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»Was soll ich mit den Leichen machen?«, fragte Flint.
»Binden Sie ihnen ein paar Gewichte an die Beine«, sagte Tanner, ohne auch nur einen Moment zu zögern. »Dann fahren Sie raus aufs Meer und versenken sie zweihundert Meilen vor der Küste im Atlantik.«
»Kein Problem.« Flint ging hinaus.
Tanner wandte sich an Senatorin van Luven. »Das wäre erledigt, Prinzessin. Jetzt haben wir freie Bahn.«
Sie ging zu ihm und küsste ihn. »Ich habe dich so vermisst, mein Schatz.«
»Ich dich auch.«
»Diese Rendezvous einmal im Monat haben mich schier verrückt gemacht, weil ich mir immer bewusst war, dass du wieder gehen musst.«
Tanner zog sie an sich. »Von jetzt an sind wir beisammen. Wir gedulden uns noch drei, vier Monate, bis die Anstandsfrist zu Ehren deines verstorbenen Gemahls verstrichen ist, und dann heiraten wir.«
Sie lächelte und sagte: »Ein Monat tut’s auch.«
Er nickte. »Meinetwegen.«
»Ich habe gestern meinen Rücktritt aus dem Senat erklärt. In Anbetracht meiner Trauer über den Tod meines Gatten hatte man sehr viel Verständnis für diesen Schritt.«
»Wunderbar. Jetzt können wir uns in aller Öffentlichkeit gemeinsam sehen lassen. Ich möchte dir bei der KIG etwas zeigen, das bislang noch niemand sehen durfte.«
Tanner und Pauline standen vor dem roten Ziegelbau. Tanner ging zu der schweren Stahltür, in deren Mitte eine Vertiefung eingelassen war. Pauline sah, wie Tanner einen schweren Ring mit einer Kamee, in die das Gesicht eines griechischen Kriegers eingeschliffen war, in die Vertiefung drückte, worauf das Tor aufging. Der Raum dahinter war riesig und stand voller großer Computer und Bildschirme. An der hinteren Wand befanden sich Generatoren und allerlei elektronische Geräte, die allesamt an eine Steuerkonsole in der Mitte angeschlossen waren.
»Das ist das Herzstück«, sagte Tanner. »Was wir hier vor uns haben, wird das Leben für immer verändern. Dieser Raum ist die Kommandozentrale eines Satellitensystems, mit dem man das Wetter in jeder Gegend der Welt bestimmen kann. Wir können Stürme verursachen. Wir können Hungersnöte auslösen, indem wir Regenfälle verhindern. Wir können Flughäfen in Nebel versinken lassen. Wir können Hurrikane und Zyklone erzeugen, die die Weltwirtschaft zum Erliegen bringen.« Er lächelte. »Einen Teil unserer Macht habe ich bereits vorgeführt. Viele Länder haben sich mit Methoden zur Beherrschung des Wetters beschäftigt, aber keines hat bislang eine Lösung gefunden.«
Tanner drückte auf einen Knopf, worauf ein großer Bildschirm aufleuchtete. »Was du hier siehst, ist ein technologischer Fortschritt, den die Army sich gern zunutze machen würde.« Er wandte sich an Pauline und lächelte. »Die einzige Unwägbarkeit, die bislang verhindert hat, dass Prima mir die vollständige Kontrolle gab, war der Treibhauseffekt, und darum hast du dich bestens gekümmert.« Er seufzte. »Weißt du, wer dieses Projekt begründet hat? Andrew. Er war ein echtes Genie.«
Pauline betrachtete die mächtigen Geräte. »Ich begreife nicht, wie man damit das Wetter bestimmen kann.«
»Nun ja, das ist ganz einfach, da warme Luft stets nach oben steigt und sich abkühlt, und wenn die nötige Feuchtigkeit in ...«
»Sei nicht so herablassend, Liebling.«
»Entschuldige, aber die längere Version ist ein bisschen komplizierter«, sagte Tanner.
»Ich bin ganz Ohr.«
»Ich muss ein paar technische Ausführungen machen, also hab etwas Geduld. Wenn man die Erdatmosphäre mit Mikrowellenlasern, die mittels der von meinem Bruder erfundenen Nanotechnologie geschaffen wurden, unter Beschuss nimmt, entstehen ungebundene Sauerstoffatome, die sich mit Wasserstoff verbinden, wodurch Ozon und Wasser entsteht. Ungebundene Sauerstoffatome verbinden sich in der Atmosphäre - deswegen nennt man das O2 -, und wenn man, wie mein Bruder herausgefunden hat, die Atmosphäre mit einem Laser vom Weltall aus unter Beschuss nimmt, verbindet sich der Sauerstoff mit zwei Wasserstoffatomen zu Ozon - O3 - und Wasser - H2O«
»Ich verstehe immer noch nicht, wie das ...«
»Das Wetter wird durch Wasser bestimmt. Andrew hat bei seinen groß angelegten Versuchen herausgefunden, dass als Nebenprodukt seiner Experimente so viel Wasser entstand, dass sich der Wind veränderte. Je stärker der Laserbeschuss, desto stärker der Wind. Und wenn man Wasser und Wind im Griff hat, kann man das Wetter beeinflussen.«
Er dachte einen Moment lang nach. »Als ich herausfand, dass Akira Iso in Tokio und später auch Madeleine Schmider in Zürich kurz vor der Lösung des Problems standen, habe ich ihnen die Mitarbeit bei uns angeboten, damit ich sie überwachen konnte. Aber sie haben mir einen Korb gegeben. Ich wiederum konnte nicht zulassen, dass sie ihre Arbeit zu Ende bringen.« Er zuckte die Achseln. »Ich habe dir ja erzählt, dass vier meiner besten Meteorologen mit mir an dem Projekt gearbeitet haben.«
»Ja.«
»Auch sie waren gut. Franz Verbrügge in Berlin, Mark Harris in Paris, Gary Reynolds in Vancouver und Richard Stevens in New York. Ich hatte jeden von ihnen mit der Lösung eines anderen Aspekts der Wetterbeeinflussung betraut und dachte, weil sie in verschiedenen Ländern tätig wären, würden sie den Zusammenhang nicht erkennen, beziehungsweise nicht herausfinden, welchem Zweck das Projekt letztendlich dient. Aber irgendwie sind sie dahinter gekommen. Sie suchten mich in Wien auf und fragten, was ich mit Prima vorhätte. Ich habe ihnen erklärt, dass ich es unserer Regierung übergeben würde. Ich dachte nicht, dass sie die Sache weiterverfolgen würden, aber sicherheitshalber habe ich ihnen eine Falle gestellt. Als sie im Vorzimmer saßen, habe ich mich telefonisch mit deinem Büro im Senat verbinden lassen und dafür gesorgt, dass sie mit anhören konnten, wie ich dir gegenüber geleugnet habe, jemals etwas von Prima gehört zu haben. Am nächsten Morgen riefen sie bei dir an und ließen sich einen Termin geben. In dem Augenblick war mir klar, dass ich sie beseitigen lassen musste.« Tanner lächelte. »Komm, ich zeige dir, was wir hier haben.«
An einem der Computerbildschirme tauchte eine Weltkarte auf, auf der sich allerlei Zeichen und Linien befanden. Während Tanner sprach, bewegte er einen Schalter, worauf sich der Blickwinkel auf die Karte veränderte, bis schließlich Portugal hervorgehoben wurde.
»Die Landwirtschaft in Portugal, die hauptsächlich in den Flusstälern betrieben wird«, sagte Tanner, »hängt vom Wasser der Ströme ab, die aus dem spanischen Hochland zum Atlantik fließen. Stell dir nur mal vor, was in Portugal geschieht, wenn es fortwährend regnet, bis diese Flusstäler überschwemmt werden.«
Tanner drückte auf einen weiteren Knopf, worauf auf einem großen Bildschirm ein mächtiger rosa Palast auftauchte, an dessen Portal Wachposten in Paradeuniform standen, während ringsum prachtvolle Gärten im strahlenden Sonnenschein schimmerten.
»Das ist der Präsidentenpalast.«
Dann wechselte das Bild, und man sah eine Familie, die im Esszimmer beim Frühstück saß.
»Das ist der Präsident von Portugal mit seiner Frau und den beiden Kindern. Sie unterhalten sich natürlich auf Portugiesisch, aber du hörst das Gespräch auf Englisch. Ich habe Dutzende von Nanokameras und -mikrofonen im Palast anbringen lassen. Der Präsident weiß es nicht, aber der Chef seines Sicherheitsdienstes arbeitet für mich.«
Ein Berater des Präsidenten sagte gerade: »Heute Morgen um elf Uhr haben Sie einen Empfang in der Botschaft und danach eine Besprechung mit der Gewerkschaftsführung. Um ein Uhr findet ein Mittagsimbiss im Museum statt, und heute Abend haben wir ein Staatsdiner.«
Das Telefon am Frühstückstisch klingelte. Der Präsident nahm ab. »Hallo.«
»Mr. President«, sagte Tanner, dessen Worte beim Sprechen simultan ins Portugiesische übersetzt wurden.
Der Präsident wirkte einen Moment lang verstört. »Wer sind Sie?«, fragte er, und auch seine Worte wurden sofort ins Englische übersetzt.
»Ich bin ein Freund.«
»Wer ... Wie sind Sie an meine Privatnummer gekommen?«
»Das ist nicht weiter wichtig. Ich möchte, dass Sie mir genau zuhören. Ich mag Ihr Land und möchte nicht mit ansehen müssen, wie es zerstört wird. Wenn Sie nicht wollen, dass es von verheerenden Unwettern verwüstet wird, müssen Sie mir Gold im Wert von zwei Milliarden Dollar zukommen lassen. Falls Sie momentan nichts davon wissen wollen, melde ich mich in drei Tagen wieder.«
Am Bildschirm sahen sie, wie der Präsident den Hörer auf die Gabel knallte. »Irgendein Verrückter hat sich meine Telefonnummer beschafft«, sagte er zu seiner Frau. »Klingt so, als ob er aus einem Irrenhaus entsprungen wäre.«
Tanner wandte sich an Pauline. »Das wurde vor drei Tagen aufgezeichnet. Jetzt zeige ich dir das Gespräch, das wir gestern geführt haben.«
Wieder tauchte der mächtige rosa Palast mit den prachtvollen Gärten auf, aber diesmal fiel heftiger Regen und am wolkenverhangenen Himmel zuckten Blitze.
Tanner drückte auf einen Knopf, worauf das Büro des Präsidenten am Bildschirm erschien. Er saß an einem Konferenztisch, umgeben von einem halben Dutzend Beratern, die alle durcheinander redeten. Der Präsident zeigte eine grimmige Miene.
Das Telefon auf seinem Schreibtisch klingelte.
»Jetzt pass auf.« Tanner grinste.
Der Präsident griff verzagt zum Telefon. »Hallo.«
»Guten Morgen, Mr. President. Wie ...?«:
»Wollen Sie mein Land ruinieren? Sie haben bereits die Ernte vernichtet. Die Felder sind überflutet. Die Ortschaften werden .« Der Präsident hielt inne und holte tief Luft. »Wie lange soll das noch so weitergehen?« Seine Stimme war kurz davor, sich zu überschlagen.
»Bis ich die zwei Milliarden Dollar erhalten habe.«
Sie sahen, wie der Präsident die Zähne zusammenbiss und für einen Moment die Augen schloss. »Und dann sorgen Sie dafür, dass die Unwetter aufhören?«
»Ja.«
»Wie sollen wir Ihnen das Geld zukommen lassen?«
Tanner schaltete den Bildschirm aus. »Siehst du, wie leicht das geht, Prinzessin? Wir haben das Geld bereits. Jetzt zeige ich dir, was Prima sonst noch kann. Das sind unsere ersten Erprobungen.«
Er drückte auf einen weiteren Knopf, worauf ein tobender Wirbelsturm am Bildschirm zu sehen war. »Das findet in Japan statt«, sagte Tanner. »In Echtzeit. Und um diese Jahreszeit herrscht dort eher freundliches Wetter.«
Er drückte auf einen anderen Knopf, worauf Bilder von heftigen Hagelschauern auftauchten, die auf Plantagen mit Zitrusfrüchten einprasselten. »Das ist eine Liveübertragung aus Florida. Die Temperatur beträgt dort im Moment siebzehn Grad Celsius - im Juni. Die gesamte Ernte wird vernichtet werden.«
Er betätigte einen weiteren Knopf, worauf auf einem Bildschirm ein gewaltiger Tornado zu sehen war, der ganze Gebäude mit sich riss. »Das geschieht zurzeit in Brasilien. Wie du siehst«, sagte Tanner stolz, »ist Prima zu allem fähig.«
Pauline trat neben ihn und sagte leise: »Genau wie der Papa.«
Tanner schaltete den Bildschirm ab. Er nahm drei DVDs zur Hand und zeigte sie ihr. »Die enthalten die drei interessantesten Gespräche, die ich geführt habe - mit den Regierungschefs von Peru, Mexiko und Italien. Willst du wissen, wie sie uns das Gold übergeben? Wir schicken Lastwagen zu ihren Staatsbanken, und sie beladen sie. Und dann kommt Trick siebzehn. Falls sie irgendwelche Anstalten machen sollten, nach dem Verbleib des Goldes zu forschen, versichere ich ihnen, dass die Unwetter erneut einsetzen und nie wieder aufhören werden.«
Pauline schaute ihn besorgt an. »Tanner, können sie deine Anrufe irgendwie zurückverfolgen?«
Tanner lachte. »Das will ich doch hoffen. Falls sie jemand zurückverfolgt, landet er bei einem Relais in einer Kirche, das ihn zu einem zweiten Relais in einer Schule umleitet. Das dritte Relais löst Unwetter aus, wie man sie niemals erleben möchte. Und beim vierten Mal landet man im Oval Office des Weißen Hauses.«
Pauline lachte.
Die Tür ging auf, und Andrew kam herein.
Tanner drehte sich um. »Ah. Da ist ja mein geliebter Bruder.«
Andrew starrte Pauline mit verwirrter Miene an. »Kenne ich Sie nicht?« Er betrachtete sie fast eine Minute lang nachdenklich, dann strahlte sein Gesicht auf. »Sie . Sie und Tanner wollten . wollten heiraten. Ich war der Trauzeuge. Sie ... Sie sind die Prinzessin.«
»Sehr gut, Andrew«, sagte Pauline.
»Aber Sie . Sie haben ihn verlassen. Sie haben Tanner nicht geliebt.«
Tanner schaltete sich ein. »Ich muss dich berichtigen. Sie hat mich verlassen, weil Sie mich liebte.« Er ergriff Paulines Hand. »Sie hat am Tag nach ihrer Hochzeit angerufen. Sie hat einen wohlhabenden und einflussreichen Mann geheiratet, damit sie die Beziehungen ihres Gatten nutzen konnte, um der KIG wichtige Kunden zu besorgen. Deshalb ist unsere Firma so rasch gewachsen.« Tanner drückte Pauline an sich. »Wir haben uns heimlich jeden Monat getroffen. Und dann«, fügte er stolz hinzu, »fand sie Gefallen an der Politik und wurde Senatorin.«
Andrew runzelte die Stirn. »Aber ... aber Sebastiana ... Sebastiana ...«
»Sebastiana Cortez.« Tanner lachte. »Die diente nur dazu, um jedermann auf eine falsche Fährte zu locken. Ich habe dafür gesorgt, dass alle im Büro über sie Bescheid wussten. Die Prinzessin und ich konnten nicht zulassen, dass irgendwer Verdacht schöpft.«
»Oh, ich verstehe«, sagte Andrew versonnen.
»Komm hierher, Andrew.« Tanner führte ihn zu der Steuerkonsole. Sie blieben vor Prima stehen.
»Kannst du dich noch an das hier erinnern? Du hast bei der Entwicklung mitgeholfen. Jetzt ist es fertig.«
Andrew bekam große Augen. »Prima .«
Tanner deutete auf einen Knopf und sagte: »Ja. Damit regelt man das Wetter.« Er deutete auf einen anderen Knopf.
»Die Ortswahl.« Er schaute seinen Bruder an. »Siehst du, wie einfach wir es konstruiert haben?«
»Ich erinnere mich ...«:, murmelte Andrew vor sich hin.
Tanner wandte sich an Pauline. »Und das ist erst der Anfang, Prinzessin.« Er schloss sie in die Arme. »Ich stelle zurzeit Nachforschungen in dreißig weiteren Ländern an. Du bekommst alles, was du wolltest. Macht und Reichtum.«
Pauline strahlte vor Freude. »Mit so einem Computer könnte man ja .«
»Mit zwei solchen Computern«, sagte Tanner. »Ich habe eine Überraschung für dich. Hast du schon mal von der Insel Tamoa im Südpazifik gehört?«
»Nein.«
»Wir haben sie gerade gekauft. Sie ist hundertfünfundfünfzig Quadratkilometer groß und unglaublich schön. Sie ist eine der französisch-polynesischen Inseln und verfügt über einen kleinen Flugplatz und einen Yachthafen. Dort ist alles vorhanden, was man zum Leben braucht, einschließlich« - er legte eine kleine Kunstpause ein - »Prima II.«
»Du meinst, es gibt noch einen ...?«, sagte Pauline.
Tanner nickte. »Ganz recht. Unter der Erde, wo ihn keiner finden kann. Jetzt, da diese beiden neugierigen Weiber endlich aus dem Weg geräumt sind, gehört uns die Welt.«