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Kapitel 9

Eine gute Dakota kann man nicht am Boden halten.

Zwei waren es, die auf dem kleinen Flugplatz unweit der Rennbahn von Germiston wartend auf den Spornrädern hockten und ihre Delphinschnauzen hoffnungsvoll gen Himmel reckten.

Zusammen mit mehreren anderen Passagieren bestiegen wir die eine der beiden, die auch eine beträchtliche Menge Frachtgut aufnahm, Montag früh um acht. Tag und Stunde meinten es nicht gut mit Roderick und ließen deutlicher denn je erkennen, daß es längst Zeit für ihn war, den Anschein der Jugend aufzugeben. Der Mann, überlegte ich, lief Gefahr, die Phase, in der er am eindrucksvollsten aussehen konnte, ungenutzt verstreichen zu lassen; wenn Roderick nicht achtgab, würde er von der späten Jugend direkt ins offensichtliche Alter abrutschen, ein Fehler, der im Showgewerbe häufiger vorkam als in der Zeitungsbranche.

Er trug eine braune langärmlige Wildlederjacke mit Fransen an jeder Naht. Darunter ein orangebraunes Hemd mit offenem Kragen, Hosen, deren Schnitt die Männlichkeit hervorhob, und die neuesten Wüstentreter.

Van Horen, am anderen Ende der Skala in einem dunklen Straßenanzug, traf zuletzt ein, übernahm mühelos das Ruder und bugsierte uns alle an Bord. Die Dakota flog eine Stunde und landete hundertsechzig Meilen südlich in einer abgelegenen Bergwerks stadt, deren Name,

«Welkom«, von praktisch allen Wänden und Werbeflächen grüßte.

Die Van-Horen-Mine lag auf der dem Flughafen entgegengesetzten Seite, und ein kleiner Bus kam uns abholen. Die Stadt war sauber, modern, geometrisch, mit geraden hellen Reihen kleiner viereckiger Häuser und Kilometern verglaster Supermärkte. Eine hygienisch verpackte Stadt, deren Lebensnerv tief unter der Erde lag.

Unser Ziel sah auf den ersten Blick wie eine Ansammlung von gewaltigen grauweißen Halden aus, darunter eine, auf die ein Bahngleis hinaufführte. Im Näherkommen sah man das Rad des Förderturms über dem Schacht, eine Menge Verwaltungsgebäude und Wohnheime für die Minenarbeiter sowie Dutzende von dekorativen Dattelpalmen. Die kurzen, gedrungenen Bäume, deren sonnenbeschienene Wedel in der leichten Brise sanft raschelten, machten sich in der öden Umgebung recht gut, wie rosa Schleifen an einer Schaufel.

Van Horen entschuldigte sich lächelnd, daß er nicht mit uns in die Mine hineinfahren konnte; er hatte den ganzen Morgen unaufschiebbare Besprechungen.

«Aber wir treffen uns zum Mittagessen«, versprach er,»und zu dem Drink, den Sie dann alle nötig haben werden!«

Der Führer, den jemand ein paar Sprossen weiter unten in der Hierarchie uns zugeteilt hatte, war ein brummiger junger Afrikaander, der sich als Pieter Losenwoldt, Bergwerksingenieur, vorstellte und uns mehr oder minder deutlich zu verstehen gab, daß seine derzeitige Aufgabe lästig, eine Unterbrechung seiner Arbeit und unter seiner Würde sei.

Er brachte uns in einen Umkleideraum, wo wir alle Unterschiede durch weiße Overalls, schwere Stiefel und hohe Schutzhelme beseitigen sollten.

«Nehmen sie nichts Persönliches mit in die Mine außer Ihrer Unterwäsche und einem Taschentuch«, sagte er dogmatisch.

«Keine Kameras. «Er blickte finster auf die Ausrüstung, die Conrad angeschleppt hatte.»Blitzlicht ist gefährlich. Auch keine Streichhölzer. Keine Feuerzeuge. Wenn ich nichts sage, dann meine ich nichts.«

«Was ist mit Brieftaschen?«fragte Danilo, der sich brüskiert fühlte und es auch zeigte.

Losenwoldt musterte ihn, sah jemanden vor sich, der anziehender, reicher, auf den ersten Blick liebenswerter aussah als er selbst, und reagierte mit noch schlechter verborgenem Unmut.

«Lassen Sie alles hier«, sagte er gereizt.»Der Raum wird abgeschlossen. Hier ist alles in Sicherheit, bis Sie zurückkommen.«

Er ging fort, während wir uns umzogen, und kam in einer ähnlichen Kluft wieder.

«Fertig? Gut. Also, wir gehen jetzt 1300 Meter tief runter. Der Korb macht 900 Meter pro Minute. An manchen Stellen unter Tage ist es sehr heiß. Wenn jemand Platzangst bekommt oder sich sonstwie krank fühlt, soll er sich sofort melden, damit er nach oben gebracht wird. Ist das klar?«

Er erntete fünf Nicker und keine Sympathie.

Plötzlich blickte er mich forschend an, überlegte und verwarf seinen Gedanken dann mit geschürzten Lippen und einem Kopfschütteln. Niemand klärte ihn auf.

«Ihre Grubenlampen sind da auf dem Tisch. Bitte legen Sie sie an.«

Die Grubenlampen bestanden aus einer flachen Batterie, die man über der Lendengegend trug, und einer Lampe, die vorn an den Helm geklemmt wurde. Ein Kabel verband eins mit dem anderen. Die Batterien wurden mit einem Gurt um die Taille geschnallt und waren recht schwer.

Fast wie die sieben Zwerge marschierten wir zur Mine. Der Korb, mit dem wir hinunterfuhren, hatte nur halbhohe Wände, so daß die Wirklichkeit des Untertagebaus sofort auf uns eindrang. Null Komfort. Eine Menge Krach. Der scheußliche Gedanke an all die Leere unter den Stiefelsohlen.

Vermutlich dauerte die Fahrt noch keine zwei Minuten, doch da ich fest eingekeilt war zwischen Evan, dessen glühende Augen ausnahmsweise einmal ängstlich blickten, und einem zwei Meter großen Zweieinhalbzentner-Bergmann, der mit einigen Spezis oben noch zugestiegen war, konnte ich die Zeit nicht gerade mit der Stoppuhr nehmen.

Wir landeten scheppernd am Boden und stiegen aus. Ein anderes Kontingent wollte nach oben, und sobald wir draußen waren, drängten sie sich hinein, betätigten eine Reihe von Summern und glitten klirrend aufwärts.

«Steigen Sie in die Förderwagen«, sagte Losenwoldt herrisch.

«Sie fassen je zwölf Personen.«

Conrad betrachtete die beiden Wagen, die aussahen wie Drahtkörbe auf Rädern, mit Platz für einen großen Hund, wenn der sich zusammenrollte, und meinte zu mir:»Ölsardinen haben’s enger.«

Ich lachte. Aber die Wagen faßten tatsächlich zwölf; gerade so. Der letzte Mann mußte sich in die Öffnung hok-ken, die als Einstieg diente, und sich, so gut es ging, an irgend etwas festhalten, damit er nicht rausfiel. Evan war der letzte Mann. Er hielt sich an Losenwoldts Overall fest. Losenwoldt war davon nicht angetan.

Voll besetzt rollten die Wagen den Stollen entlang, der sich geradeaus vor uns erstreckte, soweit das Auge reichte. Die Wände waren bis in eine Höhe von etwa einszwanzig weiß gestrichen, dann kam eine fünf Zentimeter breite, leuchtend rote Linie und darüber dann das graue Gestein.

Conrad fragte Losenwoldt, wozu die rote Linie da sei; er mußte brüllen, um sich verständlich zu machen, und er mußte zweimal brüllen, da Losenwoldt ihm zunächst keine Antwort gab.

Schließlich brüllte er unwirsch zurück:»Danach richten sich die Driller. Wenn der Stollen so ausgemalt ist, können sie sehen, ob sie ihn gerade und eben vortreiben. Rot ist die Leitlinie.«

Die Unterhaltung schlief ein. Die Wagen legten in schnellem Tempo etwa zwei Meilen zurück und hielten unvermittelt irgendwo. Mit einemmal konnte man sich wieder verstehen, und Losenwoldt sagte:»Wir steigen hier aus und gehen zu Fuß.«

Alles entknäuelte sich und kletterte hinaus. Die Bergleute stiefelten zielbewußt durch den Stollen davon, doch für Besichtigungen gab es offenbar ein festes Schema. Losen-woldt sagte unfreundlich (aber immerhin sagte er es):»An der Decke des Stollens sehen Sie die Kabel, die uns mit Licht versorgen. «Die Lampen hingen in regelmäßigen Abständen über uns, so daß der ganze Stollen gleichmäßig beleuchtet war.»Daneben verläuft eine Stromschiene. «Er zeigte hin.»Sie liefert Strom für die Wagen, die das Gestein wegschaffen. Das Gestein wird in einem besonders schnellen Korb nach oben gebracht, mit über tausend Metern die Minute. Das große runde Rohr dort liefert Luft. Die Mine wird durch an zahlreichen Stellen zugeführte Druckluft bewettert.«

Wir schauten ihn an wie Kinder, die sich um einen Lehrer scharen, doch da er diesen Teil seiner Pflichtübung zu

Ende gebracht hatte, kehrte er uns den Rücken und stapfte tiefer in den Stollen.

Wir hinterher.

Eine große Gruppe von schwarzen Afrikanern kam uns entgegen. Sie waren gekleidet wie wir, außer daß sie Jak-ken über ihren Overalls trugen.

Roderick fragte:»Wozu die Jacken?«

Losenwoldt sagte:»Es ist heiß hier unten. Der Körper gewöhnt sich. Ohne Jacke wird einem kalt, wenn man rauskommt. Man kann sich erkälten.«

Evan nickte wissend. Wir gingen weiter.

Schließlich kamen wir zu einer breiteren Stelle, wo ein Querschlag nach rechts abzweigte. Eine weitere Gruppe Afrikaner versammelte sich dort, zog Jacken an und wurde auf einer Liste abgehakt.

«Sie haben ihre Schicht beendet«, sagte Losenwoldt auf seine knappe Art, zähneknirschend.»Ihre Namen werden abgehakt, um zu gewährleisten, daß keiner von ihnen mehr unter Tag ist, wenn wir sprengen.«

«Sprengen, lieber Junge?«sagte Conrad zerstreut.

Der Fachmann beäugte ihn mit Mißfallen.»Der Fels muß gesprengt werden. Man bekommt ihn nicht mit Pik-keln los.«

«Aber ich dachte, das sei eine Goldmine, mein Junge. Man muß doch wohl nicht sprengen, um Gold abzubauen? Da gräbt man doch Kies aus und siebt das Gold heraus.«

Losenwoldt sah ihn fast verächtlich an.»In Kalifornien und Alaska und an einigen anderen Orten mag das der Fall sein. In Südafrika ist das Gold nicht sichtbar. Es steckt in winzigen Partikeln im Gestein. Man muß das goldhaltige Gestein heraussprengen, es an die Oberfläche bringen und zahlreichen Verfahren unterwerfen, um das Gold zu ge-winnen. In dieser Mine muß man drei Tonnen Gestein heben, um eine Unze reines Gold zu erhalten.«

Ich glaube, daß es uns allen die Sprache verschlug. Danilo fiel richtig die Kinnlade herunter.

«In einigen Minen hier auf dem Goldfeld von Oden-daalsrus«, fuhr Losenwoldt fort, anscheinend ohne unsere Verblüffung zu bemerken,»braucht man nur anderthalb Tonnen zu fördern, um eine Unze zu gewinnen. Das sind natürlich die ergiebigsten Minen. Andere benötigen mehr als wir: dreieinhalb bis vier Tonnen.«

Roderick schaute sich um.»Und das ganze Gold ist hier abgebaut worden? Und da, wo wir herkommen?«

Jetzt wurde ihm der mitleidig-verächtliche Blick zuteil.

«Dieser Stollen führt nicht durch goldhaltiges Gestein. Er ermöglicht uns nur, an das goldführende Gestein in diesem Teil der Mine heranzukommen. Es findet sich erst ab dreizehnhundert Metern Tiefe.«

«Ach du lieber Gott«, sagte Conrad und sprach für uns alle.

Losenwoldt leierte widerwillig seinen Vortrag herunter, doch sein Publikum war gefesselt.

«Das Reef — so heißt das goldhaltige Gestein — ist nur eine dünne Schicht. Sie verläuft abschüssig von Norden unter Welkom durch nach Süden, wo sie am mächtigsten ist. Das Reef erstreckt sich etwa acht Meilen von Ost nach West und etwa vierzehn von Nord nach Süd, aber mit unregelmäßigen Begrenzungen. Es ist nirgends mehr als einen Meter mächtig und in dieser Mine im Durchschnitt 33 Zentimeter.«

Er erntete eine Menge wahrhaft erstaunter Blicke, aber nur Danilo hatte eine Frage.

«Ich nehme doch an, das lohnt sich«, meinte er zwei-felnd.»Die ganze Arbeit und die Technik, um an so ein bißchen Gold zu kommen.«

«Es muß sich wohl lohnen, sonst wären wir nicht hier«, sagte Losenwoldt in vernichtendem Ton, und zumindest für mich klang das nach Unkenntnis der Gewinnziffern des Unternehmens. Aber es zahlte sich bestimmt aus, überlegte ich, sonst würde van Horen nicht in einem kleinen Palast wohnen.

Niemand sonst sagte etwas. Selten war zwangloses Geplauder so resolut unterbunden worden. Und Evans angeborene Neigung, stets das Kommando zu übernehmen, war ernstlich beeinträchtigt; hatte er im Aufzug schon ängstlich gewirkt, so schien es jetzt, als litte er am meisten von uns allen unter dem Gedanken an die Millionen Tonnen Gestein, deren Druck direkt auf uns lastete.

«Also gut«, sagte Losenwoldt voller Genugtuung darüber, daß er dem Fußvolk den Mund gestopft hatte.»Schalten Sie jetzt bitte Ihre Grubenlampen an. Da drin gibt es kein Licht mehr. «Er wies in den Querschlag.»Wir wollen uns ansehen, wie der Streckenbau vorangeht.«

Er stiefelte los, ohne zu kontrollieren, ob wir alle hinter ihm waren, aber wir folgten ihm, wenngleich Evan einen Blick zurück in Richtung Schacht warf, der einem vorsichtigeren Führer nahegelegt hätte, nicht zuviel als selbstverständlich zu betrachten. Der Stollen verlief eine Zeitlang gerade und bog dann nach rechts ab. Als wir uns der Ecke näherten, hörten wir ein zunehmend lautes Dröhnen, das sich hinter der Biegung noch erheblich steigerte.

«Was ist das für ein Lärm?«fragte Evan mit einer Stimme, die noch frei von akuter Angst war.

Losenwoldt sagte über seine Schulter hinweg:»Teils die Belüftung, teils die Bohrungen«, und ging weiter. Die in

Abständen angeordnete Glühbirnenbeleuchtung endete. Das Licht an unseren Helmen zeigte den Weg.

Plötzlich erkannten wir einen fernen, hellen Schein, weit vor dem Licht, das wir selbst aussandten. Bei genauerem Hinsehen löste der Schein sich in drei einzelne Grubenlampen auf, die in die gleiche Richtung leuchteten wie unsere, aber diese Lampen strahlten nur massiven Fels an. Wir kamen ans Ende des Stollens.

Die Wände waren an dieser Stelle nicht mehr beruhigend weiß angemalt und mit einem roten Strich versehen, sondern hatten das gleichförmige dunkle Grau des Felsgesteins. Irgendwie unterstrich das noch, wie fantastisch es war, sich so tief in die unberührte Erdkruste hineinzugraben, auf der Suche nach unsichtbarem gelbem Staub.

Die Luftleitung endete jäh, und die Druckluft strömte röhrend aus der Öffnung. Weiter hinten gewann der Bohr-lärm die Oberhand, ein Angriff auf das Trommelfell wie eine Handvoll entfesselte Diskotheken.

Drei Bergleute standen auf einer hölzernen Plattform und bohrten nahe der zweieinhalb Meter hohen Decke ein Loch in den Fels. Unsere Lampen beschienen den Schweiß auf ihrer dunklen Haut und reflektierten auf den Unterhemden und dünnen Hosen, die sie anstelle der dik-ken weißen Overalls ihrer Kollegen trugen.

Der Krach kam ebensosehr von einem Kompressor, der auf dem Boden stand, wie von dem Bohrer selbst. Wir schauten eine Weile zu. Evan wollte etwas fragen, aber nur jemand, der von den Lippen lesen konnte, hätte ihn verstanden.

Schließlich gab Losenwoldt, indem er den Kopf schwenkte, mit verkniffenem Mund das Zeichen zur Umkehr. Wir folgten ihm und waren froh, daß der Druck auf unseren Ohren nachließ. Ich ging am Schluß und knipste da, wo die Luftleitung endete, für einen Moment meine Lampe aus und blickte zurück. Drei Männer auf einem Gerüst, vertieft in ihre Arbeit, eingehüllt in Lärm und beleuchtet nur von den Glühwürmchen auf ihren Häuptern. Wenn ich mich abwandte und weiterging, würde das ur-zeitliche Dunkel sie wieder völlig umschließen. In meiner Phantasie kamen sie mir vor wie ein Trupp fleißiger Teufel, die sich zum Höllenfeuer durchgruben.

Wieder zurück in dem breiteren Abschnitt, setzte Losenwoldt unsere Unterweisung fort.

«Sie bohren Löcher von ungefähr zwei Metern, mit Hartmetallbohrern. Das«- er zeigte mit dem Finger —»sind die Bohrer.«

Wir sahen in die Richtung, in die er wies. Die waagerecht gestapelten, zwei Meter langen Geräte an der Stollenwand hatten zuerst eher wie ein Haufen unbenutzter Leitungsrohre ausgesehen; aber es waren dickwandige Bohrstangen von etwa sechs Zentimetern Durchmesser, jede mit einer Spitze aus glänzendem Wolframstahl.

«Die Bohrer müssen jeden Tag zum Schleifen nach oben gebracht werden.«

Wir nickten wie weise alte Eulen.

«Die drei Männer sind mit dem Bohren für heute fast fertig. Sie haben zahlreiche Löcher in die Ortsbrust getrieben. Jedes Loch wird mit einer Ladung Sprengstoff gefüllt, und nach der Sprengung wird das losgebrochene Gestein entfernt. Dann kehren die Driller zurück, und der Vorgang beginnt von neuem.«

«Wieviel Streckenmeter schaffen sie am Tag?«fragte Roderick.

«Zweieinhalb pro Schicht.«

Evan lehnte sich gegen die Felswand und fuhr sich mit der Hand über eine Stirn, so feucht, daß selbst Clifford Wenkins sie nicht hätte übertreffen können.

«Verwenden Sie gar keine Abstützungen?«sagte er.

Losenwoldt nahm die Frage wörtlich und erkannte nicht die Furcht, die dahintersteckte.

«Natürlich nicht. Wir treiben ja die Strecke nicht durch Erdreich, sondern durch Grundgestein. Es besteht keine Gefahr, daß der Stollen einstürzt. Hin und wieder fällt mal eine gelockerte Felsplatte von der Decke oder von der Wand. Das passiert meistens in frisch gesprengten Bereichen. Sehen wir solch lockeres Gestein, holen wir es nach Möglichkeit gleich runter, um Unfällen vorzubeugen.«

Evan sah keineswegs beruhigt aus. Er kramte sein Taschentuch hervor und wischte sich das Gesicht.

«Womit sprengen Sie?«fragte Danilo. Losenwoldt mochte ihn noch immer nicht und gab keine Antwort. Roderick, den es ebenfalls interessierte, stellte die gleiche Frage.

Losenwoldt unterdrückte ostentativ einen Seufzer und antwortete abgehackter denn je.»Wir nehmen Dynagel. Das ist ein schwarzes Pulver. Es wird in verschlossenen roten Behältern gelagert, die an der Stollenwand befestigt sind.«

Er zeigte auf einen, der ein Stück weiter vorn hing. Ich war an zwei oder drei vorbeigelaufen, Vorhängeschloß und alles, ohne mir Gedanken über ihren Zweck zu machen.

Danilo sagte sarkastisch zu Roderick:»Fragen Sie ihn mal, was passiert, wenn sie sprengen«, und Roderick tat es. Losenwoldt zuckte die Achseln.»Was glauben Sie wohl? Aber keiner sieht die Sprengung. Alles verläßt die Mine, bevor die Ladungen gezündet werden. Nach der Sprengung fährt vier Stunden lang keiner ein.«

«Wieso nicht, mein Junge?«wollte Conrad wissen.

«Staub«, sagte Losenwoldt knapp.

«Wann bekommen wir das Golderz zu sehen — das Reef?«fragte Danilo.

«Gleich. «Losenwoldt wies in die Verlängerung des Hauptstollens.»Weiter vorn wird es sehr heiß. Da kommt ein Abschnitt ohne Belüftung. Danach gibt es dann wieder Luft. Lassen Sie Ihre Lampen an; Sie werden sie brauchen. Passen Sie auf, wo Sie langgehen. Der Boden ist stellenweise uneben. «Er klappte den Mund zu und marschierte wie zuvor mit dem Rücken zu uns los.

Wieder gingen wir hinterher.

Ich sagte zu Evan:»Alles in Ordnung?«, was ihn so aufregte, daß er den Rücken straffte und sagte, selbstverständlich sei alles in Ordnung — hielt ich ihn vielleicht für blöd?

«Nein«, sagte ich.

«Na also. «Er zog entschlossen an mir vorbei, um näher an die Perlen heranzukommen, die Losenwoldt uns hinwarf, und ich bildete wieder den Schluß.

Die Hitze weiter vorn war stark, aber trocken, so daß man sie zwar spürte, aber nicht in Schweiß geriet. Der Stollen wurde jetzt holprig — unebene Wände, aufgerissener Boden, kein Licht, keine Markierungslinien; außerdem führte er allmählich bergab. Wir stapften auf dem kiesigen, knirschenden Untergrund voran.

Je weiter wir kamen, desto mehr Aktivität begegnete uns. Überall waren mit Werkzeugen ausgerüstete Männer in weißen Overalls zugange, und das Geleucht an ihren Helmen strahlte die konzentrierten Gesichter ihrer Gegenüber an. Die Helmschilder warfen oft ein dunkles Schattenband über die Augen der Leute, und ein paarmal mußte ich den vor mir gehenden Roderick antippen, damit er sich umdrehte und ich sehen konnte, ob ich noch dem richtigen Mann folgte.

Am Ende des heißen Abschnitts war es, als käme man direkt in die Arktis. Losenwoldt blieb stehen und beratschlagte kurz mit zwei anderen jungen Bergleuten, die sich dort unterhielten.

«Wir werden uns jetzt trennen«, sagte er schließlich.»Sie beide gehen mit mir. «Er wies auf Roderick und Evan.»Sie beide mit Mr. Anders. «Er teilte Conrad und Danilo einer dickeren Ausgabe seiner selbst zu.»Sie«- er wies auf mich —»mit Mr. Yates.«

Yates, jünger als die anderen, war unsicher und unterwürfig, was niemandem half, und hatte einen leichten Sprachfehler wie von einer Gaumenspalte. Er schenkte mir ein nervös zuckendes Lächeln und sagte, es mache mir hoffentlich nichts aus, aber er sei es nicht gewohnt, Leute herumzuführen, das sei normalerweise nicht seine Aufgabe.

«Um so netter, daß Sie es tun«, sagte ich beschwichtigend.

Die anderen entfernten sich in zwei kleinen Grüppchen und waren bald in dem allgemeinen Gedränge weißer Overalls verschwunden.

«Dann kommen Sie mal.«

Wir gingen weiter durch den Stollen. Ich fragte meinen neuen Führer, wie stark das Gefälle sei.

«Rund fünf Prozent«, sagte er. Danach aber verfiel er in Schweigen, und ich schätzte, wenn ich sonst noch etwas wissen wollte, mußte ich schon fragen. Yates kannte nicht den Rundführungstext wie Losenwoldt, der rückblickend gar nicht so übel erschien.

Hin und wieder tauchten in der linken Wand Löcher auf, hinter denen offenbar ein großer Hohlraum lag.

«Ich dachte, der Stollen läuft durch massiven Fels«, bemerkte ich.»Was sind das dann für Löcher?«»Oh… wir sind jetzt im Reef. Aus dem Abschnitt da hinter der Wand ist das Reef weitgehend abgebaut worden… gleich kann ich Ihnen das besser zeigen.«

«Das Reef hat also ein Gefälle von fünf Prozent?«fragte ich.

Er wunderte sich über die Frage.»Natürlich«, sagte er.

«Und der Querschlag, der da hinten gebohrt wird, wo führt der hin?«

«In einen anderen Teil des Reefs.«

Ja. Blöde Frage. Das Reef erstreckte sich buchstäblich meilenweit. Der Abbau der Goldader mußte ungefähr so sein, wie wenn man eine dünne Scheibe Schinken aus einem dicken Sandwich herausholt.

«Was geschieht, wenn das ganze Reef abgebaut ist?«fragte ich.

«Das sind doch riesige Bereiche und nichts, was die darüberliegenden Gesteinsschichten trägt.«

Er antwortete durchaus bereitwillig.»Wir entfernen nicht sämtliche Stützen. Zum Beispiel sind die Stollenwände ja dick, trotz der Löcher, die der Sprengung und dem Belüften dienen. Sie tragen das Hangende in dem ganzen Gebiet hier. Irgendwann natürlich, wenn die Grube ausgeschöpft und stillgelegt ist, werden sich die Gesteinsschichten nach und nach setzen. Der größte Teil von Johannesburg soll sich um etwa einen Meter gesenkt haben, als die darunterliegenden Schichten nach dem Abtragen des ganzen Reefs zusammengesunken sind.«

«In den letzten Jahren?«fragte ich erstaunt.

«Aber nein. Das ist lange her. Die Rand-Goldfelder liegen näher an der Oberfläche, und dort begann der Abbau zuerst.«

Leute schafften Hartmetallbohrer den Stollen hinauf, und andere passierten uns in der Gegenrichtung.

«Wir bereiten die Sprengung vor«, sagte Yates ungefragt.»Die Bohrarbeiten sind beendet, und die Techniker legen die Ladungen an.«

«Dann bleibt uns nicht mehr viel Zeit«, sagte ich.

«Wahrscheinlich nicht.«

«Ich würde gerne sehen, wie am Reef selbst gearbeitet wird.«

«Oh… ja. Dann noch ein Stück hier entlang. Ich bringe Sie zum nächsten Abbau. Weiter unten sind noch mehr.«

Wir kamen zu einem verhältnismäßig großen Loch in der Wand. Es reichte vom Boden gut anderthalb Meter hinauf, aber man konnte nicht aufrecht durchgehen, da es innen steil nach oben anstieg.

Er sagte:»Achten Sie auf Ihren Kopf. Es ist sehr niedrig da drin.«

«Okay«, sagte ich.

Er bedeutete mir, vor ihm hineinzuklettern, und ich tat es. Der Hohlraum war etwa einen Meter hoch, erstreckte sich jedoch nach beiden Seiten außer Sicht. Eine Menge Schinken war bereits aus diesem Teil des Sandwiches verschwunden.

Statt über festen Felsboden kletterten wir jetzt über ein Bett von scharfkantigen Steinsplittern, die klirrend unter unseren Füßen wegrutschten. Ich kroch ein Stück in die flache Höhle hinein und wartete auf Yates. Er war dicht hinter mir und sah nach rechts, wo einige Männer weiter unten an einem zehn Meter langen, gewölbten Abschnitt der vorderen Wand arbeiteten.

«Sie prüfen noch mal die Sprengladungen«, sagte Yates.»Bald werden alle rausgehen.«

«Das lose Zeug, auf dem wir liegen«, sagte ich,»ist das das Reef?«»Oh… nein, nicht direkt. Das sind nur Steinsplitter. Sehen Sie, das Reef lag etwa auf halber Höhe der Strosse.«

«Was heißt Strosse?«

«Entschuldigung. Strosse ist das, wo wir jetzt drin sind. Der Ort, an dem das Reef entnommen wird.«

«Tja, und woran erkennen Sie in dem noch nicht gesprengten Teil hier, wo das Reef ist?«

Für mich sah das alles gleich aus. Dunkelgrau von oben bis unten. Dunkelgraue unebene Decke, die sich über dunkelgrauen unebenen Wänden wölbte, die in dunkelgrauen Schotterboden übergingen.

«Ich hole Ihnen ein Stück«, sagte er entgegenkommend und kroch auf dem Bauch zu der Stelle hinüber, wo seine Kollegen arbeiteten. Es war kaum möglich, in der Strosse aufrecht zu sitzen. Man konnte gerade noch auf Händen und Knien kauern, wenn man den Kopf unten behielt. Ich stützte mich auf einen Ellenbogen auf und sah zu, wie er sich eine kleine Picke auslieh und einen Splitter aus der Wand brach.

Er kroch wieder zu mir her.

«Bitte sehr. Das ist ein Stück vom Reef.«

Wir richteten beide unsere Lampen darauf. Ein fünf Zentimeter langer, scharfkantiger grauer Stein mit schwach lichtreflektierenden Flecken und Streifen von dunklerem Grau auf der Oberfläche.

«Was sind denn das für dunkle Flecke?«sagte ich.

«Das ist das Erz«, antwortete er.»Die helleren Partien sind ganz gewöhnlicher Stein. Je mehr von diesen dunklen Stellen das Reef aufweist, desto größer der Goldertrag pro Tonne.«

«Das Dunkle ist also Gold?«fragte ich.

«Es enthält Gold«, sagte er nickend.»Effektiv setzt es sich aus vier Bestandteilen zusammen: Gold, Silber, Uran und Chrom. Das Erz wird gemahlen und seine Bestandteile auf chemischem Weg getrennt. Es enthält mehr Gold als Silber oder Uran.«

«Kann ich das Stück behalten?«fragte ich.

«Natürlich. «Er räusperte sich.»Entschuldigen Sie, aber die haben da drüben was für mich zu tun. Meinen Sie, Sie finden allein durch den Stollen zurück? Sie können sich nicht verlaufen.«

«In Ordnung«, sagte ich.»Gehen Sie nur. Ich möchte Sie nicht von Ihrer Arbeit abhalten.«

«Danke«, sagte er und kroch eilig davon, um es den Leuten recht zu machen, die wirklich für ihn zählten.

Ich blieb eine Weile, wo ich war, sah den Technikern zu und spähte in den endlosen, ansteigenden Hohlraum. Das Licht meiner Grubenlampe erreichte seine Grenzen nicht. Er erstreckte sich in undurchdringliche Schwärze.

Der Trupp unter mir zog langsam ab, hinaus in den Stollen, um den Rückweg zum Schacht anzutreten. Ich steckte das winzige Stück Reef in die Tasche, sah mich ein letztes Mal um und schob mich auf das Loch zu, durch das ich hereingekommen war. Ich drehte mich, um mit den Füßen voran in den Stollen zu kommen, doch während ich herumbalancierte, hörte ich jemand hinter mir in die Strosse klettern, und das Licht seiner Lampe fiel auf meinen Overall. Ich hielt an, um ihn vorbeizulassen. Er kam ein wenig näher heran, und ich blickte kurz über meine Schulter, um zu sehen, wer es war. Ich konnte nur den Schirm seines Helms sehen und darunter Schatten.

Dann flog mein Helm nach vorn, und ein dicker Brocken vom alten Afrika knallte mit Wucht auf meinen Hinterkopf.

Mir war, als spürte ich, wie das Bewußtsein mich langsam verließ; benommen stürzte ich durch endlose Bergwerksschächte, flimmernde Punkte vor meinen Augen.

Ich war längst bewußtlos, bevor ich unten ankam.