172633.fb2 Die Bruderschaft - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 26

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SECHSUNDZWANZIG

In Trumble gab es zwei Arten von Telefonen: überwachte und nicht überwachte. Theoretisch saßen

bei allen Gesprächen, die von überwachten Apparaten aus geführt wurden, kleine Heinzelmännchen in der Leitung, die nichts anderes taten, als sich unzählige Stunden sinnlosen Geplauders anzuhören. In Wirklichkeit wurde nur knapp die Hälfte der Gespräche aufgezeichnet, und etwa fünf Prozent wurden tatsächlich von irgendwelchen Gefängnisangestellten überwacht. Nicht einmal die Regierung verfügte über so viele Heinzelmännchen, wie nötig gewesen wären, um alle Gespräche abzuhören.

Drogendealer hatten auf überwachten Leitungen Geschäfte abgewickelt. Mafiabosse hatten Morde an Rivalen in Auftrag gegeben. Die Chancen, erwischt zu werden, waren gering.

Die Zahl der nicht überwachten Apparate war kleiner. Es gab eine gesetzliche Vorschrift, der zufolge diese nicht angezapft werden durften, denn sie waren für Gespräche mit Anwälten reserviert. In der Nähe dieser Telefone war jedoch immer ein Wärter postiert.

Als Spicer schließlich an der Reihe war, entfernte sich der Wärter diskret.

«Anwaltskanzlei«, lautete die unwirsche Begrüßung aus der Freiheit.

«Hier ist Joe Roy Spicer. Ich rufe aus dem Gefängnis in Trumble an und muss Trevor sprechen.«

«Der schläft.«

Es war halb zwei nachmittags.»Dann wecken Sie den Mistkerl gefälligst!«knurrte Spicer.

«Einen Augenblick.«

«Würden Sie sich bitte beeilen? Ich spreche von einem Gefängnisapparat aus.«

Joe Roy Spicer sah sich um und fragte sich — nicht zum ersten Mal —, was für einen Anwalt sie da eigentlich an Land gezogen hatten.

«Warum rufst du mich an?«waren Trevors erste Worte.

«Das wirst du schon noch erfahren. Setz deinen Arsch in Bewegung, und mach dich an die Arbeit. Du musst etwas erledigen, und zwar schnell.«

Inzwischen herrschte in dem Haus gegenüber der Kanzlei hektische Aktivität. Es war der erste Anruf aus Trumble.

«Worum geht's?«

«Wir müssen herauskriegen, wer der Mieter eines bestimmten Postfachs ist. Es eilt. Und wir wollen, dass du die Aktion überwachst. Du bleibst dort, bis alles geklärt ist.«

«Warum ich?«

«Weil wir es dir sagen. Das könnte der dickste Fisch überhaupt sein.«

«Und wo ist dieses Postfach?«

«In Chevy Chase, Maryland. Schreib's dir auf: AI Konyers, Box 455, Mailbox America, 39380 Western Avenue, Chevy Chase. Sei äußerst vorsichtig — dieser Typ könnte Freunde haben, und es ist möglich, dass jemand anders das Ding bereits im Auge behält. Nimm ein bisschen Bargeld mit, und setz ein paar gute Detektive darauf an.«

«Ich bin hier gerade ziemlich beschäftigt.«

«Ja, tut mir leid, dass ich dich geweckt habe. Verlier keine Zeit, Trevor. Mach dich heute noch auf den Weg. Und komm nicht zurück, bevor du nicht weißt, wem das Postfach gehört.«

«Na gut, na gut.«

Spicer legte auf, und Trevor legte die Füße wieder auf den Schreibtisch und sah aus, als wollte er sein Nickerchen fortsetzen. In Wirklichkeit dachte er nach. Wenig später rief er Jan zu, sie solle ihm einen Flug nach Washington heraussuchen.

In seinen vierzehn Jahren an der Front hatte Klockner es noch nie erlebt, dass so viele Leute jemanden überwachten, der so wenig tat. Er führte ein kurzes Gespräch mit Deville in Langley. Danach kam Leben in die Agenten. Es war Zeit für die Wes-und-Chap-Show.

Wes ging hinüber, öffnete die quietschende Tür, von der die Farbe abblätterte, und betrat die Kanzlei von Rechtsanwalt L. Trevor Carson. Wes trug eine Khakihose, einen Baumwollpullover, Slipper und keine Socken, und als Jan ihn mit ihrem üblichen schiefen Grinsen begrüßte, wusste sie nicht, ob er ein Einheimischer oder ein Tourist war.»Was kann ich für Sie tun?«fragte sie.

«Ich muss dringend mit Mr. Carson sprechen«, sagte Wes mit Verzweiflung in der Stimme.

«Haben Sie einen Termin?«fragte sie, als wäre ihr Chef so beschäftigt, dass sie nicht imstande war, den Überblick zu behalten.

«Äh, nein, es ist gewissermaßen ein Notfall.«

«Er hat sehr viel zu tun«, sagte sie, und Wes konnte beinahe das Gelächter im Haus gegenüber hören.»Bitte. Ich muss einfach mit ihm sprechen.«

Sie verdrehte die Augen und gab sich eisern.»Um was geht es denn?«

«Ich komme gerade von der Beerdigung meiner Frau«, sagte er, den Tränen nahe, und endlich zeigten sich Risse in Jans Abwehr.»Das tut mir sehr leid«, sagte sie. Armer Kerl.

«Sie ist bei einem Unfall auf der 1-95, ein kleines Stück nördlich von Jacksonville, ums Leben gekommen.«

Jan war inzwischen aufgestanden und wünschte, sie hätte frischen Kaffee gekocht.»Wie schrecklich. Wann ist das passiert?«

«Vor zwölf Tagen. Ein Freund hat mir Mr. Carson empfohlen.«

Das konnte kein guter Freund gewesen sein.»Möchten Sie einen Kaffee?«fragte sie und schraubte den Deckel auf das Nagellackfläschchen. Vor zwölf Tagen. Wie alle guten Anwaltssekretärinnen las sie täglich die Zeitung und achtete auf Unfallmeldungen. Es war ja immerhin möglich, dass ein Unfallopfer zur Tür hereinmarschiert kam.

Allerdings nicht durch Trevors Tür. Bis jetzt.

«Nein, danke«, sagte Wes.»Es war ein Tankwagen. Der Fahrer war betrunken.«

«Oh Gott!«rief sie und schlug die Hand vor den Mund. Bei so einem Fall konnte nicht einmal Trevor etwas falsch machen.

Viel Geld, ein dickes Honorar, und der Typ stand direkt vor ihr, während ihr blöder Chef in seinem Zimmer saß und seinen Mittagsrausch ausschlief.

«Er nimmt gerade eine eidesstattliche Erklärung auf«, sagte sie.»Ich will mal sehen, ob ich ihn stören kann. Nehmen Sie doch Platz. «Am liebsten hätte sie die Eingangstür abgeschlossen, damit er nicht entkommen konnte.

«Mein Name ist Yates. Yates Newman«, sagte er hilfsbereit.

«Gut. «Sie eilte durch den Korridor, klopfte höflich an Trevors Tür und trat ein.»Wachen Sie auf, Sie Penner!«zischte sie mit zusammengebissenen Zähnen, allerdings laut genug, dass Wes es hören konnte.

«Was ist los?«sagte Trevor, sprang auf und nahm die Fäuste hoch, als müsste er sich gegen einen Angriff verteidigen. Er hatte nicht geschlafen, sondern in einem alten Magazin geblättert.

«Stellen Sie sich vor: Sie haben einen Mandanten.«

«Wer ist es?«

«Ein Mann, dessen Frau vor zwölf Tagen von einem Tankwagen überfahren worden ist. Er will sofort mit Ihnen sprechen.«

«Er ist hier?«

«Ja. Kaum zu glauben, was? Es gibt 3000 Anwälte in Jacksonville, und der arme Kerl kommt ausgerechnet zu Ihnen. Er behauptet, ein Freund hätte Sie ihm empfohlen.«

«Und was haben Sie ihm gesagt?«

«Dass er bei der Wahl seiner Freunde vorsichtiger sein sollte.«

«Nein, im Ernst, was haben Sie ihm gesagt?«

«Dass Sie gerade eine eidesstattliche Erklärung aufnehmen.«

«Ich hab seit acht Jahren keine eidesstattliche Erklärung mehr aufgenommen. Schicken Sie ihn rein.«

«Nur die Ruhe. Ich werde ihm einen Kaffee machen. Tun Sie so, als hätten Sie hier noch ein paar wichtige Sachen zu erledigen. Vielleicht sollten Sie hier schnell noch ein bisschen aufräumen.«

«Sorgen Sie dafür, dass er nicht weggeht.«

«Der Tankwagenfahrer war betrunken«, sagte sie und öffnete die Tür.»Versauen Sie's nicht.«

Trevor erstarrte mit offenem Mund und glasigem Blick. Seine Gedanken überschlugen sich. Ein Drittel von zwei, vier, ach was, zehn Millionen, wenn der Fahrer wirklich betrunken gewesen war und man erhöhten Schadenersatz geltend machen konnte. Er wollte wenigstens auf seinem Schreibtisch ein wenig Ordnung schaffen, doch er konnte sich nicht rühren.

Wes starrte aus dem Fenster auf das Haus gegenüber, wo seine Kollegen saßen und zurückstarrten. Er hatte Trevors Büro den Rücken zugekehrt, weil es ihn Mühe kostete sein Gesicht zu verziehen. Er hörte Schritte und dann Jans Stimme-

«Mr. Carson wird Sie gleich empfangen.«

«Danke «sagte er ohne sich umzudrehen.

Der arme Kerl ist noch nicht darüber hinweg, dachte sie und ging in die schmutzige Küche, um Kaffee zu kochen.

Die Aufnahme der eidesstattlichen Erklärung war im Nu erledigt und viele anderen Beteiligten waren wie durch ein Wunder spurlos verschwunden. Wes folgte Jan in Mr. Carson aufgeräumtes Büro. Man stellte sich einander vor. Jan brachte frischen Kaffee, und als sie endlich gegangen war, hatte Wes eine ungewöhnliche Bitte.

«Gibt es hier irgendwo ein Lokal, wo man einen starken Cafe latte bekommen kann?<<

«Aber na klar«, sagte Trevor. Seine Worte sprangen geradezu über den Tisch.»Ein paar Blocks von hier ist ein Cafe namens Beach Java.«

«Könnten Sie ihre Sekretärin hinschicken und mir einen holen lassen?;<

Selbstverständlich! Was für eine Frage!

«Natürlich. Mittel oder groß?«

«Mittel, bitte."

Trevor eilte hinaus' und wenige Sekunden später schloss Jan die Haustür hinter sich zu und rannte fast die Straße hinunter. Als sie außer Sicht war' ging Chap hinüber in Trevors Kanzlei und öffnete die Tür mit seinem eigenen Schlüssel. Dann legte er die Sicherheitskette vor, so dass Jan mit einem Becher heißem Cafe latte auf der

Veranda stehen würde.

Chap schlenderte durch den Flur und riss die Tür zu Trevors Büro auf» Würden Sie bitte draußen — «, begann Trevor.

«Ist schon in Ordnung«, sagte Wes.»Er gehört zu mir.«

Chap verriegelte die Tür, zog eine 9-mm-Pistole aus der Jackentasche und zielte in Richtung Trevor, dessen Augen sich weiteten, während ihm das Herz in die Hose rutschte.

«Was — «, stieß er mit hoher, halberstickter Stimme hervor.

«Halten Sie den Mund«, sagte Chap und reichte die Pistole Wes, der noch immer vor dem Schreibtisch saß. Trevors entsetzter Blick folgte der Waffe, bis sie in Wes' Jackentasche verschwand. Was habe ich getan? Wer sind diese Kerle? Ich hab doch alle meine Spielschulden bezahlt.

Er war sehr damit einverstanden, den Mund zu halten. Er würde tun, was immer sie sagten.

Chap lehnte sich an die Wand, ziemlich nahe bei Trevor, als wollte er sich jeden Augenblick auf ihn stürzen.»Wir haben einen Klienten«, sagte er.»Einen reichen Mann, der sich in der Schlinge gefangen hat, die Ricky und Sie ausgelegt haben.«

«Oh Gott!«murmelte Trevor. Sein schlimmster Alptraum wurde wahr.

«Eine wunderbare Idee«, sagte Wes.»Man erpresst Geld von reichen Männern, die ihre Veranlagung geheim halten wollen. Die können sich schließlich nicht wehren. Und Ricky ist ja schon im Knast und hat also nichts zu verlieren.«

«Fast perfekt«, ergänzte Chap.»Es sei denn, ihr kriegt den falschen Fisch an den Haken, und genau das ist jetzt passiert.«

«Ich hab mir das nicht ausgedacht«, sagte Trevor. Seine Stimme war noch immer zwei Oktaven höher als sonst, und seine Augen suchten nach der Pistole.

«Ja, aber ohne Sie würde die Sache nicht funktionieren, oder?«fragte Wes.»Ohne einen kriminellen Anwalt, der die Post rein- und rausschmuggelt, geht es nicht. Und Ricky braucht jemanden, der das Geld weiterleitet und ein bisschen Detektivarbeit leistet.«

«Sie sind keine Cops, oder?«fragte Trevor.

«Nein. Wir sind private Ermittler«, antwortete Chap.

«Denn wenn Sie Cops sind, sage ich lieber nichts mehr.«

«Wir sind keine Cops.«

Trevor bekam wieder Luft und dachte nach. Das Atmen fiel ihm leichter als das Denken, doch seine Routine half ihm.»Ich glaube, ich werde das hier lieber aufnehmen«, sagte er.»Nur für den Fall, dass Sie doch Cops sind.«

«Ich sagte, wir sind keine Cops.«

«Ich traue den Cops nicht, besonders dem FBI. Irgendwelche FBI-Typen würden hier genau so reinspaziert kommen wie Sie. Sie würden mit einer Kanone herumfuchteln und Stein und Bein schwören, dass sie nicht vom FBI sind. Ich mag einfach keine Cops. Also werde ich das hier aufnehmen.«

Am liebsten hätten sie gesagt: Keine Sorge, alter Freund, das erledigen wir bereits. Es wurde alles aufgezeichnet, live und mit einer hochauflösenden Digital-Farbkamera, die in der Decke, ein paar Meter hinter ihnen, angebracht war. Und rings um Trevors unaufgeräumten Schreibtisch waren so viele Mikrofone montiert, dass er nicht schnarchen, rülpsen oder seine Knöchel knacken lassen konnte, ohne dass irgendjemand im Haus gegenüber es hörte.

Die Pistole wurde wieder hervorgeholt. Wes hielt sie in den Händen und betrachtete sie nachdenklich.

«Sie werden hier gar nichts aufnehmen«, stellte Chap fest.»Wie ich schon sagte: Wir sind private Ermittler. Und wir bestimmen die Regeln. «Er trat einen Schritt näher. Trevor behielt ihn im Auge und versuchte, keine unbedachte Bewegung zu machen.

«Und wir sind in friedlicher Absicht hier«, fuhr Chap fort.

«Wir haben Geld für Sie dabei«, ergänzte Wes und steckte das verdammte Ding wieder ein.

«Geld für was?«fragte Trevor.

«Wir wollen Sie zur Zusammenarbeit überreden. Wir würden gern Ihre Dienste in Anspruch nehmen.«

«Und was soll ich tun?«

«Uns helfen, unseren Klienten zu schützen«, sagte Chap.»Wir sehen die Sache so: Sie sind Mitglied einer kriminellen Vereinigung. Sie arbeiten mit jemandem zusammen, der im Gefängnis sitzt und von dort aus Leute erpresst, und wir haben Sie aufgespürt. Wir könnten jetzt zur Polizei gehen und Sie und Ihren Kumpel hochgehen lassen. Sie würden zweieinhalb Jahre Knast kriegen und wahrscheinlich nach Trumble kommen, wohin Sie übrigens gut passen würden. Man würde Ihnen die Anwaltszulassung entziehen, und das würde bedeuten, dass Sie all das hier verlieren. «Chap machte eine lässige Handbewegung, die das Durcheinander, den Staub und die seit Jahren unberührten Akten einschloss.

Wes nahm den Gedanken auf.»Wir könnten zur Polizei gehen und die Erpresserbriefe aus Trumble stoppen. Unserem Klienten würde die Bloßstellung wahrscheinlich erspart bleiben. Aber es bleibt ein Restrisiko, das unser Klient nicht eingehen will. Was ist, wenn Ricky in Trumble oder draußen noch einen anderen Helfer hat, von dem wir nichts wissen und der das Geheimnis unseres Klienten lüften könnte?«

Chap schüttelte den Kopf.»Zu riskant. Wir fänden es viel besser, wenn Sie mit uns zusammenarbeiten würden, Trevor. Wir würden Sie lieber kaufen und die Sache von diesem Büro aus beenden.«

«Ich bin nicht käuflich«, sagte Trevor mit nicht sehr viel Überzeugung.

«Dann mieten wir Sie eben für eine Weile. Was halten Sie davon?«fragte Wes.»Soviel ich weiß, werden Anwälte doch sowieso stundenweise gemietet.«

«Das stimmt wohl. Aber Sie erwarten von mir, dass ich meinen Mandanten verkaufe.«

«Ihr Mandant ist ein Verbrecher, der im Gefängnis sitzt und täglich weitere Verbrechen begeht. Und Sie sind genauso schuldig wie er. Sie sollten Ihre Scheinheiligkeit also auf ein Minimum begrenzen.«

«Als Krimineller haben Sie das Recht, sich im Recht zu fühlen, verwirkt, Trevor«, sagte Chap ernst.»Also halten Sie uns keine Predigten. Wir wissen, dass es hier nur um die Höhe der Summe geht.«

Trevor vergaß für einen Augenblick nicht nur die Pistole, sondern auch seine Zulassung als Anwalt, die ein wenig schief hinter ihm an der Wand hing. Und wie so oft in letzter Zeit, wenn er mit den unangenehmen Seiten des Anwaltsberufs konfrontiert war, schloss er die Augen und träumte von einem Segelboot, das im warmen, ruhigen Wasser einer verborgenen Bucht vor Anker lag; am hundert Meter entfernten Ufer tummelten sich hübsche Mädchen mit nacktem Busen, und er selbst saß spärlich bekleidet an Deck und nippte an einem Drink. Er roch das Salzwasser, er spürte die leise Brise, er schmeckte den Rum, er hörte das Lachen der Mädchen.

Schließlich schlug er die Augen auf und versuchte, sich auf Wes, der ihm gegenübersaß, zu konzentrieren.»Wer ist Ihr Klient?«fragte er.

«Immer schön langsam«, sagte Chap.»Erst müssen wir uns einig werden.«

«Worüber?«

«Wir geben Ihnen Geld, und Sie arbeiten als Doppelagent. Wir bekommen Einblick in alles. Wenn Sie mit Ricky reden, werden Sie verdrahtet. Wir kontrollieren die Post. Sie unternehmen nichts, ohne sich mit uns abzustimmen.«

«Warum bezahlen Sie nicht einfach das geforderte Geld?«fragte Trevor.»Das wäre doch viel unkomplizierter. «

«Darüber haben wir auch schon nachgedacht«, sagte Wes.»Aber Ricky spielt nicht fair. Wenn wir das Geld bezahlen würden, wäre er im Nu wieder da und würde mehr fordern. Und noch mehr und noch mehr.«

«Nein, würde er nicht.«

«Tatsächlich? Und was ist mit Quince Garbe in Bakers, lowa?«

Oh Gott, dachte Trevor. Beinahe hätte er es laut ausgesprochen. Wie viel wussten sie? Alles, was er herausbrachte, war ein schwaches:»Wer ist das?«

«Also bitte, Trevor«, sagte Chap.»Wir wissen, dass das Geld auf den Bahamas ist. Wir wissen von Boomer Realty und Ihrem Konto, auf dem im Augenblick nicht ganz siebzigtausend Dollar liegen.«

«Wir haben so tief gegraben, wie wir konnten, Trevor«, sagte Wes. Die beiden waren perfekt aufeinander eingespielt. Trevor hatte das Gefühl, einem Tennismatch zuzusehen: hin und her, hin und her.»Aber dann sind wir auf gewachsenen Fels gestoßen, und darum brauchen wir Sie.«

Trevor hatte Spicer noch nie gemocht. Er war ein kalter, böser, rücksichtsloser Mann, der die Frechheit besessen hatte, seinen Anteil zu kürzen. Beech und Yarber waren in Ordnung, aber das spielte keine große Rolle. Trevor blieben nicht sehr viele Möglichkeiten.»Wie viel?«fragte er.

«Unser Klient ist bereit, hunderttausend Dollar in bar zu zahlen«, sagte Chap.

«Natürlich in bar«, sagte Trevor.»Und hunderttausend Dollar — das soll wohl ein Witz sein. Das wäre Rickys erste Forderung. Meine Selbstachtung ist ein ganzes Stück mehr wert als hunderttausend Dollar.«

«Zweihunderttausend«, sagte Wes.

«Gehen wir die Sache doch lieber von der anderen Seite an«, sagte Trevor und versuchte, sein Herzklopfen zu unterdrücken.»Wie viel wäre es Ihrem Klienten wert, wenn sein kleines Geheimnis bewahrt würde?«

«Und Sie wären bereit, es zu bewahren?«fragte Wes.

«Ja.«

«Einen Augenblick«, sagte Chap und zog ein Handy aus der Tasche. Er öffnete die Tür, trat in den Flur und tippte dabei eine Nummer ein. Dann murmelte er etwas, das Trevor nicht verstehen konnte. Wes starrte an die Wand. Die Pistole lag friedlich neben seinem Stuhl. Trevor konnte sie nicht sehen, obwohl er es versuchte.

Chap kehrte zurück und starrte Wes an, als könnten dessen Augenbrauen und Falten eine wichtige Botschaft übermitteln. Während er noch zögerte, ergriff Trevor das Wort.»Ich finde, das ist eine Million wert«, sagte er.»Das könnte mein letzter Fall sein. Ich soll vertrauliche Informationen über einen Mandanten preisgeben — für einen Anwalt eine ziemlich ungeheuerliche Sache. Das kann mich ganz schnell meine Zulassung kosten.«

Wes und Chap ließen es dahingestellt sein, ob das ein großer Verlust wäre. Bei einer Diskussion über den Wert seiner Anwaltszulassung konnte nichts Gutes herauskommen.

«Unser Klient ist bereit, eine Million Dollar zu zahlen«, sagte Chap.

Trevor lachte. Er konnte nicht anders. Er lachte, als hätte er gerade einen unglaublich komischen Witz gehört, und im Haus gegenüber lachte man, weil Trevor lachte.

Trevor fasste sich wieder. Er unterdrückte das Lachen, doch ein Grinsen blieb auf seinem Gesicht. Eine Million. In bar. Steuerfrei. Auf einem Auslandskonto, bei einer anderen Bank natürlich, sicher vor dem Zugriff des Finanzamts und aller anderen amerikanischen Behörden.

Dann setzte er ein anwaltsgerechtes Stirnrunzeln auf. Es war ihm ein wenig peinlich, dass er so unprofessionell reagiert hatte. Er wollte gerade etwas Bedeutsames sagen, als jemand an das Fenster

der Vordertür klopfte.»Ach ja«, sagte er,»das wird wohl der Cafe latte sein.«

«Sie muss verschwinden«, sagte Chap.

«Ich werde sie heimschicken«, sagte Trevor und erhob sich. Ihm war ein bisschen schwindlig.

«Nein. Sie muss ganz verschwinden. Schmeißen Sie sie raus.«

«Wie viel weiß sie?«fragte Wes.

«Sie ist dumm wie Bohnenstroh«, sagte Trevor fröhlich.

«Das ist ein Bestandteil unserer Abmachung«, sagte Chap.»Sie muss verschwinden, und zwar sofort. Wir haben eine Menge zu besprechen, und sie darf nichts davon wissen.«

Das Klopfen wurde lauter. Jan hatte die Tür aufgeschlossen, konnte sie aber wegen der Sicherheitskette nicht öffnen.»Trevor! Ich bin's!«rief sie durch den Spalt.

Trevor ging langsam zur Tür, kratzte sich am Kopf und suchte nach der richtigen Formulierung. Als er sie durch das Fenster in der Tür ansah, machte er ein sehr verwirrtes Gesicht.

«Machen Sie auf«, fuhr sie ihn an.»Der Kaffee ist heiß.«

«Gehen Sie nach Hause«, sagte er.

«Warum?«

«Warum?«

«Ja, warum?«

«Weil, äh…«Ihm fiel nichts ein. Dann dachte er an das Geld. Ihre Entlassung war eine der Bedingungen.»Sie sind gefeuert«, sagte er.

«Was?«

«Sie sind gefeuert!«rief er so laut, dass seine neuen Freunde es hören konnten.

«Sie können mich nicht feuern! Sie schulden mir zu viel Geld!«

«Ich schulde Ihnen gar nichts.«

«Sie schulden mir noch tausend Dollar Gehalt!«

Ihre Stimmen hallten in der ruhigen Straße wider. Die Spiegelfolie an den Fenstern des Hauses gegenüber verbarg die Gesichter der Zuschauer.

«Sie sind verrückt!«rief Trevor.»Ich schulde Ihnen keinen Cent!«

«Tausendvierzig Dollar, um genau zu sein.«

«Sie haben nicht alle Tassen im Schrank.«

«Sie Schwein! Acht Jahre hab ich's bei Ihnen ausgehalten! Sie haben mir einen Hungerlohn gezahlt, und jetzt, wo Sie endlich einen großen Fall kriegen, wollen Sie mich entlassen. So ist es doch, oder, Trevor?«

«So ungefähr. Und jetzt verschwinden Sie!«»Machen Sie die Tür auf, Sie mieser Feigling!«

«Hauen Sie ab, Jan!«

«Erst wenn ich meine Sachen habe!«

«Die können Sie sich morgen abholen. Ich habe jetzt eine Besprechung mit Mr. Newman. «Trevor drehte sich um. Als sie sah, dass er keine Anstalten machte, die Tür zu öffnen, verlor sie den letzten Rest ihrer Fassung.»Schwein!«schrie sie noch lauter und warf den Caffe latte gegen die Tür. Das dünne Glas des Fensters zerbrach nicht, und die braune Flüssigkeit rann daran herab.

Obgleich er hinter der Tür geschützt war, zuckte Trevor zurück und sah entsetzt, wie die Frau, die er so gut kannte, den Verstand verlor. Fluchend und mit hochrotem Kopf stürmte sie davon. Nach einigen Schritten fiel ihr Blick auf einen großen Stein. Er war von einem Landschaftsgärtner, den Trevor vor langer, langer Zeit auf ihr Drängen mit der sehr preisgünstigen Verschönerung des Vorgartens beauftragt hatte, dort platziert worden. Sie packte den Stein, biss die Zähne zusammen, stieß noch ein paar Flüche aus und schleuderte ihn gegen die Tür.

Wes und Chap hatten sich bislang auf bewundernswerte Weise beherrscht, doch als der Stein durch das Fenster krachte, lachten sie laut auf. Trevor rief:»Verdammte Schnepfe!«Wieder mussten sie lachen. Sie vermieden es, einander anzusehen, und gaben sich redlich Mühe, einen unbeteiligten Eindruck zu machen.

Es wurde still, und im Empfangsbereich kehrte wieder Frieden ein. Unversehrt und ohne sichtbare Verletzungen erschien Trevor in der Tür seines Büros.»Tut mir leid«, sagte er leise und ging zu seinem Drehsessel.

«Alles in Ordnung?«fragte Chap.

«Ja. Kein Problem. Wie war's mit Filterkaffee?«fragte er Wes.

«Bemühen Sie sich nicht.«

Die Einzelheiten wurden während des Mittagessens ausgehandelt, das sie — darauf bestand Trevor — in Pete's Bar and Grill einnahmen. Sie setzten sich an einen Tisch im hinteren Teil des Restaurants, in der Nähe der Flipper-Automaten. Wes und Chap waren darauf bedacht, nicht belauscht zu werden, merkten jedoch bald, dass niemand es versuchte, weil niemand zu Pete's kam, um über Geschäftliches zu sprechen.

Trevor aß Pommes frites und trank drei Flaschen Bier. Das Mittagessen der beiden anderen bestand aus Burgern und Limonade.

Trevor wollte das Geld haben, bevor er seinen Mandanten verriet. Man kam überein, dass er am Nachmittag 100000 Dollar in bar erhalten würde — der Rest sollte unverzüglich telegrafisch angewiesen werden. Trevor wollte das Geld zu einer anderen Bank transferiert haben, doch sie bestanden darauf, dass er sein Konto bei der Geneva Trust Bank in Nassau behielt, und versicherten ihm, es sei ihnen lediglich gelungen, eine Auskunft über die Höhe seines Guthabens zu bekommen — jeder Zugang zu seinem Konto sei ihnen selbstverständlich verwehrt. Außerdem werde das Geld am späten Nachmittag dort eintreffen; dagegen werde es, wenn er die Bank wechsle, ein bis zwei Tage länger dauern. Beiden Seiten war sehr daran gelegen, das Geschäft so schnell wie möglich abzuwickeln: Wes und Chap wollten ihren Klienten beschützen, und Trevor wollte das Geld. Nach drei Bieren war er in Gedanken bereits dabei, es auszugeben. Chap machte sich auf den Weg, um das Geld zu besorgen. Die beiden anderen stiegen, nachdem Trevor noch eine Flasche Bier zum

Mitnehmen bestellt hatte, in Wes' Wagen und fuhren ein wenig in der Gegend herum. Chap wollte sich mit ihnen an einem bestimmten Ort treffen und Trevor das Geld übergeben. Während sie auf der A1A am Strand entlang in Richtung Süden fuhren, begann Trevor ein Gespräch.

«Ist das nicht erstaunlich?«sagte er. Sein Kopf lehnte an der Kopfstütze, die Augen hinter einer billigen Sonnenbrille verborgen.

«Was ist erstaunlich?«

«Welche Risiken manche Leute eingehen. Ihr Klient, zum Beispiel. Ein reicher Mann. Er hat offenbar so viel Geld, dass er jeden hübschen Jungen haben könnte, der ihm gefällt, und doch reagiert er auf eine Kleinanzeige und schreibt einem vollkommen Unbekannten.«

«Ich verstehe das auch nicht«, sagte Wes. Für einen Augenblick waren die beiden Heteros Verbündete.»Aber es gehört nicht zu meinem Job, Fragen zu stellen.«

«Es muss wohl der Reiz des Unbekannten sein«, sagte Trevor und trank einen Schluck aus der Flasche.

«Ja, wahrscheinlich. Wer ist Ricky?«

«Das sage ich Ihnen, wenn ich das Geld habe. Und wer ist Ihr Klient?«

«Welcher? Wie viele Leute haben Sie denn an der Angel?«

«Ricky war in letzter Zeit ziemlich fleißig. Ich schätze, so um die zwanzig.«

«Und wie viele haben Sie erpresst?«

«Zwei oder drei. Es ist ein übles Geschäft.«

«Wie sind Sie da hineingeraten?«

«Ich bin Rickys Anwalt. Er ist sehr intelligent, er langweilt sich sehr, und irgendwie hat er sich diesen Plan ausgedacht, um reiche Typen zu erpressen, die ihre wahren Neigungen verbergen wollen. Und wider besseres Wissen hab ich mitgemacht.«

«Ist er selbst schwul?«fragte Wes. Er kannte die Namen von Beechs Enkeln. Er wusste, welche Blutgruppe Yarber hatte. Er kannte den Namen des Geliebten, den Spicers Frau in Mississippi hatte.

«Nein«, sagte Trevor.

«Dann ist er ein Psychopath.«

«Nein, er ist ein netter Kerl. Und wer ist Ihr Klient?«

«AI Konyers.«

Trevor nickte und versuchte, sich zu erinnern, wie viele Briefe von Ricky an AI durch seine Hände gegangen waren.»So ein Zufall. Ich wollte gerade nach Washington fahren, um rauszukriegen, wer sich hinter diesem Namen verbirgt. AI Konyers ist natürlich nicht sein wirklicher Name.«

«Natürlich nicht.«

«Kennen Sie seinen wirklichen Namen?«

«Nein. Wir sind von seinen Leuten angeheuert worden.«»Interessant. Dann kennt also keiner von uns AI Konyers.«

«Genau. Und dabei wird es auch bleiben.«

Trevor zeigte auf eine Tankstelle.»Halten Sie mal kurz — ich brauche ein Bier.«

Wes wartete in der Nähe der Zapfsäulen. Man hatte sich darauf geeinigt, Trevors Trinkgewohnheiten erst anzusprechen, wenn man ihm das Geld übergeben und er ihnen alles gesagt hatte. Wes und Chap würden ein Vertrauensverhältnis aufbauen und ihn dann sanft zu mehr Nüchternheit drängen. Das Letzte, was sie brauchten, war ein Trevor, der sich allabendlich in Pete's Bar and Grill betrank und zu viel redete.

Chap erwartete sie in einem identischen Mietwagen vor einem Waschsalon acht Kilometer südlich von Ponte Vedra Beach. Er übergab Trevor einen schmalen, billigen Aktenkoffer und sagte:»Es ist alles da drin. Hunderttausend Dollar. Wir sehen uns dann in der Kanzlei.«

Trevor hörte kaum, was er sagte. Er öffnete den Aktenkoffer und begann, das Geld zu zählen. Wes wendete den Wagen und fuhr in Richtung Norden. Es waren zehn Bündel ä 10000 Dollar in 100-Dollar-Scheinen.

Trevor klappte den Koffer zu und wechselte die Seiten.