171325.fb2 Alarm! -Das Weiberschiff - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 13

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Kapitel 13

Sie blieben nicht dreißig Tage unter Wasser, sondern genau dreiundneunzig Tage! Die Befehle, die vom Admiral bei der POSEIDON I eintrafen, warfen alle bisherigen Pläne um, stellten neue Aufgaben, zermürbten Offiziere und Mannschaften und jagten sie bis an die äußerste Grenze menschlicher Möglichkeiten.

«Ich habe so etwas erwartet«, sagte Nicholson zu seinen Offizieren, als der Befehl eintraf, unter dem Eispanzer des Nordpols zunächst drei Wochen liegen zu bleiben und die ganze Skala durchzuspielen, die bei einer Versenkung des Bootes zur Lebensrettung nötig war. Dazu gehörte das Aussteigen aus dem U-Boot mit den Tauchrettern, eine unter normalen Umständen einfache Sache. Man legt die Schwimmwesten und Atemmasken an, versammelt sich in den Fluträumen und steigt durch die geöffneten Deckluken auf. An der Meeresoberfläche angekommen, werden die automatisch aufblasbaren Schlauchboote und Rettungsinseln freigegeben, und theoretisch bist du damit gerettet, weil dich irgendeiner bei Gelegenheit auffischen wird.

Aber unter dem Nordpol gab es kein Oben. Wo oben war, lag die dicke Eisdecke, ein meterbreiter Panzer, ein undurchdringlicher Sargdeckel.

Gehorsam übten die Männer der POSEIDON I das Überleben. Es bestand darin, in die Eisdecke ein Loch zu sprengen und durch dieses an die Luft zu kommen. Sie versuchten es zwölfmal, bis es ihnen gelang, das Eis aufzureißen. Leutnant Surakki stieß als erster durch das Loch und kletterte ans Licht. Trotz der grausamen Kälte schwitzte er in seinem mittels Batterien geheizten und unförmig aufgeblasenen Tauchanzug.

«Wir sind durch, Sir!«meldete er mit seinem Funkgerät.»Sieht alles aus wie ein grenzenloser Tisch. Glatt, weiß, ein Anblick zum Weinen. Mir ein Rätsel, wieso die Forscher so wild darauf sind, hier herumzukurven.«

«Warum klettern andere auf den Himalaja?«fragte Nicholson zurück.

«Genauso blöd, Sir!«

«Machen Sie ein Foto von dem Loch im Eis und kommen Sie dann zurück, Surakki.«

«Aye, aye, Sir.«

Es kletterten noch sieben Mann aufs Nordpoleis. Sie bauten sich neben dem Sprengloch auf, hakten sich unter und grinsten breit in die Kamera. So ein Foto gibt's nicht alle Tage, Boys! Wer hat schon außer uns ein Loch in den Nordpol gesprengt? Das ist ein Foto, genauso wichtig wie die Mondaufnahmen vom lieben Armstrong, nur kann man hier nicht schwerelos herumhüpfen. Man tanzt höchstens vor Frost.

Commander Nicholson meldete den Erfolg nach Norfolk. Der Admiral war nicht da, aber nach vier Stunden, als alle wieder längst an Bord waren und sich bei heißem Tee aufwärmten, hörte Nicholson wieder die vertraute, bald gütige, bald unerbittliche Stimme von >Papa Lewis<.

«Das haben Sie sehr gut gemacht, Commander«, sagte er ziemlich trocken.

«Wir sind jetzt dabei, genaue Meßdaten zu sammeln, Sir. «Nicholson schloß die Augen. Er war allein in seinem Kommandoraum, niemand sah ihn jetzt. Warum sagt er nichts von den Mädchen, dachte er. Warum tut er so, als gäbe es sie nicht? Sie müssen längst wieder in den Staaten sein, von VENUS XI ausgeflogen mit den nächsten Versorgungsmaschinen. Er weiß jetzt alles, man könnte frei darüber reden… aber er schweigt. Nur diese neuen Übungen, die Verlängerung der Tauchfahrt, das ist typisch Adam. Das ist seine Art von Strafexerzieren, und er hat es bei der Marineleitung ohne Schwierigkeiten durchgesetzt mit der Begründung, daß gerade diese neueste Geheimwaffe der USA bis an die Grenze von Material und Menschen erprobt werden müsse.

«Wir werden am neunzehnten wieder in Norfolk sein, Sir«, sagte Nicholson leichthin. Dann wartete er auf einen neuen Befehl, der alles wieder umwarf. Aber Adam schien seine Strafe abgehakt zu haben. Der dicke Brocken kam erst an Land, auch wenn man jetzt mit keinem Wort darüber sprach.

«Sie bleiben auf Tauchfahrt, Nicholson, bis sie vor dem Bunker sind. Erst im inneren Bereich von Becken V tauchen Sie auf. Ich erwarte Sie um genau drei Uhr fünfzehn morgens im Bunker.«

«Verstanden, Sir. Noch weitere Befehle?«

«Nein! Sie machen jetzt weiter nach Plan L. «Nicholson wartete, aber auch der Admiral schien zu warten. Er muß doch etwas sagen, dachte Nicholson. Er muß doch sagen: Cornell und die an-dern gut angekommen! Mehr nicht. Das hätte genügt. Dann weiß ich, daß auch Monika gerettet ist. Admiral, warum sind Sie so hart? Sie wissen jetzt doch längst, daß ich Monika liebe. Sie hat es Ihnen gesagt… wenn sie mit den anderen durchgekommen ist! Wenn.

«Ist noch etwas, Nicholson?«fragte der Admiral kühl. Es war wieder die Stimme, mit der man nicht diskutieren konnte.

«Nein, Sir«, antwortete Nicholson tief atmend.»Weiter nach Plan L.«

Am Abend erschienen Chief Collins und Chief McLaren bei Nicholson. Das Abendessen war vorüber, in der Offiziersmesse spielten Surakki und Fairbanks Karten und Hynes schrieb in seinem Tagebuch, das niemals von Bord gehen durfte, sondern kurz vor dem Einlaufen in Norfolk vernichtet werden mußte, wie Nicholson verkündet hatte. Trotzdem trug Hynes gewissenhaft alles ein — ein Verzweiflungsakt gegen die Langeweile.

In der Unteroffiziersmesse fand ein Lichtbildervortrag über die Südsee statt; auch das geradezu idiotisch, wenn man unter dem Ewigen Eis hockt. Die Mannschaften lagen in ihren Kojen oder spielten Karten — die Wachen ausgenommen. Langsam fuhr die POSEIDON I unter dem Eis in Richtung zum Kanadischen Becken, sicher geleitet von den mit den Navigationsdaten gespeicherten Computern.

«Ihr wollt wissen, was der Alte gesagt hat?«fragte Nicholson, als Collins und McLaren sich gesetzt hatten. Trotz Alkoholverbots hat-ten sie eine Flasche Whisky mitgebracht, guten Bourbon, braungelb und duftend. Nicholson hatte es längst aufgegeben, nachzuforschen, wieviel heimlicher Alkohol an Bord geschmuggelt worden war. Der einzige, der für Alkohol eine Erlaubnis gehabt hatte, war Dr. Blandy gewesen, und auch das nur für medizinische Zwecke. Diesen Vorrat bewachte der Sanitätsmaat Blides wie Goldbarren. Seit Blandys Landgang war er praktisch der Chef des Lazaretts.

«Nichts hat er gesagt!«erwiderte Nicholson nachdenklich.

«Und Sie haben ihn nicht gefragt, Jack?«McLaren entkorkte die Flasche, Nicholson holte drei Pappbecher aus einem Wandschrank.

«Ich war froh, daß wir darüber nicht gesprochen haben. Natürlich mache ich mir Sorgen um den Doktor, um Bernie und alle andern… und um die Mädchen vor allem. «Nicholson hielt seinen Pappbecher hin, McLaren goß ein, und Nicholson trank das scharfe Zeug, als wäre es Limonade.»Ich glaube, Adam hebt das alles auf, bis wir an Land sind. Dann präsentiert er uns die große Rechnung. Sehen wir doch klar. Wir haben alle unsere Aufgaben erfüllt, und trotzdem haben wir auf der ganzen Linie versagt! Es wird bei gewissen Leuten liegen, wie man uns ansieht — wie sture Soldaten oder wie Menschen, die ab und zu auch ein Herz besitzen, trotz Uniform!«

«Das ist bei Ihnen ein ganz neuer Ton, Jack«, sagte Collins. Außerhalb des Dienstes sprachen sie miteinander wie Freunde, das steife >Sir< kam nur auf, wenn aus Nicholson der Commander wurde.»Sie wissen, was man von Ihnen in der Navy sagt?«

«Ein Kerl aus Schrauben, Hebeln, Transistoren und elektronischen Impulsgebern.«

«So ähnlich, Jack. Auf keinen Fall traut man Ihnen eine Gemütsregung zu. Darum steht das Boot auch geschlossen hinter Ihnen, wenn wir wieder in Norfolk sind. Wenn es zu einer Marinegerichtsverhandlung kommt, werden die ihr blaues Wunder erleben.«

«Man wird euch gar nicht fragen«, sagte Nicholson und hielt seinen Pappbecher wieder hin. McLaren goß ihn dieses Mal voll.

«Das werden wir ihnen zeigen!«rief er dabei.»Wir sind drei-hundert Mann!«

«Victor, seien Sie doch vernünftig. «Nicholson lächelte schwach.»Die Navy hat Plätze genug, um dreihundert Mann so zu verteilen, daß jeder für sich dasteht wie ein Wüstenprediger so einsam. Ich danke euch… aber die Geschichte fresse ich allein aus!«

Nach vierundsiebzig Tagen Tauchfahrt, von Grönland aus gerechnet, passierten sie die Baffin-Bay und liefen in die Labrador-See ein. Der Rückweg nach Norfolk lag fast frei vor ihnen. Der Kontakt mit der Basis war jetzt täglich häufiger und so klar, als säße man sich gegenüber. Die POSEIDON I fuhr nur auf Sehrohrtiefe und konnte so die feinen Antennen ausfahren, mit denen es eine Freude war, sich zu verständigen. Manchmal saß ein Commander Hecker in Norfolk am Gerät, einer der wenigen, die über die POSEIDON orientiert waren. Nicholson kannte Hecker von verschiedenen Lehrgängen her, sie waren so etwas wie Freunde und hatten manchmal sogar die Mädchen unter sich ausgeknobelt: Wer kriegt die Schwarze, wer die Blonde? Erlebnisse für eine Nacht. Aber unter Männern festigt so etwas die Freundschaft.

«Sag mal, Hecker«, fragte Nicholson in Abständen von drei Tagen siebenmal.»Gibt es bei euch nichts, was du mir ins Ohr sagen könntest?«

«Nichts, Jack!«Commander Heckers Stimme klang ehrlich.»Was soll ich dir flüstern? Daß in der Kantine sechs neue Mädchen sind, scharf wie Rasierklingen? Das regt dich in deinem Stahlkasten doch nur unnötig auf.«

«Sonst nichts?«fragte Nicholson und kaute an seiner Unterlippe.»Wenn du nicht reden kannst, dann sag nur ja oder nein. Ist was aus Grönland gekommen?«

«Grönland? Wieso Grönland? Was ist denn mit Grönland?«fragte Hecker verwundert zurück.»Hast du 'n Paket Inlandeis unterwegs zur Erinnerung?«

Also nichts, dachte Nicholson. Gar nichts. Hecker würde es mir sagen, er würde es umschreiben, aber ich würde es verstehen. Was war passiert? Waren sie alle auf Grönland umgekommen? Hatten die

Männer von VENUS XI sie nicht gefunden oder waren sie zu spät gekommen? Aber auch dann mußte man etwas wissen, mußte eine Meldung hinausgegangen sein. Es sei denn, die Kerle von VENUS XI hatten den Funkspruch nicht ernst genommen und waren mit ihren Motorschlitten gar nicht losgezogen. Auch das war möglich. Dann habe ich sie alle auf dem Gewissen, dachte Nicholson. Die Mädchen, Bernie Cornell, Dr. Blandy, Hendricks, Slingman, Tamaroo, Puckray, Yenkins und wie sie alle heißen. Kann man mit einem dergestalt belasteten Gewissen weiterleben? Kann man so etwas noch jahrzehntelang mit sich herumtragen?

Es waren die stillen einsamen Abende, da Nicholson in seinem Commanderraum saß — vor seinen geschlossenen Augen Monikas Bild und Gericht mit sich selbst haltend. Er war ein strenger Richter. Er verurteilte sich zum Tode.

Nachdem er das getan hatte, war ihm plötzlich gleichgültig, was später an Land mit ihm geschehen würde.

Pünktlich um drei Uhr fünfzehn morgens, am 19. des Monats, lag die POSEIDON I im inneren Becken V der Basis vor der Einfahrt zu dem nach allen Seiten gesperrten U-Bunker. Im Boot war vorher rein Schiff gemacht worden. Es glänzte bis zur letzten Ecke, als sei es gerade aus einer Poliermaschine gerutscht. Die Mannschaft hatte die Paradeuniform angelegt und wartete auf das Auftauchen. Was hinter ihnen lag, die Monate unter Wasser, die bis zur Grenze des Erträglichen gehenden Übungen, die Meuterei wegen der Mädchen, die Morde — noch immer ungeklärt —, der Irrsinn Porters, die Todesnähe neben dem sowjetischen U-Boot… das alles war jetzt plötzlich so weit weg, war viel weniger nervenzermürbend als diese letzten Stunden der langen Fahrt.

Zu Hause! An Land gehen! Essen, saufen, lieben, schlafen! Links eine Flasche im Arm, rechts ein nacktes Weib, und die geradezu himmlische Gewißheit: Du kannst nicht absaufen, du siehst morgen früh wieder die Sonne, du siehst Bäume und Blumen, Gras und Büsche, du hörst Vögel und Automotoren, unter dir ist feste Erde und über dir ein herrlicher Himmel, und es ist völlig unwichtig, ob die Sonne scheint oder ob es regnet. Boy, du bist daheim! Jetzt endlich begreifst du, was es heißt: Du hast eine Heimat!

«Alles klar zum Auftauchen!«sagte Nicholson in die Sprechanlage. Im Boot klingelte es. Dann kamen die Rückmeldungen.

«Alles klar zum Auftauchen, Sir!«

Nicholson saß am Okular des Sehrohres und blickte hinüber zum Bunker V. Dort brannte kein Licht. Schwarz hob sich der Klotz gegen die Uferanlagen ab. Erst viel weiter weg, ins Land hinein, begannen flackernde Lichter. Eine magere Straßenbeleuchtung. Hier war Sperrgebiet im Umkreis von acht Meilen, mit einem dreifachen Sicherheitsgürtel und Zäunen, starkstromgeladen und absolut tödlich.

«Anblasen!«sagte Nicholson ruhig.

«Aye, aye, Sir!«

Die Preßluft rauschte in die Tanks und preßte das Wasser heraus. Das Boot hob sich zitternd und durchbrach mit dem mächtigen Turm die Wasseroberfläche. Es tauchte auf wie ein Urwelttier mit erschreckender Schönheit.

Dann lag die POSEIDON über Wasser. Nicholson schraubte das Turmluk auf und betrat die Brücke. Surakki und Hynes folgten ihm. Fairbanks hatte das Kommando über die Mannschaften übernommen, die gleich wie zur Parade an Deck sich aufstellen sollten. Der Commander nahm das Telefon aus dem wasserdichten Kasten auf der Brücke.

«Langsame Fahrt voraus.«

«Langsame Fahrt, Sir.«

Vorsichtig, lautlos fast, glitt das riesige Boot auf den Bunker zu. Die Einfahrt gähnte ihnen schwarz entgegen. Aber als sie näherkamen, sahen sie, daß die Betonplattform dort, wo sie gleich anlegen würden, von mattem Licht erhellt war.

«Kommando an Deck!«sagte Nicholson laut.

Die Deckluken klappten auf, die Matrosen in ihrer weißen Paradeuniform stellten sich auf. Am Mast, der aus dem Turm herausgefahren wurde, stieg langsam die amerikanische Fahne hoch. Ganz langsam glitt das Boot in den domhohen Bunker. Nicholson atmete tief auf. Er klammerte sich fest an das Haltegestänge und hielt plötzlich die Luft an. Ein unwiderstehlicher Drang, einfach loszuheulen, stieg in ihm hoch und war kaum zu unterdrücken.

Ganz vorn an der Betonplattform stand allein Admiral Lewis Adam. Aber hinter ihm, zehn Schritte entfernt, standen sie in eine Reihe nebeneinander, auch sie in der weißen Paradeuniform. Und als der Admiral die Hand grüßend an die Mütze legte, schnellten auch ihre Hände empor.

Bernie Cornell… Hendricks… Slingman… Tamaroo… Yenkins… Puckray… Smith… Williams… alle, alle standen sie da und grüßten mit Tränen in den Augen ihr Boot.

«Sir.«, stammelte Surakki hinter Nicholson.»Sir, das ist ein Augenblick, den ich ganz bestimmt nicht vergessen werde.«

Nicholson hob langsam seine Hand an die Mütze.»Halten Sie den Mund, Surakki«, sagte er zwischen den Zähnen.»Oder wollen Sie, daß Ihr Commander losheult?«

Die Maschinen stoppten. Hynes gab die Kommandos. Das Boot kam längsseits der Plattform und stieß leicht gegen die dicken Kunststoffpolster. Vier Matrosen, die aus dem Halbdunkel auftauchten, nahmen die Leinen entgegen, die ihnen zugeworfen wurden. Sie vertäuten die POSEIDON an den Eisenpollern. Dann schoben sie die breite Gangway über das Stahldeck.

Der Admiral setzte sich in Bewegung. Gleichzeitig kletterte Nicholson den Turm hinab. Ein Obermaat der Paradeformation beobachtete aus den Augenwinkeln die Gangway. Beim ersten Schritt des Admirals blies er in seine Trillerpfeife.

Nicholson ging dem Admiral entgegen — hochaufgerichtet die blendende Erscheinung in der Uniform mit den Reihen der Ordensbändchen auf der Brustseite. Meine letzte Meldung, dachte er, und merkwürdig, sie fiel ihm nicht schwerer als jede andere Meldung.

Der Admiral blieb auf dem Deck des Bootes stehen und blickte Nicholson mit seinen grauen Augen ausdruckslos an. Nichts deutete an, was alle erwarteten. Die Trillerpfeife schwieg, Nicholson meldete das Boot nach Erfüllung aller Aufträge zurück. Dann ließ er die Hand sinken und wartete.

«Ich danke Ihnen, Commander!«sagte der Admiral mit lauter Stimme, die jeder verstehen konnte — auch die >Grönländer< auf der Plattform. Nicholson blickte zu ihnen hinüber. Wo mag Paul Blandy sein? dachte er. Warum ist er nicht bei ihnen?

Der Admiral streckte ihm die Hand hin, und mit einem leichten Zögern legte Nicholson seine Rechte hinein. Der Druck war fest und freundschaftlich. Jeder sah es. Surakki holte tief Luft.

«Ich glaube, es geht gut«, flüsterte er Hynes zu.

«Abwarten!«

Der Admiral ließ Nicholsons Hand los.»Sie und Ihre Männer haben eine große Leistung vollbracht. Die Navy ist stolz auf die POSEIDON! Ich danke euch, Männer.«

Er grüßte die Mannschaft noch einmal. Dann wandte er sich ab, und im Wegdrehen sagte er leise zu Nicholson:»Kommen Sie mit, Jack! Über alles andere unterhalten wir uns in meinem Zimmer.«

«Ich verstehe, Sir.«

Nicholson ging dem Admiral nach und verließ sein Boot. Der letzte, der allerletzte Schritt von Bord gab ihm doch einen Stich ins Herz. Damit ist alles vorbei, dachte er. Ich werde nie mehr ein Boot betreten. Noch trage ich meine Uniform, aber in Wahrheit bin ich schon der arbeitslose Jack Nicholson.

Hinter ihm trillerte wieder die Pfeife, als sie von Bord gingen. An der Wand des Bunkers standen die >Grönländer< und blinzelten Nicholson zu. Nur bei Slingman, ausgerechnet bei ihm, diesem schwarzen Kerl, der sonst wie ein Fels stand, zuckte es über das ganze Gesicht. Slingman weinte.

Nicholson warf den Kopf herum, sah zur anderen Seite und verließ drei Schritte hinter dem Admiral durch eine kleine Eisentür die Betonplattform. Zum Boot schaute er nicht zurück. Soviel Kraft hatte auch ein Jack Nicholson nicht.

Die Unterredung unter vier Augen dauerte über zwei Stunden. Der

Admiral sprach in seiner ruhigen väterlichen Art und nicht mit der anderen Stimme, die in der ganzen Navy gefürchtet war. Man muß Nicholson schonen, hatte er sich gedacht. Es hat keinen Sinn, ihn jetzt in Grund und Boden zu stampfen. Was auf ihn niederfällt, ist sowieso ein Orkan, bei dem man kaum auf den Beinen bleiben kann, es sei denn, man ist wie ein Pfeiler in die Erde gerammt.

Nicholson saß wie gelähmt auf dem harten Stuhl vor Adams Schreibtisch. Der Admiral war am Ende seiner Worte und schob Nicholson ein Etui mit Zigaretten hinüber. Nicholson schüttelte nur den Kopf. Alles in ihm war verkrampft.

«Eine Cola täte Ihnen gut, Jack«, sagte Adam väterlich.»Und eine Zigarette auch! Ich weiß, welch ein Schock in Ihnen sitzt.«

«Paul! Paul Blandy… ich komme nicht darüber hinweg, Sir«, sagte Nicholson mühsam.»Wenn ich es nicht aus Ihrem Mund gehört hätte.«

«Die letzte Gewißheit haben wir in einigen Stunden, wenn wir die Fäkalientanks leergepumpt haben. Und warum sollte Blandy in seiner letzten Stunde lügen? Wen sollte er decken? Miß Herrmann hat auch keinen Grund, Blandy vorzuschieben. Ihrem Bericht glaube ich blindlings.«

«Wie… wie geht es den Mädchen, Sir?«fragte Nicholson. Es war die erste zaghafte private Frage. Adam steckte sich eine Zigarette an und sah der ersten Rauchwolke nach.

«Gut! Sie haben den Grönlandmarsch erstaunlich gesund überlebt. Die Männer von VENUS XI haben sie nach zwei Tagen erreicht. Mit den nächsten Maschinen wurden sie dann ausgeflogen. «Adam räusperte sich.»Ich hatte drei Wochen vollauf zu tun, die erregten Väter zu beruhigen und zu verhindern, daß sie ihre weitverzweigten Verbindungen, die bis ins Weiße Haus reichen, ausspielen. Ich habe sie davon überzeugen können, daß Sie als Commander eines so heißen Geheimnisses der Nation gar nicht anders handeln konnten. Wir mußten jetzt auch die Väter und natürlich auch die Töchter unter strengsten Eid nehmen. Sie sind jetzt ein Risikofaktor geworden!«Adam räusperte sich noch einmal, diesmal allerdings ein wenig lauter. Nicholson streckte im Sitzen sein Rückgrat. Jetzt kommt es, dachte er. Endlich kommt es.

«Und das geht auf Ihr Konto«, sagte der Admiral.

«Ich weiß, Sir. Ich stehe dafür ein!«

«Das habe ich nicht anders erwartet, Commander! Was ich bis jetzt weiß, sind die Erzählungen der jungen Damen und die Berichte Ihres Landkommandos. Es sind die Funksprüche von Ihnen selbst. Sie haben mich angelogen. Um mir ein klares Bild zu machen, was da alles passiert ist, müssen erst die Verhöre der Mannschaft, der Offiziere und Ihre Aussagen abgeschlossen werden! Ich glaube, wir werden uns darüber noch unterhalten müssen, Jack.«

«Bestimmt, Sir!«Nicholson stand auf.»Was haben Sie jetzt mit mir vor, Sir?«

«Ich sah mich durch die außergewöhnlichen Ereignisse gezwungen, gewisse Sicherheitsvorkehrungen zu umgehen. «Adams Stimme war vollkommen ruhig, was Nicholson völlig irritierte.»Nebenan, durch diese Tür da, Nicholson, wartet man auf Sie. Es läßt sich nicht vermeiden, Sie verhaften zu lassen.«

«Ich verstehe, Sir. «Nicholson nickte. Seine Mütze klemmte er unter die linke Achsel.»Ich bedanke mich, Sir, für die ehrenvolle Behandlung. Ich war ein Offizier der Navy, und bin es gern gewesen.«

«Das wissen wir, Jack. «Der Admiral deutete zur Tür.»Und nun gehen Sie hinaus, Jack! Über alles Weitere können wir ein andermal sprechen.«

Nicholson drehte sich um. Er atmete tief und verließ das Zimmer. Er hörte noch, wie der Admiral aus dem Cola-Automaten einen Becher abzapfte.

Nicholson hatte noch nie die Verhaftung eines Offiziers erlebt. Er konnte sich auch nicht vorstellen, wie das vonstatten ging. Warteten zwei ranghöhere Offiziere im Nebenraum und lasen einen Haftbefehl vor, oder hieß es bloß: Commander Jack Nicholson, kommen Sie bitte mit! Wie's auch kam: Er drückte die Mütze unter der Achsel fest gegen seinen Körper, betrat den Nebenraum und schloß die Tür. Dann drehte er sich um.

Der Raum — ein kleines Zimmer, fast leer bis auf eine Sesselgruppe und einen runden Rauchtisch — war hell erleuchtet. Und unter der hellen Deckenlampe, genau darunter, leuchteten jene blonden Haare, die Nicholson hier bestimmt nicht wiederzusehen erwartet hatte. Alles verschwamm für einen Augenblick vor Nicholsons Blick, als habe der erste Schock ihm die Sicht verschleiert.

«Monika!«sagte er mühsam.»O Himmel! Monika.«

«Jack.«

Sie lief ihm mit offenen Armen entgegen, fiel ihm um den Hals, küßte ihn, und er preßte sie an sich. Er war aber unfähig, ihre Küsse zu erwidern und dachte immer nur: Wie ist das möglich? Ich bin doch nicht verrückt! Sie ist wirklich da, sie umarmt mich, ich spüre ihre Lippen über meinem ganzen Gesicht, ich fühle den Druck ihrer Brüste gegen meine Brust, ich höre ihre Stimme.

«Monika«, sagte er leise, immer und immer wieder,»Monika. «Und dann küßte auch er sie, und sie blieben unter der grellen Deckenlampe stehen, eng umschlungen, und küßten sich, als wäre dies der letzte Kuß vor dem Gang zum Schafott.

«Hat er's dir gesagt?«fragte sie, nachdem sie sich losließen, um Luft zu schöpfen.

«Wer? Was?«sagte er, völlig im Glück, das ihn beinahe erdrückte.

«Der Admiral. «Sie lachte hell und nahm seinen Kopf zwischen beide Hände.»Du bist verhaftet, Jack! Auf lebenslänglich! Oder glaubst du, ich gebe dich jemals wieder her? Das hast du dir damit eingehandelt, daß du mich aus dem Wasser gefischt hast.«

«Du wirst lange auf mich warten müssen«, sagte er langsam.»Es wird noch viel auf uns zukommen.«

«Der Admiral meint, du könntest mit zwei blauen Augen davonkommen. «Sie lehnte sich an ihn und schlang die Arme um seine Hüften. Er legte sein Gesicht in ihre blonden Haare und atmete ihren Geruch ein wie eine betäubende Droge.»Von den wirklichen Vorgängen wissen nur die Männer im Boot, wir fünf Mädchen und der Admiral selbst. Man wird kein Gericht zusammenrufen, weil alles so schrecklich geheim ist. Es gibt Dinge, sagt der Admiral, die kennt man, und man vergißt sie wieder, ehe sie sich im Kopf festsetzen. Er ist ein fabelhafter Mann, Jack!«Sie küßte ihn wieder, und ihre sonst so kritischen blauen Augen waren wie verwandelt durch Zärtlichkeit und Glück.

«Komm«, sagte sie.

«Wohin?«

«Ins Hamilton-Hotel nach Norfolk. Zimmer 119.«

«Ich kann einfach weggehen?«

«An der Windschutzscheibe meines Wagens klebt der Passierschein durch alle Kontrollen, vom Admiral persönlich unterzeichnet.«

«Du bist ein Wunder«, sagte Nicholson leise.»Du bist das Wunder einer Frau.«

Was auch kommen mag, dachte er, als er an ihrer Hand fast wie ein Blinder das kleine Zimmer verließ und durch den langen Flur, in dem nur die trübe Nachtbeleuchtung brannte, zum Ausgang ging — was alles noch kommen mag: es hat sich gelohnt. Ich will alles tun für diese Frau. Ich bin nicht der erste Mann, und ich werde nicht der letzte Mann sein, der bei der Wahl zwischen Pflicht und Liebe sich für die Liebe entscheidet.

Ein Mensch sein, mit all seinen Schwächen — dafür lebt man doch?

Und was Leben heißt, das begriff er in diesem Augenblick zum erstenmal ganz.