172581.fb2 Der Tote am Hindenburgdamm: Ein Sylt-Krimi - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 22

Der Tote am Hindenburgdamm: Ein Sylt-Krimi - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 22

KAPITEL 22

Am nächsten Vormittag eilte wieder etwas atemlos Bonde Sibbersen in die Wache und schob Asmus ein Päckchen über den Tresen. »Markus, dem ich inzwischen telegrafiert habe, hat mir diesen Packen zustellen lassen. Ein Freund, der zufällig nach Hamburg reiste, hat Cords Unterlagen mitgenommen, und sie sind mit dem Frühschiff eingetroffen. Lauter Beweise für Unterschleife …«

Asmus nahm den Packen entgegen, ohne sich seine Zweifel anmerken zu lassen. Keine Zweifel am Wahrheitsgehalt der Unterlagen, die hatte er überhaupt nicht, sondern an ihrem Nutzen. Er, als Zugezogener, würde trotz Vorlage von Namen und Zahlen überhaupt nichts ausrichten können. »Hoffentlich nützen sie uns.«

»Sie sind doch befreundet mit Ose Godbersen! Zusammen mit Ferdinand Avenarius …«

»Er liegt im Sterben.«

»Oh, tut mir leid.« Sibbersen sah aus, als würde er gleich in Tränen ausbrechen. Nachrichten dieser Art konnten von einem Augenblick zum anderen seinen Zusammenbruch einleiten.

Asmus wünschte, er hätte den Mund gehalten. »Aber ich bin sicher, Ose wird tun, was sie kann«, versprach er ermunternd. »Furcht aus Ehrfurcht vor Ämtern oder Positionen besitzt sie nicht. Ich werde ihr zur Seite stehen.«

»Ja, ich glaube Ihnen. Und ich hoffe um Cords Willen, dass ihr es schafft.«

»Ich auch.«

»Herr Asmus, ich habe noch eine andere Sache auf dem Herzen. Sie werden gewiss im Winter auf Ihrem kleinen Boot nicht wohnen wollen. Möchten Sie Cords Räumlichkeiten, eine kleine Wohnung im Untergeschoss meines Hauses, beziehen? Schlaf- und Wohnzimmer, eine winzige, aber ausreichende Küche und eine eigene Toilette.«

»Ihr Angebot macht mich sprachlos«, murmelte Asmus verlegen. Aber ihm würde es die größte persönliche Sorge nehmen.

»Ich würde mich nicht so allein fühlen, wenn sich dort etwas rührt … Und Cord besitzt sogar ein Radio, will sagen, es gibt einen Radioapparat …«

»Es ist ein ganz großzügiges Angebot, Herr Sibbersen«, sagte Asmus. »Ich werde es gerne annehmen. Herzlichen Dank.«

»Dann ziehen Sie ein, wann immer Sie mögen.« Damit wandte sich Sibbersen um und rannte nach draußen, wahrscheinlich wieder den Tränen nah.

Dann trat Jep seinen Dienst an. Asmus zog ihn in das Verhörzimmer und machte die Tür zu. »Du, Jep«, begann er, »du erinnerst dich doch an den dänischen Landstreicher …?«

»Sicher.«

»Er soll Geld bei sich gehabt haben, in einer Leinentasche. Weißt du etwas davon?«

»Er hatte kein Geld!«, sagte Jep bestimmt. »Das kann ich beschwören, Asmus. Aber es waren allerhand Fußspuren neben der Leiche zu sehen, als wir ankamen. Drei verschiedene Schuhgrößen und Hundepfoten. Ein Lister Däne hatte Wache gestanden, und wir ließen ihn gehen, nachdem er Auskunft gegeben hatte. Der war in Ordnung.«

»Du beruhigst mich unendlich, Jep«, sagte Asmus erleichtert. »Es war Geld da. Aber während der Lister Bernsteinsucher Boysen alarmierte, müssen mehrere Passanten den Toten bemerkt haben, unter ihnen ein Mann mit Hund. Einer hat das Geld verschwinden lassen. Den Dieb werden wir wohl nicht mehr kriegen.«

Der Concierge Gerrit klebte mit schweißnassen Händen an seinem Tresen, als Asmus und Matthiesen in Uniform die Dünenhalle betraten, und Tropfen liefen ihm an den Schläfen entlang. »Sie wollen sicher zum Geschäftsführer unseres Hauses …«

»Nein, wir möchten durchaus gerne zu Ihnen. Sie sind doch Gerrit Erken?«

Erken nickte mit blassem Gesicht. Er wusste, um was es ging. Vor allem schien er sich im Sinne des Strafgesetzes schuldig zu fühlen.

»Wir möchten gerne mit Ihnen reden. Am besten, ohne dass Gäste mithören.«

»Wir haben kaum noch welche«, murmelte Erken und wies ihnen den Weg in einen Raum, der sich mit seinen Regalen als Aufbewahrungsraum für Gepäck entpuppte, aber immerhin drei Stühle aufwies. »Bin ich verhaftet?«

»Haben Sie denn einen Grund, das anzunehmen?«

Erken schluckte nur schwer, ohne zu antworten.

»Wir möchten zunächst nur mit Ihnen reden, Gerrit Erken. Wir gehen davon aus, dass Sie uns als gesetzestreuer Bürger helfen wollen.«

»Ja, natürlich«, krächzte Erken. Der Sopran, mit dem er sich vor Ose aufgespielt hatte, war ihm völlig abhanden gekommen.

»Wie lange geht dieser Austausch von Briefen und Geld zwischen Jacobsen und Jörn Frees im Strandkorb schon?«

Erkens Blick wanderte ziellos durch die Regale, während er nach einer Antwort suchte. Asmus folgte seinem Blick, um festzustellen, dass zur Zeit nicht mehr als vier Gepäckstücke aufbewahrt wurden: Ein Symptom für die schlechte Wirtschaftslage. »Zwei, drei Jahre vielleicht.«

Asmus holte tief Luft. Das war seine wichtigste Frage gewesen, bestätigte die Antwort doch, dass Jacobsen der Auftraggeber der Überwachung von Vater und Sohn Sibbersen war. »Und Sie?«

Erken wedelte abwehrend mit der Hand. »Ich habe damit nichts zu tun. Ich befördere nur die Botschaften meines Arbeitgebers. Gehört zu meinen Aufgaben.«

»Wer hat Cord Sibbersen ermordet?« Asmus wollte dringend wissen, wie weit der Concierge in das Verbrechen eingebunden war.

Ein überheblicher Zug legte sich um Gerrit Erkens Mund. »Woher soll ich das wissen? Ich weiß nicht einmal, dass er ermordet wurde. In der Zeitung stand davon nichts.«

»Wie kommt es dann, dass Sie Cords Gepäck hier stehen haben? Die Reisetasche, mit der Cord Sylt verlassen wollte, aber nie verlassen hat?«, fragte Asmus im sanftesten Ton, der ihm möglich war.

Die Reaktion war entsprechend. Obwohl es ein Schuss ins Blaue gewesen war, fuhr Erken herum und starrte auf die weinrote Reisetasche, die jeder Dame hätte gehören können, die auf Eleganz wert legte.

»Sie ist beschlagnahmt«, erklärte Asmus, um Klarheit zu schaffen, und Matthiesen holte sie aus dem Regal. Er zeigte Asmus den Kofferanhänger, der als Besitzer Cord Sibbersen auswies. »Wem sollten Sie das Gepäck übergeben, Herr Erken?«

»Rörd Jacobsen natürlich«, platzte Erken heraus. »Aber der hat Sylt verlassen, und dem Dienstpersonal ist nicht zu trauen.«

»Jacobsen hat sich in Sicherheit gebracht. Ich weiß. Nun haben wir nur noch Sie, Gerrit Erken, als Mittäter oder als Zeugen, wie Sie wollen.«

»Als Zeugen natürlich!«, rief Erken voller Angst aus. »Ich beantworte alles!«

»Das ist lobenswert. Also noch einmal die Frage: Wer hat Ihrer Meinung nach Jörn Frees den Auftrag gegeben, Cord Sibbersen zu ermorden?«

»Jacobsen! Er musste doch Bonde Sibbersen klar machen, dass der endlich sein Maul halten soll. Aber der hat immer weiter wegen der Grundstücke intrigiert. Deswegen sah sich Jacobsen zu harten Bandagen genötigt.«

»Um Urninge ging es gar nicht?«

Der Concierge spuckte symbolisch auf den Boden und winkte ab. »Urninge haben doch nichts mit dem Geschäft zu tun, sie sind nur überflüssiger Pöbel!«

»Wussten Sie, was in den Botschaften stand, die Sie beförderten?«

Erkens Gesichtszüge versteinerten. »Ich glaube, ich brauche einen Anwalt …« Nach Feierabend brachte Asmus Cords Unterlagen zu Ose.

»Ist alles aufgeklärt?«, flüsterte sie hoffnungsvoll.

»Für mich, ja. Rörd Jacobsen, der Mann, der alles steuerte, ist auf der Flucht, er hat Sylt verlassen. Wir lassen in Deutschland nach ihm suchen. Anfangs hatte ich nicht viel Hoffnung. Aber jetzt haben wir die Zeugenaussage von Gerrit Erken. Der wird auspacken, um sich zu retten. Leider bleiben die Schäden auf Sylt einstweilen. Jetzt bist du dran.«

»Ich?«

»Ja. Nach Cords Tod bist du diejenige, auf die wir Sylter uns verlassen, wenn es um Grundstücksmauscheleien in geschützten Gebieten geht. Du kennst die schönsten Ecken.«

Oses Mutter öffnete die Küchentür und steckte den Kopf heraus. »Noch eine Hose zu plätten, Herr Asmus?«

Sie wurde unterbrochen durch die Stimme ihres Mannes, der aus dem Hintergrund rief. »Der Rundfunk meldet gerade, dass Jacobsen in München gefasst wurde.«

»Gut«, kommentierte Asmus. »Und nein, Frau Godbersen. Es geht heute nicht um Hosen, nur noch um Bohnen. Es ist Zeit, ihnen beim Wachsen zuzusehen.«

»Dann gratuliere ich euch beiden ganz herzlich.« Oses Mutter zog sich zurück und schloss leise die Tür.

»Lass uns also gucken gehen«, schlug Ose vor. »Komm, Nis Asmussen, mein Neufriese.«

Niklas antwortete mit einem ausgiebigen Kuss, bevor sie in den schattigen Garten traten, der am nächsten Morgen wieder in strahlender Sonne liegen würde.