172166.fb2 Credo - Das letzte Geheimnis - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 3

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»Unmöglich«, sagte Alan Edelstein, der Mathematiker im Team, und blickte von der Workstation in der Ecke auf, über die er sich die ganze Zeit über still gebeugt hatte. »Es gibt keinerlei Hinweis auf Hawking-Strahlung.«

»Ich schwöre bei Gott«, rief Chen, »wir reißen gerade ein Loch in die Raumzeit!«

Auf dem Monitor, der die Daten in Echtzeit anzeigte, rasten die Symbole und Zahlen durch wie ein Expresszug. Auf dem großen Monitor über ihnen war die pulsierende Blume verschwunden und hatte ein schwarzes Nichts hinterlassen. Dann entstand Bewegung in dieser Leere – gespenstisch, fledermausartig. Überrascht starrte Dolby hinauf.

»Verdammt, Gregory, abschalten!«, rief Mercer.

»Isabella reagiert nicht Input!«, brüllte Wolkonski. »Ich verlieren Core Routines!«

»Einen Moment noch, bis wir herausfinden, was hier los ist«, sagte Hazelius.

»Weg! Isabella weg!«, schrie der Russe, warf die Hände in die Höhe und ließ sich mit einem angewiderten Ausdruck auf dem knochigen Gesicht in seinen Sessel fallen.

»Bei mir ist immer noch alles im grünen Bereich«, sagte Dolby. »Es kann sich nur um einen massiven Software-Fehler handeln.« Er wandte sich wieder dem Visualizer zu. Ein Bild erschien nun in der Leere, so seltsam, so schön, dass er es zuerst gar nicht begreifen konnte. Er blickte sich um, doch niemand sonst sah es; alle waren auf ihre eigenen Kontrollpulte konzentriert.

»He, entschuldigt mal – weiß jemand, was das da auf dem Monitor sein soll?«, fragte Dolby.

Niemand antwortete ihm. Niemand blickte auf. Alle arbeiteten wie besessen. Die Maschine gab einen seltsamen Gesang von sich.

»Ich bin ja nur der Ingenieur«, sagte Dolby, »aber hat eines von euch Theorie-Genies eine Ahnung, was das ist? Alan, ist das … normal?«

Alan Edelstein blickte beiläufig von seiner Workstation auf. »Das sind nur Zufallsdaten«, sagte er.

»Was soll das heißen, Zufallsdaten? Das Ding hat doch eine Form!«

»Der Computer spinnt. Das können nur noch Zufallsdaten sein.«

»Für mich sieht das aber gar nicht zufällig aus.« Dolby starrte den Monitor an. »Es bewegt sich. Da ist etwas, ich sage es euch – es sieht beinahe lebendig aus, als würde es versuchen, da herauszukommen. Gregory, sehen Sie das?«

Hazelius blickte zu dem Visualizer auf, stutzte und machte ein überraschtes Gesicht. Er drehte sich um. »Rae? Was ist denn mit dem Visualizer los?«

»Keine Ahnung. Ich bekomme ständig kohärente Daten von den Detektoren. Bei mir sieht es nicht so aus, als sei Isabella abgestürzt.«

»Wie würden Sie das Ding auf dem Monitor interpretieren?«

Chen blickte auf, und ihre Augen weiteten sich. »Himmel. Ich habe keine Ahnung.«

»Es bewegt sich«, sagte Dolby. »Es … Na ja, ich glaube, es wird deutlicher.«

Die Detektoren sangen, und ihr hohes Summen ließ den Raum vibrieren.

»Rae, das ist nur Datenschrott«, erwiderte Edelstein. »Der Computer ist abgestürzt – wie könnte er da noch echte Daten liefern?«

»Ich weiß nicht, ob das wirklich Schrott ist«, sagte Hazelius, der immer noch den Monitor anstarrte. »Michael, was meinen Sie?«

Der Teilchenphysiker starrte wie gebannt auf das Bild. »Das verstehe ich nicht. Die Farben und Formen korrespondieren überhaupt nicht mit irgendwelchen Teilchenladungen oder -klassen. Es ist nicht mal radial um K-Null zentriert – sieht aus wie eine seltsame, magnetisch gebundene Plasmawolke.«

»Ich sage euch«, drängte Dolby, »es bewegt sich, es kommt heraus. Das ist wie ein … Herrgott, was zum Teufel ist das?« Er kniff fest die Augen zu, kämpfte gegen Kopfschmerz und Erschöpfung. Vielleicht hatte er schon Halluzinationen. Er öffnete die Augen. Das Ding war immer noch da – und dehnte sich weiter aus.

»Abschalten! Sofort Isabella abschalten!«, schrie Mercer.

Plötzlich war nur noch flimmernder Grieß zu sehen, dann wurde der Monitor pechschwarz.

»Was zur Hölle …?«, rief Chen und tippte hektisch auf ihrer Tastatur herum. »Ich habe keinen Zugriff mehr!«

Mitten auf dem Monitor erschienen langsam zwei Worte. Schweigen senkte sich über die Gruppe, alle starrten hinauf. Sogar Wolkonski, der vor Aufregung recht laut geworden war, verstummte mitten im Wort. Niemand rührte sich.

Dann begann Wolkonski zu lachen, ein angespanntes, schrilles Lachen, hysterisch, verzweifelt.

Dolby packte die Wut. »Du Scheißkerl, du hast das getan.«

Wolkonski schüttelte den Kopf, dass seine fettigen Locken flogen.

»Findest du das etwa komisch?«, fragte Dolby und stand mit geballten Fäusten von seiner Workstation auf. »Du beschissener Hacker ruinierst ein Vierzig-Milliarden-Dollar-Projekt und findest das komisch?«

»Ich nichts hacken«, sagte Wolkonski und wischte sich den Mund ab. »Halt deine Maul.«

Dolby drehte sich zu den anderen um. »Wer war das? Wer hat an Isabella herumgespielt?« Dann drehte er sich wieder zu dem Visualizer um und las laut die beiden Worte vor, die dort in der Schwärze hingen – vor lauter Wut spuckte er sie förmlich aus. »SEID GEGRÜSST.«

Er wandte sich ab. »Ich bringe den Scheißkerl um, der das getan hat.«

September

2

Wyman Ford blickte sich im Büro von Dr. Stanton Lockwood III. um, dem wissenschaftlichen Berater des Präsidenten, der seinen Amtssitz in der 17th Street hatte. Aus langjähriger Erfahrung in Washington wusste Ford, dass ein solches Büro zwar stets so eingerichtet war, dass es den äußeren Eindruck, die öffentliche Persona eines Menschen, repräsentierte, doch irgendetwas darin verriet einem immer auch ein wenig über die wahre Persönlichkeit. Ford ließ den Blick durch den Raum schweifen, auf der Suche nach diesem Geheimnis.

Das Büro war in dem Stil eingerichtet, den Ford als »WWMM« bezeichnete – Wichtiger Washingtoner Machtmensch. Die Antiquitäten waren sämtlich echt und von allerbester Qualität, von dem Schreibtisch im Stil des zweiten Empire, so mächtig und hässlich wie ein Hummer-Jeep, bis hin zu der vergoldeten französischen Kaminuhr und dem dezenten Sultanabad-Teppich. Alles in diesem Raum hatte ein verdammtes Vermögen gekostet. Und natürlich war da noch die obligatorische Wand, an der gerahmte Diplome, Ehrenurkunden, Auszeichnungen und Fotos des Büroinhabers mit diversen Präsidenten, Botschaftern und Mitgliedern der Regierung zur Schau gestellt wurden.

Stanton Lockwood wollte, dass die Welt ihn als bedeutenden und wohlhabenden Mann wahrnahm, einflussreich, aber diskret. Doch Ford nahm vor allem wahr, wie grimmig Lockwood sich um diesen Eindruck bemühte. Hier hatte er es mit einem Mann zu tun, der wild entschlossen war, etwas zu sein, das er nicht ist.

Lockwood wartete, bis sein Gast Platz genommen hatte, bevor er sich auf dem Sessel auf der anderen Seite der Sitzecke niederließ. Er schlug ein Bein über und strich mit langen, weißen Fingern über die Bügelfalte seiner Hose. »Sparen wir uns die üblichen Washingtoner Formalitäten«, sagte er. »Nennen Sie mich Stan.«

»Wyman.« Er lehnte sich zurück und musterte Lockwood: gutaussehend, Ende fünfzig, mit einem Hundert-Dollar-Haarschnitt, die Fitnessstudio-Figur in einem anthrazitfarbenen Anzug bestens zur Geltung gebracht. Vermutlich Squashspieler. Sogar das Foto auf dem Schreibtisch von drei perfekten, flachsblonden Kindern mit ihrer attraktiven Mutter wirkte so individuell wie die Aktienfonds-Werbung einer Bank.

»Also«, begann Lockwood in einem Kommen-wir-zur-Sache-Tonfall. »Ich habe nur das Beste über Sie gehört, Wyman, von Ihren ehemaligen Kollegen in Langley. Dort bedauert man Ihren Weggang sehr.«

Ford nickte.

»Es ist schrecklich, was Ihrer Frau zugestoßen ist. Mein aufrichtiges Beileid.«

Ford zwang seinen Körper, sich nicht zu versteifen. Er wusste bis heute nicht, wie er damit umgehen sollte, wenn jemand seine verstorbene Frau erwähnte.

»Man hat mir berichtet, Sie hätten zwei Jahre in einem Kloster verbracht.«

»Fast drei Jahre.«

»Aber das Leben im Kloster war dann doch nichts für Sie?«