172585.fb2
»Ein weißer Lexus folgt uns«, sagte Kelly.
»Ich weiß. Sechs Männer sitzen drin.«
»Können Sie ihn abhängen?«
»Das muss ich gar nicht.«
Kelly starrte sie an. »Was?«
»Passen Sie auf.«
Sie näherten sich einem Flughafentor, an dem ein Schild mit der Aufschrift NUR FÜR LIEFERANTEN angebracht war. Der Wachposten öffnete das Tor und ließ ihren Wagen durchfahren.
Die Männer im Lexus sahen, wie Kelly und Diane ihr Auto stehen ließen und in ein Fahrzeug der Flughafenverwaltung stiegen, das in Richtung Vorfeld fuhr.
Als der Lexus vor dem Tor anhielt, sagte der Wachmann:
»Das ist eine Privatzufahrt.«
»Aber das andere Auto haben Sie doch auch reingelassen.«
»Das ist eine Privatzufahrt.« Damit schloss der Posten das Tor.
Der Wagen der Flughafenverwaltung fuhr quer über das Vorfeld und hielt neben einem Jumbojet. Als Diane und Kelly ausstiegen, wartete Howard Miller bereits auf sie. »Sie sind also heil hierher gekommen.«
»Ja«, sagte Diane. »Danke, dass Sie das alles in die Wege geleitet haben.«
»Es war mir ein Vergnügen.« Dann wurde seine Miene grimmig. »Ich kann nur hoffen, dass etwas Gutes dabei rauskommt.«
Kelly sagte: »Richten Sie bitte Lois Reynolds unseren Dank aus und sagen Sie ihr .«
Howard Miller verzog das Gesicht. »Lois Reynolds ist letzte Nacht gestorben.«
Die beiden Frauen waren einen Moment lang fassungslos.
Es dauerte einen Moment, bis Kelly wieder sprechen konnte. »Das tut mir Leid.«
»Was ist passiert?«, fragte Diane.
»Ich nehme an, ihr Herz hat versagt.«
Howard Miller blickte zu dem Jet. »Die Maschine ist startbereit. Ich habe ihnen zwei Plätze an der Tür besorgt.«
»Nochmals vielen Dank.«
Miller blickte Kelly und Diane hinterher, als sie die Gangway hinaufstiegen. Kurz darauf schloss eine Flugbegleiterin die Tür, und die Maschine rollte zur Startbahn.
Kelly wandte sich lächelnd an Diane. »Wir haben es geschafft. Wir haben diese Möchtegerngenies ausgetrickst. Was haben Sie vor, wenn wir mit Senatorin van Luven gesprochen haben?«
»Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht«, sagte Diane. »Kehren Sie nach Paris zurück?«
»Kommt drauf an. Haben Sie vor, in New York zu bleiben?«
»Ja.«
»Dann bleibe ich vielleicht auch noch eine Weile in New York«, sagte Kelly.
»Danach könnten wir ja zusammen nach Paris reisen.«
Sie saßen da und lächelten einander an.
»Ich musste gerade daran denken, wie stolz Richard und Mark wären, wenn sie wüssten, dass wir die Aufgabe zu Ende bringen, die sie angefangen haben«, sagte Diane.
»Ganz bestimmt.«
Diane schaute aus dem Fenster und betrachtete den Nachthimmel. »Danke Richard«, sagte sie leise.
Kelly warf Diane einen kurzen Blick zu und schüttelte den Kopf, sagte aber nichts.
Richard, ich weiß, dass du mich hören kannst, mein Liebster. Wir werden die Sache zu Ende bringen, die du angefangen hast. Wir werden dich und deine Freunde rächen. Das wird dich zwar nicht zurückbringen, aber es wird mir trotzdem ein bisschen helfen. Weißt du, was ich am meisten an dir vermisse, mein Liebling? Einfach alles.
Als die Maschine dreieinhalb Stunden später am La Guardia landete, stiegen Diane und Kelly als Erste aus. Diane dachte an Senatorin van Luvens Worte. Am Flughafen wird ein grauer Lincoln Town Car für Sie bereitstehen.
Der Wagen erwartete sie am Haupteingang zum Flughafengebäude. Daneben stand ein älterer Japaner in Chauffeursuniform. Er richtete sich kerzengerade auf, als Kelly und Diane auf ihn zugingen.
»Mrs. Stevens? Mrs. Harris?«
»Ja.«
»Ich bin Kunio.« Er öffnete die Wagentür, und sie stiegen ein.
Kurz darauf waren sie auf dem Weg nach Southampton.
»Die Fahrt dauert etwa zwei Stunden«, sagte Kunio.
»Aber die Landschaft ist sehr reizvoll.«
Das Letzte, für das sie sich interessierten, war die Landschaft. Beide dachten darüber nach, wie sie der Senatorin möglichst rasch erklären könnten, was vorgefallen war.
»Meinen Sie, die Senatorin gerät ebenfalls in Gefahr, wenn wir ihr erzählen, was wir wissen?«, fragte Kelly und schaute Diane nachdenklich an.
»Ich bin davon überzeugt, dass sie Personenschutz hat. Sie wird mit so was umgehen können.«
»Hoffentlich.«
Nach fast zwei Stunden fuhr der Town Car auf eine wuchtige Kalksteinvilla mit Schieferdächern und hohen, schlanken Kaminen im englischen Landhausstil des achtzehnten Jahrhunderts zu. Sie stand inmitten eines weitläufigen Grundstücks mit tadellos gepflegten Rasenflächen, und etwas abseits konnten sie ein weiteres Gebäude sehen, das vermutlich als Garage und Unterkunft für die Dienstboten diente.
»Ich warte auf Sie, falls Sie mich noch brauchen«, sagte Kunio, als der Wagen vor dem Frontportal hielt.
»Vielen Dank.«
Ein Butler öffnete ihnen die Tür. »Guten Abend. Treten Sie bitte ein. Die Senatorin erwartet Sie.«
Die beiden Frauen gingen hinein. Das Wohnzimmer war elegant, wirkte aber trotzdem anheimelnd leger und war mit einer Reihe sorgfältig ausgewählter Antiquitäten und bequem aussehenden Sofas und Sesseln ausgestattet. Über einem großen offenen Kamin mit einem verschnörkelten Sims waren verspiegelte Kerzenhalter an der Wand angebracht.
»Hier entlang, bitte«, sagte der Butler.
Kelly und Diane folgten dem Butler in einen großen Salon.
Senatorin van Luven wartete bereits auf sie. Sie trug ein hellblaues Seidenkostüm mit einer dazu passenden Bluse und ließ ihr langes Haar offen herabhängen. Sie wirkte weitaus femininer, als Diane erwartet hatte.
»Ich bin Pauline van Luven.«
»Diane Stevens.«
»Kelly Harris.«
»Ich freue mich, Sie beide zu sehen. Es hat schon viel zu lange gedauert.«
Kelly schaute die Senatorin verständnislos an. »Wie bitte?«
»Sie meint damit«, ertönte hinter ihnen Tanner Kingsleys Stimme, »dass Sie bisher viel Glück gehabt haben, aber jetzt hat es Sie verlassen.«
Diane und Kelly fuhren herum. Tanner Kingsley und Harry Flint waren in den Salon gekommen.
»Sie sind dran, Mr. Flint«, sagte Tanner.
Flint hob eine Pistole. Wortlos richtete er sie auf die beiden Frauen und drückte zweimal ab. Pauline und Tanner sahen, wie Kelly und Diane zurücktaumelten und zu Boden stürzten.
Tanner ging zu Senatorin van Luven und umarmte sie.
»Jetzt ist es endlich vorbei, Prinzessin.«