172585.fb2 Der Zorn der G?tter - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 39

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Das Rockendorf, dessen Jugendstilinterieur von der Pracht und dem Reichtum des alten Berlin kündete, war eines der besten Restaurants in ganz Deutschland.

Als Diane hineinging, wurde sie vom Oberkellner in Empfang genommen. »Kann ich Ihnen behilflich sein?«

»Ich habe einen Tisch reserviert. Auf den Namen Stevens. Ich bin hier mit einer Frau Frank verabredet.«

»Hier entlang, bitte.«

Der Oberkellner geleitete sie zu einem Ecktisch. Diane blickte sich vorsichtig um. Rund vierzig Gäste hielten sich in dem Restaurant auf, zumeist Geschäftsleute. An einem Tisch gegenüber saß ein attraktiver, gut gekleideter Mann, der allein speiste.

Diane nahm Platz und dachte über ihr Gespräch mit Heidi Frank nach. Wie viel wusste sie?

Der Kellner reichte Diane die Speisekarte. »Bitte sehr.«

»Danke.«

Diane warf einen Blick in die Karte. Fasan in RotweinKräutersud mit Apfelrotkohl und Serviettenknödeln, Gefüllte Schweinelende an Fenchelgemüse mit grünem Spargel, Zanderfilet in Spreewälder Soße an Sahnekartoffeln ... Sie hatte keine Ahnung, was das für Gerichte waren. Aber Heidi Frank konnte ihr das bestimmt erklären.

Diane warf einen Blick auf ihre Uhr. Heidi hatte sich bereits um zwanzig Minuten verspätet.

Der Kellner kam an ihren Tisch. »Möchten Sie jetzt vielleicht bestellen, gnädige Frau?«

»Nein, ich warte noch auf meinen Gast. Danke.«

Die Minuten verrannen. Allmählich fragte sich Diane, ob irgendetwas schief gegangen war.

Nach weiteren fünfzehn Minuten kam der Kellner erneut an ihren Tisch. »Darf ich Ihnen irgendetwas bringen?«

»Nein, danke. Mein Gast müsste jede Minute eintreffen.«

Inzwischen war es bereits nach neun, aber Heidi Frank war immer noch nicht aufgetaucht. Mit einem flauen Gefühl im Magen musste sich Diane eingestehen, dass sie wahrscheinlich nicht kommen würde.

Als Diane aufblickte, sah sie zwei Männer an einem Tisch in der Nähe des Eingangs sitzen. Sie waren schlecht gekleidet und wirkten irgendwie gemein. Schlägertypen, dachte Diane sofort. Sie sah, wie der Kellner zu ihrem Tisch kam und mit einem rüden Winken wieder weggeschickt wurde. Sie wollten offenbar nichts essen. Dann drehten sie sich um und starrten Diane an, und mit einem Mal wurde ihr klar, dass sie in eine Falle gegangen war. Heidi Frank hatte sie verraten. Diane spürte, wie ihr das Blut zu Kopf stieg. Sie blickte sich nach einem Fluchtweg um. Es gab keinen. Vorerst konnte sie hier sitzen bleiben, aber irgendwann würde sie gehen müssen, und dann würden sie sie schnappen. Sie überlegte, ob sie per Handy jemanden alarmieren sollte, aber sie kannte niemanden, der ihr helfen könnte.

Diane dachte verzweifelt nach. Ich muss hier irgendwie wegkommen, aber wie?

Als sie sich umsah, fiel ihr Blick auf den attraktiven Mann, der allein am Tisch saß. Er trank gerade eine Tasse Kaffee.

Diane lächelte ihn an und sagte: »Guten Abend.«

Er blickte überrascht auf und sagte freundlich: »Guten Abend.«

Diane schenkte ihm ein einladendes Lächeln. »Wie ich sehe, sind wir beide allein.«

»Ja.«

»Hätten Sie Lust, mir Gesellschaft zu leisten?«

Er zögerte einen Moment und lächelte dann. »Aber gern.«

Er stand auf und kam an Dianes Tisch.

»Allein essen macht keinen Spaß, nicht wahr?«, sagte Diane leichthin.

»Da haben Sie Recht.«

Sie bot ihm die Hand zum Gruß. »Diane Stevens.«

»Greg Holliday.«

Kelly war nach dem schrecklichen Erlebnis mit Sam Meadows wie benommen gewesen. Nach ihrer Flucht war sie die ganze Nacht durch die Straßen von Montmartre gelaufen und hatte ständig nach hinten geblickt, aus Angst, jemand könnte ihr folgen. Aber ich kann Paris nicht verlassen, ohne herauszufinden, was da vor sich geht, dachte Kelly.

In der Morgendämmerung kehrte sie in einem kleinen Café ein und trank eine Tasse Kaffee. Dann fiel ihr unverhofft eine Lösung ein: Marks Sekretärin. Sie hatte Mark verehrt. Kelly war davon überzeugt, dass sie alles tun würde, um ihr zu helfen.

Um neun Uhr rief Kelly von einer Telefonzelle aus an. Sie wählte die vertraute Nummer, worauf sich eine Frauenstimme mit starkem französischem Akzent meldete. »Kingsley International Group.«

»Ich würde gern mit Yvonne Renais sprechen.«

»Un moment, s’il vous plaît.«

Kurz darauf hörte Kelly Yvonnes Stimme.

»Yvonne Renais. Kann ich Ihnen behilflich sein?«

»Yvonne, hier ist Kelly Harris.«

Sie hörte einen erschrockenen Ausruf. »Oh! Mrs. Harris ...«

In Tanner Kingsleys Büro leuchtete ein blaues Lämpchen auf.

Tanner nahm den Telefonhörer ab. In New York war es drei Uhr morgens, aber er hatte beschlossen, sein Büro nicht zu verlassen, bis dieses leidige Problem aus der Welt geschafft war. Als Tanner jetzt ans Telefon ging, hörte er das Gespräch mit, das in Paris geführt wurde.

»Was Mister Harris zugestoßen ist, tut mir ja so Leid. Es war furchtbar.«

»Danke, Yvonne. Ich muss mit Ihnen reden. Können wir uns irgendwo treffen? Haben Sie heute Mittag Zeit?«

»Ja.«

»An irgendeinem öffentlichen Ort.«

»Kennen Sie das Ciel de Paris? Es ist im Tour Montparnasse.«

»Ja.«

Tanner machte sich in Gedanken eine Notiz.

»Um zwölf Uhr?«

- »Ist mir recht. Wir sehen uns dort.«

Tanner Kingsley verzog den Mund zu einem schmalen Lächeln. Genießt euer letztes Mahl. Er schloss die Schublade auf, öffnete sie und nahm den Hörer des goldenen Telefons ab.

»Gute Nachrichten«, sagte er, als sich am anderen Ende jemand meldete. »Es ist vorbei. Wir haben sie alle beide.«

Er hörte einen Moment lang zu, dann nickte er. »Ich weiß. Es hat ein bisschen länger gedauert, als wir erwartet haben, aber jetzt können wir weitermachen ... Mir geht’s genauso ... Bis bald.«

Der Tour Montparnasse ist ein über zweihundert Meter hoher Wolkenkratzer aus Stahl und Glas. In dem Gebäude mit seinen zahlreichen Büros herrschte geschäftiges Treiben. Die Bar und das Restaurant befanden sich im sechsundfünfzigsten Stockwerk.

Kelly war zuerst da. Yvonne kam eine Viertelstunde später und entschuldigte sich vielmals.

Kelly war ihr nur ein paar Mal begegnet, aber sie konnte sich noch gut an sie erinnern. Yvonne war eine zierliche, liebenswürdige Frau. Mark hatte Kelly oft erzählt, wie tüchtig Yvonne sei.

»Danke, dass Sie gekommen sind«, sagte Kelly.

»Ich würde doch alles tun, was in meiner Macht steht ... Mr. Harris war so ein wunderbarer Mann. Im Büro hat ihn jeder verehrt. Keiner von uns konnte glauben, was . was passiert ist.«

»Darüber möchte ich mit Ihnen sprechen, Yvonne. Sie haben doch fünf Jahre lang mit meinem Mann zusammengearbeitet?«

»Ja.«

»Dann kannten Sie ihn also ziemlich gut?«

»O ja.«

»Ist ihnen in den letzten Monaten irgendetwas aufgefallen, das Ihnen sonderbar vorkam? Hat er sich irgendwie anders benommen als sonst, oder hat er irgendetwas gesagt, das Ihnen merkwürdig vorkam?«

Yvonne wich ihrem Blick aus. »Ich bin mir nicht sicher ... Ich meine .«

»Was immer Sie auch sagen«, sagte Kelly ernst, »ihm kann es nicht mehr wehtun. Aber es könnte mir dabei helfen zu verstehen, was passiert ist.« Kelly wappnete sich für die nächste Frage, die sie stellen musste. »Hat er jemals von einer Olga gesprochen?«

Yvonne schaute sie verdutzt an. »Olga? Nein.«

»Sie wissen nicht, wer das sein könnte?«

»Ich habe keine Ahnung.«

Kelly war erleichtert. Sie beugte sich vor. »Yvonne, gibt es irgendetwas, das Sie mir nicht erzählen wollen?« »Naja ...«

Der Kellner kam an ihren Tisch. »Bonjour, mesdames. Bienvenue au Ciel de Paris. Je m’appelle Jacques Brion. Notre chef de cuisine a préparer quelques spécialités pour le déjeuner d’aujourd’hui. Avez-vous fait votre choix?«

»Oui, monsieur. Nous avons choisi le Chateaubriand pour deux.«

Als der Kellner wegging, wandte sich Kelly an Yvonne.

»Was wollten Sie gerade sagen?«

»Na ja, in den letzten Tagen vor ... vor seinem Tod wirkte Mr. Harris sehr nervös. Er bat mich darum, ihm einen Flug nach Washington zu buchen.«

»Davon wusste ich. Ich dachte, es wäre eine ganz normale Geschäftsreise.«

»Nein. Ich glaube, es ging um etwas Ungewöhnliches, irgendetwas Dringendes.«

»Haben Sie irgendeine Ahnung, worum es gegangen sein könnte?«

»Nein. Alles unterlag mit einem Mal strenger Geheimhaltung. Das ist alles, was ich weiß.«

Kelly fragte Yvonne noch eine Stunde länger aus, aber sie konnte dem nichts mehr hinzufügen.

Als sie gegessen hatten, sagte Kelly: »Es wäre mir lieb, wenn Sie dieses Gespräch vertraulich behandeln würden.«

»Darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, Mrs. Harris. Ich werde keiner Menschenseele etwas davon erzählen.« Yvonne stand auf. »Ich muss wieder zur Arbeit.«

Ihre Lippen bebten. »Aber es wird nie wieder so werden wie früher.«

»Ich danke Ihnen, Yvonne.«

Mit wem wollte sich Mark in Washington treffen? Und dann waren da noch die sonderbaren Anrufe aus Deutschland, Denver und New York.

Kelly fuhr mit dem Aufzug ins Foyer hinunter. Ich rufe Diane an. Mal sehen, was sie herausgefunden hat. Vielleicht ...

Als Kelly zum Ausgang des Gebäudes kam, sah sie sie. Zwei große Männer, die zu beiden Seiten der Tür standen. Sie schauten zu ihr her, dann grinsten sie einander an. Soweit Kelly wusste, gab es keinen anderen Ausgang. Könnte Yvonne mich verraten haben?

Die beiden Männer drängten sich mit rohem Körpereinsatz zwischen den Leuten hindurch, die das Gebäude verlassen oder betreten wollten.

Kelly blickte sich hektisch um und drückte sich an die Wand. Sie stieß mit dem Arm an etwas Hartes. Sie blickte nach unten, und als die beiden Männer näher kamen, nahm sie den kleinen Hammer, der an dem Feuermelder an der Wand angebracht war, und schlug die Glasscheibe ein, worauf der Feueralarm durch das Gebäude schrillte.

»Feuer! Feuer!«, schrie Kelly.

Im Nu brach Panik aus. Menschen kamen aus den Büros, den Geschäften und den Restaurants gerannt und strömten zum Ausgang. Innerhalb von Sekunden herrschte im Foyer dichtes Gedränge. Die beiden Männer versuchten, Kelly in dem Getümmel zu entdecken. Als sie endlich zu der Stelle kamen, an der sie sie zuletzt gesehen hatten, war sie längst verschwunden.

Das Restaurant Rockendorf füllte sich allmählich.

»Ich warte auf eine Freundin«, erklärte Diane Greg Holliday, dem attraktiven Mann, den sie an ihren Tisch eingeladen hatte. »Sieht so aus, als ob sie es nicht geschafft hat.«

»Sehr schade. Sind Sie zu Besuch in Berlin?« »Ja.«

»Eine herrliche Stadt. Ich bin glücklich verheiratet, sonst hätte ich Ihnen angeboten, Sie herumzuführen. Aber es gibt ausgezeichnete Stadtrundfahrten, die ich Ihnen nur empfehlen kann.«

»Das wäre sehr nett«, sagte Diane geistesabwesend. Sie warf einen Blick zur Tür. Die beiden Männer gingen gerade hinaus. Vermutlich warteten sie draußen auf sie. Höchste Zeit, dass sie etwas unternahm.

»Eigentlich bin ich mit einer Reisegruppe hier«, sagte Diane. »Die anderen warten wahrscheinlich schon auf mich. Würde es Ihnen etwas ausmachen, mich zu einem Taxi zu begleiten?«

»Ganz und gar nicht.«

Ein paar Minuten später gingen sie zur Tür.

Diane war zutiefst erleichtert. Wenn sie allein hinausginge, fielen die beiden Männer möglicherweise über sie her, aber solange sie in Begleitung eines Mannes war, würden sie das kaum wagen. Es würde zu viel Aufsehen erregen.

Als Diane und Greg Holliday herauskamen, waren die beiden Männer nirgendwo zu sehen. Ein Taxi stand vor dem Restaurant, und dahinter parkte ein dunkler Mercedes.

»Es war nett, Sie kennen zu lernen, Mr. Holliday«, sagte Diane. »Ich ... hoffe ...«

Holliday lächelte, fasste sie am Arm und griff so fest zu, dass Diane vor Schmerz zusammenzuckte.

Erschrocken schaute sie ihn an. »Was ...?«:

»Warum nehmen wir nicht den Wagen?«, sagte er leise. Er zog Diane auf den Mercedes zu. Sein Griff wurde noch fester.

»Nein, ich will nicht .«

Als sie zum Wagen kamen, sah Diane die beiden Männer aus dem Restaurant vorn im Mercedes sitzen. Mit einem Mal wurde ihr klar, was geschehen war, und im ersten Moment verging sie schier vor Entsetzen.

»Bitte«, sagte sie. »Tun Sie das nicht. Ich ...« Dann wurde sie in den Wagen gestoßen.

Greg Holliday rutschte neben Diane und schloss die Tür. »Los, schnell!«

Als sich der Wagen in den dichten Verkehr einfädelte, wurde Diane zusehends hysterisch. »Bitte .«

Greg Holliday wandte sich ihr zu und lächelte beruhigend. »Nur keine Aufregung. Ich werde Ihnen nichts zuleide tun. Ich verspreche Ihnen, dass Sie morgen auf dem Weg nach Hause sein werden.«

Er griff in eine Stofftasche an der Rückseite des Fahrersitzes und holte eine Injektionsspritze heraus.

»Ich werde Ihnen jetzt eine Spritze geben. Sie ist völlig harmlos. Sie werden lediglich ein, zwei Stunden schlafen.«

Er griff nach Dianes Handgelenk.

»Scheiße!«, brüllte der Fahrer. Ein Fußgänger war urplötzlich vor den Mercedes gelaufen, sodass der Fahrer scharf auf die Bremse treten musste, um ihn nicht zu erfassen. Holliday, der nicht darauf gefasst war, schlug mit dem Kopf an die Metallstreben der Nackenstütze.

Benommen richtete er sich wieder auf und schrie den Fahrer an. »Was ...?«:

Ohne nachzudenken, packte Diane die Hand mit der Spritze, verdrehte Hollidays Handgelenk und stieß ihm die Nadel ins Fleisch.

Erschrocken wandte sich Holliday ihr zu. »Nein!« Es war ein Schrei.

Entsetzt sah Diane zu, wie Holliday in Krämpfe verfiel, steif wurde und dann zusammensackte. Innerhalb weniger Sekunden war er tot. Die beiden Männer auf den Vordersitzen drehten sich um, doch Diane war bereits aus der Tür und saß im nächsten Moment in einem Taxi, das in entgegengesetzter Richtung davonfuhr.