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Camden, South Carolina, 1758 besiedelt und damals Pine Tree Hill genannt, liegt in einem Thermalgürtel und ist damit ideal geeignet für Reiter und Pferdezüchter. Wird die Luft auch eisig, der Sand gefriert nicht, und im Winter strömen Vollblutzüchter, Trainer, Rennreiter, Jagd- und Springreiter wegen der guten Bodenverhältnisse und wärmeren Temperaturen herbei. Camden ist zwar nicht so mild wie Florida, aber dafür auch nicht so überlaufen und vor allem nicht so teuer.
Mrs. Marion duPont Scott hatte in Camden überwintert und sich in die Stadt verliebt. Die zwanglosen Menschen, gesegnet mit dem lässigen Naturell, das für South Carolina typisch ist, entzückten sie dermaßen, daß sie beschloß, ihren persönlichen Reichtum zur Gründung des Colonial Cup zu verwenden, einem südlichen Gegenstück zu dem großartigen, grandiosen Montpelier. Sie ließ eine Hindernisbahn so anlegen, daß sie den Zuschauern auf der Haupttribüne ermöglichte, die meisten Sprünge zu sehen, eine Neuheit.
Im Laufe der Jahre nahm die Anzahl der Rennen zu. Die Menschen strömten in Scharen herbei. Die Feste erzeugten manch wilden Skandal. Die Taschen der Bürger von Camden füllten sich.
Das einzig Negative, was sich über diese charmanteste aller Städte im Landesinneren von South Carolina sagen läßt, ist, daß sie Schauplatz eines Desasters im Unabhängigkeitskrieg war, als nämlich General Horatio Gates am 16. April 1780 mit 3600 Mann Lord Cornwallis 2000 Mann starker britischer Truppe unterlag. Danach beschlossen die Briten, sich der Annehmlichkeiten von Camden und der Zuwendung der weiblichen Bevölkerung, die für ihre tadellosen Umgangsformen ebenso berühmt war wie für ihre Schönheit, ausgiebig zu erfreuen.
Harry, begeistert, Gast beim Colonial Cup zu sein, spazierte mit offenem Mund durch Camden. Sie und Miranda hatten beschlossen, einen Stadtrundgang zu machen, bevor sie sich auf die Rennbahn begaben. Die Rennen begannen erst am nächsten Tag, und sie waren wie Schulmädchen in der Pause. Harry hatte gewissenhaft Mim, dann Charles, dann Adelia, sogar Fair gefragt, ob sie ihre Hilfe brauchten. Nachdem alle verneint hatten, war sie aus dem Stall gestürmt, Tucker ihr auf den Fersen.
»Hieran könnte ich mich gewöhnen.« Harry betrachtete lächelnd eine geschwungene Veranda, die um ein stattliches weißes Holzhaus verlief. Blumenkörbe hingen von der Verandadecke, denn die Temperatur hielt sich um achtzehn Grad.
»Ich erinnere mich noch gut, wie Mama auf ihrer Schaukel saß, sich mit Passanten unterhielt und lang und breit erläuterte, warum sie ihren Gehweg mit Hortensien gesäumt hatte und warum ihre Rosen Preise gewannen. Ach, ich wünschte, Didee würde kommen.« Miranda benutzte den Kindernamen ihrer Schwester. »Ihr Mann macht einfach zuviel Arbeit.«
»Welcher Mann macht das nicht?«
»Mein George war ein Engel.«
Harry unterdrückte die Bemerkung, daß er jetzt einer sei. Statt dessen sagte sie: »Er hatte keine andere Wahl.«
Mrs. Hogendobber blieb stehen. Die Kreppsohlen ihrer bequemen Laufschuhe quietschten, was Tucker zum Bellen veranlaßte. Was wiederum den West Highland Terrier auf der umlaufenden Veranda zum Bellen veranlaßte. »Höre ich da Sarkasmus?«
»Still, Tucker.«
»Ich bin hier im Dienst«, bellte Tucker kräftig zurück.»Wenn der weiße Schoßhund das Maul aufreißen und uns beleidigen will, werde ich nicht die Schnauze halten.«
»Wirst du wohl still sein!«
»Mein Mann hat besser gehört als Ihr Hund.«
»Gehen wir weiter, bevor alle Hunde der Nachbarschaft sich genötigt fühlen zu antworten. Tucker, ich weiß nicht, warum ich dich mitgenommen habe. Bisher gehst du mir nur auf den Wecker. Du hast alles beschnüffelt, wo wir geschlafen haben. Du bist die Gänge im Stall rauf und runter gerast. Du bist auf die Koppeln hinausgerannt. Du bist in jeden geparkten Wohnwagen geflitzt. Hast du Hundeaufputschmittel genommen?«
»Ich bin auf der Suche nach Informationen. Du bist zu doof, um das zu wissen. Ich renne nicht herum wie ein kopfloses Huhn. Ich habe einen Plan.«
»Offensichtlich ist Tucker mit Ihnen auch nicht besonders zufrieden«, bemerkte Mrs. Hogendobber.
»Sie wird sich schon beruhigen. Gehen wir die Straße rauf. Dort ist das zweitälteste Polofeld der Vereinigten Staaten.«
Sie gingen einen Sandweg entlang; die Bahngleise lagen zu ihrer Rechten. Kurz darauf sahen sie vor sich die gepflegte Grünfläche mit einem kleinen weißen Stall auf einer Seite. Auf der anderen Seite standen reizende Häuser, diskret hinter hohen Buchsbaum- und anderen Sträuchern verborgen.
Eine Flottille von Corgis stürmte aus dem offenen Tor eines der Häuser und ergoß sich über das Feld. Tee Tucker blieb stehen, die Ohren aufgerichtet, der Blick wachsam, der nicht vorhandene Schwanz reglos. So viele von ihrer Art hatte sie nicht mehr gesehen, seit sie ein Welpe war.
»Wer bist du?« riefen sie, als sie in der Mitte des Feldes ankamen.
»Tee Tucker aus Crozet, Virginia. Ich bin zum Colonial Cup hier.«
Noch bevor die Worte über Tuckers Lippen waren, wurde sie von den Corgis umschwärmt, die schnupperten und Kommentare abgaben. Schließlich erklärte der Leithund, ein großer Bursche von rötlicher Farbe:»Dies ist eine ausgesprochen feine Vertreterin unserer Rasse. Willkommen in dem großartigen Staat South Carolina. Darf ich dich in unser Haus einladen und dich mit einem Trunk erfrischen oder dir mein Frauchen vorstellen, eine liebliche Lady, die sich freuen würde, dir Camdener Gastlichkeit zu erweisen?«
»Vielen Dank, aber ich muß in Moms Nähe bleiben. Im Dienst, verstehst du.«
»Hm ja, ich verstehe vollkommen. Mein Name ist übrigens Galahad, und dies sind meine zahlreichen Abkömmlinge. Einige sind mit Intelligenz gesegnet, andere mit Schönheit.« Er lachte, und dann widersprachen ihm alle auf einmal.
»Haben Sie schon mal so viele Corgis gesehen?« Mrs. Hogendobber betrachtete die vielen zum Gruß wackelnden schwanzlosen Hinterteile.
»Kann ich nicht behaupten «, sagte Harry lachend.
»Galahad«, fragte Tucker höflich,»hat es beim Colonial Cup jemals Morde gegeben?«
»Wieso, nein, nicht daß ich wüßte, obwohl ich überzeugt bin, daß es so manchen gab, der es erwogen hat, wie Menschen nun mal sind. Bei ihrer Neigung, sich in Gesellschaft reichlich dem Trunk zu ergeben - ich würde sagen, es ist erstaunlich, daß sie sich nicht gegenseitig ins Jenseits befördert haben.«
»Ach, Daddy.« Eines der Mädchen sah Tucker an.»Er redet und redet. Warum fragst du so was?«
»Also, seit Montpelier sind zwei Jockeys ermordet worden. Ich war neugierig. Verstehst du, vielleicht ist es nicht so ungewöhnlich.«
»Höchst ungewöhnlich. Hindernisrennen ziehen nicht so ein Pack an wie Flachrennen«, grummelte Galahad.
»Wie können wir heutzutage Pack von Klasse unterscheiden, Daddy?« fragte die kleine Corgihündin, wohl wissend, wie die Antwort ausfallen würde.
»Bon sang ne sait mentir«, lautete die geknurrte Erwiderung.
»Was heißt das?« Tuckers Augenbrauen zitterten.
»Gutes Blut lügt nicht.«
»Ah, Blut verrät sich«, sagte Tucker. Sie lachte in sich hinein, weil dieses alte Sprichwort Mrs. Murphy auf die Palme brachte. Als Gassenkatze fauchte sie jedesmal, wenn Tucker auf das Thema reinrassige Hunde zu sprechen kam.»Nun, es hat mich gefreut, euch kennengelernt zu haben. Wie ihr seht, gehen die Menschen weiter. Übrigens, ich bin auf der Hampstead Farm abgestiegen. Wenn euch irgendwas einfallen sollte, ein Gedanke über die Renngesellschaft, die Reiter, würde ich es begrüßen, wenn ihr mir Bescheid gebt.«
»Bist du so was wie ein Detektiv?« fragte die hübsche Kleine.
»Ja. Genau.« Tucker sauste los, um Harry und Miranda einzuholen, und hörte die Oohs und Aahs hinter sich. Sie hatte es unterlassen, ihnen zu erzählen, daß sie mit einer Partnerin zusammenarbeitete, einer Katze. Sie würden Mrs. Murphy nie begegnen, also was soll's?