172166.fb2 Credo - Das letzte Geheimnis - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 32

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»Fahren Sie weg?«

»O nein, ich hab nur mal nach dem Benzin gesehen«, sagte Eddy. »Also, eigentlich hatte ich daran gedacht, hoch auf die Mesa zu fahren und mich den Wissenschaftlern vorzustellen. Ich mache mir Sorgen, was da oben wohl vor sich geht.«

Bia blickte sich um, und seine verspiegelte Sonnenbrille reflektierte den Horizont, wohin er den Kopf auch wandte. »Haben Sie Lorenzo in letzter Zeit mal gesehen?«

»Nein«, antwortete Eddy. »Nicht seit Montagmorgen.«

Bia zog sich die Hose hoch, und seine Ausrüstung klimperte am Gürtel wie ein riesiges Bettelarmband. »Komisch, er ist am Montag gegen Mittag per Anhalter nach Blue Gap gefahren und hat den Leuten, die ihn mitgenommen haben, erzählt, dass er hierherwollte, weil er mit der Arbeit nicht fertig war. Sie haben gesehen, wie er die Straße zur Mission entlanggegangen ist – ab da scheint er einfach verschwunden zu sein.«

Eddy ließ einen Moment verstreichen. »Also, ich habe ihn hier nicht gesehen. Ich meine, am Morgen schon, aber er ist gegen Mittag oder vielleicht auch früher wieder gegangen, und seitdem habe ich ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen. Er sollte eigentlich für mich arbeiten, aber …«

»Heiß heute, was?« Bia drehte sich um, grinste Eddy an und warf einen Blick in Richtung seines Wohnwagens. »Kann ich Sie zu einer Tasse Kaffee überreden?«, fragte Bia.

»Natürlich.«

Bia folgte Eddy in die Küchenecke und setzte sich an den Tisch. Eddy füllte nur frisches Wasser in die Kaffeemaschine und schaltete sie ein. Navajos verwendeten den Kaffeesatz auch mehrmals, daher vermutete Eddy, dass Bia das nichts ausmachen würde.

Bia legte seinen Hut auf den Tisch. Das Haar klebte ihm wie ein nasser Ring am Kopf. »Also, eigentlich bin ich nicht wegen Lorenzo hier. Ich persönlich glaube eher, dass er wieder mal abgehauen ist. Die Leute in Blue Gap meinten, er sei ziemlich betrunken gewesen, als er am Montag durch den Ort kam.«

Eddy nickte. »Mir war auch aufgefallen, dass er wohl wieder an der Flasche hing.«

Bia schüttelte den Kopf. »Ein Jammer. Der Junge hatte so einen guten Neuanfang gemacht. Wenn er nicht bald auftaucht, widerrufen sie seine Bewährung, und er geht zurück nach Alameda.«

Eddy nickte erneut. »Wirklich schade um ihn.«

Die Kaffeemaschine begann zu gurgeln. Eddy nützte die Gelegenheit, sich zu beschäftigen, indem er Becher, Zucker und Kaffeesahne holte und auf den Tisch stellte. Dann schenkte er zwei Becher Kaffee ein und setzte sich wieder.

»Also, eigentlich«, sagte Bia, »bin ich wegen einer anderen Sache hier. Ich habe gestern mit dem Händler in Blue Gap gesprochen, und er hat mir von Ihrem … Problem mit dem Geld aus der Kollekte erzählt.«

»Aha.« Eddy trank einen Schluck Kaffee und verbrannte sich daran den Mund.

»Er hat gesagt, Sie hätten Geldscheine markiert und ihn gebeten, die Augen danach offen zu halten.«

Eddy wartete.

»Also, gestern sind ein paar dieser Scheine aufgetaucht.«

»Ich verstehe.« Eddy schluckte. Gestern?

»Das ist eine unangenehme Sache«, sagte Bia, »deshalb hat der Händler sich auch an mich gewandt, statt Sie direkt anzurufen. Ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür, wenn ich Ihnen erst erklärt habe, warum. Ich will die Sache nicht unnötig aufbauschen.«

»Schon klar.«

»Kennen Sie die alte Benally? Elizabeth Benally?«

»Natürlich, sie besucht meine Gottesdienste.«

»Früher hat sie jeden Sommer ihre Schafe oben auf der Mesa geweidet und derweil in einem alten Hogan da oben gewohnt, in der Nähe von Piute Spring. Das war nicht ihr Land, sie hatte kein Recht dazu, aber sie hat diese Weiden fast ihr Leben lang genutzt. Als die Stammesregierung die Mesa für dieses Isabella-Projekt geräumt hat, hat sie ihr Weideland verloren und musste ihre Schafe verkaufen.«

»Tut mir leid, das zu hören.«

»War im Grunde nicht übel für sie. Sie ist schon über siebzig und hat von der Regierung ein nettes Häuschen drüben in Blue Gap zugewiesen bekommen. Das Problem ist, dass man mit einem solchen Haus plötzlich Stromrechnungen bekommt, Wasserrechnungen und so weiter – Sie verstehen, was ich meine? Sie hatte in ihrem ganzen Leben noch nie eine Rechnung zu bezahlen. Und jetzt lebt sie nur noch von ihrer Rente, weil sie ja keine Schafe mehr hat.«

Er sagte, er verstehe schon.

»Na ja, diese Woche hat ihre Enkelin Geburtstag, sie wird zehn, und gestern hat die gute alte Benally ihr im Laden im Ort einen Gameboy gekauft – hat ihn als Geschenk verpacken lassen, mit allem Drum und Dran.« Er hielt inne und sah Eddy mit festem Blick an. »Sie hat ihn mit Ihren markierten Scheinen bezahlt.«

Eddy saß da und starrte Bia an.

»Ich weiß. Ganz schöne Überraschung.« Bia zog seine Geldbörse aus der hinteren Hosentasche. Seine große, staubige Hand holte einen Fünfziger heraus und schob ihn über den Tisch. »Aber es lohnt sich nicht, daraus eine große Sache zu machen.«

Eddy konnte sich nicht rühren.

Bia erhob sich und steckte die Brieftasche wieder ein. »Wenn so etwas noch einmal vorkommt, sagen Sie mir Bescheid, und ich ersetze den Schaden. Wie gesagt, ich fände es wenig sinnvoll, das Ganze offiziell zu machen, Anzeige zu erstatten und so weiter. Wahrscheinlich ist sie sowieso nicht ganz zurechnungsfähig.« Er nahm seinen Hut vom Tisch und stülpte ihn wieder über sein schweißnasses schwarzes Haar.

»Danke für Ihr Verständnis, Pastor.«

Er wandte sich zum Gehen, hielt aber noch einmal inne. »Und wenn Sie Lorenzo sehen, sagen Sie mir kurz Bescheid, ja?«

»Mache ich, Lieutenant.«

Pastor Russ Eddy sah zu, wie Lieutenant Bia zur Tür hinausging, verschwand und dann im Fenster wieder auftauchte, als er über den Hof ging. Genau über der Stelle, wo der Leichnam vergraben war, wirbelten seine Cowboystiefel kleine Staubfähnchen auf.

Eddys Blick fiel auf die schmuddelige Fünfzig-Dollar-Note, und ihm wurde schlecht. Dann wurde er zornig. Sehr zornig.

22

Ford betrat sein Wohnzimmer, stellte sich ans Fenster und betrachtete den krummen Umriss des Nakai Rock, der über den Pappeln aufragte. Er hatte seinen Auftrag erfüllt und stand nun vor der Entscheidung: Sollte er darüber Bericht erstatten?

Er ließ sich in einen Sessel fallen und schlug die Hände vors Gesicht. Kate hatte recht: Wenn diese Neuigkeit nach außen drang, würde das Projekt es vermutlich nicht überstehen. Diese Sache würde die Karrieren aller Beteiligten ruinieren – Kates eingeschlossen. In der wissenschaftlichen Welt war schon der Verdacht einer Vertuschung oder Lüge ein absoluter Karriere-Killer.

Zufrieden?, fragte er sich erneut.

Er stand auf und ging ärgerlich auf und ab. Lockwood hatte von Anfang an gewusst, dass Ford die Antwort ausgraben würde, indem er Kate fragte. Er war nicht engagiert worden, weil er ein ach so brillanter ehemaliger CIA-Agent war, der sich selbständig gemacht hatte, sondern weil er zufällig etwas mit einer bestimmten Frau gehabt hatte, vor zwölf Jahren. Er hätte Lockwood auf seinem Auftrag sitzenlassen sollen, als er noch die Chance dazu gehabt hatte. Aber er hatte den Auftrag spannend gefunden. Sich geschmeichelt gefühlt. Und er musste sich eingestehen, dass die Vorstellung, Kate wiederzusehen, ihn sehr gereizt hatte.

Einen Moment lang sehnte er sich nach seinem Leben im Kloster, nach jenen dreißig Monaten, in denen ihm das Leben so einfach, so klar erschienen war. Dort hatte er beinahe vergessen, wie schrecklich grau und zwiespältig die Welt war, und welche unmöglichen moralischen Entscheidungen sie einem aufzwang. Doch er wäre nie ein guter Mönch geworden. Er war ins Kloster gegangen in der Hoffnung, seinen Glauben an sich selbst, seine Zuversicht wiederzufinden. Aber das Kloster hatte bei ihm genau das Gegenteil bewirkt.

Er senkte den Kopf und versuchte zu beten, doch das waren bloß Worte. Worte in der Stille.

Vielleicht gab es so etwas wie richtig oder falsch gar nicht mehr – die Menschen taten eben, was sie taten. Er traf seine Entscheidung. Auf keinen Fall würde er etwas unternehmen, was Kates Karriere schaden könnte. Sie hatte in ihrem Leben schon genug Tiefschläge einstecken müssen. Er würde ihnen noch zwei Tage geben, die Malware aufzuspüren. Und er würde ihnen dabei helfen. Er vermutete stark, dass der Saboteur ein Mitglied des Teams war. Niemand sonst hätte Zugang zum Computer oder das nötige Fachwissen.

Ford trat aus der Haustür und machte eine langsame Runde ums Haus, als wolle er frische Luft schnappen, um sich zu vergewissern, dass Wardlaw sich nicht hier herumtrieb. Dann ging er ins Schlafzimmer, schloss einen Schrank auf und holte seine Aktentasche heraus. Er tippte den Zifferncode ein, schloss den Aktenkoffer auf, holte das Telefon heraus und wählte die Nummer.

Lockwood meldete sich so schnell, dass Ford meinte, der wissenschaftliche Berater müsse neben dem Telefon gewartet haben.

»Neuigkeiten?«, fragte Lockwood atemlos.

»Nicht viel.«