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Charles Valiant wirkte viel älter als seine fünfundzwanzig Jahre. Dunkle Ringe unter den Augen verunzierten sein hübsches Gesicht. Er hatte seit Addies Sturz nichts gegessen. Weder Fair noch seine Freunde konnten ihn zum Essen bewegen. Boom Boom nahm sich, wie alle anderen, ab und zu seiner an. Sie sprach leidenschaftlich von >Lifeline< und versorgte ihn mit Lesestoff, doch er war viel zu deprimiert, um darauf zu reagieren.
Fair saß mit ihm im Wohnzimmer der Hütte auf Mims Grundstück. Harry kochte Wasser für eine Tasse Fertigsuppe. Mrs. Murphy und Tucker lagen still auf dem Teppich.
»Chark, Sie müssen etwas essen«, bat Harry.
»Ich kann nicht«, flüsterte er.
Ein Klopfen an der Tür ließ Fair von dem gemütlichen alten Sessel hochfahren. Er öffnete. »Arthur.«
Arthur trat bedrückt ein und schloß rasch die Tür hinter sich. Er zwang sich zu einem Lächeln. »So, eins wissen wir jedenfalls.«
»Was?« Fairs blonde Bartstoppeln ließen ihn wie einen Wikinger aussehen.
»Schlimmer kann's nicht werden.«
Harry sagte nichts, denn sie dachte, es könne durchaus noch schlimmer werden und würde es auch, wenn der Mörder nicht bald gefaßt wurde.
»Charles, Adelia wird vollkommen wiederhergestellt sein, ehe du dich's versiehst. Sie wird zu Hause sein, bevor die Woche um ist. Bitte iß etwas, damit sie sich nicht auch noch umdich Sorgen macht«, redete Arthur ihm zu.
»Er hat recht«, sagte Fair.
»Ich habe bloß mal reingeschaut, um zu sehen, wie es dir geht.« Arthur streckte die Hand aus. »Fast hätte ich es vergessen. Gratuliere zum Antritt deines Erbes. Ich weiß, du wirst es klug verwenden.«
»Oh«, Charks Stimme klang schwach, »das hatte ich ganz vergessen.«
»Diese beschwerliche Zeit geht vorüber. Alles wird gut, Charles. Und was Adelia betrifft« - er faltete die Hände -, »vielleicht hat sie recht. Sie muß ihre eigenen Wege gehen und sie selbst sein. Ich glaube wirklich, daß sich alles zum Besten wenden wird.« »Danke, Arthur.« Charles schüttelte ihm die Hand.
»So, ich muß machen, daß ich weiterkomme.«
»Ich begleite Sie zu Ihrem Wagen.« Harry öffnete die Eingangstür, und auf dem Weg fragte sie: »Weiß man schon, wer das war in Orions Box? Ich meine, mit Sicherheit?«
Arthur schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich denke, wir wissen es alle.« Ein erstickter Schrei blieb ihm im Halse stecken. »Sie so zu sehen, wo ich dachte, ich würde sie nie wiedersehen.« Er nahm sich zusammen. »Ich werde Mim natürlich einen ausgezeichneten Strafverteidiger empfehlen.«
»Wozu?« fragte Harry unschuldig.
»Die Leiche wurde auf ihrem Grund und Boden gefunden. Ich nehme doch an, daß sie verdächtigt und möglicherweise verhaftet wird.«
Harry hob die Stimme. »Haben denn alle den Verstand verloren? Marylou war eine von Mimsbesten Freundinnen.«
»Die meisten Morde werden an Verwandten oder Freunden verübt.« Er hob die Hände. »Nicht daß ich auch nur für eine Minute glaube, daß Mim Sanburne sie ermordet hat. Aber im Moment ist Mim in einer prekären Lage. Gehen Sie hinein, bevor Sie sich den Tod holen.«
Harry kehrte in Charks Hütte zurück, schloß die Tür fest hinter sich und dachte über die Redensart>sich den Tod holen< nach - als sei der Tod eine Ware, die man sich aus dem Regal nimmt.