172323.fb2 Das Dorf der verschwundenen Kinder - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 44

Das Dorf der verschwundenen Kinder - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 44

Zwei

Am Morgen des vierten Tages der Suche nach Lorraine Dacre erwachte Geordie Turnbull äußerst früh.

Er hatte einen Kater, doch keinen der Sorte, bei dem man sich noch mal umdreht und seinen Kopf unter der Decke vergräbt in der Hoffnung, daß die Dunkelheit noch etwas kostbaren Schlaf bringt, sondern bei dem man in sein Badezimmer rennt, um Magen und Darm in die eine oder in die andere Richtung zu entleeren, und sich wünscht, man könnte mit seinem Kopf dasselbe tun.

Zehn Minuten unter der kalten, prasselnden Dusche brachten ihn zu der Erkenntnis, daß das Leben nach einem Kaffee möglicherweise weitergehen könnte.

Es war lange her, seit er sich zuletzt so gefühlt hatte.

Seine Entlassung aus der Untersuchungshaft und die Rückkehr nach Bixford brachten ihm nicht die erhoffte Erleichterung. Zunächst einmal hatten ihn die Journalisten sowohl persönlich als auch telefonisch den ganzen Tag über genervt.

Und dann die Haltung seiner Dorfnachbarn. Vor fünfzehn Jahren in Dendale war er entsetzt gewesen, wie schnell er vom guten alten Geordie zum Unhold der Berge geworden war. Doch damals war er ein Auswärtiger gewesen, ein Außenstehender, den man wegen seines freundlichen Wesens tolerierte – und weil er bald wieder verschwunden wäre. Hier in Bixford dachte er, Wurzeln geschlagen zu haben, doch die Tatsache, daß er in Verbindung mit einer Kindesentführung verhört wurde, zeigte ihm, wie oberflächlich diese Wurzeln waren. Nicht, daß etwas offen gesagt wurde, aber ein zufällig erhaschtes Flüstern, ein abgewandter Blick, selbst der übermäßig mitleidige Tonfall, mit dem man sich im Pub nach der Tortur beim Verhör erkundigte, hatten gereicht, so daß er sich früh nach Hause zu seinen eigenen Gedanken und seinem eigenen Whisky begab.

Er rubbelte sich kräftig ab und tappte vom Badezimmer in die Küche. Sein Gehirn hatte noch Schwierigkeiten, die normale Bewußtseinsebene zu erreichen, und das erklärte, warum er erst nach dem Füllen des Wasserkessels bemerkte, daß die Hintertür weit offenstand.

Der Schreck half seinem Hirn auf die Sprünge, und als er hinter sich die Schritte hörte, drehte er sich blitzschnell um und schleuderte dem Eindringling seinen Kessel entgegen.

Der Mann wich zurück und bekam nur einen Spritzer Wasser aus der Tülle ab. Dann trat er wieder vor und ließ seine Stirn gegen Geordies krachen, hielt inne, um die Wirkung zu begutachten, ehe er einen kräftigen Schlag in Turnbulls ungeschützten Magen rammte und das Knie hochzog, um das Gesicht seines sich krümmenden Gegners zu treffen. Anschließend umrundete er den würgenden Mann, schob ihm einen Küchenstuhl von hinten in die Kniekehlen und zog ihn an den Haaren auf den Sitz. Turnbull tropfte Blut aus der Nase und einer aufgeplatzten Augenbraue auf den nackten Bauch und die Oberschenkel. Der Eindringling riß ein paar Blatt von der Küchenrolle und warf sie ihm in den blutverschmierten Schoß.

»Putzen Sie sich die Nase, Mr. Turnbull«, sagte er. »Ich glaube, Sie möchten Ihr Gewissen erleichtern. Wenn Sie soweit sind, würd ich gern mit Ihnen darüber reden.«