172633.fb2 Die Bruderschaft - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 27

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SIEBENUNDZWANZIG

Chaps erste Aufgabe als Trevors Gehilfe bestand darin, den Empfangstisch aufzuräumen und alle weiblichen Spuren zu tilgen. Er packte Jans Sachen in einen Pappkarton: Lippenstift, Nagelfeilen, Schokoriegel mit Erdnussfüllung, diverse Liebesromane mit pornografischen Passagen. Dabei stieß er auch auf einen Umschlag mit etwas über 80 Dollar, den sein neuer Boss mit der Begründung, das sei die Portokasse, einsteckte.

Chap wickelte Jans Bilderrahmen in alte Zeitungen und legte sie zusammen mit den zerbrechlichen Kleinigkeiten, wie man sie auf den meisten Schreibtischen von Sekretärinnen findet, vorsichtig in eine zweite Schachtel. Dann kopierte er den Terminkalender, so dass man wusste, wer wann erscheinen würde. Der Besucherverkehr würde sich in Grenzen halten, was ihn nicht erstaunte. Weit und breit kein einziger Gerichtstermin. Zwei Kanzleitermine in dieser und zwei in der nächsten Woche, dann nichts mehr. Während Chap den Terminkalender studierte, wurde deutlich, dass Trevor ungefähr zu der Zeit, als das Geld von Quince Garbe eingegangen war, sein Arbeitspensum noch einmal verringert hatte.

Sie wussten, dass Trevor in den letzten Wochen mehr gespielt und vermutlich auch mehr getrunken hatte. Jan hatte ihren Freundinnen am Telefon des Öfteren erzählt, dass Trevor mehr Zeit bei Pete's als in der Kanzlei verbrachte. Chap schuf Ordnung auf dem Schreibtisch, wischte Staub, saugte den Fußboden und warf alte Magazine weg. Gelegentlich läutete das Telefon. Da es zu seinem Job gehörte, Anrufe entgegenzunehmen, blieb er in der Nähe des Apparats. Die meisten waren für Jan, und er erklärte höflich, sie arbeite nicht mehr in der Kanzlei. Die meisten Anrufer schienen das für eine gute Nachricht zu halten.

Früh am Morgen erschien ein als Schreiner verkleideter Agent, um die Vordertür zu reparieren.

Trevor staunte über Chaps Tüchtigkeit.»Wie haben Sie so schnell einen Handwerker aufgetrieben?«fragte er.

«Man muss bloß im Branchenbuch nachsehen.«

Ein anderer Agent, der sich als Schlosser ausgab, wechselte sämtliche Schlösser im Haus aus.

Die Vereinbarung sah vor, dass Trevor in den nächsten dreißig Tagen keine neue Mandanten annehmen würde. Er hatte sich so lange und vehement dagegen gewehrt, als hätte er einen Ruf als Prominentenanwalt zu verlieren. Wenn man an all die Leute dachte, die ihn vielleicht brauchen würden! Doch Wes und Chap wussten, wie wenig er im vergangenen Monat getan hatte, und bestanden darauf, bis er schließlich nachgab. Sie wollten die Kanzlei für sich haben. Chap rief die Mandanten an, die bereits einen Termin hatten, und erklärte ihnen, Mr. Carson habe an dem entsprechenden Tag einen Gerichtstermin. Im Augenblick sei es sehr schwierig, einen neuen Termin zu vereinbaren, doch er werde sie anrufen, sobald Mr. Carson nicht mehr so stark in Anspruch genommen sei.

«Ich dachte, er ist nie bei Gericht«, sagte einer von ihnen.

«Manchmal schon«, sagte Chap.»Es ist ein wirklich großer Fall.«

Als die Mandantenliste so weit wie möglich reduziert war, blieb nur noch ein Fall, der ein persönliches Gespräch in der Kanzlei erforderte: Es ging um Unterhaltszahlungen für ein Kind, und Trevor vertrat die Mutter nun schon seit drei Jahren. Er konnte ihren Fall nicht einfach abgeben.

Jan kam vorbei, um ihrem Ärger Luft zu machen, und hatte eine Art Freund mitgebracht, einen drahtigen jungen Mann mit einem Spitzbärtchen, Polyesterhose, weißem Hemd und Krawatte. Chap nahm an, dass er Gebrauchtwagen verkaufte. Er hätte Trevor mit Leichtigkeit verprügeln können, doch Chap war für ihn eine Nummer zu groß.

«Ich will mit Trevor sprechen«, sagte Jan und musterte ihren aufgeräumten ehemaligen Schreibtisch.»Tut mir leid, er ist in einer Besprechung.«

«Wer sind Sie überhaupt?«

«Sein neuer Anwaltsgehilfe.«

«Ich gebe Ihnen einen guten Rat: Lassen Sie sich Ihr Gehalt im Voraus zahlen.«

«Danke. Ihre Sachen sind in den beiden Kartons da drüben«, sagte er.

Sie bemerkte, dass der Zeitschriftenständer aufgeräumt, der Papierkorb geleert, das Mobiliar geputzt war. Es lag ein antiseptischer Geruch in der Luft, als hätte man den Platz, wo sie einst gesessen hatte, desinfiziert. Sie wurde hier nicht mehr gebraucht.

«Sagen Sie Trevor, dass er mir noch 1000 Dollar Gehalt schuldet.«

«Werde ich tun«, antwortete Chap.»Sonst noch was?«

«Ja. Dieser neue Mandant, der gestern gekommen ist. Yates Newman. Sagen Sie Trevor, dass ich in den Zeitungen nachgelesen habe. In den letzten zwei Wochen hat es auf der 1-95 keine tödlichen Unfälle gegeben. Und es stand auch nirgends was davon, dass eine Frau namens Newman ums Leben gekommen ist. Irgendwas ist da faul.«

«Danke. Ich werd's ihm sagen.«

Sie sah sich noch ein letztes Mal um und grinste schief, als sie die reparierte Tür sah. Ihr Freund

starrte Chap an, als wollte er doch noch auf ihn losgehen und ihm das Genick brechen, ließ es aber bei einem Blick bewenden. Die beiden gingen hinaus, ohne etwas zu zerbrechen. Jeder trug einen Karton zum Wagen.

Chap sah ihnen nach und bereitete sich dann auf die Nervenprobe vor, die ihn in der Mittagspause erwartete.

Das gestrige Abendessen hatten sie in der Nähe eingenommen, in einem gut besuchten neuen Fischrestaurant, das zwei Blocks vom Sea Turtle Inn entfernt lag. Die Höhe der Preise stand in keinem Verhältnis zur Größe der Portionen, und eben das war der Grund, warum Trevor, der neueste Millionär von Jacksonville, darauf bestanden hatte, dorthin zu gehen. Der Abend ging natürlich auf ihn, und er scheute keine Kosten. Nach den ersten Martinis war er betrunken und wusste nicht mehr, was er bestellt hatte. Wes und Chap erklärten ihm, ihr Auftraggeber erlaube ihnen keinen Alkohol. Sie tranken Mineralwasser und sorgten dafür, dass sein Weinglas immer gefüllt war.

«Ich an eurer Stelle würde mir einen neuen Klienten suchen«, sagte Trevor und lachte über seinen Witz.

«Tja, dann muss ich wohl für drei trinken«, verkündete er mitten im Hauptgang und machte sich daran, seine Ankündigung wahr zu machen.

Zu ihrer Erleichterung stellten sie fest, dass er ein friedfertiger Betrunkener war. Sie schenkten ihm immer wieder nach, um herauszufinden, wann er genug haben würde. Er wurde immer stiller und sank in sich zusammen, und lange nach dem Dessert gab er dem Kellner ein 300-Dollar-Trinkgeld und ließ sich von ihnen zum Wagen helfen. Sie fuhren ihn nach Hause.

Als Wes das Licht ausschaltete, lag Trevor in seiner verknitterten Hose und dem weißen Baumwollhemd schnarchend auf dem Bett. Seine Fliege war aufgebunden, doch die Schuhe hatte er nicht ausgezogen. Er drückte den neuen Aktenkoffer mit beiden Armen an die Brust. Das Telegramm mit der Benachrichtigung, das Geld sei auf seinem Konto eingegangen, war um kurz vor fünf Uhr gekommen. Klockner hatte Wes und Chap angewiesen, Trevor betrunken zu machen, um zu sehen, wie er sich unter diesen Umständen verhielt, und ihn am nächsten Morgen in die Mangel zu nehmen.

Um halb acht öffneten sie seine Haustür mit ihrem Schlüssel und stellten fest, dass Trevor sich seit gestern Abend offenbar kaum bewegt hatte. Er hatte einen Schuh ausgezogen und sich auf die Seite gedreht, presste den Koffer aber immer noch an sich, als wäre es ein Football.

«Aufstehen, los, los!«schrie Chap, während Wes das Licht anschaltete, die Rollos hochzog und so viel Lärm wie möglich machte. Trevor rappelte sich auf, verschwand im Badezimmer, duschte rasch und erschien zwanzig Minuten später in gebügelten Kleidern und mit ordentlich gebundener Fliege in seinem Wohnzimmer. Seine Augenlider waren leicht geschwollen, doch er lächelte und schien entschlossen, den Tag mit frischen Kräften zu beginnen.

Die eine Million Dollar half ihm enorm. Eigentlich hatte er noch nie einen Kater so schnell überwunden.

Im Beach Java tranken sie starken Kaffee und aßen ein Muffin, und dann fuhren sie zur Kanzlei. Chap setzte sich an den Empfang, während Wes und Trevor sich im Büro an die Arbeit machten.

Manches hatten sie bereits im Verlauf des Abendessens erfahren. Trevor hatte schließlich die Namen seiner Komplizen ausgespuckt, und Wes und Chap hatten sehr überzeugend große Überraschung geheuchelt.

«Drei Richter?«hatten beide ungläubig wiederholt.

Trevor hatte gelächelt und stolz genickt, als hätte er allein sich diesen meisterhaften Plan ausgedacht. Er wollte, dass sie glaubten, er sei intelligent und gerissen genug, um drei ehemalige Richter dazu zu bringen, Briefe an einsame homosexuelle Männer zu schreiben, damit er ein Drittel des erpressten Geldes einstreichen konnte. Tja, er war im Grunde ein Genie.

Andere Teile des Rätsels waren noch ungelöst, und Wes war entschlossen, Trevor so lange unter Verschluss zu behalten, bis er mit den Antworten herausrückte.

«Unterhalten wir uns mal über Quince Garbe«, sagte er.»Sein Postfach war von einer nicht existenten Firma gemietet. Wie haben Sie rausgekriegt, wer er ist?«

«Das war ganz einfach«, sagte Trevor und war abermals sehr stolz auf sich. Er war nicht nur ein Genie, sondern auch sehr reich. Gestern Morgen war er mit Kopfschmerzen aufgewacht, hatte sich eine halbe Stunde im Bett herumgewälzt und sich Sorgen über seine Spielverluste, den Niedergang seiner Kanzlei und seine zunehmende Abhängigkeit von der Bruderschaft und ihren Erpressungen gemacht. 24 Stunden später war er mit noch schlimmeren Kopfschmerzen aufgewacht, aber die eine Million Dollar hatte sich als ein wirksamer Balsam erwiesen.

Er war euphorisch und zappelig und hatte es eilig, diese Sache hinter sich zu bringen, damit er sein erträumtes Leben beginnen konnte.

«Ich habe einen Privatdetektiv in Des Moines beauftragt«, sagte er, nahm einen Schluck Kaffee und legte seine Füße auf den Schreibtisch, wo sie hingehörten.»Ich hab ihm einen Scheck über 1000 Dollar geschickt. Er hat zwei Tage in Bakers verbracht — sind Sie schon mal in Bakers gewesen?«

«Ja.«

«Ich hatte schon Angst, ich müsste selbst dorthin fahren. Die Sache läuft am besten, wenn man einen erwischt, der bekannt ist und viel Geld hat. Der zahlt jeden Preis, damit nur nichts herauskommt. Jedenfalls hat der Detektiv eine Postangestellte gefunden, die in Geldnöten war. Allein erziehende Mutter, jede Menge Kinder, ein altes Auto, eine kleine Wohnung — Sie können sich's vorstellen. Er hat sie abends angerufen und ihr gesagt, er würde ihr 500 Dollar geben, wenn sie ihm verraten würde, wer im Namen von GMT Investments das Postfach 788 gemietet hatte. Am nächsten Morgen rief er sie im Postamt an. Sie trafen sich in der Mittagspause auf dem Parkplatz. Sie gab ihm einen Zettel, auf dem der Name Quince Garbe stand, und er gab ihr einen Umschlag mit fünf 100-Dollar-Scheinen. Sie hat ihn nicht mal gefragt, wer er eigentlich war.«

«Ist das die typische Methode?«

«Bei Garbe hat sie jedenfalls gut funktioniert. Bei Curtis Gates, dem Typen in Dallas, dem zweiten, den wir erpresst haben, war es ein bisschen komplizierter. Der Detektiv, den wir beauftragt hatten, konnte keinen bestechlichen Postangestellten finden und müsste sich drei Tage lang auf die Lauer legen. Das hat uns 1800 Dollar gekostet, aber schließlich hat er ihn gesehen und sich die Nummer seines Wagens notiert.«

«Und wer ist der Nächste?«

«Wahrscheinlich ein Typ aus Upper Darby in Pennsylvania. Er nennt sich Brant White und scheint ein dicker Fisch zu sein.«

«Haben Sie diese Briefe je gelesen?«»Nie. Ich weiß nicht, was in den Briefen steht, die hin und her gehen, und ich will es auch gar nicht wissen. Wenn die so weit sind, dass sie einen hochgehen lassen wollen, sagen sie mir, dass ich den Inhaber des Postfachs herausfinden soll. Natürlich nur in dem Fall, dass ihr Brieffreund einen falschen Namen benutzt, wie Ihr Klient, Mr.

Konyers. Sie würden sich wundern, wie viele Männer ihren richtigen Namen angeben. Unglaublich.«»Wissen Sie Bescheid, wenn ein Erpresserbrief rausgeht?«

«Ja, die sagen es mir, damit ich die Bank auf den Bahamas informieren kann, dass demnächst wahrscheinlich eine Überweisung kommt. Die Bank wiederum informiert mich, sobald das Geld da ist.«

«Erzählen Sie mir von diesem Brant in Upper Darby«, sagte Wes. Er machte sich zahlreiche Notizen, als fürchtete er, etwas zu vergessen. Jedes Wort, das sie sagten, wurde im Haus gegenüber von vier verschiedenen Geräten aufgezeichnet.

«Ich weiß nur, dass Sie ihn zur Kasse bitten wollen. Er scheint ganz wild darauf zu sein, sich mit Ricky zu treffen, denn sie haben sich erst ganz wenige Briefe geschrieben. Bei einigen von diesen Typen dagegen kommen sie, nach der Zahl der Briefe zu urteilen, nur ziemlich langsam voran.«

«Aber Sie führen nicht Buch über die Briefe?«

«Ich habe keine Unterlagen hier. Ich hatte immer Angst, dass eines Tages die FBI-Typen mit einem Durchsuchungsbefehl auftauchen, und wollte keine Beweise im Haus haben.«

«Sehr schlau.«

Trevor lächelte und war stolz auf seine Gerissenheit.»Tja, na ja, ich hab ja eine Menge Strafrecht gemacht. Nach einer Weile fängt man an, wie ein Krimineller zu denken. Jedenfalls ist es mir bis jetzt nicht gelungen, einen Detektiv im Raum Philadelphia aufzutreiben. Ich arbeite noch daran.«

Da Brant White eine Erfindung der CIA war, hätte Trevor jeden beliebigen Detektiv im Nordosten beauftragen können, ohne je herauszufinden, wer der Inhaber des Postfachs in Upper Darby war.

«Eigentlich«, fuhr er fort,»wollte ich mich gerade selbst auf den Weg machen, als ich einen Anruf von Spicer bekam, der mir sagte, ich solle nach Washington fahren und AI Konyers aufspüren. Und dann sind Sie gekommen, und der Rest ist Geschichte, wie man so sagt. «Er verstummte und dachte wieder einmal an das Geld. Es war natürlich ein großer Zufall, dass Wes und Chap ausgerechnet in dem Augenblick aufgetaucht waren, als er sich auf die Spur ihres Klienten hatte setzen wollen, aber das war ihm gleichgültig. Er hörte schon die Schreie der Möwen und spürte den warmen Sand unter den Füßen. Er hörte den Reggae der Karibik-Bands und spürte, wie die Wellen sein Boot wiegten.

«Gibt es noch einen anderen Kontaktmann außerhalb des Gefängnisses?«

«Aber nein«, sagte Trevor eitel.»Ich brauche keine Hilfe. Je weniger Leute beteiligt sind, desto besser funktioniert die Sache.«

«Sehr schlau«, sagte Wes abermals.

Trevor lehnte sich noch weiter in seinem Sessel zurück. Von der Decke über ihm blätterte die Farbe ab — sie hätte dringend neu gestrichen werden müssen. Vor ein paar Tagen hätte ihm das vielleicht noch Sorgen gemacht, doch jetzt wusste er, dass sie nie gestrichen werden würde, jedenfalls nicht, wenn er die Rechnung bezahlen sollte. Sobald Wes und Chap mit den Richtern fertig wären, also sehr

bald schon, würde er diese Kanzlei aufgeben, seine Akten und Unterlagen in Kartons verpacken — aus Gründen übrigens, die ihm selbst nicht ganz klar waren — und seine unbenutzten und veralteten Fachbücher verschenken. Er würde einen jungen Anwalt finden, der frisch von der Uni kam und hoffte, bei Gericht ein paar kleine Fälle zu ergattern, und ihm das Mobiliar und den Computer zu einem sehr günstigen Preis verkaufen. Und wenn das alles erledigt war, würde er, Rechtsanwalt L. Trevor Carson, seine Kanzlei verlassen, ohne sich noch einmal umzusehen.

Das würde ein herrlicher Tag sein!

Chap riss ihn mit einer Tüte Tacos und ein paar Dosen Limonade aus seinem Tagtraum. Über die Mittagspause war noch gar nicht gesprochen worden, und Trevor hatte bereits mehrmals auf die Uhr gesehen und freute sich schon auf ein weiteres ausgedehntes Mahl bei Pete's. Nun nahm er grummelnd ein Taco. Er brauchte einen Drink.

«Ich glaube, es ist besser, in der Mittagspause keinen Alkohol zu trinken «, sagte Chap, als sie an Trevors Schreibtisch saßen und versuchten, nicht alles mit Hackfleisch und schwarzen Bohnen Vollzukleckern.

«Das können Sie machen, wie Sie wollen«, sagte Trevor.

«Ich habe Sie gemeint«, erwiderte Chap.»Jedenfalls die nächsten dreißig Tage.«

«Das gehörte aber nicht zu unserer Abmachung.«

«Jetzt gehört es dazu. Sie müssen nüchtern und hellwach sein.«

«Warum?«

«Weil unser Klient es so will. Und er ist derjenige, der Ihnen eine Million Dollar zahlt.«

«Will er auch, dass ich mir zweimal am Tag die Zähne putze und meinen Spinat esse?«

«Ich werde ihn fragen.«

«Dann können Sie ihm auch gleich sagen, dass er mich am Arsch lecken kann.«

«Nun mal langsam, Trevor«, sagte Wes.»Trinken Sie einfach mal ein bisschen weniger. Das wird Ihnen gut tun.«

Das Geld hatte ihn befreit, doch diese beiden begannen ihn einzuengen. Sie hatten jetzt vierundzwanzig Stunden zusammen verbracht, und sie machten keine Anstalten zu gehen. Im Gegenteil: Sie schienen hier einziehen zu wollen.

Chap machte sich früh auf den Weg, um die Post abzuholen. Sie hatten Trevor davon überzeugt, dass er sehr nachlässig gewesen sei und sie ihn darum sehr leicht gefunden hätten. Und wenn da draußen nun noch andere Opfer der Erpressung lauerten? Trevor hatte kaum Probleme gehabt, die Inhaber der Postfächer herauszufinden. Warum sollten andere nicht dasselbe tun und den Inhaber der Postfächer von Aladdin North und Laurel Ridge herausfinden? Von nun an würden Wes und Chap abwechselnd die Post abholen. Sie würden Umwege machen, die Postämter zu unterschiedlichen Zeiten aufsuchen und sich verkleiden — wie im Kriminalfilm. Trevor war schließlich einverstanden. Die beiden schienen sich auszukennen.

Im Postamt von Neptune Beach warteten vier Briefe an Ricky und in Atlantic Beach waren zwei Briefe für Percy. Chap holte sie ab, beschattet von einem Team, das auf Leute achtete, die ihn möglicherweise beobachteten. Die Briefe wurden zu dem gemieteten Haus gebracht, geöffnet, kopiert

und dann wieder verschlossen.

Die Kopien wurden von Agenten, die sich danach sehnten, etwas zu tun zu haben, gelesen und analysiert. Auch Klockner las die Briefe. Von den sechs Namen waren ihnen fünf bereits bekannt. Die Absender waren allesamt einsame Männer mittleren Alters, die den Mut aufzubringen versuchten, den nächsten Schritt zu tun. Keiner von ihnen machte einen besonders draufgängerischen Eindruck.

An einer weiß gestrichenen Wand eines Schlafzimmers des Hauses hatte man mit Reißzwecken eine Landkarte der Vereinigten Staaten befestigt. Rote Fähnchen markierten die Wohnorte von Rickys Brieffreunden, grüne die der Männer, die sich für Percy interessierten. Ihre Namen standen auf Aufklebern, die unter den Fähnchen befestigt waren.

Das Netz wurde immer größer. Dreiundzwanzig Männer schrieben Briefe an Ricky, achtzehn an Percy. Sie stammten aus insgesamt dreißig Bundesstaaten. Mit jeder Woche verfeinerten die Richter ihre Methode. Soviel Klockner wusste, erschienen ihre Kleinanzeigen inzwischen in drei verschiedenen Magazinen. Sie hielten sich an ihr Schema und wussten gewöhnlich nach dem dritten Brief, ob ihr Opfer Geld hatte und verheiratet war.

Es war faszinierend, diesem Spiel zuzusehen, und jetzt, da man sich Trevors Mitarbeit gesichert hatte, ging jeder Brief durch die Hände der CIA-Agenten.

Der Inhalt der heutigen Post wurde auf zwei Seiten zusammengefasst. Diese wurden per Kurier nach Langley geschickt und lagen Deville noch am selben Abend um sieben Uhr vor.

Der erste Anruf des Nachmittags kam um zehn nach drei, als Chap gerade die Fenster putzte. Wes war noch immer im Büro und stellte Trevor eine Frage nach der anderen. Trevor war müde. Er brauchte seinen Mittagsschlaf, und vor allem brauchte er einen Drink.

«Anwaltskanzlei«, sagte Chap.

«Spreche ich mit Trevors Büro?«fragte der Anrufer.

«Ja. Wer ist dort?«

«Wer sind Sie?«

«Ich bin Chap, der neue Anwaltsgehilfe.«

«Was ist aus der Sekretärin geworden?«

«Sie arbeitet nicht mehr hier. Was kann ich für Sie tun?«

«Hier ist Joe Roy Spicer. Ich bin ein Mandant von Trevor und rufe aus Trumble an.«

«Von wo?«

«Trumble. Das ist ein Bundesgefängnis. Kann ich mit Trevor sprechen?«

«Nein, Sir. Er ist in Washington und wird voraussichtlich erst in ein paar Stunden zurück sein.«

«Gut. Sagen Sie ihm, ich rufe um fünf noch mal an.«

«Ja, Sir.«

Chap legte auf und atmete tief durch. Klockner im Haus gegenüber tat dasselbe. Die CIA hatte soeben den ersten direkten Kontakt mit einem Mitglied der Bruderschaft gehabt.

Der zweite Anruf kam um Punkt fünf Uhr. Chap nahm ihn entgegen und erkannte die Stimme sogleich. Trevor wartete in seinem Büro.»Hallo?«

«Trevor? Hier ist Joe Roy Spicer.«

«Hallo, Richter.«

«Was hast du in Washington rausgefunden?«

«Wir arbeiten noch daran. Es wird nicht leicht werden, aber wir finden ihn schon noch.«

Es trat eine lange Pause ein. Trevor hatte den Eindruck, dass Spicer diese Nachricht nicht gefiel und er nicht wusste, wie viel er sagen konnte.»Kommst du morgen?«

«Ja, um drei Uhr.«

«Bring fünftausend Dollar in bar mit.«

«Fünftausend Dollar?«

«Du hast mich verstanden. Bring das Geld mit. Aber nur Zwanziger und Fünfziger.«

«Was wollt ihr-«

«Stell keine dummen Fragen, Trevor. Bring das Geld mit. Steck es mit den anderen Briefen in den Umschlag. Es ist ja nicht das erste Mal.«

«Na gut.«

Ohne ein weiteres Wort legte Spicer auf. Trevor erklärte den anderen beiden eine Stunde lang die Gepflogenheiten in Trumble. Bargeld war verboten. Jeder Häftling hatte eine Arbeit, und sein Lohn wurde ihm auf einem Konto gutgeschrieben. Ausgaben für Ferngespräche, Artikel aus dem Gefängnisladen, Kopien und Briefmarken wurden von diesem Konto abgebucht.

Dennoch gab es Bargeld, auch wenn man es nur selten zu sehen bekam. Es wurde hineingeschmuggelt und diente dazu, Spielschulden zu bezahlen und Wärter für kleinere Dienste zu bestechen. Trevor hatte Angst, Geld ins Gefängnis zu bringen. Wenn er als Anwalt dabei erwischt wurde, würde sein Besuchsrecht für immer widerrufen werden. Er hatte zweimal Geld hineingeschmuggelt, beide Male einen Betrag von 500 Dollar in 10- und 20-Dollar-Scheinen.

Er konnte sich nicht vorstellen, wozu die Richter 5000 Dollar brauchten.