172166.fb2 Credo - Das letzte Geheimnis - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 91

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Begay betrachtete die Gefangenen genauer. Zu seinem Entsetzen erkannte er die Wissenschaftlerin, die ihn besucht hatte – Kate Mercer. Und nicht weit von ihr stand Wyman Ford, der einen offenbar verletzten Mann stützte.

»Das gefällt mir nicht«, sagte Begay. Er saß ab.

»Was machst du denn? Wir müssen hier weg.«

Begay band sein Pferd an einen Baum. »Die brauchen vielleicht unsere Hilfe.«

Grinsend schwang sich Becenti vom Pferd. »Du warst schon immer scharf auf Action.«

Sie schlichen sich an die Gruppe heran und fanden Deckung hinter einigen großen Felsbrocken. Sie waren nun keine vierzig Meter von der seltsamen Versammlung entfernt, gut versteckt in der Dunkelheit. Begay zählte vierundzwanzig Männer mit Schusswaffen. Jeder dort drüben war schwarz vor Kohlenstaub, die Gesichter hätten aus der Hölle kommen können.

Fords Gesicht war blutverschmiert und sah aus, als hätten sie ihn zusammengeschlagen. Die anderen Gefangenen kannte er nicht, aber er vermutete, dass auch sie Wissenschaftler des Isabella-Projekts waren, da die meisten Laborkittel trugen. Ford stützte einen von ihnen, dessen Arm um Fords Schultern lag. Der Mann hatte einen hässlichen, offenen Beinbruch, und Begay war es ein Rätsel, wie er sich überhaupt aufrecht halten und die Schmerzen ertragen konnte. Warum ihn jemand zwang, hier zu stehen, konnte er erst recht nicht begreifen. Die Männer spuckten die Gefangenen an, verhöhnten und beschimpften sie. Schließlich trat ein Mann vor, hob die Hände, und der Mob verstummte.

Begay wollte seinen Augen nicht trauen: Das war Pastor Eddy aus der Mission unten in Blue Gap – doch der Mann war wie verwandelt. Pastor Eddy war ein verwirrter, halbverrückter Versager gewesen, der Altkleider verschenkte und Begay sechzig Dollar schuldete. Dieser Eddy hier strahlte kalte Autorität aus, und die Menge hörte auf sein Kommando.

Begay duckte sich und beobachtete gemeinsam mit Becenti die Szene.

Eddy hob die Hände. »Und es ward ihm gegeben ein Mund, zu reden große Dinge und Lästerungen! Meine Christenfreunde, der Antichrist will sprechen. Wir werden gemeinsam Zeugen seiner Lästerungen sein.«

Hazelius versuchte zu sprechen. Der Großbrand um Isabella flackerte im Hintergrund, Flammenwände und Feuersäulen breiteten sich gierig aus. Hazelius wurde von einer Reihe scharfer Explosionen in der Ferne übertönt. Er begann von vorn, und seine Stimme wurde kräftiger.

»Pastor Eddy, es tut mir leid, dass ich Sie enttäuschen muss. Ich habe nur eines anzumerken. Diese Leute sind nicht meine Jünger, und ich habe nichts Böses getan. Tun Sie mit mir, was Sie wollen, aber lassen Sie sie gehen.«

»Lügner!«, schrie jemand aus der Menge.

»Gotteslästerer!«

Eddy hob mahnend eine Hand, und die Männer schwiegen. »Niemand ist ohne Schuld«, brüllte er. »Wir alle sind Sünder in den Händen eines zornigen Gottes. Allein Gottes Gnade kann uns retten.«

»Lassen Sie meine Leute in Ruhe, Sie durchgeknalltes Arschloch.«

Sehr wahrscheinlich, dachte Ford und warf einen Blick auf Eddys Schäfchen, die tollwütig nach Hazelius’ Blut brüllten.

Hazelius wurde schwächer, sein gesundes Bein gab nach.

»Haltet ihn fest!«, schrie Eddy.

Kate eilte an Fords Seite und half ihm, den Wissenschaftler aufrecht zu halten.

Eddy wandte sich um. »Der Tag des Zorns ist angebrochen«, donnerte er.

Die Menge stürzte sich auf Hazelius, sie umdrängten ihn, stießen ihn hin und her, als kämpften sie um eine Puppe. Sie schlugen ihn, schubsten ihn, spien ihn an und prügelten mit Stöcken auf ihn ein. Ein Mann schlitzte ihm mit einem abgebrochenen Stück Kaktus das Gesicht auf.

»Fesselt ihn an den Baum da.«

Sie zerrten ihn zu einer gewaltigen, abgestorbenen Pinyon-Kiefer und rangelten dabei um ihn wie ein ungeschicktes, hundertfüßiges Ungeheuer. Sie fesselten ein Handgelenk, führten das Seil über einen kräftigen Ast, zogen es stramm, fesselten dann das andere Handgelenk und verknoteten das Seil, so dass Hazelius aufrecht, halb hängend, halb stehend, mit gespreizten Armen an den Baum gebunden war. Seine Kleidung hing in Fetzen von seinem schmutzstarrenden Körper.

Plötzlich riss Kate sich von ihren Bewachern los, rannte hinüber und fiel Hazelius um den Hals.

Die Menge brüllte wütend, und mehrere Männer packten Kate, zerrten sie zurück und schleuderten sie zu Boden. Eine Vogelscheuche von einem Mann mit eckig gestutztem Bart schoss vor und trat sie, sobald sie am Boden lag.

»Dreckskerl!«, schrie Ford. Er traf den Mann mit der Faust am Kiefer, stieß einen anderen beiseite und kämpfte sich zu Kate durch, doch der Mob überwältigte ihn, und er wurde mit Fäusten und Knüppeln niedergeprügelt. Nur noch halb bei Bewusstsein, bekam er kaum mit, was als Nächstes geschah.

Das Knattern einer Motocross-Maschine am Rand der Menge war zu hören, dann wurde der Motor stotternd abgestellt. Eine tiefe, respekteinflößende Stimme dröhnte: »Seid ge grüßt, Christen!«

»Doke!«, rief der Mob. »Doke ist da!«

»Doke! Doke!«

Die Menge teilte sich, und ein Berg von einem Mann trat in den Ring. Er trug eine Jeansjacke mit abgerissenen Ärmeln, die muskulösen Arme waren über und über tätowiert, ein Silberkreuz an einer silbernen Kette baumelte von seinem Hals, und er trug ein Sturmgewehr auf dem Rücken. Sein langes blondes Haar flatterte im heißen Wind der Feuer.

Er wandte sich um und umarmte Eddy. »Jesus sei mit dir!« Er ließ Eddy los und wirbelte zu den anderen herum. Doke strahlte einen lockeren Charme aus, eine gute Ergänzung zu Eddys asketischer Strenge.

Mit geheimnisvollem Grinsen griff Doke in eine Tasche und holte eine Glasflasche voll klarer Flüssigkeit heraus. Er schraubte den Deckel ab, warf ihn weg und stopfte einen Stofffetzen in die Öffnung, so dass die Hälfte noch heraushing. Dann hielt er den Lumpen mit zwei Fingern fest und schüttelte die Flasche. Er hielt sie hoch, und die Menge brüllte begeistert. Ford roch Benzin. Mit einem Feuerzeug in der anderen Hand hob der Mann den Arm, bis er mit beiden Armen über dem Kopf dastand. Er warf die Arme hin und her und drehte sich dabei einmal im Kreis wie ein Rockstar auf der Bühne. »Holz!«, rief er mit heiserer Stimme. »Bringt uns Holz!«

Eddy sagte: »Und so jemand nicht ward gefunden geschrieben in dem Buch des Lebens, der ward geworfen in den feurigen Pfuhl! In diesem Punkt ist die Bibel eindeutig. Jene, die Jesus Christus nicht als ihren persönlichen Erlöser angenommen haben, werden ins ewige Feuer geworfen. Dies, meine Gefährten in Jesus Christus, ist Gottes Wille.«

»Verbrennt ihn! Verbrennt den Antichrist!«, geiferte die Menge.

»Und der Teufel, der sie verführte, ward geworfen in den feurigen Pfuhl«, fuhr Eddy fort, »und Schwefel, da auch das Tier und der falsche Prophet war.«

»Aufhören! In Gottes Namen, das dürft ihr nicht!«, schrie Kate.

Haufen toter Kiefernzweige, verdorrter Kakteen und trockener Wüstenbeifuß wurden durch die Menge gereicht und am Fuß des Baumes aufgeschichtet. Der Haufen wuchs stetig.

»Dies ist es, was Gott den Ungläubigen verspricht«, sagte Eddy, der vor dem wachsenden Scheiterhaufen auf und ab ging. »Und sie werden gequält werden Tag und Nacht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Was wir hier tun, ist Gottes Wille, mehrmals in der Bibel bestätigt. Ich nenne nur die Offenbarung vierzehn, Vers elf: Und der Rauch ihrer Qual wird aufsteigen von Ewigkeit zu Ewigkeit; und sie haben keine Ruhe Tag und Nacht.«

Der Brennholz-Haufen türmte sich schief und krumm um den Baum, und einige Männer begannen, ihn um Hazelius festzutreten.

»Tut das nicht!«, kreischte Kate.

Der Scheiterhaufen reichte Hazelius bis zu den Oberschenkeln.

»Und es fiel Feuer von Gott aus dem Himmel und verzehrte sie«, zitierte Eddy weiter.

Verdorrte Kakteen, Beifuß und anderes Gestrüpp, trocken wie Zunder, türmte sich immer höher und begrub Hazelius nun schon bis zur Hüfte unter sich.

»Wir sind bereit, Gottes Willen zu tun«, sagte Eddy leise.

Doke trat vor und hob erneut die Arme, das Feuerzeug in der einen, den Molotowcocktail in der anderen Hand. Die Menge wich zurück, und es wurde still. Der Mann drehte sich mit erhobenen Armen noch einmal halb herum, wie ein Model auf dem Laufsteg. Die Menge rückte ehrfürchtig noch ein Stück ab.

Doke ließ das Feuerzeug aufschnappen und zündete den Molotowcocktail an. Flammen schienen über den baumelnden Lappen zu fließen. Er wirbelte herum und schleuderte die Flasche in den Scheiterhaufen. Ein dumpfes Fump war zu hören, und die ersten Flammen erblühten im trockenen Gestrüpp und schossen knackend aufwärts.

Die Menge gab ein lautes »Ohhh!« von sich.

Ford wappnete sich und sah zu, einen Arm um Kate gelegt, um sie zu stützen, denn sie schwankte, einer Ohnmacht nahe. Alle sahen schweigend zu. Niemand wandte sich ab.

Als die Flammen höher schlugen, sagte Hazelius mit fester, klarer Stimme: »Das Universum vergisst niemals.«