurechtlegen, die ich brauche. Und Sie werden mir zeigen, wie man spritzt. Ich übe das an meinem Seesack. Nur acht Tage, haben Sie gesagt? Glauben Sie, ich könnte unsern Doc nicht acht Tage versorgen?«

«Bernie, Sie wissen genau, welchen Unsinn Sie da reden!«

«Okay!«Cornell zog hastig an seiner Zigarette.»Dann bleiben wir alle!«

«Warum muß ein Mann, sobald er eine Uniform trägt, ein sturer Büffel werden? Da sind vier Mädchen, die Sie retten müssen. Denken Sie nicht an Joan? Lieben Sie Joan nicht? Und Ihre Männer, was soll aus ihnen werden?«

«Wir sind Kameraden. Wir lassen keinen zurück!«

«Mein Gott, ihr fahrt doch nur voraus! Ihr holt uns doch ab!«

«Ist das so sicher, Monika?«

Sie sahen einander in die Augen. Was ist, wenn ein neuer Sturm alle Möglichkeiten zerstört, zurückzukommen? Wenn auch die Eskimos es nicht mehr schaffen, denn sie kennen dieses Land und seine mörderischen Stürme.

«Wir haben Zeit bis morgen«, sagte Cornell stockend.»Es ist alles viel einfacher, wenn Blandy transportfähig ist.«

Er ging hinaus und traf auf Hendricks, der mittlerweile zum Beobachtungsstand gegangen war.»Sieh dir das an«, sagte er begeistert.»Die Russen werden nie auf den Gedanken kommen, daß hier Amerikaner sind.«

Die Eskimos standen vorn am Felsen und starrten hinunter auf das stählerne Ungeheuer, das bewegunglsos im Meer lag. Auf dem russischen U-Boot wimmelte es jetzt von Menschen… der Turm war dicht besetzt, und eine Menge Ferngläser waren auf die Eskimos gerichtet.

Da niemand den Eingeborenen erklären konnte, daß die Menschen auf dem merkwürdig geformten Schiff andere Menschen waren als die hier oben und keiner etwas von dem anderen wissen durfte, winkten die Eskimos zu den Russen hinab, und die Russen winkten mit Signalflaggen zurück.

«Nett!«sagte Hendricks hinter der Eismauer.»Direkt familiär. Die Eskimos sind Gold wert! Wenn wir morgen aufbrechen, glauben die Russen, ein ganzer Eskimostamm ist auf der Wanderschaft.«

«Wenn wir losziehen können, Hendricks. «Cornell beobachtete die Russen. Aus dem Hinterdeck fuhren zwei Vierlingsraketenwerfer heraus und schwenkten nach allen Richtungen. Die Russen probierten in aller Ruhe ihre Waffensysteme durch, völlig sicher, daß sie allein und unbeobachtet waren. Ein paar Eskimos… für sie war das alles ohne Bedeutung.

«Der Doc?«fragte Hendricks.

«Morgen wissen wir mehr. Vielleicht teilen wir uns in zwei Gruppen.«

«Alle — oder keiner, Bernie!«sagte Hendricks hart.»Das ist doch klar!«

«Für mich ja!«Cornell trat von der Eismauer zurück. Die Eskimos winkten noch immer zu den Russen hinunter. Sie waren von Natur aus freundlich und gutmütig. In diesem Lande ist jeder des anderen Bruder, sonst kommt er um. Die Natur kennt keine Gnade.»Und die Mädchen?«

«Sie müssen auch durchhalten.«

«Sie müssen es nicht, Hendricks! Mit welchem Befehl sind wir an Land geschickt worden?«

«Die Mädchen sicher zu VENUS XI zu bringen.«, antwortete Hendricks gedehnt.»Aber da konnte keiner ahnen, daß unser Doc — «

«Es geht um die Mädchen!«sagte Cornell unnachgiebig.»Alles andere wollen wir vergessen.«

Er biß sich auf die Unterlippe und wandte sich ab. Langsam ging er zu dem großen Zelt zurück. Ob Blandy hier herumliegt oder dick in Fellen eingewickelt auf einem Schlitten fährt, das bleibt sich doch gleich, dachte er. Wie's morgen bei ihm auch aussehen mag. wir nehmen ihn auf jeden Fall mit!

Die vollkommene Ruhe, das Herumschleichen auf Strümpfen, das Flüstern, das Herumsitzen oder Herumliegen, das verdammte Nichtstun, die Ungewißheit, was werden soll — das alles zerrte an den Nerven und zermürbte auch die stärksten Naturen.

Leutnant Surakki berichtete von den einzelnen Stationen.»Die Stimmung ist miserabel, Sir«, sagte er.»Nicht bloß, weil über uns der Russe liegt.«

«Sondern?«Commander Nicholson lag auf seinem schmalen Bett und las Hemingway.

«Die Mädchen, Sir.«

«Die sind in Sicherheit. Denen geht es jetzt besser als uns, Surakki.«

«Das sagen Sie, Sir, und ich glaube es. Aber die Mannschaft glaubt es nicht. Porter rennt von Station zu Station und hetzt die Leute auf. Er behauptet, daß VENUS XI gar nicht unterrichtet werden könnte.«

«Das stimmt«, sagte Nicholson trocken, und Surakki atmete einmal tief durch.

«Sir. Porter ignoriert seine Degradierung völlig. Jack kann mich am Arsch lecken, sagt er zu jedem, der ihn darauf anspricht.«

«Den Gefallen werde ich ihm nicht tun. «Nicholson legte das Buch weg.»Aber wenn er unbedingt will, stecke ich ihn in Arrest. Von mir aus auch nach guter alter Navy-Art in Ketten. ich werde es verantworten können. «Er schob die Beine aus dem Bett und setzte sich. Er ist alt geworden, dachte Surakki plötzlich. Oder wir haben den Commander nie richtig betrachtet. Er hat ein Gesicht wie aus grauem Stein gehauen. Er weiß auch nicht, wie es weitergehen soll. Er weiß nur eins: Solange der Russe über uns liegt, sind wir tot. Und drüben an Land warten Cornell und die Mädchen auf die Motorschlitten von VENUS XI, die nie ankommen werden. Wenn das einem Mann nicht zusetzt.

«Wo ist Porter jetzt?«

«Ich weiß es nicht. Zuletzt war er bei Chief McLaren und hat ihn zu überzeugen versucht, daß man Sie, Sir, ebenso kaltstellen sollte wie den Commander der CAINE. Auch Sie seien wahnsinnig, sagt er.«

«Und was sagt McLaren?«

«Er drohte Porter einen Tritt in die Weichteile an«, sagte Surakki, McLarens Drohung weniger ordinär erklärend.»Auch bei ChiefCol-lins flog er raus. aber bei den Mannschaften kommt Porter an! Und die sind in der Mehrzahl, Sir.«

«Einem großen Maul wird immer applaudiert. So ist das eben, Su-rakki!«sagte Nicholson resigniert.»Der Mensch ist ein absurdes Wesen. Er muß angebrüllt werden, um zu verstehen. Leise Argumente überhört er, oder er belächelt sie. Aber schreit man sie ihm ins Hirn, dann glaubt er sie. Haben Sie sich noch nie überlegt, warum erfolgreiche Politiker auch meistens eine kräftige Stimme haben? Man muß Argumente nicht hersagen, man muß sie einhämmern können! Zerbrechen Sie sich jetzt nicht den Kopf, warum der Mensch so blöd ist. Er ist es eben, Surakki. Er sieht es oft sogar selbst ein, aber bei der nächsten großen Fresse, die ihn anbläst, begeistert er sich wieder bis zur Perversion. «Nicholson zog dicke Wollsocken über seine Füße und griff nach seiner Mütze.»Was würden Sie in meiner Lage tun, Surakki?«

«Ich weiß nicht, Sir. Ich… ich bin ja kein Commander.«

«Aber Sie wollen später einmal einer werden! Sie sind vierundzwanzig Jahre alt?«

«Ja, Sir.«

«In diesen Jahren lag ich mit einem Schnellboot bei Korea und stand vor der Entscheidung, zu schießen oder wegzulaufen. Neun feindliche Dschunken hatten mich umringt. Ich hätte sie alle versenken können. Notwehr, das hätte sich leicht konstruieren lassen. Und ich sagte mir, wenn du jetzt die Herausforderung annimmst, denn du bist ein Offizier mit Ehre, wird der Russe nicht stillhalten. Er wartet nur darauf. Und da begannen die Dschunken, auf mein Schnellboot zu schießen.«

«Und was haben Sie getan, Sir?«fragte Surakki verkrampft.

«Ich bin weggelaufen! Ich habe selbst meine Ehre beschissen, weil ich wußte, daß im anderen Fall die Welt in einen ungeheuren Konflikt gestürzt wird. «Nicholson lächelte bitter.»Ich habe für dieses Weglaufen sogar einen Orden bekommen. Und was ist jetzt, Surakki? Über uns liegt ein russisches U-Boot. Drüben an Land sind die Mädchen und sechzehn Kameraden von uns. Darunter mein Freund Blandy. Was ist mehr wert: Unsere POSEIDON I oder die da drüben?«

«Porter erzählt jedem, daß es das beste wäre, die Russen mit einem unserer Spezialtorpedos zu versenken. Ruck, zuck, sagt er, und der Weg ist frei. Wir können alle wieder an Bord nehmen. Wir haben keine Zeugen. Für die Russen wird es ein unerklärlicher Unglücksfall sein! Und wenn sie noch melden können: Man hat uns versenkt — wer will nachweisen, wer das gewesen ist?«Surakki zog die Schultern hoch.»Das sagt Porter, Sir — «

«Und die dämlichen Hunde glauben es! Mein Gott, ich habe geglaubt, dreihundert Elitesoldaten an Bord zu haben. es sind doch nur dreihundert arme Säcke!«

Nicholson stand auf und tappte auf seinen dicken Wollsocken zur Tür. Surakki trat zur Seite, er stand im Weg.»Haben Sie noch Befehle, Sir?«

«Ja. Kommen Sie mit. Wir gehen in den Sonarraum. Und dann kümmern wir uns um Jimmy Porter!«

«Sie wollen ihn verhaften, Sir? Der Kerl schlägt um sich. Sie sollten mit vier Mann an ihn rangehen!«

«Sehe ich so schwächlich aus, Surakki?«

«Wenn er losbrüllt, macht bei den Russen das Sonar einen Luftsprung!«

«Genau das will ich verhindern.«

«Und womit, Sir?«

«Das weiß ich noch nicht. «Nicholson lächelte dem betroffenen Su-rakki ermutigend zu.»Das ist es, was man mitbringen muß: im richtigen Augenblick das richtige Denken und Tun! Aber ich geb's ehrlich zu, bei mir ist der richtige Augenblick noch nicht gekommen.«

Der Sonarraum war voll besetzt. Er war jetzt die wichtigste Station auf dem Boot. Oberleutnant Hynes leitete die Spezialisten, die mit allen Geräten die Russen im Griff hatten. Hynes wollte aufspringen, als der Commander eintrat, aber Nicholson winkte ab.

«Bleiben Sie hocken, Hynes«, sagte er freundlich.»Was machen die Roten Brüder?«

«Sie machen einen Lärm, der unbeschreiblich ist, Sir. Ich möchte schwören, daß sie ihre Sonare gar nicht besetzt haben.«

«Das könnte ein Meineid werden, Hynes. Darauf verlasse ich mich nicht. «Er setzte sich neben den Oberleutnant auf einen festgeschraubten Hocker und betrachtete die lautlos schreibenden Nadeln, die hohe Zacken auf das Papier zeichneten. Daneben tickte der Computer, der nach dem Sonarecho die genaue Position des Russen ausrechnete. Es waren konstante Zahlen. das sowjetische U-Boot lag ruhig auf einer Stelle.»War Porter auch schon hier?«

«Ganz kurz. «Hynes blickte schnell zu Surakki. Der nickte kaum merkbar.»Ich habe zu ihm gesagt, geh raus oder ich trete dich vor den Sack! Porter ist nicht mehr normal, Sir. Ich habe mir das schon überlegt, aber ich komme da nicht weiter. Wie kann man ihn überwältigen, ohne daß es einen Riesenkrach gibt? Ein Strumpf, mit nassem Sand gefüllt, und dann — ssst — über seinen Schädel. Aber ich befürchte, daß Porter das übersteht. Der hat einen Kopf wie Eisen.

Und totschlagen können wir ihn auch nicht. Chief Collins meint allerdings, das wäre das sicherste Mittel, um — «

«Auch Totschlagen macht Lärm, Hynes!«Nicholson nahm das Mikrofon und drückte am Schaltpult auf den Knopf TORPEDORAUM.»Porter?«fragte er.

«Wer ist da?«sagte Porter. Da er flüstern mußte, klang seine Stimme heiser und wie gepreßt. Nicholson zog die Augenbrauen hoch. Daß es gleich beim erstenmal klappte, machte ihn nachdenklich.

«Hier spricht der Kommandant.«

«Doch nicht etwa Jack, der Verrückte?«

«Genau der, Jimmy. Hör einmal zu.«

«Ich denke nicht daran!«antwortete Porter.»Wenn jetzt einer zuhört, bist du es, Jack! Als wir auf dein Boot kamen, wußten wir, wer du bist! Dein Ruf in der Navy flog dir voraus. Der frißt Eisen zum Frühstück, Stahl zum Mittag und Raketenplatin zum Abend. Und wenn er scheißt, werden's Granaten! Gut, haben wir uns gesagt, wenn das Ding, das wir herumschaukeln sollen, wirklich ein solches Geheimnis ist, dann muß so ein Kerl das Kommando haben. Und wir waren irgendwie stolz, daß wir dazugehören. Aber das ist jetzt vorbei, Jack! Du haust fünf Mädchen und sechzehn von unseren Freunden in die Pfanne, nur weil dir der Arsch zuckt vor Angst. Da machen wir nicht mehr mit! Die Mehrzahl von uns ist sich einig, daß du abgelöst wirst.«

«Wo ist die Mehrzahl, Porter?«Nicholson schob die Mütze in den Nacken, ihm wurde plötzlich unerträglich heiß.»Wenn ich gleich einen Rundspruch loslasse, hast du keinen einzigen Freund mehr im Boot!«

«Weil das alles Arschlöcher sind!«sagte Porter. Es klang gespenstisch. Er flüsterte, aber was er sagte, sollte eigentlich mit voller Stärke herausgebrüllt werden.»Gut! Ich stehe allein! Aber ich bin nicht allein! Ich habe hier sechs Torpedos mit Atomköpfen bei mir. Du weißt, Jack, welche Wirkung sie haben. Ich bin ganz allein im Raum! Ich habe die anderen hinausgeschmissen und das Schott von innen zugedreht und gesichert. Ich bin allein mit meinen Torpedos! Ich wer-de jetzt die beiden Rohre laden und die elektronischen Zielsucher einschalten.«

«Das schaffen Sie nie allein, Porter«, sagte Nicholson ruhig.

«Spielend, Jack!«Porter lachte.»Die Spargel liegen ja schon auf den Schlitten. Das hast du schön hingekriegt, Jack, mit deinem kriegsmäßigen Alarmtauchen! Ein Fingerdruck, und die Torpedos gleiten wie schwerelos in die Röhren. Wir sind technisch der Zeit voraus, und das sind genau deine Worte, eiserner Jack!«

Hynes hielt seine Hand über das Mikrophon. Er war bleich, wie ausgeblutet.»Sie müssen ihn herauslocken, Sir«, flüsterte er.»Dann kriegen wir ihn! Auch auf die Gefahr hin, daß es Lärm gibt. Der Kerl lädt wirklich die Rohre.«

«Das tut er!«Nicholson machte sein Mikrophon wieder frei. Im Lautsprecher hörte man deutlich Porters schweren Atem.»Porter?«

«Jack! Ich stelle ein Ultimatum!«

«Wir sollten darüber reden, Porter. Über alles. Kommen Sie zu mir.«

«Das ist ein uralter und fauler Trick! Wer soll noch darauf hereinfallen! Kaum bin ich draußen, bekomme ich eins über den Schädel!«

«Ich garantiere Ihnen freie Bewegung, Porter. Zu mir, und wieder zurück zu Ihnen. Genügt das?«

«Nein! Komm mir jetzt bloß nicht mit dem dämlichen Offiziersehrenwort. Ich weiß genau, daß in einer Notlage Versprechungen leeres Gerede sind. Und Ehrenworte sind soviel wert wie eine Tüte mit Pisse! Ich bin ein alter Hase, Jack! Neunmal dekoriert. nur dreimal weniger als du! Mich legt ihr nicht aufs Kreuz! Willst du mein Ultimatum hören?«

«Bitte«, sagte Nicholson geradezu höflich.

«Wir schießen die Russen ab und holen unsere Leute zurück ins Boot.«

«Noch besser, wir schießen die Russen ab und tauchen auf, rufen VENUS XI, und alles läuft wie geplant«, sagte Nicholson ruhig. Hynes und Surakki starrten ihn an, als spreche ein Gespenst. Auch Porter schien es die Stimme verschlagen zu haben.

«Das geht auch, Sir.«, stotterte er endlich.»Natürlich geht das!«

«Es geht nicht, Porter!«Nicholsons Stimme wurde scharf.»Ich wollte mich nur überzeugen, wie verrückt Sie sind!«

«Du Miststück!«sagte nun auch Porter lauter.»Du hinterhältiger Hund! Nun hör einmal genau zu: In zwei Stunden gibst du den Befehl, daß ich den roten Hebel runterdrücke, oder ich frage dich nicht mehr und tu es allein! Wer will mich daran hindern!«

«Keiner!«

«Hier kommt keiner rein! Oder wollt ihr das Schott aufsprengen? Das hört der Russe bestimmt! Dann sind wir alle im Eimer. Ist das klar?«

«Völlig klar, Porter!«sagte Nicholson eisig.

«Ich habe jetzt das Boot in der Hand. Ich bin allein mit meinen Torpedos! Jack, du und deine Offiziere und alle müssen tun, was ich sage! Wer ist nun der Kommandant, he?«

«Eindeutig Sie, Porter!«

«In zwei Stunden, Jack.«

«Okay.«

«Wie fühlst du dich?«

«Beschissen! Aber das geht Sie nichts an, Porter!«

Nicholson schaltete aus. Vorsichtig, als sei es aus dünnem Glas, legte er das Mikrophon auf den Schalttisch zurück. Hynes, Surakki und alle anderen im Sonarraum starrten den Commander entsetzt an. War das möglich? Jack Nicholson kapitulierte vor einem Irren! In zwei Stunden schoß man den Russen ab?

«Das. das ist doch nicht Ihr Ernst, Sir?«stotterte Hynes.

Nicholson lehnte sich zurück und blickte auf die Instrumente. Nach den Aufzeichnungen mußten die Russen da oben ein rauschendes Fest feiern.»Es war ein Fehler der Navy«, sagte er.»Ich kenne Porters Personalakte. Im Vietnamkrieg, beim Landgang in Danang, geriet er in einen Luftangriff und war fünf Stunden in einem Erdbunker verschüttet. Keine Folgen, keine Spätschäden. Man hat ihn durch und durch getestet. Und da er einer der besten Torpedomaate der Navy ist. «Nicholson hob die Schultern.»Er ist zu uns gekommen.

Okay. Aber irgendwo in diesem Gehirn müssen diese fünf Stunden Lebendigbegrabensein doch Löcher hinterlassen haben. Keine testbaren Schäden im seelischen Bereich, die plötzlich das ganze Wesen verändern. Und jetzt ist es soweit. Was ist Wahnsinn? Wie entsteht er? Darüber kann uns keiner etwas Konkretes sagen. Wir sehen ihn nur — «

«Und was soll nun geschehen, Sir?«Hynes wischte sich übers Gesicht.»In zwei Stunden drückt dieser Irre ab!«

«Das ist sein Fehler, Hynes«, sagte Nicholson und stand auf.»Diese zwei Stunden Wartezeit sind ein Fehler! Hätte er sofort abgedrückt… wir wären hilflos gewesen. Aber in zwei Stunden kann uns noch manches Gute einfallen.«

Er grüßte und schlich auf seinen dicken Wollsocken aus dem Sonarraum. Erst als er hinter sich die Tür geschlossen hatte und sah, daß er allein im Gang war, lehnte er sich gegen die Wand und schlug die Hände vors Gesicht.

Zwei Stunden! Zwei lange Stunden auf ein Wunder warten!

Ein hilfloser Mensch ist ein erbärmlicher Anblick.

Der nächste Morgen zwang Oberleutnant Cornell, seine Entscheidung zu treffen.

Dr. Blandy war nicht transportfähig. Er war nicht einmal fähig, richtig zu leben.

In der Nacht hatte sich sein Zustand verschlechtert. Das hohe Fieber kam zurück trotz großer Antibiotikadosierungen, sein Körper glühte und zitterte zugleich, als läge er auf Eis. Der Herzschlag begann zu rasen, es war wie ein Trommelwirbel, wenn Monika das Stethoskop ansetzte und ihn abhörte.

Noch schlimmer war es, als sie gegen Morgen die Verbände wechselten. Die Wunden waren verquollen, aufgetrieben, als hätte der Penicillinpuder überhaupt keine Wirkung gehabt. Die Wundränder leuchteten rot und irgendein übelriechendes Sekret floß aus dem zerfetzten Fleisch.

Monika säuberte die Wunden, spritzte noch einmal Morphium, als Blandy zu stöhnen begann. Dann plötzlich sah sie den Tontopf der Eskimos, den Cornell weggetragen hatte, weil die Salbe zu sehr stank. Cornell schüttelte den Kopf.

«Ich täte es nicht, Monika«, sagte er.»Wenn kein Penicillin hilft.«

«Erwarten Sie keine Blitzheilungen, Bernie! Es dauert noch ein paar Tage, und dann sehen die Wunden anders aus.«

«Glauben Sie daran?«

«Ja. «Sie streute wieder Penicillinpuder in die Wunden und legte frische Kompressen auf. Die Blutungen waren zum Stillstand gekommen, aber anscheinend nur deshalb, weil die Entzündung die Blutgefäße abdrückte.»Suchen Sie fünf oder sechs Freiwillige aus, Ber-nie, und nutzen Sie das gute Wetter. Slingman will auch bleiben. Er war vorhin hier. Ich bin froh. Er ist ein ungeheuer starker Kerl, der uns viel helfen kann.«

«Von was sprechen Sie eigentlich?«fragte Cornell heiser.

«Sie müssen aufbrechen, Bernie!«

«Irrtum! Wir bleiben alle! Ich habe in der Nacht noch eine Umfrage gestartet. Einstimmig. Wir bleiben!«

«Das dürfen Sie nicht, Bernie!«Monika sprang auf.»Mit den Hundeschlitten können Sie endlich die Radarstation erreichen! Was Sie jetzt hier praktizieren, ist kein Heldentum, sondern Dummheit! Sie müssen die Chance wahrnehmen! Und wir müssen das Risiko tragen, ganz gleich, ob Sie uns nachholen, oder ob die Sache mißlingt!«

«Wir haben in der Nacht alles durchgesprochen, Monika. Es bleibt dabei. Wir warten, bis der Doc transportfähig ist! Zelt 1 verzichtet auf die Gasheizung und wird sich nur mit den Pelzen wärmen. Sobald das Fieber weg ist, laden wir Blandy auf einen Schlitten, und ab geht's! Wir haben den Eskimos das alles mit Zeichen erklärt, und ich glaube, sie haben es auch begriffen. Es sind intelligente Burschen. Sie begreifen sogar, daß die Menschen unten auf dem komischen Schiff mit uns nichts zu tun haben. Yenkins hat das Kunststück fertiggebracht. Er könnte glatt eine Pantomime spielen.«

«Sie reden, reden und reden, Bernie. Aber alles, was Sie sagen, ist nur, um mich abzulenken! Mein Gott, Sie haben doch die Wunden gesehen! Blandy wird in den nächsten Tagen noch nicht transportfähig sein!«

«Dann warten wir eben.«

«Aber der Himmel wartet nicht!«schrie Monika.»Wenn der nächste Sturm kommt.«

«Wer hat da eben etwas von Risiko gesagt?«

«Aber nicht für alle!«

«Hier geht keiner in den Schlitten, wenn er weiß, daß Sie und der Doc und sechs andere zurückbleiben!«Cornell setzte sich auf einen Klappstuhl und sah den im Morphiumschlaf röchelnden Blandy an.»Keiner!«

«Und wenn wir dann alle krepieren?«

«Dann ist auch das eine gemeinsame Sache«, sagte Cornell entschlossen.»Ich habe da nur einen einzigen Vorschlag zu machen. Sie zeigen mir alles, und ich bleibe bei unserem Doktor. Vielleicht wäre es dann möglich, daß wir uns teilen, und die größte Gruppe bringt Sie und Ihre Freundinnen zur Radarstation. Sie werfen mir immer dieses dämliche Heldentum vor… aber sagen Sie mir bloß, warum wollen eigentlich Sie eine Heldin sein?«