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In Anwesenheit ihrer Freunde machten Peter und Ellie Pascoe sich über die gutbetuchten Leute lustig, die im Glockenviertel lebten, doch insgeheim wünschten sie sich, dort ein Haus zu haben. Es war eine perfekte Mischung aus Stadt und Land: man hatte die Stille des Landlebens in seinem wunderschönen Garten und alle Vorzüge des Stadtlebens vor der Haustür.
Oder, um es etwas krasser auszudrücken: Man konnte sich in seinem Lieblingspub den Allerwertesten vollaufen lassen, ohne auf die mürrisch-nüchterne Ehefrau angewiesen zu sein, um nach Hause zu kommen.
Wenn er also Gelegenheit hatte, durch das Glockenviertel zu spazieren, wurde Pascoe in Gedanken zum Ölscheich, der sich das eine oder andere Haus anerkennend auswählte und bei diesein oder jenem abschätzend abwinkte.
Heute jedoch, als er das Haus der Wulfstans aufsuchte, verspürte er dazu nicht die geringste Lust, obwohl die Holyclerk Street sich im goldenen Licht der frühen Abendsonne von ihrer besten Seite zeigte.
Ellie hatte ihm gesagt, sie wisse sehr wohl, daß es die Seele verderbe, Polizist zu sein, aber wenn man an die tragische Geschichte der Wulfstans dachte und dann an die Tatsache, daß die eigene Tochter sich gerade von einer sehr schweren Krankheit erholte, brach er hinsichtlich Rücksichtslosigkeit, Absurdität und Unverantwortlichkeit alle Rekorde …
»Hör zu«, hatte er gesagt. »Ich tue das, weil Rosie …«
»Weil ein übererregtes müdes Kind dachte, es hätte irgend etwas gesehen? Weil sie so ein blödes Bilderbuch hat?« warf sie dazwischen. »Na, dann weiß ich ja genau Bescheid!«
»Nein«, gab er ebenso scharf zurück. »Weil wir sie beinahe verloren hätten. Weil ich sie in meinem Kopf bereits verloren hatte und jetzt begreifen kann, was ich oft gesehen, aber nie selbst erlebt habe – nämlich, daß all diese armen Menschen, die ein Kind verloren haben, herumrennen wie kopflose Hühner und Protestvereine ins Leben rufen und Petitionen herausgeben und Gott weiß was alles. Der Grund ist, daß man es verstehen will, und dazu muß man mit Gründen und Ursachen und Verantwortung jonglieren und alles über das Warum und Wozu und das Wann und Wo und Wer herausfinden, o ja, vor allem über letzteres. Sieh mal, du willst herausfinden, was du für Jill tun kannst, und wenn du glaubst, es herausgefunden zu haben, wird dich nichts davon abhalten, es zu tun. Tja, so empfinde ich Mr. und Mrs. Dacre gegenüber. Alles zu wissen ist das einzige, was ihnen bleibt; ich rede jetzt nicht von Gerechtigkeit oder Rache, einfach nur vom Bescheid-Wissen. Kann sein, daß ich mich irre, aber ich schulde es ihnen, ich schulde es Gott oder dem Schicksal oder was immer uns Rosie zurückgegeben hat, daß ich es herausfinde.«
Ellie hatte ihren Mann noch nie so gesehen oder gehört, und zum erstenmal in ihrem gemeinsamen Leben ließ sie sich von seinen aufgebrachten Worten zum Schweigen bringen.
Alles, was sie sagte, als er das Krankenhaus verließ, in dem Rosie in einen tiefen, friedlichen Schlaf gefallen war, war: »Brr, nur ruhig, mein Schatz.« Dann küßte sie ihn.
Er war nicht gerade triumphierend losgezogen, aber mit einem glühenden Gefühl der Rechtschaffenheit, das aus dem Sieg in einer hitzigen Moraldebatte entbrennt.
Doch nun, als er vor der Tür von Hausnummer 41 stand, kam es ihm plötzlich – und nicht zum erstenmal – so vor, als habe Ellie, die zwar nicht in jeder Hinsicht recht hatte, immerhin recht genug, um den Sieg nach Punkten errungen zu haben.
Es war verrückt. Nun ja, angesichts der notwendigen Ermittlungen im Falle eines toten Mädchens war es nicht ganz und gar verrückt, aber die Art und Weise es anzugehen, war wohl ziemlich daneben.
Er trat einen Schritt zurück und hätte wieder fortgehen können oder auch nicht, er würde es nie erfahren, denn in diesem Moment öffnete sich die Tür, und er stand Inger Sandel gegenüber.
Sie waren sich noch nie begegnet, aber er erkannte sie aufgrund des Fotos in der »Post«, die er noch immer in seiner Aktentasche hatte.
Sie fragte: »Ja, bitte?«
»Hallo. Ich bin Detective Chief Inspector Pascoe.«
»Mr. Wulfstan ist mit Elizabeth bereits nach Danby gefahren, aber Chloe ist noch hier, falls Sie mit ihr sprechen wollen.«
»Warum nicht?« erwiderte er, obwohl ihm schon Gründe einfielen.
Er trat in die Eingangshalle. Auf dem Fußboden standen mehrere Kartons mit CDs.
»Wir armen Troubadoure müssen auch unsere eigenen Händler sein«, sagte sie, als sie seinen Blick bemerkte. »Die sollen auf dem Konzert verkauft werden.«
»Ach ja?« Er nahm eine CD mit den »Kindertotenliedern« in die Hand. »Interessantes Cover. Die Noten da oben sind von Mahler, nehme ich an.«
»Ja, aber nicht von den Liedern. Ich glaube, sie sind aus der zweiten Symphonie.« Sie hielt inne, als erwarte sie eine Antwort, und fuhr dann fort: »Möchten Sie eine kaufen?«
»Nein, danke«, murmelte er und legte die CD hastig zurück. »Meine Frau hat schon eine. Mrs. Wulfstan ist da, sagten Sie?«
»Ja«, antwortete sie und lächelte wie über einen heimlichen Scherz. »Auf Wiedersehen, Mr. Pascoe. Nett, Sie kennengelernt zu haben.«
Sie trat aus dem Haus und wollte die Tür hinter sich zuziehen.
»Warten Sie«, meinte er, etwas unsicher. »Mrs. Wulfstan …«
»Ist schon gut«, versicherte sie ihm. »Ich muß ein wenig an die frische Luft. Rufen Sie einfach.«
Es wäre ihm lieber gewesen, sie hätte das übernommen. Wie er Ellie einmal erklärt hatte, wird Schüchternheit durch Polizeiarbeit keinesfalls kuriert – erstere wirkt sich auf letztere nur hin und wieder ziemlich störend aus; zum Beispiel, wenn man sich in einem fremden Haus befindet und weit und breit keinen Ansprechpartner sieht.
Zunächst hüstelte er, dann rief er mit der verhaltenen Stimme, die Kellnern gegenüber höflichen Befehl und Entschuldigung zugleich ausdrückte, »Hallo!«.
Angestrengt lauschte er auf Antwort. Es kam keine, aber er vermeinte in einiger Entfernung Stimmen zu hören.
Dalziel hätte entweder »Holla!« gebrüllt oder die Chance genutzt herumzuschnüffeln.
Pascoe wollte gerade losbrüllen, da entschied er sich, daß es für einen Mann seines Temperaments weniger peinlich wäre, beim Herumschnüffeln entdeckt zu werden.
Er schob die nächstliegende Tür auf und bereitete seine Lippen bereits auf ein entschuldigendes Lächeln vor.
Er stand im Türrahmen eines Raumes, der wie das Studierzimmer eines Gentleman des letzten Jahrhunderts wirkte. Glänzende Buchvitrinen, ein Schreibtisch aus Mahagoni, Täfelung aus Eichenholz. Pascoe dachte an das vollgestellte Gästezimmer, das er zu Hause als Arbeitszimmer benutzte. Vielleicht sollte er anfangen, Bestechungsgelder anzunehmen.
Das Zimmer war leer, aber die Entscheidung, eine Taktik des Dicken zu übernehmen, ging nicht so weit, auch in den Schubladen herumzuschnüffeln.
Er ging in den Flur zurück und versuchte die gegenüberliegende Tür. Hinter ihr lag ein kleines Wohnzimmer, das ebenfalls leer war, von dem aus eine weitere Tür in ein geräumiges Eßzimmer mit einem so herrlich blankpolierten ovalen Eßtisch führte, der das Herz eines jeden Tischlers hätte höher schlagen lassen.
Ihm gegenüber befand sich in der Wand eine halb geöffnete Durchreiche. Die Stimmen, die er vorher gehört hatte, waren nun deutlich zu verstehen, und er schlich hin und spähte durch den Spalt, ohne ihn weiter zu öffnen.
Er blickte in eine Küche, doch die Sprecher befanden sich nicht darin. Die Hintertür war weit geöffnet, und Pascoe erkannte dahinter eine Veranda und einen der langen, üppig bewachsenen »Glockengärten« und fühlte sich wiederum vom Neid gepackt. Er konnte zwei Personen erkennen. Die eine im Profil, eine Frau, saß in einem Korbsessel mit niedriger Lehne. Die andere, ein Mann, beugte sich von hinten über sie, hatte die Hände unter ihre Bluse geschoben und massierte sanft ihre Brüste.
Der Mann (den er ebenfalls aus dem Artikel in der »Post« wiedererkannte) war Arne Krog. Die Frau mußte Chloe Wulfstan sein, was sogleich bestätigt wurde.
Krog sagte: »Genug ist genug. Eines Tages wirst du ihn verlassen müssen. Wenn nicht jetzt, wann dann?«
Die Frau erwiderte aufgebracht: »Warum werde ich ihn verlassen müssen? Na gut, ja, vermutlich hast du recht. Aber ich habe die Wahl. Wie Selbstmord. Wenn man weiß, man kann es tun, macht es das Leben sehr viel leichter.«
»Du meinst, allein die Tatsache, daß du weißt, daß du ihn eines Tages verlassen wirst, gibt dir die Kraft, bei ihm zu bleiben? Ach, komm schon, Chloe! Das ist nur eine clevere Methode, Worte zu benutzen, um Entscheidungen zu vermeiden.«
Sie ergriff seine Handgelenke und schob seine Hände aus ihrer Bluse. »Erzähl mir nichts von nicht getroffenen Entscheidungen, Arne. Was ist denn deine Entscheidung bei alledem? Willst du etwa sagen, wenn ich Walter heute verlasse, hebst du mich auf deinen Sattel, galoppierst mit mir in den Sonnenuntergang und bereitest mir ein Happy-End?«
Arne Krog zupfte gedankenvoll an seinem Kinnbart. Er hat seine Finger gern auf etwas Weichem, dachte Pascoe.
»Ja, ich denke, das ist mehr oder weniger das, was ich sagen will.«
»Mehr? Oder weniger?«
»Na ja, weniger das mit dem Sattel«, erwiderte er lächelnd. »Und ich bin nicht sicher, ob irgend jemand ein Happy-End versprechen sollte. Aber soweit das menschenmöglich ist, werde ich es tun.«
Er sprach den letzten Satz in schlichter Aufrichtigkeit, die Pascoe beinahe rührend fand.
Chloe stand auf und sah ihn liebevoll an – etwa so, wie man einen liebenswerten, aber nicht dressierbaren Hund ansieht.
»Du liebst mich also, Arne. Genug, um den Rest deines Lebens mit mir zu verbringen? Mein überaus perfekter, liebenswürdiger und treuer Ritter. Du wärst doch treu, oder, Arne? Ich meine, wenn wir nicht zusammen sind, treibst du es nicht mit deinen kleinen Konzertreisen-Groupies oder Sängerinnen aus dem Opernchor, oder?«
Krog hörte auf, seinen Bart zu streicheln.
»Laß mich raten«, sagte er mild. »Unsere kleine Yorkshire-Nachtigall hat gesungen?«
»Ich habe mit meiner Tochter gesprochen, ja.«
»Deiner Tochter.« Krog lächelte. »Ich kann mich an deine Tochter erinnern, Chloe. Und alle Perücken, Kosmetika und Diäten der Welt können Betsy Allgood nicht in deine Tochter verwandeln. Falls es das ist, was sie versucht.«
»Warum haßt du sie nur so, Arne? Kommt das, weil sie die Karriere haben wird, von der du immer geträumt hast? Ein großer Fisch im großen Teich, nicht bloß ein kleiner in der Pfütze?«
»Das beweist, wie nahe wir uns tatsächlich stehen, Chloe. Ich kann meine Enttäuschungen nicht vor dir verbergen.«
Chloe lächelte traurig.
»Arne, du verbirgst sie vor niemandem. Jeder, der nach außen hin so gelassen ist, muß innerlich brodeln. Vielleicht solltest du etwas von deiner Wut in deinen Gesang legen.«
»Ah, kehrst du jetzt die Musikkritikerin und Psychologin heraus? Vielleicht hast du recht. Nur weil ich ruhig wirke, heißt das nicht, daß ich nicht wütend bin. Aber genauso gilt: nur weil ich mit jemandem bumse, heißt das nicht, daß ich dich nicht liebe. Du kannst das ruhig konsequent zu Ende denken, meine Liebe. Und nur weil ich jetzt nicht außer mir bin vor Verzweiflung, heißt das nicht, daß ich dich aufgebe. Wenn du ihn nicht verläßt, warte ich, bis er dich verlassen hat, was er sicher tun wird, glaube mir. Alle werden dich verlassen: Elizabeth wegen ihrer Karriere, Walter wegen … Gott weiß, weswegen. Und eines Tages wirst du dich umsehen, und es wird niemand mehr da sein außer dem guten alten gelassenen Arne. Lauf lieber jetzt, rat ich dir. Man spürt viel weniger Schmerz, wenn man läuft, als wenn man stillsteht.«
Es war an der Zeit, dachte Pascoe, sich bemerkbar zu machen, bevor Inger Sandel zurückkehrte und sich fragte, was er die ganze Zeit in dem Haus getrieben hatte, ohne mit Chloe zu sprechen.
Er ging zurück in den Flur, marschierte geräuschvoll auf die Küchentür zu, stieß sie auf und rief mit Dalziel-gleichem Nachdruck: »Holla!«
Dann ging er in die Küche, setzte ein entschuldigendes Lächeln auf, als sich ihre überraschten Gesichter zu ihm wandten, trat auf die Veranda, zog seinen Dienstausweis hervor und sagte: »Hallo. Tut mir leid, Sie zu stören, aber Miss Sandel hat mich reingelassen. Chief Inspector Pascoe. Mrs. Wulfstan, ich würde gern ein paar Worte mit Ihnen reden.«
Krog blickte ihn stirnrunzelnd an. Pascoe dachte, der Schlaumeier überlegt jetzt, daß Sandel schon vor fünf Minuten das Haus verlassen hat, und fragt sich, was zum Teufel ich in der Zwischenzeit gemacht habe.
Er sagte: »Sie sind Mr. Krog, nicht? Der Sänger? Meine Frau ist ein großer Fan von Ihnen.«
Ihm fiel ein, daß er einen Schriftsteller bei einem Interview einmal hatte sagen hören, wenn ein Mann ihm erzählte, seine Frau liebe seine Bücher, daß er den Mann von oben bis unten mustern und antworten würde: »Tja, irgendwann muß man auch mal wählerisch sein.«
Doch Krog sagte nur: »Wie schön. Entschuldigen Sie mich bitte.« Und ging.
»Setzen Sie sich doch, Mr. Pascoe«, forderte Chloe Wulfstan ihn auf. »Ich fürchte allerdings, daß ich nicht viel Zeit habe.«
»Ja, natürlich. Das Konzert. Ihr Mann ist schon fort? Eigentlich wollte ich ja ihn sprechen, also muß ich Sie nicht weiter aufhalten.«
In Gedanken hörte er ihre scharfsinnige Antwort: »Ich weiß nicht, warum Sie mich dann überhaupt belästigen mußten.« Doch nichts dergleichen kam.
»Sind Sie sicher, daß ich Ihnen nicht behilflich sein kann?« fragte sie. »Hat es etwas mit dem armen Kind aus Danby zu tun? Ich habe gehört, daß ihre Leiche gefunden wurde.«
»Ja, schrecklich, nicht wahr?« erwiderte Pascoe. »Ich kann nachvollziehen, wie schmerzhaft es für Sie sein muß, Mrs. Wulfstan.«
»Ach, können Sie das?« unterbrach sie ihn abschätzig.
Er dachte an die vergangenen Tage und sagte leise: »Ja, ich glaube, das kann ich. Ich werde jetzt gehen, damit Sie sich in Ruhe auf das Konzert vorbereiten können. Ist schon gut, ich finde allein hinaus.«
Sie blieb mit starrem Blick auf den Garten sitzen. Was sie dort sah, wußte er nicht, doch er vermutete, daß es mehr war als Gras und Blumen.
Als er den Flur entlangging, öffnete sich die Tür des Arbeitszimmers, und Arne trat heraus.
Er hielt einen verschlossenen DIN-A4-Umschlag in der Hand.
»Sie gehen schon so früh, Mr. Pascoe?«
»Ja.«
»Na ja, vielleicht nicht so früh, wie man meint.«
Der Schlaumeier hatte doch darüber nachgedacht.
Pascoe sagte: »Ich wurde so erzogen, daß Unterbrechen unhöflich ist.«
»Was Ihnen in Ihrem Beruf manchmal sicher ganz nützlich ist. Haben Sie etwas von dem Gespräch zwischen mir und Mrs. Wulfstan gehört?«
»Ja, etwas«, antwortete Pascoe, der es für unnötig hielt zu lügen.
Arne Krog nickte, doch in der Geste lag ebensoviel Unsicherheit wie Bestätigung. Er stand kurz davor, etwas zu tun, zögerte aber noch vor dem letzten Schritt.
»Dann werden Sie zum Teil verstehen, warum ich Ihnen das hier gebe, und vielleicht fälschlicherweise annehmen, daß es der einzige Grund ist. Aber bitte glauben Sie auch an den anderen, wichtigeren Grund, der mit Gerechtigkeit zu tun hat.« Er setzte sein charmantes Lächeln auf, das ihn zehn Jahre jünger erscheinen ließ. »Wie bei Ihrem Lauschen kann auch eine Tugend manchmal ganz nützlich sein.«
Er überreichte Pascoe den Umschlag, verbeugte sich steif und ging die Treppe hinauf.
Pascoe öffnete die Haustür. Inger Sandel kam die Stufen hoch.
»Sie gehen gerade?« meinte sie. »Da müssen Sie sich aber gut unterhalten haben.«
Sie starrte auf den Umschlag.
»Ja. Ich hoffe, Sie haben ein gutes Konzert.«
»Kommen Sie?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein.«
Fünf Minuten später jedoch, als er mit dem Inhalt des Umschlags auf den Knien in seinem Wagen saß, änderte er seinen Entschluß.
Er rief das Krankenhaus an und bekam schließlich Ellie an den Apparat.
»Wie geht es ihr?«
»Schläft tief und fest. Kommst du her?«
»Nicht sofort.«
Er erklärte. Es bedurfte einer langen Erklärung, aber schließlich ließ ihre Mißbilligung nach, und sie sagte: »Na gut, Äneas, fahr hin und tu, was du zu tun hast.«
»Äneas?«
»Ein kleiner Scherz. Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich auch. Ich liebe euch beide. Mehr als all das hier.«
»Weshalb du es unbedingt tun mußt, ja, ja. Pete, erinnerst du dich an eine unserer hitzigen Diskussionen am Anfang, als du mir vorgeworfen hast, meine Familie zu vernachlässigen, um die linke Revolutionärin zu markieren?«
»Habe ich das gesagt? Klingt eher nach dem Dicken an einem guten Tag.«
»Das war es auch, was mich am meisten beunruhigt hatte. Aber jetzt will ich dir nur sagen, daß es gut war, daß ich keine Revolutionärin geworden bin. Wäre sicher nicht so lustig gewesen. Paß auf dich auf. Und wenn du dich umsiehst und ein Licht am Himmel entdeckst, wundere dich nicht. Das bin nur ich.«
Pascoe beendete das Gespräch. Er lächelte. Durch sein geöffnetes Schiebedach sagte er zum chinablauen Himmel: »Ich bin wahrscheinlich der glücklichste Mann der Welt.«
Dann machte er sich auf nach Norden.