172166.fb2 Credo - Das letzte Geheimnis - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 53

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Er fühlte mehr denn je, dass dies seine Bestimmung war. Gott hatte ihn berufen, und er hatte ja gesagt. Alles, was bisher geschehen war, all die Schwierigkeiten in seinem Leben, waren nur das Vorspiel gewesen. Gott hatte ihn geprüft, und Eddy hatte bestanden. Die letzte Prüfung war Lorenzo gewesen. Gottes Zeichen dafür, dass Er Eddy auf etwas Großes vorbereitete. Etwas Gewaltiges.

Der Herr hatte ihn auch am Nachmittag in Piñon geführt. Erst ein voller Benzintank – umsonst. Dann ein verirrter Tourist, der den Weg nach Flagstaff suchte und sich mit einer Zehn-Dollar-Note bei Eddy bedankte. Schließlich hatte er in der Tankstelle erfahren, dass Bia den Todesfall beim Isabella-Projekt für einen Mord hielt – nicht Selbstmord, Mord!

Ein Kojote heulte in der Ferne, ein zweiter antwortete ihm, von noch weiter weg. Das Heulen hörte sich an wie die einsamen, verlorenen Schreie der Verdammten. Eddy erreichte den Rand des Felsenkamms und krabbelte den Pfad ins Nakai Valley hinab. Der dunkle, klobige Umriss des Nakai Rock erhob sich zu seiner Rechten wie ein buckliger Dämon. Unterhalb markierten ein paar verstreute Lichter das Dorf; die Fenster des alten Handelspostens warfen quadratische Lichtflecken in die Dunkelheit.

Er hielt sich dicht an Felsen und Wacholder und näherte sich langsam dem Handelsposten. Er wusste weder, was er suchte, noch, wie er es finden sollte. Sein einziger Plan war, auf ein Zeichen von Gott zu warten. Gott würde ihm den Weg zeigen.

Leise trieb Klaviermusik durch die Wüstennacht. Er erreichte die Talsohle, tastete sich durch die Dunkelheit unter den Pappeln und sprintete dann über den offenen Rasen zur Rückseite des Handelspostens. Durch die alten Holzstämme und die mit Gips verputzten Ritzen konnte er eine gedämpfte Unterhaltung hören. Unendlich vorsichtig schlich er zu einem Fenster und spähte nach drinnen. Ein paar Wissenschaftler saßen um einen Couchtisch und unterhielten sich angeregt, sie schienen beinahe zu streiten. Hazelius spielte Klavier.

Beim Anblick des Mannes, der der Antichrist selbst sein könnte, spürte Russ eine Woge aus Angst und Wut in sich. Er duckte sich unter das Fenster und versuchte zu hören, was die Leute sagten, doch der Mann spielte so laut, dass Eddy kaum etwas verstehen konnte. Doch dann, über die Klaviermusik hinweg, durch das doppelt verglaste Fenster, drang ein einziges Wort, gesprochen von einem der Wissenschaftler, hinaus in die kalte Nachtluft, dorthin, wo Eddy sich ins Gras kauerte: Gott.

Wieder, von einer anderen Stimme ausgesprochen: Gott.

Die Fliegengittertür schlug zu, und zwei Stimmen trieben um die Ecke und drangen an seine Ohren: eine hoch und angespannt, die andere ruhig und bedächtig.

Mit klopfendem Herzen kroch Eddy durch die Dunkelheit bis an die Ecke, die der Eingangstür am nächsten lag. Er lauschte und wagte kaum zu atmen.

»… noch eines, worum ich Sie bitten möchte, Tony – vertraulich, könnte man sagen …« Der Mann senkte die Stimme, so dass Eddy den Rest nicht verstehen konnte, doch er wagte es nicht, näher heranzuschleichen.

»… wir die beiden einzigen Nichtwissenschaftler hier sind …«

Sie spazierten hinaus in die Dunkelheit. Eddy wich zurück, und die Stimmen verklangen. Er konnte die beiden dunklen Gestalten sehen, die langsam die Straße entlanggingen. Er wartete ab, schoss dann über die Straße in den Schutz der Bäume und drückte sich an den knorrigen Stamm einer Pappel.

Luft zog an seinem Gesicht vorbei. Das hätte der Heilige Geist sein können, der sich in eine Brise verwandelte, um die Stimmen der schattenhaften Gestalten zu Eddy zu tragen.

»… dieser möglichen Strafanzeige, aber ich habe mit dem Betrieb von Isabella nichts zu tun.«

Die tiefere Stimme antwortete: »Machen Sie sich bloß nichts vor. Wie ich vorhin sagte – mitgefangen, mitgehangen.«

»Aber ich bin doch nur der Psychologe.«

»Sie waren trotzdem an dem Betrug beteiligt …«

Betrug? Eddy schlich durch die Dunkelheit zu einem neuen Lauschposten.

»… zum Teufel sind wir da nur reingeraten?«, fragte die leicht schrille Stimme.

Die Antwort war so leise, dass Eddy sie nicht verstand.

»Ich kann einfach nicht glauben, dass der verdammte Computer behauptet, Gott zu sein … Das ist eine Geschichte wie aus einem Science-Fiction-Roman …«

Eine weitere leise Antwort. Um ja nichts zu verpassen, lauschte Eddy so angestrengt, dass er die Luft anhielt.

Die Männer gingen auf die verstreuten Lichtpunkte der Wohnhäuser zu. Eddy huschte wie eine Spinne durch die Dunkelheit, während ihre Unterhaltung mit der launischen Brise mal leiser, mal lauter zu ihm drang.

»… Gott in der Maschine … Wolkonski in den Wahnsinn getrieben …« Das war wieder die hohe Stimme.

»… Zeitverschwendung, jetzt zu spekulieren, was …«, kam die barsche Antwort.

Die Unterhaltung wurde noch leiser fortgesetzt. Es machte Eddy schier verrückt, dass er nichts mehr verstand. Er riskierte es, noch näher heranzuschleichen. Die beiden Männer waren am Ende einer Einfahrt stehengeblieben. Im sanften gelben Licht wirkte der größere von beiden ziemlich ungeduldig, als wolle er den nervösen endlich loswerden. Die Stimmen waren nun deutlicher.

»… ein Zeug von sich gibt, wie kein Gott, von dem ich je gehört habe. Das ist doch ein Haufen New-Age-Mist. ›Die Existenz, das bin ich, der denkt‹ – also, bitte. Und Edelstein schluckt das auch noch. Na ja, er ist Mathematiker – und damit per Definition ein Spinner. Ich meine, der Kerl hält sich Klapperschlangen als Haustiere. …« Die hohe Stimme quakte lauter, als wolle der Sprecher allein dadurch den großen Kerl daran hindern, weiterzugehen.

Der Große trat von einem Fuß auf den anderen, so dass Eddy nun sein Gesicht sehen konnte. Das war der Wachmann.

Mit seiner tiefen Stimme sagte er etwas von »noch eine Runde drehen, ehe ich mich aufs Ohr haue«. Ein Händedruck, und der Schmächtige ging den kurzen Weg zu seinem Haus, während der Wachmann die Straße entlangblickte, erst in die eine, dann in die andere Richtung und schließlich zu dem Pappelwäldchen hinüber, als verschaffe er sich einen Überblick, um zu entscheiden, wo er mit seinem Rundgang beginnen wollte.

Bitte, lieber Gott, bitte. Eddys Herz schlug so heftig, dass er sein eigenes Blut in seinen Ohren rauschen hörte. Schließlich machte sich der Mann in die entgegengesetzte Richtung auf den Weg. Eddy bewegte sich extrem vorsichtig, um nicht auf herabgefallene Zweige zu treten, schlich langsam durch die Pappeln und tastete sich den dunklen Pfad hinauf aus dem Tal heraus.

Erst auf der Rückfahrt über den Dugway gestattete er sich, zu jubeln und zu schreien vor schwindliger Freude. Er hatte genau das, was Reverend Spates brauchte. In Virginia war es jetzt mitten in der Nacht, aber es würde dem Reverend gewiss nichts ausmachen, um dieser Neuigkeiten willen geweckt zu werden. Ganz bestimmt nicht.

37

Am Freitagmorgen, bei Tagesanbruch, lehnte Nelson Begay am Türrahmen des Gemeindehauses und sah zu, wie die ersten Pferdehänger eintrafen. Viele Hufe wirbelten den Staub zu rotgoldenen, feurigen Wolken auf, während die Reiter ihre Pferde ausluden und sattelten. Sporen klirrten, Leder klatschte. Begays eigenes Pferd, Winter, war schon gesattelt und bereit für den Ritt; er hatte ihn im Schatten der einzigen Pinyon-Kiefer weit und breit angebunden, das Maul in einem Hafersack. Begay wünschte, er könnte den Bilagaana die Schuld für all die toten Kiefern hier geben, doch soweit er das beurteilen konnte, stimmte das, was man in den Fernsehnachrichten sah: Borkenkäfer und Dürre hatten keine weiteren Helfer gebraucht.

Maria Atcitty, die Vorsitzende des Ortsverbands, trat zu ihm. »Ganz schöner Zulauf«, sagte sie.

»Besser, als ich dachte. Kommst du mit?«

Atcitty lachte. »Alles, nur nicht im Büro hocken.«

»Wo ist dein Pferd?«

»Bist du verrückt? Ich fahre.«

Begay beobachtete weiter die bunte Mischung von Pferden, die sich zu dem Protestritt versammelten. Abgesehen von ein paar guten Quarterhorses und einem Araber, waren die meisten Reservatsklepper, unbeschlagen, mager, nervös. Die Szene erinnerte ihn an seinen Onkel Silvers drüben in Toh Ateen. Silvers hatte ihm die Blessing-Way-Zeremonie beigebracht, aber er war auch Rodeoreiter gewesen, war zwischen Santa Fe und Amarillo von einem Rodeo zum nächsten gezogen, bis er sich den Rücken ruiniert hatte. Danach hielt er noch einen Haufen struppiger Pferde, damit die Kinder darauf reiten konnten; dort hatte Begay alles gelernt, was er über Pferde wusste. Er schüttelte den Kopf. Das schien eine Ewigkeit her zu sein. Onkel Silvers war nicht mehr, die alten Sitten starben aus, und die Kinder heutzutage konnten weder reiten, noch beherrschten sie die Sprache ihres Volkes. Begay war der Einzige, den der alte Onkel Silvers dazu hatte überreden können, den Blessing Way zu lernen.

Der Ritt war mehr als nur ein Protest gegen das Isabella-Projekt; er sollte auch eine Lebensweise wiedererwecken, die viel zu schnell ausstarb. Es ging hier um ihre Traditionen, ihre Sprache und ihr Land, darüber, dass sie ihr Schicksal selbst in die Hand nahmen.

Ein klappriger Isuzu fuhr vor, mit einem Viehanhänger, der viel zu groß für den altersschwachen Pick-up war. Mit einem lauten Jubelruf sprang ein schlaksiger Mann in einem T-Shirt mit abgeschnittenen Ärmeln heraus. Er reckte einen mageren Arm in die Luft, stieß erneut sein Gebrüll aus und ging dann um den Anhänger herum, um sein Pferd auszuladen.

»Willy Becenti ist da«, bemerkte Atcitty.

»Schwer zu übersehen.«

Das Pferd, bereits gesattelt, trat rückwärts in den Staub. Becenti führte es um den Wagen und band es an die Anhängerkupplung.

»Er packt.«

»Das sehe ich.«

»Willst du ihm erlauben, das da mitzunehmen?«

Begay dachte kurz darüber nach. Willy war hitzköpfig, aber er hatte ein gutes Herz und war sehr verlässlich, wenn er nicht betrunken war. Und auf diesem Ritt würde es keinen Alkohol geben – das war die einzige Regel, auf deren Einhaltung Begay strikt bestehen würde.

»Willy macht schon keinen Unsinn.«

»Was, wenn es da oben hässlich wird?«, fragte Maria.