172637.fb2 Die Katze l?sst das Mausen nicht - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 20

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19

»Schneiden Sie ihn ab«, wies Rick Shaw einen von seinen Männern an.

Die Fotos waren aufgenommen, der Leichnam eingestäubt worden, um Fingerabdrücke nehmen zu können, der Boden unter dem Toten untersucht.

Zwei Jugendliche, die das holperige Stück Land hinter Crozet Elder Care, einem Heim für alte Menschen, überquerten, hatten Wesley Partlow an einer Eiche baumelnd gefunden. Die Zunge hing ihm auf die Brust, sein Gesicht war purpur bis schwärzlich, die Augen quollen hervor, und Füße und Hände waren geschwollen von der sich ansammelnden Flüssigkeit. Die Unwetter waren seinem Aussehen nicht eben förderlich gewesen, hatten aber vermutlich seine Augen vor den Vögeln geschützt.

Natürlich hatte der grausame Anblick den jungen Leuten einen heillosen Schrecken eingejagt, aber sie hatten die Geistesgegenwart besessen, den Sheriff anzurufen. Auch wenn Rick Shaw und Cynthia Cooper im Laufe der Jahre jede Menge unerfreuliche Anblicke erlebt hatten, bedeutete das nicht, dass sie dergleichen gerne sahen.

Der Tote wurde vorsichtig auf die Bahre herabgesenkt. Hätte man Wesley abgeschnitten und herunterplumpsen lassen, wäre der Leichnam wohl noch mehr beschädigt worden. Ein Gerichtsmediziner kann kein Menschenleben retten, soviel steht fest, aber gewöhnlich weiß er den kör­perlichen Zustand eines Menschen richtig zu beurteilen, wenn auch einen Tag zu spät.

Während Diana Robb die sterblichen Überreste eines vergeudeten Lebens fortrollte, begutachtete Coop die Rinde des Baumes. »Wenn er den Baum raufgekraxelt ist, hat er keine Rinde abgeschabt.«

»Er hätte eine lange Streifspur gemacht. Kleinere Spuren hätte der Regen sich vorgenommen, was meinen Sie?« Rick sah zum Himmel. »Und da kommt noch mehr.«

»Ich weiß nicht, Chef. Er war leicht. Er hätte ohne große Mühe raufklettern können, ohne viel Schaben und Rutschen. Ich hab mich nach Reifenspuren umgesehn.«

»Tja.« Auch Rick hatte sich gefragt, ob Wesley von der Ladefläche eines Transporters hochgehievt worden war. »Weggewaschen.«

Wesley Partlow schien nicht der Typ zu sein, der Selbstmord beging.

»Ich kapier das nicht.«

»Besuchen wir Dschinn Marks.«

Sie fuhren los, platschten durch immer tiefer werdende Schlammlöcher. Als sie in die Route 240 einbogen, fiel der Regen in dicken Tropfen, die auf die Windschutzscheibe spritzten.

Als sie gut dreißig Minuten später zum Einkaufszentrum Fashion Mall kamen, goss es wieder in Strömen. Sie parkten am Nebeneingang und rannten zum Sears Warenhaus. Dschinn Marks arbeitete in der Rasenmäherabteilung. Er wurde blass, als er die zwei erblickte.

Rick bat den anderen Mann hinter der Theke: »Können Sie die Stellung halten? Ich muss Mr. Marks kurz sprechen.«

»Geht klar.« Der mittelalte Mann nickte.

Rick winkte Dschinn, ihm zu folgen. Zusammen mit Cynthia gingen sie zum Platz in der Mitte des Zentrums. Nur wenige Einkaufsbummler waren unterwegs, an Werktagvormittagen war nicht viel los.

»Möchten Sie sich setzen?« Rick deutete auf eine Bank.

»Nein.«

»Als Sie mit Wesley Partlow eingebuchtet waren, hat er da etwas zu Ihnen gesagt? Dass er auf jemand wütend war oder jemand auf ihn? Irgendwas?«

Dschinn schüttelte den Kopf. »Nein.«

»Machte er einen deprimierten Eindruck?«, fragte Cynthia.

»Der doch nicht.« Dschinn lächelte wehmütig. »Ich war zwar betrunken, aber ich erinnere mich an seine freche Schnauze.«

»Hat er Autos erwähnt, Radkappen?«

»Nein. Er hat gesagt, er hat nichts gemacht. Er würde da nicht reingehören und er würde rauskommen. Ich hab gesagt, ich hab 'nem Bullen eine verpasst, und da hat er gelacht. Ich wollte Yancy nicht schlagen. Ich wollte nicht - na ja, ich war betrunken.«

»Das ist uns bekannt«, erwiderte Rick. »Ist Ihnen an Wesley irgendwas Ungewöhnliches aufgefallen?«

»Nein.«

»Hat er was angedeutet, dass er mit irgendwem in der Stadt Geschäfte macht?«

»Nein.«

»Hat er was von einem Transporter gesagt?«

»Nein.«

Jetzt war Cooper an der Reihe. »Was würden Sie sagen, war er ruhig, aufgewühlt, mürrisch oder ängstlich?«

»Äh, wachsam. Wir haben nicht viel gesprochen. Er hat gesagt, wenn ich kotze, macht er mich kalt. Als ich aufgewacht bin, war er weg.«

»Ach übrigens«, fragte Rick, »wie sind Sie heute Morgen zur Arbeit gekommen?«

»Zu Fuß.«

»Im Regen?«, fragte Coop.

»Ich werd noch länger im Regen rumlaufen. Den Führerschein bin ich für drei Jahre los.«

»Vielleicht sollten Sie das Trinken sein lassen.« Coop gab ihm die Telefonnummer der Anonymen Alkoholiker. »Ein Versuch kann nicht schaden.«

»Ja«, murmelte er.

»Rufen Sie dort an, Dschinn«, drängte Coop. »Wenn wir Sie das nächste Mal auflesen, dann vielleicht in einem Leichensack, oder weil Sie wen totgefahren haben.«

»Die nächsten drei Jahre bestimmt nicht. Ich setz mich nicht ans Steuer.«

»Lassen Sie das Trinken sein. Sie kriegen es nicht in den Griff«, erklärte sie kategorisch.

»Sie können wieder an die Arbeit«, sagte Rick zu ihm.

Dschinn wandte sich zum Gehen, dann blieb er stehen.

»Was ist mit dem Jungen passiert?«

»Man hat ihn erhängt an einem Baum gefunden.«

Dschinn blinzelte. »Scheiße.«

»Wenn Ihnen irgendwas einfällt, rufen Sie uns an.«

»Das Arschloch hätte sich nie erhängt«, platzte Dschinn heraus.

»Das sehen wir auch so«, meinte Rick.

Im Streifenwagen wischten Rick und Coop sich die Gesichter ab, die wieder feucht vom Regen waren.

Rick zündete sich eine Zigarette an. »Es liegt keine Meldung über einen gestohlenen Transporter vor.«

»Der siebenundachtziger GMC.« Sie steckte sich auch eine an. »Vielleicht war er nicht gestohlen.«

»Der Gedanke ist mir auch schon gekommen.«

»Wer würde ihm einen Transporter leihen?«

»Ein Blödmann.« Rick inhalierte. »Oder ein Hehler.«

»O'Bannon?«

»Hab ich auch schon dran gedacht. Tim O'Bannon hätte seine Sprösslinge umgebracht, wenn sie so eine Nummer abgezogen hätten. Er war so ehrlich wie der Tag lang ist. Hätte nie gestohlene Ware angenommen.«

»Der alte Herr ist tot.«

»Sean ist nicht so dumm. Mit dem Verkauf von gestohlener Ware ein paar tausend Dollar an der Steuer vorbei verdienen, aber den ganzen Laden aufs Spiel setzen? Das würde er nicht tun«, sagte Rick nach einer Pause.

»Wer weiß?« Cooper öffnete das Fenster einen Spalt, um den Rauch hinauszulassen, doch der Regen spritzte durch den Spalt. Sie kurbelte das Fenster schleunigst wieder hoch, aber ihr rechter Oberschenkel war bereits nass. »Verdammt.«

»Losfahren ist sinnlos, solange ich nicht sehen kann, wohin ich fahre.« Rick seufzte. »Coop, von Drogen mal abgesehen, was könnte 'ne Menge Mäuse einbringen? Mit schwarzgebranntem Schnaps kann man immer noch reich werden, wenn man vorsichtig ist.«

Keiner musste dem anderen sagen, dass sie das Ableben von Wesley Partlow als Mord betrachteten. Es ist wahr, dass Menschen tiefes Leid und heimliche Verluste in sich bergen können und sich am Ende umbringen. Und manchmal überdeckt eine mürrische Fassade Schmerz; aber beide Gesetzeshüter spürten, dass das hier nicht der Fall war. Jemand hatte ein Seil über den Baum geworfen und Wesley Partlow aufgeknüpft, ganz wie im Wilden Westen.

»Ich habe im Computer nach einem Strafregister gesucht. Wesley Partlow hat es geschafft, eine weiße Weste zu behalten. Er war schlauer als ich ihm zugetraut hatte. Ich dachte, er wäre bloß ein dummer kleiner Ganove.«

»Nach der Autopsie kommt er unter die Erde.« Rick blinzelte, der Regen hatte ein wenig nachgelassen. »Wie steht's mit Ihrem Appetit?«

»Wieso?«

»Haben Sie ihn nach diesem Morgen nicht verloren?«

»Nein. Sie?«

»Da müsste schon mehr passieren, als dass einer erhängt aufgefunden wird. Gehen wir ins Riverside Cafe.«

»Ich rufe Big Mim von unterwegs an. Die Nachricht wird sich in ganz Crozet verbreiten. Die zwei Rinder werden es rumerzählen. Sie werden monatelang Albträume haben.«

»Ja.« Er bog vom Parkplatz aus nach rechts ab und fuhr zur Kreuzung High Street und Free Bridge. »Warten Sie einen Moment, bevor Sie die Queen von Crozet anrufen. Haben Sie nachgeguckt, wie viele 1987er GMC- Halbtonner es in Virginia gibt?«

»Über zwanzigtausend, mit Vierrad- und mit Zweiradantrieb, alle noch zugelassen.«

»Und in Albemarle County?«

»Da ist Yancy dran, weil er rumsitzen muss. Er wird wohl 'ne ganze Weile rumsitzen.«

»Okay.«

»Wir wissen nicht, ob der Transporter hier zugelassen ist. Könnte in einem anderen Staat angemeldet sein.« »Ich weiß.«

»Das ist wie ein Puzzlespiel«, sagte Cooper, »alle Teile wurden durcheinander auf den Tisch gekippt.«

Er drehte sich zu ihr hin. »Vielleicht liegen nicht alle Teile auf dem Tisch.«