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«Ah!», sagte Mr Joseph Aarons beifällig.
Er tat einen tiefen Zug aus seinem Humpen, setzte ihn seufzend ab, wischte sich den Schaum von den Lippen und strahlte über den Tisch hinweg seinen Gastgeber an, Hercule Poirot.
«Geben Sie mir», sagte Mr Aarons, «ein gutes Porter-house-Steak und einen Humpen mit etwas Trinkbarem, dann schenke ich Ihnen Ihr französisches Gefummel und Dingsbums, Ihre Ohrdöver und Hommletts und Wachtelstückchen. Geben Sie mir», wiederholte er, «ein Porter-house-Steak.»
Poirot, der diese Forderung eben erfüllt hatte, lächelte verständnisvoll.
«Nicht, dass an Steak-and-Kidney-Pudding viel falsch wäre», fuhr Mr Aarons fort. «Apfelkuchen? Ja, ich nehme Apfeltorte, danke sehr, Miss, und ein Töpfchen Sahne.»
Das Mahl ging weiter. Schließlich legte Mr Aarons mit einem langen Seufzer Löffel und Gabel beiseite, um ein wenig mit dem Käse herumzuspielen, ehe er seine Gedanken auf andere Dinge wandte.
«Sie wollten mich doch wegen einer kleinen geschäftlichen Sache sprechen, Monsieur Poirot», bemerkte er. «Ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn ich Ihnen irgendwie behilflich sein könnte.» «Sehr freundlich von Ihnen», sagte Poirot. «Ich habe mir gesagt: Wenn du eine Auskunft über irgendetwas brauchst, was mit den dramatischen Künsten zu tun hat, dann gibt es einen, der alles weiß, was man nur wissen kann, und das ist mein alter Freund, Mr Joseph Aarons.»
«Und da liegen Sie nicht schief», sagte Mr Aarons selbstgefällig. «Ob es um Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft geht, Joe Aarons ist der richtige Mann.»
«Preasement. Also, was ich Sie fragen wollte, Mr Aarons, was wissen Sie über eine junge Dame namens Kidd?» «Kidd? Kitty Kidd?»
«Kitty Kidd.»
«Die konnte was. Hosenrollen, Gesang und Tanz. Meinen Sie die?»
«Ja, die meine ich.»
«Sehr tüchtig war sie. Hat gutes Geld verdient. Nie ohne Engagement. Vor allem als Herrendarstellerin; aber, nebenbei, auch als Charakterschauspielerin einwandfrei.»
«Das hab ich auch gehört», sagte Poirot, «aber in letzter Zeit ist sie nicht mehr aufgetreten, oder?»
«Nein. Weg von der Bühne. Ist nach Frankreich übergelaufen, hat sich mit so einem schnieken Adligen zusammengetan. Hat die Bühne, glaube ich, für immer an den Nagel gehängt.»
«Wie lange ist das her?»
«Mal sehen. Drei Jahre. Und ich sage Ihnen, es ist ein Verlust.»
«War sie gerissen?»
«Gerissen wie ne Wagenladung Affen.»
«Wie der Mann heißt, mit dem sie sich da in Paris angefreundet hat, wissen Sie wohl nicht?» «Er war schnieke, das weiß ich. Ein Graf — oder war es ein Marquis? Wenn ich’s mir richtig überlege, glaube ich, es war ein Marquis.»
«Und seitdem haben Sie nichts von ihr gehört?»
«Nichts. Bin ihr nicht mal zufällig über den Weg gelaufen. Treibt sich wahrscheinlich in diesen ausländischen Kurorten herum. Lebenslänglich Marquise, was für ein Leben. Aber Kitty konnte man nichts vormachen. Die konnte so gut einstecken wie austeilen.»
«Verstehe», sagte Poirot nachdenklich.
«Tut mir Leid, dass ich Ihnen nicht mehr erzählen kann, Monsieur Poirot», sagte der andere. «Ich würde Ihnen gern helfen. Sie haben mir ja mal einen großen Gefallen getan.»
«Ah, was das angeht, sind wir quitt, Sie haben mir ja auch geholfen.»
«Lauter gute Taten, eine gegen die andere. Ha, ha!», sagte Mr Aarons.
«Ihr Beruf muss ja sehr interessant sein», sagte Poirot.
«Es geht», sagte Mr Aarons leichthin. «Alles in allem ist es nicht uneben. Insgesamt komm ich ganz gut durch, aber man muss verflucht fix sein. Man weiß nie, worauf das Publikum morgen fliegt.»
«In den letzten Jahren ist der Tanz ja sehr erfolgreich gewesen», murmelte Poirot versonnen.
«Ich hab ja nie was mit diesem Russischen Ballett anfangen können, aber die Leute mögen es. Mir ist das zu hochnäsig.»
«Ich habe da an der Riviera eine Tänzerin kennen gelernt — Mademoiselle Mirelle.»
«Mirelle? Heiße Nummer, auf jeden Fall. Irgendwer finanziert die auch immer — aber, was das angeht, das Mädchen kann tanzen; ich habe sie gesehen, und ich weiß, wovon ich rede. Ich hatte nie was mit ihr zu tun, aber sie muss ganz schön schwierig sein. Dauernd Launen und Temperamentsausbrüche.»
«Ja», sagte Poirot versonnen, «ja, das kann ich mir vorstellen.»
«Temperament!», sagte Mr Aarons, «Temperament! So nennen die das selber. Meine Alte war Tänzerin, ehe sie mich geheiratet hat, aber Gott sei Dank hat sie nie Temperament gehabt. Zu Hause will man kein Temperament, Monsieur Poirot.»
«Ganz Ihrer Meinung, mein Freund; da ist es nicht angebracht.»
«Eine Frau sollte ruhig und verständnisvoll sein, und gut kochen», sagte Mr Aarons.
«Mirelle tritt wohl noch nicht lange auf, oder?», fragte Poirot.
«Allenfalls seit zweieinhalb Jahren», sagte Mr Aarons. «So ein französischer Herzog hat sie lanciert. Jetzt soll sie was mit dem Expremier von Griechenland haben. Das sind Burschen, die immer klammheimlich Geld auf die Seite bringen.»
«Das war mir neu», sagte Poirot.
«Also, die lässt weder was anbrennen noch kalt werden. Angeblich hat doch der junge Kettering ihretwegen seine Frau umgebracht. Ich weiß da nichts Genaues. Jedenfalls sitzt er, und sie hat sich was Neues suchen müssen, und das hat sie wohl ganz gerissen angestellt. Es heißt, sie trägt einen Rubin, groß wie ein Taubenei — nicht dass ich je ein Taubenei gesehen hätte, aber so steht es immer in den Romanen.»
«Ein Rubin in der Größe eines Taubeneis!», sagte Poirot. Seine Augen leuchteten grün wie die einer Katze. «Wie interessant!»
«Hab ich von einem Freund gehört», sagte Mr Aarons. «Kann aber auch nur buntes Glas sein. Die sind doch alle gleich, diese Frauen — hören nie auf mit Jägerlatein über ihren Schmuck. Mirelle erzählt überall, auf ihrem liegt ein Fluch. Feuerher^ nennt sie ihn, glaube ich.»
«Aber soviel ich weiß», sagte Poirot, «ist der Rubin namens Feuerherz das Mittelstück eines Halsbands.»
«Na, sehen Sie! Ich sag’s doch, alles Lügen, was Frauen über ihre Klunker erzählen. Der von Mirelle, das ist ein einzelner Stein, hängt an einer Platinkette an ihrem Hals; aber, wie gesagt, zehn zu eins, dass es nur buntes Glas ist.»
«Nein», sagte Poirot sanft. «Nein — irgendwie glaube ich nicht, dass es buntes Glas ist.»