172166.fb2 Credo - Das letzte Geheimnis - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 56

Credo - Das letzte Geheimnis - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 56

»Das können Sie nicht rückgängig machen, und ich auch nicht. Aber wir können jetzt zusammenarbeiten, damit sich etwas verbessert. Was meinen Sie?«

»Tja, meine Antwort darauf lautet, leck mich!« Becenti ging drohend auf ihn zu. Ford blieb eisern stehen, bis sie einander direkt gegenüberstanden. Becenti keuchte, sein magerer Brustkorb hob und senkte sich heftig, die Muskeln an den sehnigen Armen spannten sich.

Ford hielt sich bewusst locker und entspannt. »Willy, ich stehe doch auf Ihrer Seite.«

»Red nicht so von oben herab mit mir, Bilagaana!« Willy war etwa zwei Drittel so groß wie Ford und wog wohl nur halb so viel, doch er sah aus, als könnte er jeden Moment losschlagen. Ford warf Begay einen Blick zu und erkannte an der ungerührten Miene des Medizinmanns, dass er nicht vorhatte, in diese Situation einzugreifen.

Die Kamera nahm weiter alles auf.

Becenti wies mit einer ausgreifenden Geste über die Grasflächen hin. »Sehen Sie sich das nur an. Ihr Bilagaana nehmt uns unseren Berg weg und bohrt euch Hunderte von Metern durch den Fels, damit ihr eure verfluchten Spielfelder bewässern könnt, während meine Tante Emma fünfundvierzig Kilometer hin-und wieder zurückfahren muss, um Wasser für ihre Enkelkinder und ihre Schafe zu pumpen. Was glauben Sie, wie lange es noch dauert, bis die Brunnen in Blue Gap oder Blackhorse vertrocknen? Und was ist mit dem Hanta-Virus? Jeder weiß, dass es hier nie ein Hanta-Virus gegeben hat, ehe da drüben in Fort Wingate irgendwas Seltsames passiert ist.«

Mehrere Reiter stimmten lauthals dieser alten Verschwörungstheorie zu.

»Soweit wir wissen, könnte irgendetwas in Isabella uns bereits jetzt alle vergiften. Wer weiß, vielleicht sterben morgen schon unsere Kinder daran.« Er stieß Ford einen staubigen Zeigefinger gegen die Brust, direkt unterhalb des Brustbeins. »Wissen Sie, was Sie dann sind, Bilagaana? Ein Mörder.«

»Sprechen wir doch in Ruhe miteinander, Willy. Friedlich und respektvoll.«

»Friedlich? Respektvoll? Habt ihr Weißen deshalb unsere Hogans und Felder verbrannt? Unsere Frauen vergewaltigt? Habt ihr uns deshalb auf den Langen Marsch nach Fort Sumner geschickt – um friedlich und respektvoll mit uns umzugehen?«

Ford wusste aus Ramah, dass die Navajos heute noch vom Langen Marsch, der Zwangsumsiedelung in den 1860er Jahren, sprachen, obwohl dieser für den Rest des Landes eine uralte Geschichte war, längst vergessen. »Ich wünschte bei Gott, es gäbe eine Möglichkeit, die Geschichte ungeschehen zu machen«, sagte er mit mehr Gefühl in der Stimme, als er beabsichtigt hatte.

Willys Hand fuhr in seine Jeans und tauchte mit einem billigen 22er Revolver wieder auf. Fords ganzer Körper spannte sich an, bereit, schnell zu reagieren.

Begay schritt sofort ein. »Daswood, mach die Kamera aus«, befahl er scharf.

Der Reporter gehorchte.

»Willy, steck die Waffe weg.«

»Ich scheiß auf dich, Nelson. Ich bin hier, um zu kämpfen, nicht um zu reden.«

Begay sagte mit leiser Stimme: »Wir werden auf dem Spielfeld eine Schwitzhütte errichten. Wir werden die ganze Nacht lang hierbleiben und friedliche Zeremonien abhalten. Wir werden uns dieses Land auf spirituellem Wege zurückholen, durch unsere Gebete. Dies ist eine Zeit der Andacht und des Gebets, nicht der Konfrontation.«

»Ich dachte, das ist ein Protestritt und kein Tanzkreis für Squaws«, grollte Becenti, doch er schob die Waffe wieder in seine Hosentasche.

Begay deutete auf die Hochspannungsleitungen, die sich zum Rand der Mesa hinzogen, wo sie, keinen Kilometer entfernt, zusammenliefen. »Wir kämpfen nicht gegen diesen Mann, sondern gegen das da

Die Starkstromleitungen summten und knisterten, fern, aber deutlich hörbar.

»Klingt ganz so, als würde Ihre Maschine heute laufen«, bemerkte Begay und wandte sich mit nichtssagendem Blick Ford zu. »Ich glaube, es wäre besser, wenn Sie jetzt gehen und uns in Ruhe lassen.«

Ford nickte, wandte sich ab und ging auf den Bunker zu.

»Ja, Mann, verpiss dich!«, brüllte Becenti ihm nach. »Bevor ich dir eine Kugel in deinen Bilagaana-Arsch jage!«

Als Ford sich dem Sicherheitstor zu Isabella näherte, wurde das Knistern und Summen der Leitungen immer lauter, und das unheimliche Geräusch, das beinahe von einem Lebewesen zu kommen schien, jagte ihm einen Schauer über den Rücken.

40

Um fünf Minuten vor acht machte Booker Crawley es sich im Sessel in seinem gemütlichen, mit Kirschholz vertäfelten Fernsehzimmer seines Hauses in der Dumbarton Street, Georgetown, gemütlich. Er bebte vor gespannter Erwartung. Als Spates ihm versprochen hatte, er werde für sein Geld eine Menge bekommen, hatte der Mann nicht gelogen. Die Predigt am Sonntag war ein wahrer Kanonenschlag gewesen. Und jetzt würde die Talkshow, Roundtable America, das zweite schwere Geschütz abfeuern. Erstaunlich, dass es dazu nicht mehr gebraucht hatte als einen einzigen Anruf und ein paar Barzahlungen. Das Ganze war nicht einmal illegal, nur eine wohltätige Spende an eine anerkanntermaßen gemeinnützige, kirchliche Organisation – steuerlich absetzbar.

Der Lobbyist umfing mit einer Hand einen Cognacschwenker, wärmte das Glas und gönnte sich dann einen Schluck seines allabendlichen Calvados. Untermalt von pompöser, patriotischer Musik, wurde das Logo von Roundtable America in einem digitalen Wirbel amerikanischer Flaggen, Adler und anderer patriotischer Embleme eingeblendet. Dann kam ein runder Tisch aus Kirschholz ins Bild, mit einem Foto des Kapitols in Washington im Hintergrund. An dem Tisch saß Spates mit einem ernsthaften, besorgten Gesichtsausdruck. Sein Gast saß ihm gegenüber, ein weißhäuptiger Mann im Anzug mit eingefallenen Wangen und buschigen Augenbrauen, der die Lippen schürzte, als versuche er das Geheimnis des Lebens selbst zu ergründen.

Die Musik verebbte, und Spates blickte in die Kamera.

Crawley fand es erstaunlich, dass dieser Mann, der ein Volltrottel war, ein alter Sack von einem Hinterwäldler, wenn man ihm persönlich gegenübersaß, im Fernsehen eine solche Präsenz hatte. Sogar das orangerote Haar sah jetzt achtbar aus, irgendwie gedämpft. Wieder einmal gratulierte Crawley sich selbst. Welch ein Geniestreich von ihm, den Prediger ins Boot zu holen.

»Guten Abend, meine Damen und Herren, willkommen zu Roundtable America. Ich bin Reverend Don T. Spates, und es freut mich, Ihnen als meinen heutigen Gast Dr. Henderson Crocker vorstellen zu dürfen, den berühmten Professor für Physik von der Liberty University in Lynchburg, Virginia.«

Der Professor nickte weise in die Kamera, sein Gesicht eine Studie gelehrsamen Ernstes.

»Ich habe Dr. Crocker heute Abend hierhergebeten, damit er uns mehr über das Isabella-Projekt erzählt – das Thema unserer heutigen Sendung. Für diejenigen unter Ihnen, die noch nichts von Isabella wissen: Das ist ein wissenschaftlicher Apparat. Die Regierung hat ihn für vierzig Milliarden Dollar, Steuergelder, wohlgemerkt, in der Wüste von Arizona bauen lassen. Vielen Leuten bereitet dieses Projekt Sorgen. Deshalb haben wir Dr. Crocker eingeladen, damit er uns normalen Menschen erklären kann, worum genau es dabei eigentlich geht.« Er wandte sich seinem Gast zu. »Dr. Crocker, Sie sind Physiker und lehren an der Universität. Könnten Sie uns bitte erzählen, was Isabella ist?«

»Danke, Reverend Spates. Selbstverständlich kann ich das. Im Grunde ist Isabella ein Teilchenbeschleuniger – ein Atomzertrümmerer sozusagen. Man lässt Atome bei hoher Geschwindigkeit gegeneinanderprallen und zertrümmert sie, um zu sehen, woraus sie bestehen.«

»Klingt beängstigend.«

»Ganz und gar nicht. Es gibt mehrere solcher Anlagen auf der ganzen Welt. Sie haben beispielsweise dazu beigetragen, dass wir in Amerika Atomwaffen entwerfen und bauen konnten. Und sie haben das theoretische Fundament für die Nutzung der Atomenergie durch unsere moderne Industrie geschaffen.«

»Sehen Sie denn bei dieser bestimmten Anlage überhaupt ein Problem?«

Eine dramatische Pause. »Ja.«

»Und welches wäre das?«

»Isabella ist nicht wie andere Teilchenbeschleuniger. Sie wird nicht als wissenschaftliches Instrument benutzt. Sie wird missbraucht, um Propaganda zu betreiben und eine bestimmte Theorie der Schöpfung zu verbreiten, die von einem knallharten Kader atheistischer und säkular-humanistischer Wissenschaftler verkündet wird.«

Spates zog die Augenbrauen hoch. »Eine sehr deutliche Aussage.«

»Die ich nicht leichthin getroffen habe.«

»Erklären Sie das bitte näher.«

»Sehr gern. Diese Gruppe atheistischer Wissenschaftler verfolgt ihr eigenes Credo, die Theorie, dass das Universum sich selbst aus dem Nichts erschaffen hat, ohne jedes Eingreifen, ohne jede Triebkraft. Sie bezeichnen diese Theorie als den Urknall. Nun wissen die meisten intelligenten Menschen, darunter viele Wissenschaftler wie ich selbst, dass diese Theorie praktisch jedes wissenschaftlich haltbaren Beweises entbehrt. Die Theorie wurzelt nicht in der Naturwissenschaft, sondern in der zutiefst antichristlichen Einstellung, die unser Land heutzutage durchdringt.«

Crawley genehmigte sich einen weiteren, wärmenden Schluck Calvados. Spates lieferte auch diesmal, was er versprochen hatte. Das war verdammt gut – schiere Demagogie, verbrämt mit nüchterner, wissenschaftlich anmutender Sprache –, und zwar aus dem Mund eines anerkannten Physikers. Genau die Art von Geschwätz, die ein gewisser Teil der amerikanischen Bevölkerung liebend gerne schluckte.

»Im Laufe der letzten zehn Jahre haben Atheisten und säkulare Humanisten praktisch jede Ebene unserer Regierung sowie des universitären Systems übernommen. Sie kontrollieren jetzt die Fördergelder. Sie entscheiden, welche Forschungsarbeiten durchgeführt werden. Sie ersticken jede kritische Stimme im Keim. Dieser Wissenschaftsfaschismus durchdringt alle Fachbereiche, von Kernphysik und Kosmologie bis hin zur Biologie und, natürlich, zur Evolutionsforschung. Das sind die Wissenschaftler, die uns die atheistischen, materialistischen Theorien von Darwin und Lyell, Freud und Jung präsentieren. Das sind die Leute, die darauf beharren, dass das Leben nicht mit der Empfängnis beginnt. Das sind die Leute, die grässliche Experimente an Stammzellen durchführen wollen – an lebenden menschlichen Embryonen. Das sind die Befürworter der Abtreibung und der sogenannten Familienplanung.«

Der Mann dozierte weiter und klang dabei wie die Vernunft persönlich. Crawley ließ die Gedanken abschweifen und malte sich aus, wie er Yazzie für den doppelten Vorschuss einen neuen Vertrag unterschreiben lassen würde.

Die Sendung lief weiter, mit noch mehr Fragen und Antworten, Variationen des Themas, dann folgte der übliche Spendenaufruf, weiteres Gerede und noch mehr Aufrufe. Die Stimmen plapperten, hoben und senkten sich wie ein feierlicher Gesang. Wiederholung war das Herzstück des christlichen Fernsehens, dachte Crawley: Hämmere ihnen deine Botschaft in die dummen Schädel – und leiere ihnen ganz nebenbei noch ihr Geld aus der Tasche.

Die Kamera zoomte auf Spates, als er den Abschlusskommentar sprach. Crawley hörte nur mit halbem Ohr hin. Spates hatte bisher eine sehr gute Show geliefert, und die Vorstellung, dass die Navajo-Stammesregierung die Sendung auch verfolgte, amüsierte ihn gewaltig.

»… offensichtlich, dass Gott Seine schützende Hand nicht länger über Amerika hält …«

Crawley versank in wohliger, entspannter Wärme. Er konnte diesen Anruf am Montag um vier kaum erwarten. Er würde diesen Affen Millionen abknöpfen. Millionen.