172166.fb2 Credo - Das letzte Geheimnis - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 49

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»Aber Sie nicht.«

Bia richtete sich auf und berührte erneut die Hutkrempe. »Wir sehen uns.«

»Warten Sie«, sagte Kate.

Bia zögerte.

»Sie glauben doch nicht, dass einer von uns ihn getötet haben könnte?«, fragte Kate.

Bia fegte einen abgerissenen Zweig von seinem Oberschenkel. »Ich will es mal so ausdrücken: Wenn es kein Selbstmord war, dann war das ein sehr, sehr intelligenter Mord.«

Damit hob er ein weiteres Mal die Hand zum Hut, trieb sein Pferd voran und ritt an ihnen vorbei.

Ford dachte nur: Wardlaw.

34

Blackhorse sah heute noch trübseliger aus als bei Fords erstem Besuch am Montag – eine einsame Ansammlung staubiger Trailer, die sich zwischen den Flanken der Red Mesa und einer niedrigen gelblichen Hügelkette zusammendrängten. Der typische Geruch des überall wuchernden Wiesenknöterichs hing in der Luft. Auf dem kahlen, freien Platz, wo letztes Mal die Kinder gespielt hatten, schwang eine Schaukel einsam im Wind hin und her. Ford fragte sich, wo die Schule sein mochte – vermutlich in Blue Gap, fünfundvierzig Kilometer weit weg.

Nicht gerade schön, hier aufzuwachsen. Andererseits hatte diese Navajo-Siedlung eine beinahe klösterliche Leere und Stille an sich, die Ford angenehm fand. Navajos häuften keinen Besitz an, wie andere Leute das oft taten. Sogar ihre Häuser waren spärlich eingerichtet.

Als sie auf die Viehpferche zuritten, entdeckte Ford Nelson Begay; er beschlug gerade ein Pferd, das an einen Zedernholzpfosten angebunden war. Mit ein paar wohlgezielten Hammerschlägen formte er das Hufeisen auf einem Amboss. Die Schläge hallten von der Felswand der Mesa wider.

Begay legte Hammer und Hufeisen klappernd ab und richtete sich auf, als er sie näher kommen sah.

Ford und Kate hielten, stiegen ab und banden ihre Pferde an den Zaun des Pferchs. Ford hob die Hand zum Gruß, und Begay winkte sie heran.

»Das ist Dr. Kate Mercer, die stellvertretende Leiterin des Isabella-Projekts.«

Begay lüpfte den Hut vor Kate. Sie trat zu ihm und reichte ihm die Hand.

»Sie sind Physikerin?«, fragte Begay und beäugte sie skeptisch.

»Ja.«

Begays Augenbrauen hoben sich ein wenig. Dann wandte er ihr sehr bedächtig den Rücken zu, stemmte die Schulter gegen die Flanke des Pferdes, hob das Hinterbein an und beschäftigte sich damit, das Hufeisen anzupassen. Dann legte er es wieder auf den Amboss und schlug noch ein paarmal drauf.

Während Ford dastand und über die kulturellen Empfindlichkeiten der Navajos nachgrübelte, sagte Kate zu Begays blaukariertem Rücken: »Wir hätten gern mit Ihnen gesprochen.«

»Dann sprechen Sie.«

»Ich unterhalte mich ungern mit dem Rücken eines Menschen.«

Begay ließ das Pferdebein sinken und richtete sich auf. »Also, hören Sie, Ma’am, ich hab Sie nicht gebeten, herzukommen, und im Moment bin ich leider beschäftigt.«

»Kommen Sie mir nicht mit ›Ma’am‹. Ich habe einen Doktortitel.«

Begay hustete, legte sein Werkzeug weg und sah sie mit ausdrucksloser Miene an.

»Und?«, fragte sie. »Wollen wir hier in der heißen Sonne herumstehen, oder werden Sie uns auf einen Kaffee hereinbitten?«

Gereiztheit, vermengt mit Belustigung, zeichnete sich auf Begays Gesicht ab. »Also schön, also schön, kommen Sie rein.«

Wieder saß Ford in dem kargen Wohnzimmer mit den Militärfotos an der Wand. Während Begay Kaffee einschenkte, ließen Ford und Kate sich auf dem braunen Sofa nieder. Als sie volle Becher vor sich hatten, nahm Begay in dem kaputten Ledersessel Platz. »Sind alle weiblichen Wissenschaftler so wie Sie?«

»Wie denn?«

»Wie meine Großmutter. Sie lassen ein ›Nein‹ einfach nicht gelten, oder? Sie könnten selbst eine Diné sein. Moment mal« – er beugte sich vor und musterte ihr Gesicht –, »Sie sind doch nicht …?«

»Ich bin zur Hälfte Japanerin.«

»Aha.« Er lehnte sich zurück. »Na schön. Da wären wir also.«

Ford wartete ab, was Kate sagen würde. Sie hatte schon immer ein Händchen für den Umgang mit Leuten gehabt, wie sie bei Begay gerade eben bewiesen hatte. Er war neugierig, wie sie ihn anpacken würde.

»Ich hatte mich gefragt«, begann Kate, »was genau eigentlich ein Medizinmann ist.«

»Ich bin so etwas wie ein Arzt.«

»Inwiefern?«

»Ich führe Zeremonien durch. Ich heile Menschen.«

»Was sind das für Zeremonien?«

Begay antwortete nicht.

»Entschuldigen Sie, ich wollte nicht aufdringlich sein«, sagte Kate und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. »Das ist bei mir sozusagen beruflich bedingt.«

»Na ja, ich habe nichts gegen die Frage, ich mag nur keine reine Neugier. Ich führe verschiedene Zeremonien durch – sie heißen Blessing Way, Enemy Way und Falling Star Way.«

»Was bewirken diese Zeremonien?«

Begay brummte, nippte an seinem Kaffee und entspannte sich ein wenig. »Die Blessing-Way-Zeremonie stellt Gleichgewicht und Schönheit im Leben eines Menschen wieder her – nach Problemen mit Drogen oder Alkohol oder einer Gefängnisstrafe. Enemy Way ist für Soldaten, die aus dem Krieg zurückkehren. Diese Zeremonie reinigt sie, nachdem sie getötet haben. Denn wenn man tötet, bleibt ein bisschen von diesem Bösen an einem Menschen haften, auch wenn Krieg herrscht und die Tötung rechtmäßig war. Wenn man dieses Ritual nicht durchführt, wird das Böse diesen Menschen zerfressen.«

»Unsere Ärzte nennen das eine posttraumatische Belastungsstörung«, bemerkte Kate.

»Ja«, sagte Begay. »Wie bei meinem Neffen Lorenzo, er war im Irak … Er wird nie wieder derselbe sein.«

»Und heilt die Enemy-Way-Zeremonie diese posttraumatische Störung?«

»In den meisten Fällen, ja.«

»Das ist sehr interessant … Und der Falling Star Way?«

»Das ist eine Zeremonie, über die wir nicht sprechen«, erklärte Begay kurz angebunden.

»Würden Sie denn eventuell auch eine Zeremonie für einen Nicht-Navajo durchführen?«