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Frühstück am Dupont Circle. Es war ziemlich kühl, aber die Junkies und die Transvestiten weilten noch bewusstlos in ihren elenden kleinen Welten. Ein paar Säufer lagen herum wie Treibholz. Aber die Sonne war aufgegangen, und er fühlte sich sicher; schließlich war er nach wie vor FBI-Agent mit einem Schulterholster und einer Waffe unter dem Arm. Was hatte er schon zu befürchten? Er hatte die Waffe seit fünfzehn Jahren nicht mehr benutzt und verließ sein Büro nur selten, aber er hätte sie nur zu gern gezogen und abgefeuert.
Sein Name war Trope, und er war ein sehr spezieller Mitarbeiter von Mr. Voyles. So speziell, dass niemand außer ihm und Mr. Voyles von diesen kleinen Unterhaltungen mit Booker von der CIA etwas wusste. Er setzte sich mit dem Rücken nach New Hampshire auf eine runde Bank und packte sein Frühstück aus, eine Banane und ein Stück Kuchen, die er unterwegs gekauft hatte. Er sah auf die Uhr. Booker war immer pünktlich. Trope kam immer als erster, Booker fünf Minuten später, sie redeten jedesmal nur kurz, danach ging zuerst Trope und dann Booker. Sie waren jetzt beide Büromenschen in ziemlich vorgerücktem Alter, aber enge Vertraute ihrer Chefs, die es von Zeit zu Zeit satt hatten, Mutmaßungen darüber anzustellen, was zum Teufel der andere tat, oder vielleicht auch nur irgend etwas schnell erfahren wollten.
Er hieß wirklich Trope, und er fragte sich, ob auch Booker ein wirklicher Name war. Vermutlich nicht. Booker gehörte zur CIA, und in Langley war man so paranoid, dass wahrscheinlich sogar die Bleistiftspitzer Decknamen hatten.
Er biss ein Stück von seiner Banane ab. Es würde ihn nicht wundern, wenn die Sekretärinnen dort drei oder vier Namen hatten.
Booker näherte sich dem Springbrunnen mit einem großen weißen Becher voll Kaffee. Er sah sich um, dann ließ er sich neben seinem Freund nieder. Voyles hatte dieses Treffen gewünscht, deshalb würde Trope als erster sprechen.
«Wir haben in New Orleans einen Mann verloren«, sagte er.
Booker umfasste den heißen Becher mit beiden Händen und trank.»Das hatte er sich selbst zuzuschreiben.«
«Ja, aber er ist nun einmal tot. Waren Sie dort?«
«Ja, aber wir wussten nicht, dass er dort war. Wir waren nahe dran, haben aber andere beobachtet. Was hat er dort gemacht?«
Trope wickelte seinen Kuchen aus.»Das wissen wir nicht. Er fuhr zu der Beisetzung, versuchte, die Frau zu finden, fand einen anderen, und nun haben wir die Bescherung. «Er nahm einen großen Bissen, und die Banane war aufgegessen.»Saubere Arbeit, oder?«
Booker zuckte die Achseln. Was wusste das FBI schon über das Töten von Leuten?» Er war okay. Ziemlich schwacher Versuch, einen Selbstmord vorzutäuschen, wie wir gehört haben. «Er trank einen Schluck von seinem heißen Kaffee.
«Wo ist die Frau?«fragte Trope.
«Wir haben sie in O’Hare aus den Augen verloren. Vielleicht ist sie in Manhattan, aber wir sind nicht sicher. Wir halten nach ihr Ausschau.«
«Und die anderen auch.«
«Zweifellos.«
Sie beobachteten einen der Säufer, der von seiner Bank wegtaumelte und stürzte. Sein Kopf prallte zuerst auf, aber vermutlich spürte er nichts. Er rollte sich herum, und seine Stirn blutete.
Booker sah auf die Uhr. Diese Treffen waren überaus kurz.»Was hat Mr. Voyles vor?«»Sich an die Arbeit zu machen. Er hat gestern fünfzig Leute losgeschickt und heute noch mehr. Er mag es nicht, wenn man seine Leute umbringt, vor allem jemand, den er gut kennt.«
«Was ist mit dem Weißen Haus?«
«Er hat nicht vor, sie zu informieren, und vielleicht finden sie es nicht heraus. Was wissen sie?«
«Sie kennen Mattiece.«
Die Erwähnung dieses Namens entlockte Trope ein leichtes Lächeln.»Wo steckt Mr. Mattiece?«
«Das weiß niemand. In den letzten drei Jahren hat er sich in diesem Land kaum sehen lassen. Er besitzt mindestens ein halbes Dutzend Häuser in ebenso vielen Ländern, und er hat Jets und Schiffe. Er kann überall stecken.«
Trope aß seinen Kuchen auf und steckte das Einwickelpapier in die Tüte.»Das Dossier hat den Nagel auf den Kopf getroffen, nicht wahr?«
«Es ist wundervoll. Wenn er den Dingen ihren Lauf gelassen hätte, dann hätte kaum ein Mensch darauf geachtet. Aber er spielt den wilden Mann, fängt an, Leute umzubringen, und je mehr Leute er umbringt, desto glaubwürdiger wird das Dossier.«
Trope sah auf die Uhr. Schon zu lange, aber das war interessant.»Voyles sagt, wir würden vielleicht Ihre Hilfe brauchen.«
Booker nickte.»Okay. Aber das wird eine ziemlich schwierige Sache. Erstens ist der mutmaßliche Killer tot. Zweitens ist der mutmaßliche Hintermann kaum zu fassen. Es war eine bis ins letzte Detail geplante Verschwörung, aber die Verschwörer sind verschwunden. Wir werden versuchen, Mattiece zu finden.«
«Und die Frau?«
«Die auch. Wir versuchen es.«
«Was denkt sie?«
«Wie sie es schaffen kann, am Leben zu bleiben.«
«Können Sie sie nicht einkassieren?«fragte Trope.
«Nein. Wir wissen nicht, wo sie steckt, und wir können nicht einfach unschuldige Zivilpersonen von der Straße weg verhaften. Im Augenblick traut sie niemandem.«
Trope stand mit seiner Frühstückstüte auf.»Das kann ich ihr nicht verübeln. «Dann war er fort.
Grantham betrachtete ein verschwommenes Fax-Foto, das er aus Phoenix bekommen hatte. Sie war Studentin an der Arizona State University, eine sehr attraktive Zwanzigjährige aus Denver, wo ihr Hauptfach Biologie gewesen war. Er hatte zwanzig Shaws in Denver angerufen, bevor er es aufgab. Das zweite Fax kam von einem Lokalreporter für AP in New Orleans. Es war die Kopie eines Fotos, das zu Beginn ihres Studiums in Tulane aufgenommen worden war. Das Haar war länger. Irgendwo in der Mitte des Jahrbuchs hatte der Lokalreporter ein Foto von Darby Shaw gefunden, auf dem sie bei einem Picknick mit Kommilitonen eine Diät-Cola trank. Sie trug einen weiten Pullover und verblichene Jeans, die genau passten, und es war offensichtlich, dass es ein großer Bewunderer von Darby gewesen sein musste, der dieses Foto in das Jahrbuch aufgenommen hatte. Es sah aus wie ein Modefoto aus Vogue. Sie lachte über jemanden oder etwas. Die Zähne waren vollkommen, und das Gesicht war sympathisch. Er hatte das Foto an die kleine Korktafel neben seinem Schreibtisch geheftet.
Er hatte noch ein viertes Fax, ein Foto von Thomas Callahan. Nur der Vollständigkeit halber.
Er legte die Füße auf den Schreibtisch. Es war fast halb zehn, Dienstag. Die Redaktion summte, es herrschte ein ständiges Kommen und Gehen, ein perfekt organisiertes Chaos. In den letzten vierundzwanzig Stunden hatte er achtzig Telefonanrufe getätigt und nichts in der Hand außer den vier Fotos und einem Stapel von Listen mit Wahlkampfspenden. Er kam einfach nicht weiter, aber deshalb brauchte er sich keine grauen Haare wachsen zu lassen. Sie würde gleich anrufen.
Er überflog die Post und las die merkwürdige Story über einen gewissen Gavin Verheek und sein Hinscheiden. Das Telefon läutete. Es war Darby.
«Haben Sie die Post gesehen?«fragte sie.
«Sie scheinen zu vergessen, dass ich für die Post schreibe.«
Sie war nicht in der Stimmung für Belanglosigkeiten.»Die Story über den FBI-Anwalt, der in New Orleans ermordet wurde, haben Sie die gelesen?«
«Ich lese sie gerade. Hängt sie mit Ihnen zusammen?«
«So könnte man es ausdrücken. Hören Sie genau zu, Grantham. Callahan gab das Dossier an Verheek weiter, der sein bester Freund war. Am Freitag kam Verheek zu seiner Beisetzung nach New Orleans. Ich habe am Wochenende mit ihm telefoniert. Er wollte mir helfen, aber ich hatte Angst. Wir vereinbarten ein Treffen für gestern mittag. Verheek wurde gegen elf am Sonntagabend in seinem Zimmer ermordet. Sind Sie soweit mitgekommen?«
«Ja.«
«Verheek erschien nicht zu dem Treffen, weil er da bereits tot war. Ich bekam es mit der Angst zu tun und verließ die Stadt. Jetzt bin ich in New York.«
«Okay. «Grantham machte sich blitzschnell Notizen.»Wer hat Verheek umgebracht?«
«Das weiß ich nicht. Aber es steckt noch mehr dahinter. Ich habe die Post und die New York Times von der ersten bis zur letzten Seite gelesen und nichts gefunden über einen weiteren Mord in New Orleans. Es handelt sich um einen Mann, mit dem ich gesprochen habe, und den ich für Verheek hielt. Es ist eine
lange Geschichte.«
«Das scheint mir auch so. Wann bekomme ich diese lange Geschichte?«
«Wann können Sie nach New York kommen?«
«Ich kann am Mittag dort sein.«
«Das wäre ein bisschen zu schnell. Verabreden wir uns für morgen. Ich rufe Sie morgen um die gleiche Zeit wieder an, mit Anweisungen. Sie müssen ungeheuer vorsichtig sein, Grantham.«
Er bewunderte die Jeans und das Lächeln auf der Korktafel.»Nennen Sie mich Gray, okay? Nicht Grantham.«
«Von mir aus. Es gibt ein paar sehr mächtige Leute, die Angst vor dem haben, was ich weiß. Wenn ich es Ihnen sage, könnte es Sie das Leben kosten. Ich habe die Leichen gesehen, Gray. Ich habe Bomben und Schüsse gehört. Gestern habe ich das Gehirn eines Mannes gesehen, und ich habe keine Ahnung, wer er war oder warum er getötet wurde. Aber er wusste über das PelikanDossier Bescheid. Ich hielt ihn für meinen Freund. Ich vertraute ihm mein Leben an, und jemand schoss ihm in Gegenwart von fünfzig Leuten eine Kugel in den Kopf. Als ich zusah, wie er starb, kam mir der Gedanke, dass er vielleicht doch nicht mein Freund war. Dann habe ich noch ein wenig länger darüber nachgedacht, und mir ist klar geworden, dass er ganz bestimmt nicht mein Freund war.«
«Wer hat ihn getötet?«
«Darüber reden wir, wenn Sie hier sind.«
«Okay, Darby.«
«Da ist noch eine Kleinigkeit, die wir klarstellen müssen. Ich erzähle Ihnen alles, was ich weiß, aber Sie dürfen nie meinen Namen nennen. Was ich geschrieben habe, reicht aus, dass mindestens drei Leute daran glauben mussten, und ich bin ziemlich sicher, dass ich die nächste sein werde. Aber ich will
nicht noch mehr Probleme heraufbeschwören. Sie werden meinen Namen niemals nennen, okay, Gray?«
«Abgemacht.«
«Ich setze eine Menge Vertrauen in Sie, und ich weiß nicht, weshalb ich das tue. Wenn ich je an Ihnen zweifeln sollte, werde ich verschwinden.«
«Sie haben mein Wort, Darby. Ich schwöre es.«
«Ich glaube, Sie machen einen Fehler. Das ist keine Ihrer normalen Recherchen. Sie könnten dabei umgebracht werden.«
«Von den gleichen Leuten, die Rosenberg und Jensen umgebracht haben?«
«Ja.«
«Wissen Sie, wer Rosenberg und Jensen umgebracht hat?«
«Ich weiß, wer für die Morde bezahlt hat. Ich kenne seinen Namen. Ich kenne sein Geschäft. Ich kenne seine Politik.«
«Und das alles werden Sie mir morgen erzählen?«
«Wenn ich dann noch lebe. «Es folgte eine lange Pause, während der beide über etwas Angemessenes nachdachten.
«Vielleicht sollten wir uns jetzt gleich unterhalten«, sagte er.
«Vielleicht. Aber ich rufe Sie morgen früh an.«
Grantham legte den Hörer auf und bewunderte einen Moment das leicht verschwommene Foto dieser ausnehmend schönen Jurastudentin, die überzeugt war, dass sie bald sterben musste. Eine Sekunde lang erlag er Gedanken an Ritterlichkeit und Edelmut und Rettung. Sie war Anfang Zwanzig, mochte, dem Foto von Callahan nach zu urteilen, ältere Männer, und plötzlich vertraute sie ihm unter Ausschluss aller anderen. Er würde dafür sorgen, dass es funktionierte. Und er würde sie schützen.
Die Wagenkolonne verließ die Innenstadt. In einer Stunde sollte er eine Rede in College Park halten, und jetzt saß er entspannt ohne Jackett in der Limousine und las den Text, den Mabry zu Papier gebracht hatte. Er schüttelte den Kopf und machte sich Randnotizen. An einem normalen Tag wäre dies eine angenehme Fahrt gewesen, mit einer netten kleinen Rede in einem hübschen Campus, aber heute nicht. Coal saß neben ihm in der Limousine.
In der Regel nahm der Stabschef an derartigen Ausflügen nicht teil. Er genoss die Momente, in denen der Präsident nicht im Weißen Haus war und er allein das Sagen hatte. Aber sie mussten miteinander reden.
«Mabrys Reden hängen mir zum Hals heraus«, sagte der Präsident verärgert.»Sie hören sich alle gleich an. Ich bin ganz sicher, dass ich dieselbe Rede schon letzte Woche bei dem Rotarier-Treffen gehalten habe.«
«Er ist der beste, den wir haben, aber ich sehe mich um«, sagte Coal, ohne von seinem Memo aufzuschauen. Er hatte die Rede gelesen; sie war gar nicht so schlecht. Aber Mabry schrieb inzwischen seit sechs Monaten, ihm fiel nicht mehr viel ein, und Coal wollte ihn ohnehin entlassen.
Der Präsident warf einen Blick auf Coals Memo.»Was ist das?«
«Die Kandidatenliste.«
«Wer ist noch übrig?«
«Siler-Spence, Watson und Calderon.«
«Großartig, Fletcher. Eine Frau, ein Schwarzer und ein Kubaner. Was ist mit all den Weißen los? Mir ist, als hätte ich gesagt, ich wollte junge Weiße. Junge, harte, konservative Richter mit blütenweißer Weste und vielen Jahren vor sich. Habe ich das nicht gesagt?«
Coal las weiter.»Sie müssen bestätigt werden, Chef.«
«Wir sorgen dafür, dass sie bestätigt werden Ich werde Leuten die Arme verdrehen, bis sie brechen, aber sie werden bestätigt werden. Ist Ihnen klar, dass neun von zehn weißen Männern in diesem Land für mich gestimmt haben?«
«Vierundachtzig Prozent.«
«Richtig. Also was ist gegen weiße Männer einzuwenden?«
«Das ist keine Sache von Protektion.«
«Unsinn. Es ist Protektion, sonst nichts. Ich belohne meine Freunde, und ich bestrafe meine Feinde. Nur so kann man in der Politik überleben. Man tanzt mit denen, die einen hochgebracht haben. Ich kann einfach nicht glauben, dass Sie eine Frau und einen Schwarzen wollen. Sie werden weich, Fletcher.«
Coal schlug die nächste Seite auf. Das hatte er schon öfters gehört.»Mir geht es in erster Linie um Ihre Wiederwahl«, sagte er ruhig.
«Meinen Sie etwa, mir nicht? Ich habe so viele Asiaten und Lateinamerikaner und Frauen und Schwarze ernannt, dass man mich fast für einen Demokraten halten könnte. Verdammt noch mal, Fletcher, was ist gegen weiße Männer einzuwenden? Es muss im Lande doch an die hundert gute, qualifizierte, konservative Richter geben. Wieso können Sie dann nicht zwei finden, nur zwei, die so aussehen und denken wie ich?«
«Sie haben neunzig Prozent der Stimmen der Kubaner bekommen.«
Der Präsident warf die Rede auf den Sitz und griff nach der Post.»Okay, fangen wir mit Calderon an. Wie alt ist er?«
«Einundfünfzig. Verheiratet, acht Kinder. Katholik, aus ärmlichen Verhältnissen, hat sich nach oben gearbeitet und in Yale studiert. Sehr solide, sehr konservativ. Keine dunklen Punkte, abgesehen davon, dass er \or zwanzig Jahren wegen Alkoholismus behandelt wurde. Seitdem völlig nüchtern. Ein Abstinenzler.«
«Hat er je Gras geraucht?«
«Er bestreitet es.«
«Er gefällt mir. «Der Präsident las das Deckblatt.
«Mir auch. Das Justizministerium und das FBI haben seine Unterwäsche überprüft, und er ist sehr sauber. So, und wen wollen Sie als zweiten? Siler-Spence oder Watson?«
«Was ist Siler-Spence für ein Name? Ich meine, was stimmt nicht mit diesen Frauen, die einen Bindestrich benutzen? Was wäre, wenn sie Skowinski hieße und mit einem Typ namens Levandowski verheiratet wäre? Würde ihre kleine emanzipierte Seele darauf bestehen, dass sie künftig als F. Gwendolyn Skowinski-Levandowski durchs Leben geht? Kommt nicht in Frage. Ich werde nie eine Frau mit einem Bindestrich ernennen.«
«Sie haben es schon einmal getan.«
«Wen?«
«Kay Jones-Roddy, Botschafterin in Brasilien.«
«Abberufen und entlassen.«
Coal brachte ein kleines Lächeln zustande, legte das Memo auf den Sitz und beobachtete den Verkehr. Über Nummer Zwei würde man später entscheiden. Calderon war im Sack, und er wollte Linda Siler-Spence, also würde er sich für den Schwarzen stark machen und den Präsidenten zu der Frau hindrängen. Eine simple Manipulation.
«Ich meine, wir sollten noch zwei Wochen abwarten, bevor wir ihre Namen bekanntgeben«, sagte er.
«Von mir aus«, murmelte der Präsident. Er würde es tun, wenn er dazu bereit war, ohne Rücksicht auf Coals Fahrplan. Er war auch noch nicht sicher, ob er beide gleichzeitig ernennen sollte.
«Watson ist ein sehr konservativer schwarzer Richter, der in dem Ruf steht, ausgesprochen hart zu sein. Er wäre ideal.«
«Ich weiß nicht recht«, murmelte der Präsident, während er über Gavin Verheek las.
Coal hatte die Story auf der zweiten Seite gesehen. Verheek war unter eigenartigen Umständen in einem Zimmer des Hilton in New Orleans tot aufgefunden worden. Der Story zufolge tappte das FBI im dunkeln und hatte nichts darüber zu sagen, weshalb Verheek in New Orleans gewesen war. Voyles war tief betrübt. Vorzüglicher, loyaler Mitarbeiter und so weiter.
Der Präsident durchblätterte die Zeitung.»Unser Freund Grantham hat nichts von sich gegeben.«
«Er ist noch auf der Suche. Meines Erachtens hat er von der Akte gehört, aber mehr auch nicht. Er hat alle möglichen Leute angerufen, ohne zu wissen, wonach er fragen sollte. Er tappt im dunkeln.«
«Nun, ich habe gestern mit Gminski Golf gespielt«, sagte der Präsident selbstgefällig.»Und er hat mir versichert, dass alles unter Kontrolle ist. Wir haben uns über achtzehn Löcher hinweg eingehend unterhalten. Er ist ein miserabler Golfer, der es nicht schafft, sich vom Sand und vom Wasser fernzuhalten. Es war ein Mordsspaß.«
Coal hatte noch nie einen Golfschläger in der Hand gehabt und hasste das alberne Gerede über Handicaps und dergleichen.»Glauben Sie, dass Voyles da unten der Sache nachgeht?«
«Nein. Er hat mir sein Wort gegeben, dass er es nicht tun wird. Nicht, dass ich ihm vertraue, aber Gminski hat Voyles nicht erwähnt.«
«Und wie weit vertrauen Sie Gminski?«fragte Coal mit einem schnellen Blick auf den Präsidenten.
«Überhaupt nicht. Aber ich glaube, wenn er etwas über die Pelikan-Akte wüsste, dann würde er es mir sagen…«Der Präsident verstummte — ihm war klar geworden, wie naiv sich das anhörte.
Coal gab seinem Zweifel mit einem Grunzen Ausdruck.
Sie überquerten den Anacosta River und befanden sich im
Prince Georges County. Der Präsident griff wieder nach der Rede und schaute aus dem Fenster. Zwei Wochen waren seit den Morden vergangen, und den Umfragen zufolge hatte er immer noch mehr als fünfzig Prozent. Die Demokraten hatten keinen sichtbaren Kandidaten, der irgendwo dort draußen saß und Lärm schlug. Er war stark und wurde noch stärker. Die Amerikaner hatten Rauschgift und Verbrechen ebenso satt wie die Tatsache, dass lautstarke Minoritäten ständig die Aufmerksamkeit auf sich lenkten und liberale Idioten die Verfassung zugunsten von Kriminellen und Radikalen interpretierten. Das war seine große Chance. Zwei Ernennungen für das Oberste Bundesgericht auf einmal. Es würde sein Vermächtnis sein.
Er lächelte vor sich hin. Was für eine wundervolle Tragödie.