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Rosie Pascoe fühlte sich in der Schule gar nicht wohl.
Auf dem Schulhof hatte sie als erstes nach Zandra Ausschau gehalten, aber die war nirgends zu sehen gewesen. Miss Turner, die Klassenlehrerin, erklärte ihr, daß Mrs. Purlingstone angerufen habe, um Zandra krankzumelden.
Das bedeutete zumindest, daß sie bei der Schilderung ihres Wochenendausflugs die Bühne ganz für sich allein hatte. Aber als es zur Pause draußen immer heißer wurde, vermißte sie ihre gewohnte Energie und war froh, abseits vom anstrengenden Getöse der Schulhofspiele zu stehen.
Alle Stimmen schienen weit entfernt, wie bei einem Fernseher, den man leise gestellt hatte, und die spielenden Kinder bewegten sich vor ihr wie Gestalten auf einem kleinen Bildschirm. Es war kein unangenehmes Gefühl, dieses Entferntsein. Es war sogar der Zustand, in dem sie sonst am leichtesten mit ihrer Freundin Nina Kontakt aufnahm. Doch auch sie war heute nirgends zu entdecken, und dann fiel Rosie ein, daß Nina ja wieder vom Nix geschnappt worden und wahrscheinlich immer noch in seiner Höhle gefangen war.
Aus dem Augenwinkel entdeckte sie hinter dem hohen Maschendrahtzaun um den Schulhof eine Gestalt. Voller Hoffnung ging sie darauf zu. Die helle Sonne blendete sie. Den ganzen Tag schon hatte sie diese Helligkeit gestört, und sie konnte nichts richtig sehen. Doch als sie näherkam, erkannte sie, daß es nicht Nina war, und als sie blinzelte, merkte sie, daß überhaupt niemand dort stand und sie sich wie ein Krallenäffchen an den Maschendraht klammerte.
Sie spürte eine Hand auf der Schulter und fuhr herum.
Es war Miss Turner. Sie war eine kleine Frau, viel kleiner als Mummy, aber heute wirkte sie irgendwie riesig groß.
»Die Pause ist vorbei, Rosie«, sagte sie mit dieser weit entfernten, unwirklichen Stimme. »Zeit, in die Klasse zurückzugehen.«
Einige Meilen weiter nördlich fühlte auch Shirley Novelle, sich gar nicht wohl in der Schule. Sie hatte nichts gegen Kinder, aber sie war nicht gerade verrückt nach ihnen. Und sie ärgerte sich über das Vorurteil, daß sie wegen ihres Geschlechts automatisch die geeignetste Person sei, um Lorraines Klassenkameraden auszuhorchen – vor allem, da sie nach wie vor glaubte, die Sache mit den Fahrzeugen gut gemeistert zu haben. Allerdings hielt sie es für klüger, sich nicht zu beklagen – nicht inmitten eines Falls um ein vermißtes Kind. Wenn man da den Befehl bekam, gegen Windmühlen zu reiten, ritt man sogar gegen Windmühlen an.
Hier in der Schule gab es allerdings nicht einmal Wind. Alle Fenster des Gebäudes standen weit offen, doch eine Feder würde eher von den Lippen eines Toten fortwehen als hier von einer Fensterbank.
Die Kinder waren lethargisch, teils wegen der Hitze und teils, weil die anfängliche Aufregung über die Polizisten nebenan nachgelassen hatte und ihnen der eigentliche Grund für ihre Anwesenheit mehr und mehr bewußt wurde. Mrs. Shimmings und auch Miss Blake, die Klassenlehrerin, taten ihr Bestes, um die Kinder abzulenken und zu beschäftigen, aber auch ihnen machte die berechtigte Angst um ihre vermißte Schülerin zu schaffen, und die schien sich trotz angestrengter Zurückhaltung auf die Kinder zu übertragen.
Die Befragung war nicht sehr ergiebig. Ein paar von Lorraines Freundinnen sagten, sie habe oben am Ligg Beck ein »geheimes Versteck« gehabt, aber nach dem genauen Ort gefragt, starrten sie Novello nur entgeistert an, als sei sie vollkommen verblödet, und sagten: »Das wissen wir nicht. Es war doch geheim!« Schließlich drängte sie ein wenig zu sehr auf Antwort, woraufhin eines der befragten Mädchen in lautes Schluchzen ausbrach, das sich schnell auf die anderen übertrug, und die Befragung war vorbei.
»Ich werde später noch mal mit ihnen reden«, versprach Mrs. Shimmings, als sie zusammen den Korridor hinuntergingen. »Es hat keinen Sinn, Kinder in diesem Alter zu drängen. Sie müssen warten, bis sie von sich aus erzählen wollen.«
Na toll, dachte Novello. Du mußt ja auch keinem Männerverein Rede und Antwort stehen, die nicht mal beeindruckt sind, wenn man was Positives zu berichten hat!
Mit dem Männerverein meinte sie natürlich Dalziel und Pascoe und ein kleines bißchen auch Wield. Nachdem sie zur Kriminalpolizei gegangen war, hatte sie schnell erkannt, daß es für einen ambitionierten Beamten von zentraler Bedeutung war, wie er oder sie mit dem Trio infernale klarkam.
Mit großem Interesse hatte sie stillschweigend beobachtet, wie ihre männlichen Kollegen auf die drei reagierten. Dalziel jagte allen einen Heidenrespekt ein. Sein Zorn rollte über einen hinweg wie ein Panzer. Andererseits ist einem Infanteristen beim Zug in die Schlacht nichts lieber, als hinter einem Panzer herzumarschieren.
Pascoe galt als ganz in Ordnung. Kümmerte sich sehr ums Fußvolk. Seinen anfänglichen Nachteil als Studierter hatte er mittlerweile abgesessen. Eigentlich würden die meisten ohne Dalziels gelegentliche Frotzeleien gar nicht weiter darüber nachdenken.
Und Wield war … Wield. Unergründlich wie ein chinesisches Lexikon, aber über alles informiert, was ein guter Polizist wissen mußte. Es gab Gerüchte über sein Privatleben, die einen anderen die Stellung gekostet hätten. Aber an ihm, dem Felsen in der Brandung, zerschellten sie wie Treibgut und verschwanden wieder im Meer.
Der gute Rat war: wenn Dalziel spricht, gehorche; wenn Pascoe spricht, dann höre; und wenn Wield spricht, dann mach dir Notizen.
Doch Novello sah die drei inzwischen ganz anders.
Die Gerüchte über Wield ignorierte sie. Für sie war er so offensichtlich schwul, daß sie diesen Hang zum Flüstern nicht verstehen konnte. Er war ein guter Polizist, und sie konnte viel von ihm lernen. Aber vermutlich war er auch ein Polizist, der sich ganz bewußt dafür entschieden hatte, lieber Sergeant zu bleiben, als die exponierte Position eines höheren Ranges zu riskieren. Obwohl sie das verstehen konnte, hatte sie nicht die Absicht, Wield diesbezüglich zum Vorbild zu nehmen.
Pascoe. Zuerst hatte sie ihn gemocht. Er hatte sie freundlich und hilfsbereit aufgenommen und ihr zur Seite gestanden, als sie dem Dezernat beitrat. Das tat er immer noch. Aber Maggie Burroughs, die ihr beim Wechsel zur Kriminalpolizei sehr geholfen hatte, gab ihr einmal den Rat: »Nimm dich in acht vor den Freundlichen. Manchmal sind das die Schlimmsten.« Und als wenige Minuten nach dem Beginn der Schülerbefragung Pascoe seinen Kopf durch die Tür streckte und um ein paar Worte mit Mrs. Shimmings bat, verriet ihr sein entschuldigendes Lächeln lediglich, daß er seine Arbeit für undenkbar wichtiger hielt als ihre.
Blieb noch Dalziel. Ein Panzer war nur eine Maschine, aber eine Maschine braucht jemanden, der sie in Gang bringt. Einen Mechaniker. Oder einen Gott. Es wurden Witze über die Heilige Dreifaltigkeit gerissen, üblicherweise mit Pascoe als Sohn und Wield als Heiligem Geist. Novello als annähernd gute Katholikin bevorzugte Pascoe als Heiligen Geist. Aber der dicke Andy Dalziel war unbestritten der Allmächtige. Wenn man ihn verärgerte, konnte man nur hoffen, daß einen sein Wutschnauben schnell außer Reichweite blies. Es war ein kleiner Trost zu wissen, daß niemand verschont blieb. Selbst der heilige Peter Pascoe bekam sein Fett weg. Der erste und letzte Satz des kriminalpolizeilichen Glaubensbekenntnisses hieß folglich: Ich glaube an Andy Dalziel. Aber Glaube ohne gute Taten brachten einen nicht in den Himmel, und obwohl der fette Prophet vorausgesagt hatte, daß die Befragung der Kinder reine Zeitverschwendung sei, würde er vermutlich trotzdem irgendein positives Ergebnis erwarten.
Deshalb war sie sehr erleichtert, als sie in der Zentrale nur Wield vorfand. Er brütete über einer dicken Akte. In der Hand hielt er eine Dose Mineralwasser.
Er sagte: »Der Kühlschrank ist gekommen. Bedienen Sie sich.«
Dankbar nahm sie eine Dose Limonade. Sie hätte sie gern unter ihr T-Shirt geschoben und hin und her gerollt, aber sie vermied instinktiv alles, was ihre männlichen Kollegen allzu deutlich auf ihr Geschlecht aufmerksam machte. Selbst bei Wield.
Vielleicht, dachte sie, haben wir vieles gemeinsam.
»Und? Glück gehabt?« fragte er ohne aufzusehen.
»Nicht viel. Anscheinend hat Lorraine ein geheimes Versteck oben am Ligg Beck, aber keiner weiß, wo.«
»Das ist ja wohl klar, wenn es geheim ist«, erwiderte Wield mit kindlicher Logik. Er schloß die Akte. Verkehrtherum las sie DENDALE.
»Nichts vom Suchtrupp bisher, Chef?«
»Nichts.«
»Dann könnte es sein, daß sie längst weg ist.«
»Der Superintendent scheint anzunehmen, daß sie immer noch hier in der Gegend sind.«
Sie bemerkte den Plural. Er merkte, daß sie es bemerkt hatte, korrigierte sich aber nicht.
»Was meinen Sie denn, Chef?« wollte Novello wissen.
Er sah sie nachdenklich an. Ihr fiel zum erstenmal auf, daß er hübsche Augen hatte, ein mittelmeerblauer Ring um eine dunkelgraue Iris, umgeben von reinstem Weiß, ohne auch nur ein sichtbares rotes Äderchen. Als fände man Juwelen in einer Ruine.
Er sagte: »Ich glaube, Ihnen liegt was auf der Seele, das Sie gern loswerden möchten. Wegen dem blauen Kombi, wie ich vermute.«
Das war Aufforderung genug. Sie ging zur Landkarte an der Wand und erklärte: »Die Straße zum Highcross Moor verläuft viereinhalb Meilen ohne Abzweigungen geradeaus, abgesehen von ein paar Zufahrtsstraßen zu Bauernhöfen, bis sie dann einen Knick nach Osten macht und da auf die Hauptstraße trifft. An der Stelle ist ein Pub, das Highcross Inn. Ich würde gern auf allen Höfen an der Straße nachfragen und auch im Pub, ob sonst noch jemand diesen blauen Kombi gesehen hat.«
Nun, da sie es ausgesprochen hatte, klang ihre Theorie recht dünn. Sie war froh, daß nicht Dalziel vor ihr stand.
Wield meinte: »Unsere Männer sind auf all diesen Höfen gewesen.«
»Ja, aber sie haben Scheunen, Schuppen und Ställe durchsucht. Ich würde spezielle Fragen über ein spezielles Fahrzeug stellen.«
»Sie haben da wohl so eine Ahnung mit diesem Kombi, oder?«
»So ähnlich«, gab sie widerstrebend zu.
»Haben Sie schon mal was im Lotto gewonnen?«
»Zehn Pfund.«
»Das reicht nicht als Pension, wenn Mr. Dalziel Sie dabei erwischt, wie Sie bloßen Ahnungen nachlaufen«, meinte Wield. »Aber da ich im Moment sowieso nichts anderes für Sie habe, schwirren Sie meinetwegen ruhig ab. Lassen Sie aber Ihr Funkgerät an, und wenn Sie gerufen werden, kommen Sie unverzüglich zurück, ohne irgendwelche Ausreden über schlechten Empfang in den Bergen oder ähnliches. Verstanden?«
»Klar, Chef. Danke.«
Und schnell, bevor er es sich anders überlegen konnte, drehte sie sich um und eilte erneut hinaus in die Hitze.
Als sie in den Wagen stieg, sah sie George Headingleys blitzenden Lada auf den Parkplatz fahren. Sie röhrte freundlich winkend in ihrem klapprigen Golf an ihm vorbei. George hatte schon immer als besonnener Mensch gegolten, aber je näher seine Pensionierung rückte, desto obsessiver wurde sein Hang zur Besonnenheit. Privat gab er keinen Penny zuviel aus, und man munkelte, er habe bis auf die Stunde genau den besten Zeitpunkt zum Antritt seines Ruhestands berechnet. Beruflich richtete er sich strikt nach den Vorschriften, und wenn die Vorschriften ihm nicht weiterhalfen, tat er das, was seiner Meinung nach dem Chief Constable und Andy Dalziel am besten gefallen würde – nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.
Wäre Headingley zehn Minuten eher gekommen, hätte sie ihren Ahnungs-Trip vergessen können. »Machen Sie uns doch einen Tee, Shirl«, hätte er gesagt. »Und dann können Sie das Telefon hüten, bis der Superintendent zurückkommt.«
So aber war sie erst einmal frei. Sie fuhr die ansteigende Straße hinauf, kurbelte das Fenster runter und schob ihr T-Shirt hoch, um im Durchzug etwas abzukühlen.
Zunächst fuhr sie zu der Stelle, wo Geoff Draycott den blauen Kombi hatte anhalten sehen. Der Stadtrat hatte offenbar vorausgesehen, daß an dieser Stelle viele Leute wegen des Ausblicks aussteigen würden, und im Zuge der Straßenverbreiterung einen kleinen befestigten Parkplatz inklusive Bank, Tisch und Abfalleimer errichten lassen.
Sind wir denn die einzige Rasse auf der Welt, überlegte Novello, die an einem Ort überwältigender Naturschönheit ohne Abfalleimer ihren Müll einfach auf dem Boden verteilt?
Sie stieg aus und genoß die in jede Himmelsrichtung sehenswerte Aussicht. Sie hatte ein Fernglas dabei und betrachtete damit die friedlichen Häuser von Danby, deren graue und blaue Schieferdächer und rote, gelbe, braune und ockerfarbene Ziegeldächer in der Sonne gebacken wurden. Dann verfolgte sie die gewundene Spur des Ligg Beck den Talhang hinauf. Sie spürte ihre gute Laune schwinden, als sie einen Range Rover der Polizei entdeckte und wieder daran erinnert wurde, warum sie hier war.
Sie sah, daß Maggie Burroughs – mit einem sehr inoffiziellen Strohhut auf dem Kopf – sich an der heruntergeklappten Heckrampe über eine Landkarte beugte und in ihr Funkgerät sprach. Und in einiger Entfernung standen Sergeant Clark und Peter Pascoe, hemdsärmelig und mit beginnendem Sonnenbrand auf der blassen Haut, ins Gespräch vertieft.
Novello folgte dem Verlauf des Tales über den zweireihigen Suchtrupp hinweg, der etwa eine halbe Meile vor dem Range Rover das Gebiet durchkämmte, bis sich das Talende durch den Schlenker ostwärts ihren Blicken entzog.
Und schließlich, nach einer Drehung um dreihundertsechzig Grad, sah sie das Talstück direkt zu ihren Füßen vor sich.
Das war nun wirklich interessant. Das Tal wurde zum oberen Ende hin immer schmaler, und da dieser Aussichtspunkt etwas vorgelagert war, lag der tiefe Graben, der weiter oben den Flußlauf zu erkennen gab, hier relativ nahe. Natürlich blieb durch die Hügel und Unebenheiten des Geländes viel verborgen, aber ein Mann, der hier oben stand und ein Kind beobachtete, das am Bach spazierenging, sagen wir mal da, hätte keinerlei Schwierigkeiten, den Hang hinunterzulaufen, der auf dieser Seite viel flacher war als am Neb, und sie etwa dort abzufangen.
Sie setzte das Fernglas ab und betrachtete das Ganze mit bloßem Auge. Nun war natürlich alles viel weiter entfernt. Allerdings sprach nichts dagegen, daß ein Mann, der hier anhielt, ebenfalls ein Fernglas dabeihatte. Und damit ein kleines Mädchen beobachtete, das ganz allein spazierenging, nur mit ihrem kleinen Hund …
Doch das war reine Theorie und nichts, das man vor der Heiligen Dreifaltigkeit hätte präsentieren können. Gestützt durch ein paar relevante Fakten allerdings …
Sie suchte den Boden am Parkplatzrand nach Hinweisen dafür ab, daß jemand den Abhang hinuntergestiegen war. Schnell mußte sie erkennen, daß sie damit nur ihre Zeit vergeudete. Sie war kein Indianer, der erkennen konnte, wer wann wo vorbeigekommen war. Außerdem war vermutlich jedes Kind, das hier mit seinen Eltern Rast gemacht hatte, den Hang hinuntergerannt.
Sie ging zum Wagen zurück, holte ein Paar Plastikhandschuhe und hob den Müllsack aus dem Abfalleimer. Er war randvoll. Dies war gestern bestimmt ein beliebter Rastplatz gewesen, und eine Sonntagszeitung obenauf ließ vermuten, daß der Mülleimer seither nicht geleert worden war. Sie kippte den Inhalt auf die Erde und begann, die unteren Schichten zu durchsuchen. Aus ihrem Lateinunterricht in der Klosterschule kam ihr das Wort haruspex in den Sinn: ein Hellseher, der aus den Eingeweiden von Tieren weissagte. Das wäre ein guter Name für diese FBI–Leute, von denen sie gelesen hatte, die sich auf die Untersuchung von Haushaltsmüll spezialisiert hatten. Vielleicht hatte Scotland Yard auch ein paar solcher Leute unter Vertrag, aber im Trainingsprogramm der Polizei von Mid-Yorkshire stand es nicht gerade an erster Stelle. Möglicherweise hätte ein Experte mit den leeren Nahrungsmittelverpackungen, die den größten Teil des Abfalls ausmachten, mehr anfangen können, aber Novello konzentrierte sich auf den Rest und hatte nach einigen Minuten eine 3-Volt-Lithium-Batterie herausgesucht, wie sie in manchen Fotoapparaten verwendet wurde, eine leere Marlboro-Lights-Schachtel, zwei Sonntagszeitungen (eine seriöse, ein Revolverblatt), einen kaputten Ohrring und ein Papiertaschentuch mit einem braunen Fleck, der Blut sein konnte.
Diese Sachen packte sie in eine Extratüte und den Rest wieder in den Müllbeutel, den sie mit Klebeband verschloß und in ihren Kofferraum warf. Sie hatte nicht wirklich die Hoffnung, daß irgend etwas davon mit dem Fall zu tun haben könnte, aber wenn doch, so wollte sie Dalziel nicht sagen müssen, daß der Rest etwaiger Beweisstücke in irgendeiner Mülldeponie gelandet war.
Nun studierte sie ihre Landkarte. Es gab vier Bauernhöfe, bei denen sich ein Besuch lohnen könnte. Hier hatte sie große Hoffnungen. Und ein gutes Gefühl.
Einige Stunden später, als sie über vertrocknete Heidebüschel stapfte und sich die Knie und Ellbogen an den steinernen Grenzmäuerchen aufschürfte, war von ihrem Gefühl nichts weiter übrig als schmerzende Muskeln und durch die Hitze wundgescheuerte Achselhöhlen. Die Höfe hatte sie zwar gefunden, aber niemanden, der am Sonntagmorgen irgend etwas gesehen hatte.
Doch sie war fest entschlossen, daß Halbherzigkeit nicht zu den Anschuldigungen gehören sollte, die sie sich möglicherweise würde anhören müssen. Gründlichkeit, so hatte ihr eine alte Lehrerin einmal gesagt, war eine Belohnung in sich selbst. Das war immerhin ein Trost, denn als sie den letzten Hof verließ, mußte sie zugeben, daß sie bislang noch nichts anderes eingebracht hatte.
So machte sie sich schließlich auf den Weg zum Highcross Inn.