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Das Telefon läutete viermal, der Anrufbeantworter schaltete sich ein, die aufgezeichnete Ansage war zu hören, dann der Pfeifton, anschließend keine Nachricht. Wieder läutete es viermal, der gleiche Ablauf, wieder keine Nachricht. Eine Minute später läutete es abermals, und Gray Grantham griff vom Bett aus nach dem Hörer. Er saß auf einem Kissen und versuchte, zu sich zu kommen.
«Wer ist da?«fragte er mit schmerzendem Kopf. Durchs Fenster fiel kein Licht herein.
Die Stimme am anderen Ende der Leitung war leise und ängstlich.»Spreche ich mit Gray Grantham von der Washington Post?«
«Der bin ich. Wer sind Sie?«
Langsam:»Ich kann Ihnen meinen Namen nicht sagen.«
Der Nebel lichtete sich, und er sah auf die Uhr. Es war halb fünf.»Okay, vergessen wir den Namen. Weshalb rufen Sie an?«
«Ich habe gestern Ihre Story über das Weiße Haus und die Kandidaten gelesen.«
«Das ist gut. «Du und noch eine Million andere Leute.»Weshalb rufen Sie zu dieser unchristlichen Zeit an?«
«Tut mir leid. Ich bin auf dem Weg zur Arbeit und habe bei einer Telefonzelle angehalten. Ich kann weder von zu Hause noch vom Büro aus anrufen.«
Die Stimme war klar und kultiviert und klang intelligent.»Was für einem Büro?«
«Ich bin Anwalt.«
Großartig. In Washington gab es rund eine halbe Million
Anwälte.»Privat oder Regierung?«
Ein leichtes Zögern.»Das möchte ich lieber nicht sagen.«
«Okay. Und ich würde lieber schlafen. Weshalb rufen Sie an?«
«Es könnte sein, dass ich etwas über Rosenberg und Jensen weiß.«
Grantham setzte sich auf die Bettkante.»Was wissen Sie?«
Eine erheblich längere Pause.»Nehmen Sie das auf?«
«Nein. Sollte ich?«
«Ich weiß es nicht. Ich habe Angst und bin ziemlich durcheinander, Mr. Grantham. Mir wäre es lieber, wenn Sie es nicht aufnehmen würden. Vielleicht den nächsten Anruf, okay?«
«Ganz wie Sie wünschen. Ich höre zu.«
«Kann festgestellt werden, woher dieser Anruf kommt?«
«Durchaus möglich. Aber Sie rufen von einer Zelle aus an. Weshalb sollte Sie das stören?«
«Ich weiß es nicht. Ich habe einfach Angst.«
«Okay. Ich schwöre Ihnen, dass ich nichts aufnehme, und ich schwöre, dass ich dem Anruf nicht nachforschen werde. Und nun sagen Sie mir, was Sie sagen wollten.«
«Also, ich glaube, ich weiß, wer sie umgebracht hat.«
Grantham war aufgestanden.»Das ist ein ganz schön wertvolles Wissen.«
«Es könnte mich das Leben kosten. Glauben Sie, dass sie mich beschatten?«
«Wer? Wer sollte Sie beschatten?«
«Ich weiß es nicht. «Die Stimme wurde schwächer; sie hörte sich an, als schaute er über die Schulter.
Grantham wanderte neben seinem Bett herum.»Ganz ruhig. Sagen Sie mir, wie Sie heißen. Ich schwöre, es bleibt unter uns.«»Garcia.«
«Das ist nicht Ihr richtiger Name, nicht wahr?«
«Natürlich nicht, aber mehr kann ich nicht sagen.«
«Okay, Garcia. Reden Sie.«
«Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, ich bin im Büro auf etwas gestoßen, was ich eigentlich nicht hätte sehen dürfen.«
«Haben Sie eine Kopie davon?«
«Vielleicht.«
«Sie haben mich angerufen, Garcia. Wollen Sie nun reden oder nicht?«
«Ich weiß es nicht. Was würden Sie tun, wenn ich Ihnen etwas erzähle?«
«Es gründlich überprüfen. Wenn wir jemanden des Mordes an zwei Richtern des Obersten Bundesgerichts bezichtigen wollen, müssen wir äußerst behutsam vorgehen.«
Es folgte ein sehr langes Schweigen. Grantham blieb neben dem Schaukelstuhl stehen und wartete.»Garcia? Sind Sie noch da?«
«Ja. Können wir später darüber reden?«
«Natürlich. Wir können es auch jetzt tun.«
«Ich muss nachdenken. Ich habe seit einer Woche nicht mehr gegessen und geschlafen, und ich kann nicht mehr klar denken. Ich rufe Sie vielleicht später wieder an.«
«Okay, okay. In Ordnung. Sie können mich in der Redaktion anrufen, am besten um…«
«Nein, in der Redaktion rufe ich nicht an. Tut mir leid, dass ich Sie geweckt habe.«
Er legte auf. Grantham betrachtete die Tasten seines Telefons, drückte sieben von ihnen nieder, wartete, dann sechs weitere und dann noch vier. Er notierte eine Nummer auf einem Block neben dem Apparat. Die Telefonzelle stand in der Fünfzehnten
Gavin Verheek schlief vier Stunden und wachte betrunken auf. Als er eine Stunde später im Hoover Building ankam, ließ die Wirkung des Alkohols nach, und die Kopfschmerzen setzten ein. Er verfluchte sich selbst und er verfluchte Callahan, der zweifellos bis Mittag schlafen und dann frisch und munter aufwachen und sich auf den Weg zu seiner Maschine nach New Orleans machen würde. Sie hatten das Restaurant verlassen, als es um Mitternacht schloss, dann waren sie noch in einigen Bars gewesen und hatten spaßeshalber diskutiert, ob sie sich nicht einen oder zwei Pornofilme ansehen sollten, aber da ihr Lieblingskino ausgebrannt war, ging das leider nicht. Also tranken sie bis gegen drei oder vier Uhr weiter.
Er sollte um elf bei Direktor Voyles sein, und da musste er einen wachen und nüchternen Eindruck machen. Das war unmöglich. Er wies seine Sekretärin an, die Tür zuzumachen, und erzählte ihr, er hätte einen tückischen Virus aufgeschnappt, vielleicht die Grippe, und er wollte an seinem Schreibtisch in Ruhe gelassen werden, sofern nicht etwas verdammt Wichtiges anlag. Sie betrachtete seine Augen und schien mehr als gewöhnlich zu schnüffeln. Der Bierdunst verflüchtigt sich nicht immer während des Schlafs.
Sie ging und machte die Tür hinter sich zu. Er schloss sie ab. Um Gleichheit herzustellen, rief er Callahan in seinem Hotel an, aber niemand meldete sich.
Was für ein Leben. Sein bester Freund verdiente fast so viel wie er, arbeitete aber höchstens dreißig Stunden in der Woche und hatte außerdem freie Wahl unter geschmeidigen jungen Dingern, die zwanzig Jahre jünger waren als er. Dann erinnerte er sich an ihre grandiosen Pläne für die Woche auf St. Thomas und stellte sich vor, wie Darby am Strand entlang schlenderte. Er würde hinfahren, selbst wenn das bedeuten würde, dass seine
Frau die Scheidung einreichte.
Eine Welle von Übelkeit schwappte durch seinen Brustkorb und in seiner Speiseröhre hoch, und er legte sich schnell auf den Boden. Billiger Behördenteppich. Er atmete tief ein, und unter seiner Schädeldecke setzte das Hämmern ein. Die Gipsdecke drehte sich nicht, und das war ermutigend. Nach drei Minuten war er sicher, dass er sich nicht übergeben würde, jedenfalls jetzt nicht.
Sein Aktenkoffer stand in Reichweite, und er zog ihn vorsichtig zu sich heran. Drinnen fand er den Umschlag und die Morgenzeitung. Er öffnete den Umschlag, entfaltete Darbys Akte und hielt sie mit beiden Händen in fünfzehn Zentimeter Abstand von seinem Gesicht.
Es waren dreizehn Blatt Computerpapier, alle mit doppeltem Zeilenabstand und breiten Rändern. Damit konnte er fertig werden. Auf den Rändern standen handschriftliche Anmerkungen, und ganze Absätze waren durchgestrichen. Oben auf der ersten Seite standen die Worte ERSTER ENTWURF, mit einem Filzstift geschrieben. Ihr Name, ihre Adresse und ihre Telefonnummer waren auf das Deckblatt getippt.
Er würde es ein paar Minuten lang überfliegen, während er auf dem Boden lag; danach, so hoffte er, würde er wieder imstande sein, sich an seinen Schreibtisch zu setzen und so zu tun, als wäre er ein bedeutender Regierungsanwalt. Er dachte an Voyles, und das Hämmern in seinem Kopf wurde schlimmer.
Sie schrieb gut, auf die übliche Juristenart in langen Sätzen, die angefüllt waren mit komplizierten Worten. Aber sie drückte sich klar und deutlich aus. Sie vermied die Mehrdeutigkeiten und den Fachjargon, um den sich die meisten Jurastudenten so verzweifelt bemühten. Sie würde nie eine Anwältin im Dienst der Regierung der Vereinigten Staaten werden.
Gavin hatte noch nie von ihrem Verdächtigen gehört und war sicher, dass er auf niemandes Liste stand. Technisch gesehen war es keine Akte, sondern eher ein Dossier über einen Prozess in Louisiana. Sie legte die Tatsachen kurz und bündig dar und machte sie interessant. Sogar faszinierend. Er begnügte sich nicht damit, den Text zu überfliegen.
Die Fakten nahmen vier Seiten ein. Die nächsten drei hatte sie mit einer kurzen Geschichte der Parteien gefüllt. Das war ein bisschen lahmer, aber er las weiter. Er war gefesselt. Auf Seite acht des Papiers wurde der Prozess zusammengefasst. Seite neun erwähnte die Berufung, und die letzten drei Seiten legten eine eher unglaubwürdige Spur zur Entfernung von Rosenberg und Jensen aus dem Gericht. Callahan zufolge hatte sie diese Theorie bereits wieder verworfen, und gegen das Ende zu schien ihr der Dampf auszugehen.
Aber es war überaus lesenswert. Ein paar Minuten lang hatte er seine Kopfschmerzen vergessen und dreizehn Seiten Text einer Jurastudentin gelesen, während er auf einem schmutzigen Fußboden lag und eine Million andere Dinge zu tun hatte.
Jemand klopfte leise an die Tür. Er setzte sich langsam auf, erhob sich mühsam und ging zur Tür.»Ja?«
Es war die Sekretärin.»Tut mir leid, dass ich Sie stören muss. Aber der Direktor möchte Sie in zehn Minuten in seinem Büro sehen.«
Verheek öffnete die Tür.»Was?«
«Ja, Sir. In zehn Minuten.«
Er rieb sich die Augen und atmete hastig.»Weshalb?«
«Wenn ich solche Fragen stellen würde, wäre ich morgen arbeitslos, Sir.«
«Haben Sie irgendein Mundwasser?«
«Ja, ich glaube schon. Möchten Sie es haben?«
«Wenn ich es nicht haben wollte, hätte ich Sie nicht danach gefragt. Bringen Sie es mir. Haben Sie Kaugummi?«.
«Ja, Sir. Möchten Sie das auch haben?«
«Bringen Sie mir das Mundwasser und Kaugummi und ein paar Aspirin, wenn Sie welche haben. «Er ging zu seinem Schreibtisch und setzte sich, hielt den Kopf in den Händen und rieb sich die Schläfen. Er hörte, wie sie Schubladen aufzog und wieder zuknallte, und dann stand sie mit den gewünschten Dingen vor ihm.
«Danke. Tut mir leid, dass ich Sie angefahren habe. «Er deutete auf das Dossier, das auf einem Stuhl neben der Tür lag.»Schicken Sie das an Eric East, er ist im vierten Stock. Schreiben Sie ein paar Zeilen von mir dazu. Er soll es lesen, wenn er eine Minute Zeit dazu hat. «Sie ging mit dem Dossier.
Fletcher Coal öffnete die Tür zum Oval Office und begrüßte K. O. Lewis und Eric East. Der Präsident war in Puerto Rico und besichtigte Hurrikanschäden, und Direktor Voyles hatte sich geweigert, mit Coal allein zusammenzukommen. Er hatte seine zweite Garnitur geschickt.
Coal bedeutete ihnen, auf einer Couch Platz zu nehmen. Er selbst ließ sich auf der anderen Seite des Couchtisches nieder. Sein Jackett war zugeknöpft, seine Krawatte saß ordentlich. Er entspannte sich nie. East hatte Geschichten über seine Gewohnheiten gehört. Er arbeitete zwanzig Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche, trank nichts als Wasser, und der größte Teil seiner Mahlzeiten stammte aus einem Automaten im Keller. Er konnte lesen wie ein Computer und verbrachte täglich Stunden mit dem Lesen von Memos, Berichten, Briefen und Bergen von anstehenden Gesetzen. Er hatte ein unwahrscheinliches Gedächtnis. Seit einer Woche hatten sie jetzt täglich Berichte über ihre Untersuchungen hergebracht und sie Coal ausgehändigt, der das Material verschlang und es für das nächste Treffen seinem Gedächtnis einverleibte. Wenn irgend etwas nicht übereinstimmte, fiel er über sie her. Er war verhasst, aber es war unmöglich, ihn nicht zu respektieren. Er war intelligenter als sie. Er arbeitete schwerer. Und er wusste es.
Er genoss die Leere des Oval Office. Sein Boss war unterwegs und zog eine Schau für die Kameras ab, aber die wahre Macht war daheimgeblieben, um das Land zu regieren.
K. O. Lewis legte einen zehn Zentimeter dicken Stapel Berichte auf den Tisch.
«Irgend etwas Neues?«fragte Coal.
«Möglicherweise. Die französischen Behörden haben sich routinemäßig die Filme angesehen, die von den Sicherheitskameras am Pariser Flughafen aufgenommen werden, und sie glauben, ein Gesicht erkannt zu haben. Sie haben sie mit den Aufnahmen von zwei anderen Kameras in der Halle verglichen, aus unterschiedlichen Blickwinkeln, und dann Interpol informiert. Das Gesicht ist getarnt, aber Interpol glaubt, dass es der Terrorist Khamel war. Sie haben bestimmt schon von ihm gehört.«
«Habe ich.«
«Sie haben sich das Filmmaterial ganz genau angesehen und sind sich fast sicher, dass er mit einer Maschine gelandet ist, die letzten Dienstag, ungefähr zehn Stunden nach der Entdeckung von Jensen, nonstop von Dulles kam.«
«Die Concorde?«
«Nein. United. Anhand des Zeitpunktes und der Position der Kameras können sie feststellen, mit welcher Maschine und durch welchen Ausgang jemand gekommen ist.«
«Und Interpol hat sich mit der CIA in Verbindung gesetzt?«
«Ja. Sie haben Gminski heute mittag gegen eins angerufen.«
Coals Miene war nichts zu entnehmen.»Wie sicher sind sie?«
«Achtzig Prozent. Er ist ein Meister der Verkleidung, und es wäre ziemlich ungewöhnlich für ihn, auf diese Weise zu reisen. Einige Zweifel sind also angebracht. Wir haben Fotos und eine Zusammenfassung für den Präsidenten. Ich habe mir die Bilder angesehen, und ich kann dazu nichts sagen. Aber Interpol kennt den Mann.«
«Freiwillig hat er sich doch seit Jahren nicht fotografieren lassen, oder?«
«Unseres Wissens nicht. Und es gibt Gerüchte, dass er sich alle zwei oder drei Jahre unters Messer begibt und sich ein neues Gesicht machen lässt.«
Coal dachte eine Sekunde lang darüber nach.»Okay. Was ist, wenn es tatsächlich Khamel war und er mit den Morden zu tun hatte? Was bedeutet das?«
«Es bedeutet, dass wir ihn nie finden werden. Es gibt mindestens neun Länder, Israel eingeschlossen, die versuchen, seiner habhaft zu werden. Es bedeutet, dass ihm jemand eine Menge Geld dafür gezahlt hat, dass er hierzulande tätig wird. Wir haben von Anfang an gesagt, dass der Killer oder die Killer Profis waren, die sich aus dem Staub gemacht haben, noch bevor die Leichen kalt waren.«
«Also bedeutet es sehr wenig.«
«So könnte man es ausdrücken.«
«Gut. Was haben Sie sonst noch?«
Lewis warf einen Blick auf Eric East.»Nun, wir haben den üblichen Tagesbericht.«
«Die letzten Berichte waren ziemlich unergiebig.«
«Ja, das stimmt. Wir haben dreihundertachtzig Agenten, die täglich zwölf Stunden arbeiten. Gestern haben sie hundertsechzig Personen in dreißig Staaten vernommen. Wir haben…«
Coal hob die Hand.»Sparen Sie sich das. Ich werde den Bericht lesen. Ich kann wohl davon ausgehen, dass es nichts Neues gibt.«
«Vielleicht einen neuen kleinen Tipp. «Lewis sah Eric East an, der eine Kopie von Darbys Akte in der Hand hielt.
«Um was handelt es sich?«
East war nicht recht wohl zumute. Das Dossier war den ganzen Tag nach oben weitergereicht worden, bis Voyles es gelesen hatte. Es hatte ihm gefallen. Er hielt es für ziemlich weit hergeholt, etwas, das keinerlei ernster Erwägung bedurfte, aber in dem Dossier wurde der Präsident erwähnt, und ihm gefiel die Idee, Coal und seinen Boss zum Schwitzen zu bringen. Er wies Lewis und East an, Coal das Dossier auszuhändigen und so zu tun, als wäre es eine wichtige Theorie, die das FBI ernstnähme. Zum ersten Mal seit einer Woche hatte Voyles gelächelt, während er darüber sprach, wie die Schwachköpfe im Oval Office dieses kleine Papier lesen und dann versuchen würden, den Kopf einzuziehen. Bauschen Sie es auf, hatte Voyles gesagt. Sagen Sie ihnen, wir hätten vor, der Sache mit zwanzig Agenten nachzugehen.
«Es ist eine Theorie, die in den letzten vierundzwanzig Stunden aufgetaucht ist, und Voyles nimmt sie ziemlich ernst. Er fürchtet, sie könnte dem Präsidenten schaden.«
Coal verzog keine Miene.»Wieso das?«
East legte das Dossier auf den Tisch.»Das steht alles in diesem Bericht.«
Coal warf einen Blick darauf, dann musterte er East.»Gut. Ich lese ihn später. War das alles?«
Lewis stand auf und knöpfte sein Jackett zu.»Ja. Wir können gehen.«
Coal begleitete sie zur Tür.
Es gab keinerlei Aufsehen, als die Air Force One kurz nach zehn in Andrews landete. Die Queen war unterwegs, um Geld aufzutreiben, und weder Freunde noch Familienangehörige begrüßten den Präsidenten, als er aus der Maschine stieg und auf seine Limousine zueilte, in der Coal auf ihn wartete. Der Präsident ließ sich in seinen Sitz sinken.»Ich habe nicht damit gerechnet, dass Sie hier sein würden«, sagte er.
«Tut mir leid. Wir müssen reden. «Die Limousine fuhr in Richtung Weißes Haus.
«Es ist spät, und ich bin müde.«
«Wie war der Hurrikan?«
«Beeindruckend. Er hat eine Million Papp- und Wellblechhütten weggefegt, und jetzt werden wir ein paar Milliarden auf den Tisch legen und neue Häuser und Kraftwerke bauen. Die Leute brauchen so ungefähr alle fünf Jahre einen anständigen Hurrikan.«
«Ich habe die Erklärung zum Katastrophengebiet vorbereitet.«
«Okay. Und was ist nun so wichtig?«
Coal reichte ihm eine Kopie dessen, was inzwischen das» Pelikan-Dossier «genannt wurde.
«Ich will es nicht lesen«, sagte der Präsident.»Erzählen Sie mir, um was es geht.«
«Voyles und sein zusammengewürfelter Haufen sind über einen Verdächtigen gestolpert, auf den bisher niemand gekommen war. Ein obskurer, ziemlich ausgefallener Verdächtiger. Eine Jurastudentin in Tulane hat das verdammte Ding geschrieben, und irgendwie ist es zu Voyles gelangt, der es gelesen hat und zu dem Schluss gekommen ist, es könnte etwas daran sein. Vergessen Sie nicht, sie suchen verzweifelt nach Verdächtigen. Die Theorie ist so weit hergeholt, dass sie völlig absurd ist, und die Sache selbst beunruhigt mich nicht. Aber Voyles beunruhigt mich. Er hat beschlossen, sich dahinterzuklemmen, und die Presse verfolgt jeden Schritt, den er tut. Es könnte etwas durchsickern.«
«Wir können seine Untersuchung nicht kontrollieren.«
«Aber wir können sie manipulieren. Gminski wartet im Weißen Haus, und…«
«Gminski!«
«Nicht nervös werden, Chef. Ich habe ihm persönlich vor drei
Stunden eine Kopie dieser Akte überreicht und ihn zu strengster Geheimhaltung verpflichtet. Er mag inkompetent sein, aber er kann ein Geheimnis wahren. Ich traue ihm wesentlich mehr als Voyles.«
«Ich traue keinem von beiden.«
Das hörte Coal gern. Er wollte, dass der Präsident niemandem traute außer ihm.»Ich finde, Sie sollten die CIA sofort mit der Untersuchung dieser Sache beauftragen. Ich würde gern alles wissen, bevor Voyles zu wühlen anfängt. Keiner von beiden wird etwas finden, aber wenn wir mehr wissen als Voyles, können Sie ihn überreden, dass er die Finger davon lässt. Das ist nicht mehr als vernünftig, Chef.«
Der Präsident war unsicher.»Es ist eine Inlandsangelegenheit, in der die CIA nicht herumschnüffeln darf. Das wäre wahrscheinlich illegal.«
«Es ist illegal, technisch gesehen. Aber Gminski wird es für Sie tun, und er kann es schnell tun, insgeheim und wesentlich gründlicher als das FBI.«
«Es ist illegal.«
«Es ist schon oft so gemacht worden, Chef. Viele Male.«
Der Präsident beobachtete den Verkehr. Seine Augen waren rot und geschwollen, aber nicht vor Müdigkeit. Er hatte im Flugzeug drei Stunden geschlafen. Aber er hatte den ganzen Tag damit verbracht, für die Kameras traurig und mitfühlend auszusehen, und es war nicht einfach, plötzlich damit aufzuhören.
Er nahm das Dossier und warf es auf den leeren Sitz neben sich.»Ist es jemand, den wir kennen?«
«Ja.«