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BETSY ALLGOOD (PA/WW/11.6.88)
Abschrift/Protokoll 2
Nr. 2 von 2 Kopien
Als es erst mal anfing zu regnen, regnete es so doll, wie wenn es in einer Woche die Trockenheit der ganzen letzten Monate wieder aufholen wollte.
Am ersten Tag gab’s einen richtigen Wolkenbruch, dann wurde er zum Dauerregen, der manchmal etwas nachließ, aber nie ganz aufhörte. Wir hörten, daß sie drüben in Dendale die letzten Abrißarbeiten vornahmen, alle großen Stücke abtransportierten, die Stromleitungen kappten und so Sachen, und als das alles erledigt war rissen sie die Gebäude mit Bulldozern ein. Es war scheint’s egal, ob die Häuser später unter Wasser kamen oder nicht – die Wasserbehörde wollte nix stehenlassen, was die Leute in Versuchung führen könnte, drin rumzuwühlen.
Also wurden zur Vorbereitung für die Flutung vom Tal unsere Schule, das Pub, die Kirche, Häuser, Scheunen, Schuppen, einfach alles niedergewalzt. Der Damm war so gut wie fertig, die Bäche sprudelten, aus dem Neb sickerte das Wasser wie aus ’nem löchrigen Eimer, und der White Mare’s Tail bewegte sich wieder mit aller Kraft, so daß unser Seefast wieder seinen alten Pegelstand hatte. Oben am Black Moss-Sattel zwischen dem Neb und Beulah Height wurde der neue Bergsee immer weiter und tiefer und wartete darauf, ins Tal gelassen zu werden.
All das schnappte ich auf, wie Kinder so was eben aufschnappen, indem sie bei den Erwachsenen rumhängen, Mund zu, Ohren offen. Es gab keine Chance, irgendwas davon selber zu sehen. Wie alle anderen, wurde auch ich davor gewarnt, in die Nähe von Dendale zu gehen. Einerseits war es so, daß unsere Mams und Dads immer noch Angst vor Benny Lightfoot oder dem Nix oder wem auch immer hatten, der die drei Mädchen geschnappt hatte. Andererseits glaube ich, sie wußten, wie sehr es ihnen weh tun würde, die alten Häuser niedergewalzt und überschwemmt zu sehen, sie dachten, das würde uns Kindern genauso gehen.
Nur, was mich anging, irrten sie sich gewaltig. Mir gefiel es in Danby ganz gut, und ich hab mich schnell eingelebt. Und als im September die Schule wieder losging, stellte ich fest, daß Mr. Shimmings, der Lehrer mit der Augenklappe, gar keine Augenklappe mehr hatte. Er hatte sie bloß getragen, weil er sich bei einem Unfall ein Auge verletzt hatte und es zudecken mußte, bis es wieder gesund war. Und er hatte auch keinen zersplitterten Rohrstock, sondern bloß einen Gehstock, weil er humpelte, wegen demselben Unfall. Genau gesagt, war er richtig nett, und er und Miss Lavery verstanden sich gleich ganz gut.
Ich hab ganz vergessen zu erzählen, daß Miss Lavery von der St. Michael’s Schule übernommen wurde, und obwohl ich nicht mehr in ihre Klasse ging, blieb sie immer stehen und redete mit mir, wenn wir uns mal begegneten.
Immer wieder sah man Gesichter aus Dendale. Mr. Hardcastle arbeitete wie mein Vater auf Mr. Pontifex’ Land. Die Telford-Brüder hatten ihre Tischlerei in Danby neu eröffnet, wobei ich hörte, daß es hauptsächlich Madges Onkel war, der das Geschäft leitete, weil Joe (das ist ihr Vater) dazu nicht in der Lage war. Die Wulfstans waren wieder in die Stadt gezogen, verkauften da dann aber auch alles und zogen nach London. Von Tante Chloe hat nie wieder jemand was gesehen, aber Mr. Wulfstans Firma war hier oben, und er kam immer mal wieder her und man erzählte, daß er immer oben an den Bergen rumlief und hoffte, irgendeine Spur von Mary zu finden. Außerdem hieß es, daß seine Anwälte die Polizei verklagen, weil sie ihre Arbeit nicht richtig gemacht hat, aber es kam nix dabei raus.
Was Benny Lightfoot angeht, der war spurlos verschwunden. Seine Oma machte ganz schön Radau, weil sie nicht aus dem Tal weg wollte, und verbarrikadierte sich in ihrer Hütte, als es soweit war. Sie gingen rauf, um in Ruhe mit ihr zu reden, aber sie war nirgends zu sehn, und da haben sie die Tür eingebrochen und gesehen, daß sie von der ganzen Aufregung einen Schlag bekommen hatte. Also kam sie ins Krankenhaus. Sie wäre wahrscheinlich in irgendeinem Heim gelandet, wenn nicht eine Nichte aus der Nähe von Sheffield aufgetaucht wäre, um sie bei sich aufzunehmen.
All das kriegte ich so mit, aber es kümmerte mich nicht weiter. Dendale und die Hitze, und Jenny und Madge und Mary, die verschwunden waren, das alles schien Meilen und Jahre entfernt zu sein. Wir hatten ein Cottage ganz nah bei der Schule, am Ortsrand von Danby, und für einen Städter wäre das wohl das reinste Landleben gewesen, für mich war es nach Low Beulah wie mitten in der Stadt, mit neuen Leuten jeden Tag und neuen Straßen und Häusern.
Ich glaube, der Wechsel tat meiner Mam anfangs auch gut. Sie kam mir viel lebhafter vor und fand ein paar neue Freundinnen und ging sogar hin und wieder mit ihnen aus. Meinem Dad ging’s eine Zeitlang auch besser. Er war so was wie Aufseher der Schafhirten für Mr. Pontifex, und ich hörte, wie Mam irgend jemandem erzählte, wenn er keinen Ärger macht und den Mund hält, würde er Stirps End bekommen, wenn der derzeitige Pächter in den Ruhestand geht, was an Mariä Verkündigung oder spätestens zum Mittsommer passieren sollte. Mein Dad sagte immer, er wüßte nicht, ob es viel Sinn hätte, noch mal von vorn anzufangen, und ich wußte, er meinte damit, weil ich doch bloß ’n Mädchen bin. Und vielleicht ist das der Grund, warum es mir in der Zeit nicht viel ausmachte, daß ich kurze Haare und fast immer Arbeitshosen oder Jeans tragen mußte, weil ich dachte, daß ich vielleicht doch noch für ’n Jungen durchgehen und den Hof später übernehmen könnte.
Klingt blöd, ich weiß, aber das dachte ich eben. Und ich versuchte, überhaupt nicht mehr an Dendale zu denken, und wie gesagt, kurze Zeit später kam es mir so weit weg vor wie London, und ich hätte nicht im Traum daran gedacht zurückzugehen, wenn es nicht wegen Bonnie gewesen wäre.
Bonnie hatte der Umzug wohl am meisten mitgenommen, und wenn es nicht in einer Tour geregnet hätte, wäre er wahrscheinlich überhaupt nicht in unser neues Haus reingegangen. Er tigerte immer ganz unruhig herum. Wenn ich ihn mit in ein Zimmer nahm, wollte er raus. Und wenn ich ihn rausließ, wollte er wieder rein. Und was immer er wollte, er schrie so lange, bis er es bekam, und das ging meinem Dad ganz schön auf die Nerven. Er hatte Bonnie sowieso noch nie leiden können, also sah ich zu, daß sie einander nicht in die Quere kamen.
Dann, eines Abends, ging alles schief. Mein Dad kam durch die Hintertür in die Küche, und Bonnie flitzte zwischen seinen Beinen durch und brachte ihn beinah zum Stolpern.
Er fluchte und trat mit seinem Stiefel nach ihm und erwischte Bonnie genau an den Rippen.
Unser Kater stieß einen schrillen Angstschrei aus und schoß durch die Tür nach draußen. Ich schrie auch, und meine Mam kam, um zu sehen, was los war.
»Es ist Bonnie«, schluchzte ich. »Dad hat ihn getreten, und jetzt ist er weggelaufen.«
»Stimmt das?« fragte meine Mam.
»Dieses blöde, verfluchte Vieh«, schimpfte mein Dad. »Ist zu nix nütze. Ich hoffe, den seh ich nie wieder. Alles, was nicht nützlich ist, ist es verdammt noch mal nicht wert, daß man es durchfüttert.«
Da mußte ich noch mehr weinen, und nicht nur um Bonnie.
Mam versuchte, mich zu trösten, und sagte, Bonnie würde schon wiederkommen, wenn er merkt, daß er draußen bloß ganz naß wird. Und sogar mein Dad, der sich vielleicht ein bißchen schuldig fühlte, meinte, es würde alles wieder gut werden und Bonnie würde ihm morgen früh schon wieder zwischen die Füße laufen.
Aber das tat er nicht. Keine Spur.
Ich heulte das ganze Frühstück über und den ganzen Weg zur Schule. Erst hat das niemand gemerkt, wir waren ja alle so naß, und ein paar Tränen fielen da gar nicht auf. Es war ein richtig übler Tag, wo es so doll regnete, daß der Regen von unten wieder nach oben sprang und die Luft voller wirbelnder Regentropfen war, so daß man nicht über den Schulhof gucken konnte. Aber als wir drinnen waren und langsam trocken wurden, da merkten meine Freundinnen dann, daß ich weinte, und fragten mich, was los wäre. Sie waren alle ganz lieb zu mir, aber einer von den Jungs, Joss Puddle, dessen Vater das »Holly Bush« in Dendale gehörte, sagte: »Weiß gar nicht, warum du so heulst. Ich kann mir denken, wo er ist. Der wird nach Hause gelaufen sein.«
»Nein, ist er nicht, du Dummkopf«, sagte ich. »Das hab ich euch doch grad erzählt, daß er eben nicht nach Hause gekommen ist.«
»Ich mein doch nicht sein Zuhause in Danby, ich meine sein altes Zuhause, sein richtiges Zuhause. Also, wer ist jetzt dumm?« gab er zurück. »Und ich sag dir noch was. Wenn er wieder nach Low Beulah zurück ist, wird er wahrscheinlich ersaufen, weil sie heut Black Moss auslassen.«
Den ganzen Morgen bis zur Pause dachte ich darüber nach. Und je mehr ich nachdachte, desto mehr gab ich Joss Puddle recht. Seit dem Umzug war Bonnie komisch gewesen. Wo sollte er sonst hinrennen, nachdem mein Dad ihn getreten hatte, außer nach Dendale? In der ersten Pause sagte ich also zu Joss, er sollte der Lehrerin sagen, ich hätte Bauchweh und wär nach Hause gegangen.
Wenn ich jetzt dran denke, weiß ich natürlich, daß es ganz schön blöd war, was ich da vorhatte. Die Chance, Bonnie zu finden, selbst wenn er nach Low Beulah gelaufen wäre, war fast null. Und die Chance, daß ich ausrutschen und mir ein Bein brechen würde, war ziemlich groß. Aber ich hatte dieses Bild im Kopf, wie Bonnie ganz allein und verlassen unten am Mere hockt und dieser riesige Schwall Wasser vom Black Moss runterrauscht und ihn mitreißt.
Also ging ich los, den Leichenpfad rauf, nach Dendale.
Von Danby aus war der Weg ganz schön steil, aber ich war kräftig für mein Alter, und der Pfad war so ausgetreten, daß ich ihn gut sehen konnte, selbst bei dem Nebel. Der Regen ließ kein bißchen nach, und bald war ich vollkommen naß, aber es war kein kalter Regen bei dem Südwind, und weil ich ganz schnell ging, war mir richtig warm.
Als ich über den Kamm vom Neb kam, konnte ich den White Mare’s Tail donnern hören, aber da war noch ein anderes Geräusch, das ich nicht kannte. Erst als ich schon halb unten im Tal war und der Nebel sich plötzlich hob, da sah ich, wo es herkam.
Vom Black Moss aus, wo sonst lauter kleine Bergbäche wie silberne Fäden den Hang runtergeflossen waren, ging jetzt ein einziger reißender Strom. Er rauschte den Hang runter ins Tal, wo er in das Auffangbecken vom Wasserfall traf und von da aus in den Mere floß.
Der Mere war höher, als ich ihn je gesehen hatte, nicht mal bei Springfluten. Die alten Ufer waren verschwunden, und er breitete sich über die Felder und Grenzmauern aus und schwappte schon an die Ruinen der alten Häuser wie Heck, die dicht dran gestanden hatten.
Ich stand da und dachte … ich weiß nicht mehr, was ich dachte. Ich schaute auf den Ort, wo ich die meiste Zeit von meinem kurzen Leben verbracht hatte, und erkannte ihn nicht wieder. Es war, wie wenn man in den Spiegel guckt und jemand anderen drin sieht.
Durch den Nebel konnte ich auf der anderen Seite vom Mere gerade noch den runden Hügel sehen, wo Low Beulah gewesen war. Dann verschwand er wieder, und im Nullkommanix konnte ich kaum ein paar Schritte weit gucken. Aber es war leicht, dem Leichenpfad bis nach Shelter Crag hin zu folgen. Von da an mußte ich auf den Steinen der abgerissenen Häuser rumklettern, und es war schwer zu sagen, wo genau ich war. Ich versuchte, zu der kleinen Buckelbrücke über den White Mare’s Beck zu finden, über die ich zur der Straße um den Mere kommen würde und von da aus nach Low Beulah, aber als ich das Ufer vom Bach erreichte, oder von dem Fluß, der er jetzt war, erkannte ich, wie blöd ich gewesen war. Die Brücke war natürlich weg, entweder weggerissen oder überschwemmt. Ich war so patschnaß, daß ich überlegte, ob ich durchwaten sollte, aber ich konnte sehen, daß es zu tief war und die Strömung war auch so reißend, daß es mich bestimmt umgerissen hätte.
Ich stand da und rief eine Zeitlang »Bonnie! Bonnie!« über das Wasser. Dann fiel’s mir plötzlich ein. Wenn ich nicht rüberkommen konnte, dann ein Kater auch nicht. Wenn Bonnie was haßte, dann war das, naß zu werden. Er würde sich allein vom Regen schon ganz elend fühlen und auf gar keinen Fall über einen Fluß schwimmen.
Also was würde er tun? Er würde einen Unterschlupf suchen, überlegte ich mir.
Bei dem Gedanken ging’s mir schon ein bißchen besser. Das Wasser stieg schnell, aber nicht schneller, als ein Kater laufen konnte, und obwohl der neue Fluß ganz schön gewaltig war, war er doch lange nicht so gewaltig wie die riesige Wasserwand, die ich mir ausgemalt hatte.
Also rief ich wieder »Bonnie! Bonnie!« und kletterte auf den Überresten vom Dorf nach oben. Der Regen war noch schlimmer geworden und prallte vom Boden wieder hoch, so daß er einem beim Gehen übers Gesicht und Arme und Beine strich. Es war ein ulkiges Gefühl, aber ich war inzwischen schon so naß, daß es mir nix ausmachte. Tatsächlich glaube ich, ich hätte es ganz toll gefunden, wenn ich nicht so viel Angst um Bonnie gehabt hätte. Ich konnte nix sehen, aber ich dachte, solange ich aufwärts gehe, kann mir nicht viel passieren, und die ganze Zeit über rief ich seinen Namen.
Und dann hörte ich ihn miauen.
Ich wußte gleich, daß da was nicht stimmte. Ich kenne alle Laute, die Bonnie von sich gibt – wie er schreit, wenn er Hunger hat und sein Essen will, und wenn ich ihn lange eingesperrt hab und er sauer auf mich ist, dann hört sich das ganz anders an, als wenn er Angst hat.
Ich dachte, vielleicht hat er sich weh getan, und rief noch mal, und er maunzte zurück, und ich steuerte auf den Laut zu.
Als erstes sah ich einen Riesenhaufen Steine. Dann hörte ich Bonnie wieder und sah seine Augen, zwei funkelnde grüne Schlitze im Dunklen. Aber sie waren ziemlich weit oben, und ich dachte, er muß ganz oben auf dem Steinhaufen stehen. Dann sah ich über seinen Augen noch was anderes, einen weißen Fleck in der Luft, und da drin noch ein Augenpaar, und ich ging einen Schritt näher und sah, daß jemand Bonnie fest an den Körper gedrückt hielt.
Und im selben Moment erkannte ich, daß der Steinhaufen der Rest von Neb Cottage war und der Mann, der Bonnie festhielt, war Benny Lightfoot.
Er sagte: »Bist du das, Betsy Allgood?«
Seine Stimme war tief und unheimlich und sein Gesicht so schmal und seine Augen so starr, daß er aussah wie einer von diesen Nixen, die ich mal in einem alten Bilderbuch gesehen hatte. Noch nie zuvor hatte ich solche Angst gehabt, und auch nie mehr danach. Bloß, er hatte Bonnie, und ich wußte, daß Nixe alles auffraßen, was sie sich schnappten, Lämmer oder Hunde oder Katzen.
Also sagte ich: »Ja, bin ich.«
»Und du bist gekommen und hast nach mir gerufen?« fragte er irgendwie verwundert.
Ich sagte: »Nein, ich hab nach meinem Kater gerufen.« Da merkte ich dann, wie er drauf gekommen war, und sagte weiter: »Er heißt Bonnie. Das hab ich gerufen. Bonnie nicht Benny.«
»Bonnie, nicht Benny«, wiederholte er. Dann lächelte er so komisch und sagte: »Macht nichts, jetzt bist du ja hier, Betsy Allgood. Komm her.«
»Nein, ich will nicht«, sagte ich.
»Du meinst, du willst deinen Kater nicht holen?«
Er hielt Bonnie mit beiden Händen hoch und muß ihn gedrückt haben oder so, weil Bonnie vor Schmerzen aufjaulte. Ich wollte eigentlich gar nix tun, aber ich merkte, wie ich trotzdem auf ihn zuging.
Er stand viel weiter oben als ich, weil er höher am Berg war und außerdem auf einem Stein von dem Cottage stand, und er streckte mir Bonnie entgegen. Ich griff hoch, um ihn zu packen, aber als meine Finger fast sein Fell berührten, zog Benny ihn mit einer Hand zurück und packte mich mit der anderen am Arm.
Ich fing an zu schreien, und er zog mich näher an sich ran und griff mir mit den Fingern so fest in meinen Arm, daß ich dachte, er bricht mir gleich den Knochen. Sein Gesicht kam auf mich zu, und ich konnte seinen Atem auf meinem Gesicht spüren und seine kalten, feuchten Lippen an meinem Hals, und er flüsterte mit grausiger atemloser Stimme: »Hör zu, hör zu, kleine Betsy. Ich will dir nix tun, ich will bloß, daß du …«
Aber weil ich mich so sehr wehrte, um wegzukommen, muß er wohl seinen Griff um Bonnie gelockert haben, und Bonnie sprang hoch in die Luft und hielt sich dann mit seinen Krallen an Bennys Gesicht fest, um nicht runterzufallen.
Jetzt schrie Benny auf. Er ließ mich los, um Bonnie zu packen, aber Bonnie fiel schon zu Boden, und ich bückte mich und hob ihn auf. Benny griff wieder nach mir, ich spürte, wie seine Finger mein Haar berührten, aber es war so kurz und naß, daß er es nicht zufassen bekam, und dann rannte ich so schnell weg, wie ich konnte, mit Bonnie auf dem Arm.
Wie weit ich rannte, weiß ich nicht mehr. Bestimmt nicht allzu weit. Der Boden war naß und rutschig und voller Steine, und ich stolperte und fiel hin. Mein Knöchel tat mir weh, und ich versuchte gar nicht erst aufzustehen, sondern wälzte mich unter einen großen Felsblock und blieb liegen. Ich mußte so laut keuchen, daß ich dachte, man kann mich noch meilenweit hören. Aber allmählich wurde es besser, und Bonnie, den ich fest an mich gedrückt hielt, merkte wohl, daß er jetzt nicht maunzen durfte, und schließlich konnte ich wieder das Rauschen vom Regen hören und das Donnern vom White Mare’s Tail und das Tosen von dem neuen Fluß, der vom Black Moss runterkam.
Da waren noch andere Geräusche, Schritte, Rascheln, Atmen, was von Benny kommen konnte, der mich suchte, also machte ich die Augen zu und lag, so still ich konnte, und versuchte, meine Gebete zu sprechen, wie Reverend Disjohn es mir beigebracht hatte. Aber ich konnte sie nicht in Gedanken aufsagen und traute mich nicht, sie laut zu sprechen aus Angst vor den scharfen Ohren, die da draußen nach mir horchten. Am Ende, glaube ich, bin ich eingeschlafen. Oder vielleicht hatte ich auch angefangen zu sterben. Vielleicht ist es dasselbe. Einen Moment bist du noch da, den nächsten bist du nirgends mehr.
Dann plötzlich hoben mich Arme aus dieser friedlichen Dunkelheit raus und hielten mich fest, und eine Stimme rief in mein Ohr. Eine Sekunde lang wehrte ich mich ganz doll, weil ich dachte, daß Benny mich wieder gekriegt hätte. Aber dann erkannte ich den Geruch von dem Körper, an den ich gedrückt wurde, und die Stimme, die in mein Ohr rief, und ich wußte, es war mein Dad, der mich gepackt hatte, und ich klammerte mich an ihn, so fest ich nur konnte, und wußte, jetzt wird alles wieder gut. Ich dachte, jetzt wird alles für immer gut sein.