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»Hat in den späten Fünfzigern eine Mainstream-Comic-Serie über einen fetten Kerl und einen Zwergpudel gemacht. Ein bisschen wie Garfield. Kein großer Erfolg. Schauen wir mal … Ich habe noch zweihundert weitere Treffer, alles Mögliche, von einem Beerdigungsinstitut bis hin zu einem Rezept für geräucherten Fisch.«
Ford seufzte. »Das ist ja, als suchten wir eine Nadel im Heuhaufen, ohne überhaupt zu wissen, wie eine Nadel aussieht. Was ist mit dieser Tante Natascha?«
»Wolkonski hatte keine Tante Natascha. Das könnte eine Art Scherz sein – Sie wissen schon, jeder Russe hat eine Tante Natascha und einen Onkel Boris.«
Ford beobachtete durch das Fenster, wie die Reiter das Tal erreichten. »Sieht so aus, als würde uns diese Botschaft nicht weiterbringen.«
»Ich fürchte.«
»Ich muss los – die Reiter sind schon im Tal.«
»Rufen Sie mich an, sobald dieser Durchlauf beendet ist«, sagte Lockwood.
Ford räumte das Satellitentelefon weg, verschloss den Aktenkoffer und ging hinaus. Er hörte fernes Motorengeräusch, und ein zerbeulter Pick-up erschien an der Stelle, wo die Straße das Tal erreichte. Er überwand den Hügel und kam herabgerollt, gefolgt von einem weißen Kleinbus mit der Aufschrift »KREZ« auf der Seite und einer Satellitenschüssel auf dem Dach.
Ford blieb unter den Bäumen am Rand des Spielfelds stehen und beobachtete, wie Begay und ein Dutzend weiterer Reiter auf schweißnassen Pferden näher kamen. Der KREZ-Übertragungswagen hielt an, zwei Fernsehleute stiegen aus und bauten ihre Kameras auf, um die Reiter aufzunehmen. Eine kräftig gebaute Frau entstieg dem Pick-up – Maria Atcitty.
Als die Reiter das offene Feld erreichten, ließ der Kameramann seine Kamera mitlaufen. Ein Reiter löste sich von der Gruppe, er galoppierte voraus, stieß ein Triumphgeheul aus und schwenkte sein Halstuch in der erhobenen Faust. Ford erkannte Willy Becenti, den Mann, der ihm Geld geborgt hatte. Einige andere Reiter trieben ihre Pferde voran, und Begay galoppierte ebenfalls an. Sie jagten über die Wiesen, sausten an der Kamera vorbei und kamen auf dem staubigen Parkplatz vor dem alten Handelsposten zum Stehen, nicht weit von Ford entfernt.
Als Begay abstieg, trat der Reporter von KREZ zu ihm, hob den Arm, klatschte in Begays erhobene Hand und begann, seine Ausrüstung für ein Interview aufzubauen.
Die anderen gesellten sich dazu und wurden ebenfalls begrüßt. Die Scheinwerfer gingen an, die Kamera lief, und der Reporter begann sein Interview mit Begay. Die anderen standen herum und sahen zu.
Ford schlenderte unter den Bäumen hervor und ging über das Gras auf die Gruppe zu.
Alle Köpfe wandten sich zu ihm um. Der Reporter kam auf ihn zu, das Mikro in der ausgestreckten Hand.
»Wie heißen Sie, Sir?«
Ford sah, dass die Kamera immer noch lief. »Wyman Ford.«
»Sind Sie Wissenschaftler?«
»Nein, ich bin der Verbindungsmann zwischen dem Isabella-Projekt und den Anwohnern.«
»Dann machen Sie Ihre Sache nicht besonders gut«, sagte der Reporter. »Immerhin haben Sie es jetzt mit einer Demonstration gegen das Projekt zu tun.«
»Das weiß ich.«
»Also, was ist Ihre Meinung?«
»Ich finde, dass Mr. Begay recht hat.«
Kurzes Schweigen. »Recht womit?«
»Mit einigen seiner Kritikpunkte – dass Isabella den Anwohnern Angst macht, dass das Projekt nicht den wirtschaftlichen Aufschwung gebracht hat, den man dieser Region versprochen hatte, dass die Wissenschaftler sich zu sehr abgeschottet haben.«
Ein weiteres kurzes, verblüfftes Schweigen. »Was werden Sie also dagegen unternehmen?«
»Zunächst einmal werde ich zuhören. Deshalb bin ich jetzt hier. Dann werde ich tun, was ich kann, um für Verbesserungen zu sorgen. Wir haben uns bei unseren Nachbarn nicht gut eingeführt, aber ich verspreche Ihnen, dass sich da einiges ändern wird.«
»Schwachsinn!«, rief jemand – Willy Becenti stapfte herüber, nachdem er sein Pferd auf dem Spielfeld angepflockt hatte.
»Schnitt!« Der Reporter drehte sich zu Becenti um. »He, Willy, ich versuche hier ein Interview zu führen, also bitte, ja?«
»Der Kerl erzählt dir nur Scheiße.«
»Ich kann dieses Material nicht senden, wenn du solche Wörter benutzt.«
Becenti blieb abrupt stehen und beäugte Ford. Dann breitete sich Wiedererkennen über sein Gesicht. »He – Sie sind das!«
»Hallo, Willy«, sagte Ford und streckte die Hand aus.
Willy ignorierte sie. »Sie sind einer von denen!«
»Ja.«
»Sie schulden mir zwanzig Dollar, Mann.«
Ford griff nach seiner Brieftasche.
Becenti errötete triumphierend. »Behalten Sie bloß Ihr Geld. Ich will es nicht.«
»Willy, ich hoffe, dass wir diese Probleme gemeinsam lösen können.
»Blödsinn. Sehen Sie das da oben?« Becenti reckte einen mageren Arm vage gen Ende des Tals, wobei eine Tätowierung sichtbar wurde. »In den Felsen da oben sind Ruinen. Gräber. Sie schänden die Gräber unserer Ahnen.«
Die Kamera lief nun wieder. »Was sagen Sie dazu, Mr. Ford?«, fragte der Reporter und hielt ihm das Mikrophon vors Gesicht.
Ford verkniff sich den Hinweis, dass das Anasazi-Ruinen waren. »Wenn uns jemand dabei helfen könnte, die genaue Lage der Gräber zu bestimmen, könnten wir Maßnahmen zum Schutz …«
»Sie sind überall! Auf der ganzen Mesa! Und die Geister der Toten sind unglücklich und wandern herum. Etwas Schreckliches wird passieren. Ich kann es fühlen. Fühlen Sie das nicht?« Becenti blickte sich um. »Fühlt ihr das denn nicht?«
Nicken, zustimmendes Gemurmel.
»Hier sind überall Chindii, Wiedergänger. Seit Peabody Coal die Seele der Red Mesa durchlöchert hat, war dies ein böser, böser Ort.«
»Ein böser Ort«, echoten die Leute.
»Dies ist nur ein weiteres Beispiel dafür, dass der weiße Mann einfach kommt und sich indianisches Land nimmt. Genau so ist es doch. Hab ich nicht recht?«
Lauteres Murmeln, zustimmendes Nicken in der Runde.
»Willy, ich kann Ihre Gefühle sehr gut verstehen«, sagte Ford. »Ich möchte nur eines zu unserer Verteidigung vorbringen: Die Stammesregierung der Navajo hat diesen Vertrag geschlossen, ohne sich vorher mit den Anwohnern abzustimmen, und das ist ein Teil des Problems.«
»Die Navajo-Stammesregierung ist ein Haufen Arschlöcher, angeheuert von den Bilagaana, um denen die Drecksarbeit abzunehmen. Bevor die Bilagaana kamen, gab’s hier keine Stammesregierung, sag ich.«