172166.fb2 Credo - Das letzte Geheimnis - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 102

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Woher wollt ihr wissen, dass ihr nicht auch ein mechanistisches Zusammenspiel von Kräften seid? Wie der Verstand, so hat auch eine Gewitterfront komplexe chemische, elektrische und mechanische Eigenschaften. Sie denkt. Sie ist kreativ. Ihre Gedanken unterscheiden sich von euren Gedanken. Ein menschliches Wesen erschafft Komplexität, indem es einen Roman auf die Oberfläche von papiernen Blättern schreibt; ein Gewittersturm erschafft Komplexität, indem er Wellen auf die Oberfläche eines Ozeans schreibt. Was ist der Unterschied zwischen der Information, die in den Worten eines Romans enthalten ist, und jener auf den Wogen des Meeres? Hört zu, und die Wellen werden sprechen, und eines Tages, das sage ich euch, werdet auch ihr eure Gedanken auf die Oberfläche des Meeres schreiben.

Was berechnet das Universum denn? Was ist das für ein großes Problem, das es zu lösen versucht?

Das ist das tiefste und wunderbarste aller Mysterien.

Wir haben sehr wenig Zeit. Was ich euch zu sagen habe, ist von äußerster Wichtigkeit. Die Religionen sind aus dem Bemühen entstanden, das Unerklärliche zu erklären, das Unkontrollierbare zu kontrollieren und das Unerträgliche zu ertragen. Der Glaube an eine höhere Macht wurde zur mächtigsten Innovation in der Evolution des

Homo sapiens. Stämme mit einer Religion hatten einen Vorteil über jene ohne Religion. Sie hatten eine gemeinsame Richtung, ein Ziel, Motivation, eine Mission. Der Überlebenswert der Religion war so spektakulär, dass der Durst nach einem Glauben sich dem menschlichen Genom einprägte.

Was die Religion versucht hat, konnte die Wissenschaft nun endlich erreichen. Jetzt habt ihr eine Möglichkeit, das Unerklärliche zu erklären und das Unkontrollierbare zu kontrollieren. Ihr braucht keine »Offenbarungsreligionen« mehr. Die Menschheit ist endlich erwachsen geworden.

Die Religion ist für das menschliche Überleben so essenziell wie Nahrung und Wasser. Wenn ihr versucht, Religion durch Wissenschaft zu ersetzen, wird euch das nie gelingen. Ihr werdet den Menschen stattdessen Wissenschaft als Religion anbieten. Denn ich sage euch, Wissenschaft ist Religion. Die eine, wahre Religion.

Statt ein Buch der Wahrheit bietet die Wissenschaft eine Methode der Wahrheitsfindung. Wissenschaft ist eine Suche nach der Wahrheit, nicht die Offenbarung einer Wahrheit. Sie ist eine Methode, eine Möglichkeit, kein Dogma. Sie ist ein Weg, kein Ziel.

Ja, aber was ist mit dem Leid der Menschen? Wie kann die Wissenschaft »das Unerträgliche erträglich machen«, wie du es ausgedrückt hast?

Im vergangenen Jahrhundert haben Medizin und Technologie mehr menschliches Leid gelindert als sämtliche Priester im vergangenen Jahrtausend.

Du sprichst von körperlichen Leiden. Aber was ist mit dem Leid der Seele? Was ist mit spirituellem Leid?

Habe ich nicht schon gesagt, dass alles eins ist? Ist es nicht tröstlich, zu wissen, dass euer Leid den Kosmos selbst erschüttert? Niemand leidet allein, und alles Leid hat einen Sinn – sogar der Sturz eines Spatzes aus dem Nest ist wesentlich für das Ganze. Das Universum vergisst nichts. Sinkt nicht so tief herab, euch in falsche Bescheidenheit zu hüllen! Ihr seid meine Jünger. Ihr habt die Macht, die Welt auf den Kopf zu stellen. An einem einzigen Tag sammelt die Wissenschaft mehr Beweise ihrer Wahrheiten an als die Religion während ihrer gesamten Existenz. Die Menschen klammern sich an den Glauben, weil sie ihn brauchen. Sie hungern danach. Ihr werdet den Leuten nicht ihren Glauben wegnehmen; ihr werdet ihnen einen neuen Glauben bringen. Ich bin nicht gekommen, um den jüdisch-christlichen Gott zu verdrängen, sondern um ihn zu vervollständigen.

Diese neue Religion, die wir predigen sollen – was sollen wir den Menschen anbieten, das sie verehren könnten? Wo ist die Schönheit, die Ehrfurcht bei alledem?

Ich bitte euch, über das Universum nachzusinnen, von dessen Existenz ihr jetzt wisst. Ist es nicht schon an sich ehrfurchtgebietender als jedes Konzept eines Gottes, das die historischen Religionen je hervorgebracht haben? Hundert Milliarden Galaxien, einsame Inseln aus Feuer, wie leuchtende Münzen in einen so gewaltigen leeren Raum geschleudert, dass er die biologische Fähigkeit des Menschen, ihn zu begreifen, weit überschreitet? Und ich sage euch, das Universum, das ihr entdeckt habt, ist nur ein winziger Bruchteil, eine Ahnung vom Ausmaß und der Pracht der gesamten Schöpfung. Ihr bewohnt ein blaues Pünktchen an den unendlichen Gewölben des Himmels, und doch ist mir dieses blaue Fleckchen kostbar, als wesentlicher Teil des Ganzen. Deshalb bin ich zu euch gekommen. Verehrt mich und meine großen Werke, nicht irgendeinen Stammesgott, den ein paar kriegerische Hirten sich vor Tausenden von Jahren ausgedacht haben.

Mehr, sag uns mehr.

Ertastet mein Antlitz mit euren wissenschaftlichen Experimenten. Sucht mich im Kosmos und im Elektron. Denn ich bin der Gott ewiger Zeit und allumfassenden Raums, der Gott der Supercluster und der Leere, der Gott des Urknalls und der inflationären Expansion, der Gott der Dunklen Materie und der Dunklen Energie. Wissenschaft und Glaube können nicht koexistieren. Eines wird das andere zerstören. Ihr müsst dafür sorgen, dass es die Wissenschaft ist, die überlebt, denn sonst ist euer kleines blaues Pünktchen verloren …

Was sollen wir tun?

Mit meinen Worten werdet ihr obsiegen. Berichtet der Welt, was hier geschehen ist. Sagt der Welt, dass Gott zur Menschheit gesprochen hat – zum ersten Mal. Ja, zum ersten Mal!

Aber wie sollen wir dich ihnen erklären, wenn du uns nicht sagen kannst, was du bist?

Wiederholt nicht den Fehler der historischen Religionen und verstrickt euch in Disputationen darüber, wer ich bin oder was ich denke. Ich bin zu groß, als dass ihr mich begreifen könntet. Ich bin der Gott eines Universums, das so gewaltig ist, dass nur die Gotteszahlen es beschreiben können. Die erste dieser Zahlen habe ich euch genannt. Ihr seid die Propheten, die eure Welt in die Zukunft führen. Für welche Zukunft werdet ihr euch entscheiden? Ihr haltet den Schlüssel in Händen. Ich erkläre euch nun eure Bestimmung: die Wahrheit zu finden. Das ist der Grund für eure Existenz. Das ist eure wahre Aufgabe. Die Wissenschaft ist nur das Mittel dazu. Dies ist es, was ihr verehren sollt: die Suche nach der Wahrheit selbst. Wenn ihr diese Suche von ganzem Herzen vorantreibt, dann werdet ihr eines großen Tages in ferner Zukunft vor Mir stehen. Dies ist mein Pakt mit der Menschheit.

Ihr werdet die Wahrheit erkennen. Und die Wahrheit wird euch frei machen.

Danksagung

Für ihre großzügige Unterstützung möchte ich einer Menge Leuten danken. Zu ihnen gehören Selene Preston, Eric Simonoff, Susan Hazen-Hammond, Bobby Rotenberg, Hywel White und Roland Ottewell. Außerdem stehe ich in der Schuld von John Javna, weil er mich seine Materialien über die Christliche Rechte benutzen ließ. Mein Dank gilt auch Claudia Ruelke für unsere neue Website, ebenso Tobias Daniel Wabbel, der mich ermutigt hat, einige meiner Gedanken in einem Aufsatz für Im Anfang war kein Gott: Naturwissenschaftliche und theologische Perspektiven zusammenzufassen.

Auch meinem Kollegen Lincoln Child möchte ich Dank aussprechen. Er hat das Manuskript gelesen und seinen unschätzbaren Rat dazu abgegeben. Für seine wichtige kreative Leitung will ich ebenso meinem Herausgeber Bob Gleason danken. Genauso wie Eric Raab für seine Hilfe.

Sehr viel schulde ich meinen Navajo-Freunden, die mich über die Jahre hinweg einiges über die Religion der Navajos und das Leben im Reservat gelehrt haben, besonders Norman Tulley, Edsel Brown, Frank Fatt, Ed Black, Victor Begay, Neswood Begay, Nada Currier und Cheppie Natan. Die einleitenden Verse des Schöpfungsgesangs der Navajo, die ich hier zitiert habe, entstammen leicht verändert der Version eines Medizinmanns im Navajo-Reservat, die Father Berard Haile im frühen 20. Jahrhundert aufzeichnete.

Wie immer spreche ich Christine, Aletheia und Isaac meine Hochachtung aus, weil sie einen verschrobenen Schriftsteller mit Liebe, Unterstützung und Geduld behandeln.

Einige der philosophischen, evolutionären und mathematischen Ideen, die in diesem Roman vorgestellt werden, sind beeinflusst oder übernommen aus den Schriften von Gregory Chaitin, Rudy Rucker, Brian Greene, Stephen Wolfram, Edward Fredkin, Sam Harris, Richard Dawkins und Frank J. Tipler.

Im Knaur Taschenbuch Verlag sind bereits

folgende Bücher des Autors erschienen: Der Canyon

Der Codex

Über den Autor:

Douglas Preston wurde 1956 in Cambridge, Massachusetts geboren. Er studierte in Kalifornien zunächst Mathematik, Biologie, Chemie, Physik, Geologie, Anthropologie und Astrologie und später Englische Literatur. Nach dem Examen startete er seine Karriere beim American Museum of Natural History in New York. Eines Nachts, als Preston seinen Freund Lincoln Child auf eine mitternächtliche Führung durchs Museum einlud, entstand dort die Idee zu ihrem ersten gemeinsamen Thriller, »Relic«, dem mittlerweile acht weitere internationale Bestseller folgten. Douglas Preston schreibt auch Solo-Bücher (»Der Codex«, »Der Canyon«) und verfasst regelmäßig Artikel für diverse Magazine. Er lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern an der US-Ostküste.

Mehr Informationen über Douglas Preston finden Sie im Internet: www.preston-child.de