172166.fb2 Credo - Das letzte Geheimnis - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 54

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»Wird es nicht. Ich habe gestern mit zwei von den Wissenschaftlern gesprochen. Da oben wird gar nichts passieren.«

Atcitty fragte: »Welche beiden waren das denn?«

»Der eine, der sich als Ethnologe bezeichnet, Ford, und die stellvertretende Leiterin, eine Frau namens Mercer.«

Atcitty nickte. »Die zwei habe ich auch schon kennengelernt.« Nach kurzem Schweigen fragte sie: »Bist du sicher, dass dieser Protestritt eine gute Idee ist?«

»Das werden wir wohl jetzt herausfinden, oder?«

38

Ken Dolby sah auf seine Armbanduhr. Sechs Uhr abends. Er wandte sich wieder dem Bildschirm zu und überprüfte die Temperatur des schadhaften Magneten. Hielt sich gut, immer noch weit innerhalb der Toleranzgrenzen. Er scrollte sich durch mehrere Seiten von Isabellas Software-Kontrollprogrammen. Alle Systeme in Ordnung, alles lief wie am Schnürchen. Sie waren nun bei achtzig Prozent Leistung.

Es war die perfekte Nacht für einen Durchlauf. Da Isabella einen großen Anteil des Stroms aus dem lokalen Verteilernetz für sich beanspruchte, konnte schon die kleinste Störung – ein Blitzeinschlag, ein kaputter Transformator, unterbrochene Stromleitungen – eine Lawine von Störfällen auslösen. Doch im Großteil des Südwestens herrschte ruhiges, kühles Wetter, kaum jemand schaltete seine Klimaanlage ein, es gab keine Gewitter und nur schwachen Wind.

Dolby hatte so ein Gefühl im Bauch – das Gefühl, dass sie heute Nacht das Problem lösen würden. Dies war die Nacht, in der Isabella sich in ihrer ganzen Pracht zeigen würde.

»Ken, erhöhen Sie auf fünfundachtzig«, sagte Hazelius aus seinem Ledersessel in der Mitte der Brücke.

Dolby warf St. Vincent, der die Energiezufuhr überwachte, einen Blick zu. Der koboldartige Mann reckte einen Daumen in die Luft und zwinkerte ihm zu.

»Alles klar.«

Am äußersten Rand seiner Wahrnehmung spürte er die schwache Vibration des gewaltigen Energiestroms. Die beiden Strahlen aus Protonen und Antiprotonen, die mit unvorstellbarer Geschwindigkeit in entgegengesetzte Richtungen durch den Ring kreisten, waren noch nicht zur Kollision gebracht worden. Das würde erst bei neunzig Prozent Leistung geschehen. Sobald sie erst miteinander in Kontakt standen, brauchte man wesentlich mehr Energie, wesentlich mehr Zeit und ein unendlich geschicktes Händchen für die Feinabstimmung, um das System bis auf hundert Prozent hochzubringen.

Die Anzeigen stiegen reibungslos auf fünfundachtzig Prozent.

»Prächtige Nacht für einen Durchlauf«, sagte St. Vincent.

Dolby nickte und war froh, dass die Energiezufuhr St. Vincents Aufgabe war. Er war ein ruhiger, umgänglicher, älterer Mann, der selten ein Wort sprach, aber den Strom mit so viel Feingefühl kontrollierte wie ein Dirigent sein Sinfonieorchester – mit Präzision und großer Finesse. Dabei verlor er nie die Ruhe.

»Fünfundachtzig Prozent«, meldete Dolby.

»Alan?«, fragte Hazelius. »Was machen die Server?«

»Hier drüben ist alles bestens.«

Hazelius drehte wohl zum fünfzigsten Mal seine Runde durch den Kontrollraum und fragte die Meldungen seines Teams ab. Bisher war es ein Durchlauf wie aus dem Bilderbuch.

Dolby überprüfte seine Systeme. Alles lief wie am Schnürchen. Die einzige Schwachstelle war der warme Magnet, aber »warm« war in diesem Fall auch nur drei Hundertstelgrad wärmer, als er hätte sein sollen.

Isabella lief sich auf fünfundachtzig Prozent ein, während Rae Chen feine Justierungen an den Strahlen vornahm. In diesem freien Augenblick sah Dolby sich im Raum um und dachte über die Gruppe nach, die Hazelius sich zusammengesucht hatte. Edelstein zum Beispiel. Dolby vermutete, der könnte sogar noch intelligenter sein als Hazelius – aber auf eine merkwürdige Art und Weise. Edelstein war verschroben, ein wenig beängstigend, als sei sein Gehirn zur Hälfte das eines Aliens. Und was sollte das mit den Klapperschlangen? Ein echt abartiges Hobby. Und dann war da Corcoran, die so ähnlich aussah wie Daryl Hannah. Sie war nicht Dolbys Typ, zu groß und zu aggressiv. Viel zu hübsch und zu blond, um so klug zu sein, wie sie es offensichtlich war … Dies war eine brillante Gruppe, sogar der Roboter Cecchini, der Dolby immer so vorkam, als würde er jeden Moment Amok laufen. Die einzige Ausnahme war Innes. Er war ein ehrlicher Kerl, der sich auch bemühte, aber einfach nicht genug Watt in der Birne hatte, um mehr als die Mitte des ausgetretenen Pfades zu beleuchten. Wie konnte Hazelius diesen Mann und seine albernen Gesprächsrunden so ernst nehmen? Oder hielt Hazelius sich nur an Regeln, die ihm das Energieministerium vorgeschrieben hatte? Waren alle Psychologen wie Innes, der seine hübschen kleinen Theorien verbreitete, ohne einen Hauch empirischer Beweise zu haben? Innes war ein Mann, der alles sah und nichts verstand. Er erinnerte Dolby an den Lastwagenfahrer, mit dem seine Mutter nach dem Tod ihres Vaters etwas gehabt hatte; ständig hatte er pseudopsychologisches Zeug geschwafelt, ein anständiger Kerl, der einem aber bei jeder Gelegenheit Ratschläge aus dem neuesten Selbsthilfe-Bestseller um die Ohren schlug.

Dann war da noch Rae Chen. Sie war wahnsinnig klug, ging aber total entspannt damit um. Jemand hatte Dolby erzählt, dass sie als Kind Skateboard-Champion gewesen war. Sie wirkte auf ihn wie eine leicht schlampige Westküsten-Studentin, die gern Spaß hatte, immer locker und unkompliziert. Aber war sie wirklich so unkompliziert? Bei Asiaten war das schwer zu sagen. Jedenfalls hätte er nur zu gern was mit ihr angefangen. Er sah zu ihr hinüber; sie hatte sich aufmerksam über ihre Tastatur gebeugt, das schwarze Haar fiel ihr wie ein Wasserfall um die Schultern, und er stellte sie sich nackt vor …

Hazelius’ Stimme unterbrach seine Gedanken.

»Wir können jetzt auf neunzig hochfahren, Ken.«

»Geht klar.«

»Alan? Wenn wir bei neunzig stabil sind, sollten Sie bereit sein, die p-fünf-fünfneunfünfer alle auf einmal zuzuschalten, komplett verlinkt.«

Edelstein nickte.

Dolby schob die Regler hoch und beobachtete, wie Isabella prompt reagierte. Jetzt ging es um alles. Das war die entscheidende Nacht. Alles in seinem Leben hatte auf diesen Punkt hingeführt. Er spürte die tiefe Vibration, als sich die Leistung weiter steigerte. Es war, als stehe der gesamte Berg unter Strom. Und sie schnurrte wie ein Bentley. Gott, wie er diese Maschine liebte. Seine Maschine.

39

Aus dem Schlafzimmer seines Bungalows sah Ford die ersten Reiter des Protestzugs auf dem Kamm hinter dem Nakai Rock auftauchen, von der untergehenden Sonne von hinten beleuchtet. Er hob sein Fernglas und identifizierte Nelson Begay auf einem Paint Horse, dazu ein weiteres Dutzend Reiter.

Er wandte den Kopf und spürte die Schmerzen, die vom gestrigen Sturz stammten. Seitdem hatten er und Kate kaum ein Wort unter vier Augen wechseln können, denn sie war vollauf mit den Vorbereitungen für den neuen Durchlauf beschäftigt gewesen.

Das Lämpchen an seinem Satellitentelefon blinkte, pünktlich auf die Minute. Er nahm ab.

»Was gibt es Neues?«, fragte Lockwood.

»Nichts Besonderes. Alle sind im Bunker, Isabella läuft. Ich warte gerade darauf, die berittene Demonstration in Empfang zu nehmen.«

»Es wäre mir lieber gewesen, wenn Sie die verhindert hätten.«

»Glauben Sie mir, so ist es besser. Haben Sie was in Sachen Joe Blitz?«

»Es gibt Hunderte Joe Blitz’ da draußen – Leute, Firmen, Orte, alles Mögliche. Ich habe eine Liste mit den Referenzen aufgestellt, die mir am wahrscheinlichsten vorkamen. Ich würde Ihnen gern mal ein paar nennen.«

»Nur zu.«

»Zunächst einmal ist Joe Blitz der Name einer GI-Joe-Action-Figur.«

»Das könnte eine Anspielung auf Wardlaw sein – Wolkonski konnte ihn nicht ausstehen. Was noch?«

»Broadway-Produzent aus den Vierzigern, der Garbage Can Follies und Crater Lake Cut-up gemacht hat. Beides Musicals, bei einem ging es um Kater, bei dem anderen um eine Nudistenkolonie. Beides Flops.«

»Weiter.«

»Joe Blitz, bankrottes Ford-Autohaus in Ohio … Joe Blitz State Park, Medford, Oregon … Joe Blitz Memorial Rink, ein Eishockeystadion in Ontario, Kanada … Joe Blitz, Science-Fiction-Autor in den dreißiger und vierziger Jahren … Joe Blitz, der Bauunternehmer, der das Mausleer Building in Chicago gebaut hat … Joe Blitz, Cartoonist.«

»Erzählen Sie mir mehr über den Schriftsteller.«

»In den frühen vierziger Jahren wurden einige reißerische Science-Fiction-Geschichten von einem Joe Blitz in diversen Heftchen veröffentlicht.«

»Titel?«

»Das ist ein ganzer Haufen, Moment … Reißzähne in der Tiefe, Menschenfresser der Lüfte und Ähnliches.«

»Hat er auch Romane geschrieben?«

»Wir haben nur eine Menge Kurzgeschichten gefunden.«