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Joyce Harrington, eine ehemalige Schauspielerin, die, wie am Theater üblich, aus ihrem genauen Alter ein Geheimnis macht, hatte als Autorin von Kriminalliteratur einen starken Einstieg. Ihre allererste Kurzgeschichte,»The Purple Shroud«(Ellery Queen’s Mystery Magazine, September 1972.), gewann den Edgar Award. Im St. James Guide to Crime & Mystery Writers (4. Auflage, 1996) nannte Edward D. Hoch die Geschichte» eine ruhige Erzählung über den Lehrer eines Sommerkurses in Kunst und die Frau, die er betrog, eine Geschichte, die sich zu einem Mordfall von subtilem Terror aufbaut. ›The Plastic Jungle‹, Harringtons zweite Geschichte, ist sogar noch gelungener — die makabre Erzählung über ein Mädchen, das mit seiner Mutter in der heutigen Plastikgesellschaft lebt.« In Jersey City, New Jersey geboren, erhielt Harrington ihre Theaterausbildung am Pasadena Playhouse. EQMM gegenüber erzählte sie,»von Haustürgeschäften bis zum Quartiermeister-Corps der US-Armee «habe sie zahlreiche Jobs für zahlreiche Arbeitgeber ausgeübt. Später schloss sich eine erfolgreiche Karriere in der Werbe- und PR-Branche an.
Harrington hat drei bemerkenswert abwechslungsreiche und beliebte Romane geschrieben — No One Knows My Name (1980; dt. Der letzte Vorhang), ein Theaterkrimi, Family Reunion (1982), eine Spielart des modernen Schauerromans, und Dreemz of the Night (1987), das vor einem selten verwendeten Hintergrund von Graffiti als Kunstform spielt — am bekanntesten ist sie jedoch weiterhin als Autorin von Kurzgeschichten. Obwohl ihre Geschichten bisher noch nicht als Sammlung erschienen sind, ist sie eine Meisterin des Kurzkrimis und kann sich durchaus mit Roald Dahl und Stanley Ellin messen. Eine ihrer charakteristischen Eigenschaften ist die Fähigkeit, in einer Vielfalt von Stilen zu schreiben, darunter auch im ländlichen Dialekt der Erzählweise von» Süße kleine Jenny«.
Ich hab nie eine Mutter gehabt, wenigstens keine, an die ich mich erinnern kann. Ich muss aber mal eine gehabt haben, weil so weit ich weiß, bin ich ja nicht aus dem Ei geschlüpft. Sogar Küken dürfen sich ein Weilchen unter der Henne verkriechen, bevor die sie aus dem Nest schubst. Aber ich hab keine Henne gehabt, wo ich mich hätte verkriechen können oder die mir auf den Kopf gepickt hätte, wenn ich mal Dummheiten gemacht hab.
Nicht, dass ich Dummheiten machen würde. Jedenfalls nicht, solang ich wüsste, dass es eine wär. Vieles von dem, was sich so abspielt, ist mir ein totales Rätsel, ich weiß einfach nicht, was richtig ist und was falsch. Zum Beispiel erinner ich mich, wie Ace — das ist mein ältester großer Bruder, der sich um uns alle kümmert, seit Pop weggegangen ist — also, ich erinner mich, wie der in die Läden in der Stadt Bier ausgefahren hat und der Rübenkeller immer voll mit Sechserpacks war. Eines Tages hab ich ihn gefragt:»Ace, wieso hast du eigentlich den ganzen Keller voll Bier, und ich darf keinen Keller voll Coca-Cola haben? Ich mag kein Bier. «Damals war ich so etwa neun oder zehn Jahre alt und konnte gar nicht genug kriegen von Coke-Cola.
Na, da hat Ace aber bloß gelacht und gesagt:»Süße kleine Jenny«— so haben sie mich alle genannt, sogar wie ich schon ganz erwachsen war —»Süße kleine Jenny, wenn ich einen Coke-Cola-Laster fahren würde, dann könntest du auf einem ganzen Meer davon in den Himmel segeln.
Jetzt trink halt einfach dein Bier und gewöhn dich dran.« Dumm war ich ja nie, obwohl ich in der Schule nicht so gut war, hab also nicht lang gebraucht, um mir auszurechnen, dass Ace fast genauso viel Bier in den Rübenkeller lieferte wie an Big Jumbos kleinen Supermarkt drunten an der Main Street. Fair hab ich es also nicht gefunden, als er, wie sie mich im Laden mit einem Lippenstift in der Tasche geschnappt haben, gleich auf mich los ist und mir vor dem teiggesichtigen Geschäftsführer dort die Hölle heiß gemacht hat. Ich hab bloß dagestanden und ihn angeguckt mit Augen scharf wie Abstechmesser, und wie wir draußen am Laster waren, hab ich zu ihm gesagt:»Was ist denn der Unterschied zwischen einem klitzekleinen Lippenstift und einem Keller voller Bier?« Da grinst er und sagt:»Ist das ’ne Rätselfrage?« Und ich sag:»Nein, aber ich würd’s schon gern wissen.« Und er sagt:»Der Unterschied, süße kleine Jenny, ist der, dass sie dich geschnappt haben.« Also ich bitte Sie!
Es war allerdings doch ganz anders, wie sie ihn dann geschnappt haben. Da hat er geschimpft und geflucht und andauernd mit dem Fuß gegen die Veranda gekickt, bis sie fast vom Haus abgefallen wär, die ganze Zeit, während die Jungs von der Bierfirma das ganze Bier aus dem Rübenkeller hochgeschleppt und wieder auf dem Laster verstaut haben. Als sie wegfuhren, sag ich zu ihm, süß wie Zuckersirup:»Ace, Lieber, was hast du dich denn so?« Und er sagt:»Verdammt, Jenny, die haben mir mein Bier weggenommen. Ich pfeif auf den Job, war sowieso ein Scheißknochenjob, aber für das Bier da hab ich hart gearbeitet, das hätten die mir nich wegnehmen dürfen.« «Aber, Ace«, sag ich und halt seine Hand fest und schwing sie wie ein Springseil,»ist es denn nicht so, dass du das Bier gestohlen hast und sie haben dich geschnappt und du musst es zurückgeben wie ich damals den Lippenstift?« Na, da hat er mich von sich geschleudert, dass ich gegen die alte Waschmaschine geknallt bin, die im Hof steht und drauf wartet, dass einer sie repariert, und hat gebrüllt:
«Was fällt dir ein, ich hab überhaupt nix gestohlen! Das Bier war sozusagen eine Lohnnebenleistung, bloß dass die nicht gewusst haben, dass sie sie leisten. Die zahlen nicht mal genug, dass ordentliche Zopfbänder für dich rausspringen und für mich Biergeld übrig bleibt. Ich hab mir bloß geholt, was mir zusteht.« Also, in dem Punkt hatte er Recht. Ich hatte nichts, was man mit Recht ein Haarband nennen konnte, und musste mir die Zöpfe mit den Schnüren von Deucys alten Bull-Durham-Tabakbeuteln zusammenbinden.
Deucy, das haben Sie vielleicht erraten, ist mein Zweitältester großer Bruder und ein unnützer, fauler Sack, obwohl manche Leute finden, er sieht gut aus und sollte als Filmstar gehen. In der Familienbibel heißt Ace Arthur, und Deucy steht als Dennis drin. Dann gibt’s noch Earl, Wesley und Pembrook. Und schließlich auch noch mich, Jennet Maybelle. Das ist der letzte Name auf der Geburtenseite. Auf der Totenseite steht als letzter Name Flora Janine Taggert. Es ist mit spitzen schwarzen Buchstaben geschrieben, wie wenn die Feder ins Blatt gestochen hätte, und als Datum ungefähr einen Monat oder so, nachdem man meinen Namen auf die Geburtenseite geschrieben hat. Ich weiß, dass das meine Mutter ist, obwohl es mir nie jemand gesagt hat. Mir hat auch nie jemand gesagt, wie sie gestorben ist. Was Pop betrifft, so gibt’s in der Bibel keine Seite für Leute, die sich einfach davonmachen.
Deucy spielt Gitarre und singt und hält sich für Conway Twitty. Behauptet, er geht mal nach Nashville und kommt in ’nem Cadillac mit Leopardenfellpolstern wieder. Das würd ich wirklich gern sehen, obwohl es wahrscheinlich nie dazu kommt. Deucy, der ist doch schon zu faul, von der Verandaschaukel aufzustehen und sich ein Glas Wasser zu holen. Immer heißt es:»Süße kleine Jenny, hol mir mal dies und hol mir mal das. «Aber sich zum Abendessen an den Tisch zu bequemen, dafür ist er nicht zu faul.
Das hält die Mädchen aber nicht davon ab, um ihn rumzuschwirren, ihm Geschenke zu bringen und andauernd dämlich zu grinsen wie das Schweinchen, das die Babywindel gefressen hat. Die hoffen und beten alle, sie sind diejenige, die mit ihm nach Nashville darf und im Cadillac zurückfährt. Und er macht sich nicht die Mühe, die Sache klarzustellen. Sie sollten mal hören, wie die Verandaschaukel im Finstern quietscht. Die sind ja so was von dämlich!
Also, Earl und Wesley, die bemühen sich wenigstens.
Sehen nicht besonders gut aus, obwohl sie das schwarze Taggert-Haar haben und die Taggert-Nase. Ich weiß noch, wie Pop sagte, er wär zum Teil Cherokee und an seinen Söhnen könnte man’s sehen. Während Ace und Deucy aber wie Indianerhäuptlinge aussehen, hat Earl Schielaugen, und Wesley ist von der Kastanie gefallen und hat sich die Nase gebrochen und wegen Scharlach fast alle Haare verloren.
Sie bemühen sich. Fangen zusammen andauernd irgendwelche Geschäfte an.
Einmal war’s ein Eiergeschäft, da hatten wir dann auf dem ganzen Hof Hühner rumlaufen. Sie haben gesagt, sie würden ihre Eier billiger verkaufen als sonst wer in der Gegend und ein Vermögen verdienen, und dann würden wir alle nach Kalifornien gehen und in einem großen Hotel mit Swimmingpool wohnen und brauchten bloß mit den Fingern zu schnippen, dann kämen die Kellner und brächten uns Hamburger. Na ja, die Eier haben die Leute dann schon gekauft, aber irgendwie hatten Earl und Wesley vergessen, dass zweihundert Hühner auch eine Menge Hühnerfutter fressen, und so ist es ihnen nie geglückt, in der Futtermittelhandlung aus den Miesen zu kommen. Ich hätte ihnen sagen können, wie man es macht, nämlich indem man den Eierpreis anhebt und sie als was Besonderes deklariert, damit jeder meint, er müsste unbedingt Taggerts frische Landeier haben, egal, was sie kosten. Aber Earl und Wesley haben mich weggeschubst und gesagt:»Süße kleine Jenny, du bist bloß ein Mädchen und verstehst nichts vom Geschäft. Geh jetzt raus und fütter die Hühner und sammel die Eier ein und mach uns
’nen schönen Pfirsichauflauf zum Abendessen. Vom Geschäftsleben kriegt man ganz schön Hunger.« Na ja, die Futtermittelhandlung hat ihnen dann schon recht bald den Kredit gestrichen, und weil es kein Futter mehr für die Hühner gab, mussten wir so viele wie möglich davon aufessen, bevor sie alle verhungert sind, und das war dann das Ende vom Eiergeschäft. Weil Earl und Wesley beide ein weiches Herz haben und vom Gram gebeugt waren, haben sie es nicht fertig gebracht, auch nur ein einziges Huhn zu schlachten. Ich hab mir dann beim Hühnerhälseumdrehn fast den Arm verrenkt. Früher mochte ich Brathuhn, aber jetzt nicht mehr.
Pembrook, das ist der Gescheite. Der stiehlt nicht und singt nicht und fängt auch keine Geschäfte an. Der geht aufs staatliche College und studiert Rechtsanwalt. Der ist der Einzige, der sich mit mir unterhalten hat, und er fehlt mir. Ich hatte ihn immer mal fragen wollen, was mit unserer Mutter geschehen ist, wie sie gestorben ist und wieso Pop einfach so abgehauen ist. Ich hab mir aber nie ein Herz fassen können.
Paar Mal im Monat schreibt Pembrook mir einen Brief und erzählt mir, wie es im College so läuft. Klingt wirklich gut. Er bekniet mich andauernd, ich soll doch wieder auf die Schule und meinen Abschluss machen und aufs College gehen und lernen, damit was aus mir wird.
Na, würd ich schon ganz gern, aber wer kümmert sich dann um die Jungs? Dass ich in der Schule nicht so gut war, kam daher, weil ich nie Zeit zum Lernen hatte, wo ich mich doch um die Jungs kümmern musste, als wär ich ihre Mutter statt die süße kleine Jenny, wie sie mich immer nennen. Bloß Pembrook nannte mich nie so.
Was anderes, was ich Pembrook immer mal fragen wollte, aber nie gefragt hab: woher es eigentlich kommt, dass ich ausseh wie ein Kanarienvogel im Kuckucksnest.
Pembrook sieht mehr oder weniger aus wie die anderen Jungs, obwohl er sein schwarzes Haar schön sauber hält und auf seiner scharfen Taggert-Nase eine große Brille trägt. Seine Augen sind dunkelbraun wie ihre, und im Sommer wird er in der Sonne immer schön braun. Meine Sommersprossen verstärken sich im Sommer aber bloß, während die Stellen dazwischen rot werden. Und mein Haar, das die meiste Zeit gelb ist wie Lehm, wird immer heller und ringelt sich zu drahtigen Löckchen, wenn ich es nicht flechte. Und dann meine Augen! Die sind gar nicht wie die von den Jungs, sondern grünlich blau oder bläulich grün, je nach Wetter. Und was meine Nase betrifft, könnte die nicht weniger nach Taggert aussehen, wenn’s ein Pumpenschwengel wär. Klein und hässlich, eine Himmelfahrtsnase.
Vielleicht schlage ich ja nach meiner Mutter, obwohl ich das nicht sicher weiß, weil ich sie ja nie zu Gesicht gekriegt oder ein Foto von ihr gesehen hab.
Pembrook findet mich hübsch, aber das kommt bloß daher, weil er mich mag. Pembrook sagt, ich sehe Miss Claudia Carpenter sehr ähnlich, und die gilt als das hübscheste Mädchen in zwei Landkreisen; gesehen hab ich sie aber noch nie, dass ich es vergleichen könnte. Sie ist die Tochter vom einzigen Bankdirektor in der Stadt. Sie ist ungefähr ein Jahr älter als ich und lässt sich hier rum nicht viel blicken. Die haben sie auswärts auf die Schule geschickt, und andauernd macht sie Reisen hierhin und dahin. Kann doch nicht besonders lustig sein, wenn man nie bei sich zu Hause ist. Pembrook hat mir erzählt, unsere Mutter hätte früher bei den Carpenters im Haushalt ausgeholfen, auf Partys und so oder wenn das normale Hausmädchen bei denen krank wurde. Vielleicht könnte ich auch so eine Arbeit finden und ein bisschen Geld beiseite legen, bloß für den Fall, dass ich doch mal das mache, was Pembrook sagt.
An etwas kann ich mich noch von Pop erinnern, bevor er wegging. Er hat mir immer Geschichten erzählt. Dazu hat er sich in seinen großen, dunkelbraunen Sessel gesetzt, mich auf den Schoß genommen und gesagt:»Also, hör zu.
Jetzt kommt eine Geschichte über ein böses, kleines Mädchen. «Es war jedes Mal eine andere Geschichte, aber immer ist es um ein Mädchen namens Böse Penny gegangen. Sie war hässlich und gemein und boshaft, und niemand konnte sie leiden. Immer hat sie Ärger gemacht, und am Ende wurde sie immer bestraft. Mal haben die Schweine sie aufgefressen, und mal ertrank sie im Bach.
Einmal wurde sie von der Scheibenegge in kleine Stückchen zerhäckselt, und ein andermal fiel sie in den Getreidespeicher und erstickte im Weizen. Sie ist aber immer wieder zurück gekommen, gemein und fies wie immer, und deshalb hieß sie Böse Penny. Nach der Geschichte brachte Pop mich dann immer in mein Zimmer rauf und ins Bett.
Mir gefielen die Geschichten, obwohl sie mir auch ein bisschen Angst gemacht haben. Ich wusste zwar, dass Schweine keine kleinen Mädchen fressen, um den Schweinestall herum war ich aber ziemlich vorsichtig.
Heute halten wir keine Schweine mehr, aber damals, als wir ein paar hatten, musste ich ihnen immer den Schweinetrank rausbringen.
Na, und dann kam es ganz schlimm, als Ace die Tankstelle an der Kreuzung drunten ausraubte und Junior Mulligan ihn erkannte, der damals gerade zufällig seinen Pickup auftankte und Ace nicht mehr leiden konnte, seitdem die beiden zusammen beim Jagen gewesen waren und Ace behauptet hatte, es wär sein Hirsch gewesen, und Junior in den Dead Man’s Gully gestoßen und ihm das Bein gebrochen hatte. Junior ging also gleich zur Polizei, und die kamen an und zerrten Ace aus dem Red Rooster Café, wo er allen Bier und hart gekochte Eier spendiert hatte.
Es war traurig und einsam zu Hause ohne Ace, der sonst immer für Aufregung gesorgt hatte, und auch still, weil Deucys Gitarre im Pfandhaus war und er deswegen vor lauter Kummer keinen einzigen Ton singen konnte. Earl und Wesley versuchten, in der Umgebung Versicherungen zu verkaufen, aber von den Leuten, die wir kannten, konnte sich keiner eine kaufen, und die Leute, die wir nicht kannten, wollten nicht. Da musste also ich mir was einfallen lassen.
Ich kam auf meine Idee zurück, als Hausmädchen zu gehen wie unsere Mutter, was Pembrook mir ja erzählt hatte. Es machte mir nichts aus, bei jemand anderem im Haushalt zu arbeiten, obwohl Deucy meinte, es wär unwürdig und würde sich nicht schicken für eine Taggert.
Soweit ich sehen konnte, fand Deucy jede Art von Arbeit unwürdig, außer vielleicht die Verandaschaukel ausleiern.
Eines Morgens habe ich mich also von oben bis unten gewaschen, auch die Haare, mir die Fußnägel geschnitten, damit ich Schuhe anziehen konnte, mir dann eins von den Kleidern meiner Mutter aus dem Schrank auf dem Dachboden geholt und mich fertig gemacht für einen Besuch bei Mrs. Carpenter. Das Kleid passte mir recht gut, obwohl es ein bisschen lang war und auch recht eigenartig aussah zu meinen hohen Schnürturnschuhen, aber weil ich nichts anderes hatte, musste es eben gehen.
Ich ging zu Fuß in die Stadt und wedelte mir mit dem Rock von Zeit zu Zeit Luft zu und blies vorn in den Ausschnitt, damit der Schweiß auf den grünen und weißen Tupfen keine Flecken machte. Ich erreichte das Haus der Carpenters, bevor die Sonne halb am Himmel stand, ungefähr zu der Zeit, wo Deucy sich aus dem Bett wälzte und nach Kaffee brüllte. Nun, an diesem Morgen würde er sich eben selber was zum Frühstück suchen müssen. Ich blieb eine Weile so stehen, die Hand am eisernen Tor, und blickte zu dem Haus hinauf. Es war riesig, leuchtete weiß wie eine Hochzeitstorte und hatte bestimmt zwei Dutzend Fenster allein auf der Vorderseite. Es stand ein bisschen nach hinten versetzt, und davor lag ein so grüner Rasen, wie ich ihn noch nie gesehen hatte, der sich bis zu einer Reihe von stacheligen Büschen an der Veranda hinzog.
Ich hatte es schon öfter gesehen, wenn Ace mich im Bierlaster mitgenommen hatte und mir erzählte, er musste bloß mal eine Bank ausrauben, dann würden wir in dieser Gegend neben den reichen Leuten wohnen. Ich hatte es mir aber nie richtig aus der Nähe angeschaut, weil ich mir schon dachte, dass er einen Witz machte. Jetzt guckte ich hin, bis ich anfing zu zittern, und überlegte, ob ich gleich direkt an die Haustür marschieren oder hintenherum schleichen sollte. So lang stand ich dort, dass es sich anfühlte, als hätten meine Füße auf dem Gehweg Wurzeln geschlagen, und wenn ich mich bloß hätte losreißen können, wäre ich nach Hause gerannt und hätte mich nicht mehr weggerührt.
Aber als mir einfiel, dass bloß noch ein knappes halbes Pfund Kaffee übrig war und gerade genug Mehl für ein Blech weiche Brötchen, zog ich das eiserne Törchen auf und steuerte auf die große Haustür zu. Es kam mir so vor, als würde ich eine Stunde lang den Fußweg hinaufgehen; meine Füße fühlten sich an wie riesiggroße Floßbretter, und mein Haar hüpfte aus den Zöpfen, die ich so ordentlich geflochten hatte. Aber schließlich gelangte ich auf die Veranda am Haus, hielt den Finger auf die Türglocke und hörte, wie es drinnen ding-dong machte.
Ich wartete. Aber die Tür blieb geschlossen.
Es war eine hübsche Tür, weiß gestrichen wie der Rest des Hauses, und ich guckte mir jedes Paneel und den großen Türknauf aus Messing und den Briefkasten daneben ganz genau an, während ich wartete. Ich überlegte, ob ich vielleicht noch mal klingeln sollte.
Vielleicht war niemand zu Hause. Vielleicht war ich den ganzen Weg umsonst gekommen. Die würden mich wahrscheinlich gar nicht als Hausmädchen haben wollen, auch wenn sie zu Hause waren. Das grün-weiße Kleid hing schlaff um meine Schienbeine herum, und meine Turnschuhe waren voller Straßenstaub. Vielleicht sollte ich einfach nach Hause gehen und abwarten, bis mir eine bessere Idee kam.
Ich wandte mich ab und wollte gerade die Verandatreppe hinuntergehen, als ich hinter mir die Tür aufgehen und es plötzlich scharf wie einen Blauhäher keckem hörte:»Ja?« Ich drehte mich um und sah, wie mich eine groß gewachsene, magere Frau mit einer so steilen Falte zwischen den Augen anstarrte, dass ich trotz der Hitze zittern musste.»Miz Carpenter?«, sagte ich.
«Ja, ich bin Mrs. Carpenter. Und wer bist du? Was willst du? Ich bin sehr beschäftigt.« Mein Hals schnürte sich zusammen, und ich konnte nicht schlucken, und wie ich dann sagte:»Ich bin gekommen, um bei Ihnen das Hausmädchen zu machen«, da dachte ich, sie könnte mich vielleicht nicht hören, weil ich mich selber nicht hören konnte.
«Was?«, fragte sie.»Rede lauter. Was soll das mit dem Hausmädchen?« «Wegen dem bin ich gekommen«, sagte ich.»Wenn Sie mich nehmen.« «Na, sieh mal einer an!«, sagte sie und zeigte alle ihre gelben Zähne.»Du kommst ja wie gerufen! Wo kommst du denn plötzlich her, und wer hat dich geschickt? Ach, ist ja egal. Komm herein und fang gleich an. Du siehst kräftig aus. Ich hoffe bloß, du bist auch guten Willens.« «Ja, Madam«, sagte ich, und flugs zerrte sie mich durchs Haus und in die Küche direkt ans Spülbecken, wo mehr Geschirr stand, als ich im Leben je gesehen hatte, und alles schmutzig.
«Fang einfach gleich an«, sagte sie.»Die Spülmaschine ist da drüben. Ich bin in ein paar Minuten wieder da.« Also, im Warenkatalog von Sears Roebuck hatte ich schon mal Spülmaschinen gesehen, hatte aber noch nie direkt vor einer gestanden. Was die machen sollte, wusste ich. Ich war mir bloß nicht ganz sicher, was ich machen sollte. Und außer meinen eigenen beiden Händen traute ich auch nichts so recht. Also hab ich das Geschirr so sauber wie möglich gemacht, bevor ich es in die Maschine tat, bloß für den Fall, dass wir uns missverstanden hatten.
Es war das schönste Geschirr, das ich je gesehen hatte, auch wenn alles mit angetrockneter Soße verklebt war.
Nach ein paar Minuten kam Mrs. Carpenter mit einem Paar schwarzer Schuhe und einem weißen Kleid wieder.
Sie ließ sich auf einen Küchenstuhl fallen und lächelte mich an.»Wie heißt du denn, mein Kind?« «Jennet Maybelle.« Das mit Taggert ließ sie mich gar nicht mehr sagen, sondern redete einfach weiter.
«Na gut, ich werde dich Jenny nennen. Diese dumme Gans Marcelline hat mich gestern Abend mitten in einer Dinnerparty im Stich gelassen, und ich wollte gerade herumtelefonieren, als du reingeschneit kamst. Ich zahle dir fünf Dollar pro Tag, dazu Mahlzeiten und Haustracht, aber wenn du was kaputtmachst, musst du’s bezahlen, sei also vorsichtig mit dem Geschirr. Die Teller kosten zwanzig Dollar das Stück.« Ich stellte den Teller hin, den ich gerade in der Hand hatte, und überlegte, aus was der wohl gemacht war. Er sah nicht so aus, als wär er aus massivem Gold. Die Teller bei uns zu Hause waren alt und hatten Sprünge und waren schon immer da gewesen, so lange ich mich erinnern konnte. Was die gekostet hatten, wusste ich nicht. Wenn einer kaputtging, schmissen wir ihn einfach zusammen mit dem ganzen anderen Abfall in den Bach hinterm Haus.
Mrs. Carpenter redete immer noch.»Also, diese Turnschuhe hier kannst du im Haus nicht anlassen. Ich habe dir ein Paar von Claudias alten Schuhen mitgebracht, vielleicht passen die. Und diese Haustracht ist dir vielleicht ein bisschen zu groß, du bist ja ein mageres kleines Ding, aber wir können sie vielleicht mit einem Gürtel zusammenziehen.« Das fand ich ziemlich daneben, dass sie mich mager nannte, wo sie selber wie eine Bohnenstange aussah. Ich sagte aber nichts. Die Schuhe sahen hübsch aus mit dem kleinen Absatz und glänzten schwarz, und die Haustracht war frisch gestärkt und sauber.
Sie hörte kurz auf zu reden und begann mich aufmerksam zu mustern.»Habe ich dich nicht schon mal irgendwo gesehen?«, meinte sie dann.»Ich könnte schwören, dein Gesicht kommt mir bekannt vor. Wo bist du denn her?« Ich deutete in Richtung nach Hause und sagte:»Von der Clinch Valley Road. «Ich wollte ihr eigentlich erzählen, dass meine Mutter mal als Hausmädchen bei ihr gearbeitet hatte, aber sie ließ mir gar keine Chance dazu. Sie sprang auf, ließ die Schuhe auf dem Boden und das Kleid auf dem Stuhl und schüttelte den Kopf.
«Ich kenne gar niemanden dort draußen. Du kannst dich dahinten umziehen. «Mit einem Handschwenken wies sie auf eine Tür auf der anderen Seite der Küche.»Und wenn du mit dem Geschirr fertig bist, bin ich oben. Ich werde dir zeigen, wie die Schlafzimmer gemacht werden.« Der Tag schritt voran. Ich zerbrach kein Geschirr und knobelte selber aus, welchen Knopf ich drücken musste, um die Maschine in Gang zu setzen. Es versetzte mir einen ganz schönen Schreck, als es hinter der geschlossenen Klappe heftig zu rucken und zu spucken anfing, und ich betete, dass doch ja keiner von diesen Zwanzig-Dollar-Tellern zerbrechen würde und ich dann dran schuld wäre. Mrs. Carpenter zeigte mir das ganze Haus und sagte mir, was zu tun war. Zur Mittagszeit zeigte sie mir, was ich zum Essen machen sollte. Wir aßen beide das Gleiche: kaltes Roastbeef, das vom Vorabend noch übrig war, und etwas Kartoffelsalat, bloß dass sie ihres im Speisezimmer aß und ich meins in der Küche.
Ich trank zwei Gläser eiskalte Milch und hätte auch noch mehr trinken können, wollte aber nicht gierig erscheinen.
Nachmittags hieß sie mich die Fenster putzen. Es war keine schwere Arbeit, zu Hause arbeitete ich schwerer, und es war ein Genuss, auf die Rosen hinten und den ganzen grünen Rasen vorn rauszuschauen, während ich die Scheiben polierte, bis sie aussahen, als wären sie überhaupt nicht da.
So etwa um vier schleppte sie mich wieder in die Küche und teilte mir mit, was Mr. Carpenter zum Abendessen wollte.»Er hat eine ziemliche Schwäche für Brathähnchen, aber anscheinend kann sie niemand so machen, dass er zufrieden ist. Ich jedenfalls nicht.
Außerdem ist er furchtbar scharf auf Süßes. Ich selbst esse keinen Nachtisch, aber er steht ohne gar nicht vom Tisch auf.« Nun gut. Ich machte mich daran, meine Spezialitäten zuzubereiten. Mit Hähnchen hatte ich ja viel Erfahrung, und mein Pfirsichauflauf war nahezu perfekt, wenn ich das so sagen darf. Mrs. Carpenter ging aus der Küche, um ein Schläfchen zu halten, nachdem sie mir gesagt hatte, Mr. Carpenter erwartete, sich um Punkt halb sieben an den Tisch setzen zu können.
Um Punkt halb sieben trug ich eine Platte mit Brathähnchen herein, und Mr. Carpenter klatschte sich schwungvoll seine Serviette auf den Schoß und haute rein.
Er schaute mich nicht einmal an, aber ich schaute ihn an.
Er war ein sommersprossiger, rotblonder Mann mit Goldrandbrille und engem Hemdkragen. Zwar hatte er noch alle Haare, aber allmählich verblassten sie zu einer Art rosagelblichem Flaum. Seine Augen waren blau, oder vielleicht grün, hinter seiner Brille war das schwer zu sagen, und seine Nasenspitze zeigte nach oben wie das Blatt an einer Schlaghacke.
Ich hatte etwas Grünzeug als Beilage zu dem Hähnchen hergerichtet, das schaufelte er auch rein; dabei tröpfelte ihm die Sauce übers Kinn, und er wischte sie sich mit seiner feinen Serviette weg. Mrs. Carpenter stocherte in ihrem Essen bloß herum und beobachtete, wie ihm seins schmeckte.
Als ich den Pfirsichauflauf hereinbrachte, lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und seufzte.»Das war das beste Essen seit Jahren, Marcelline.« «Das ist nicht Marcelline«, sagte Mrs.
Carpenter.
«Marcelline ist gestern Abend gegangen. Das ist Jenny.« Da sah er mich an. Erst durch seine Brille und dann ohne seine Brille. Und dann polierte er die Brille mit seiner Serviette, setzte sie wieder auf und versuchte es noch mal.
«Aha!«, sagte er.»Jenny. So, so. Sehr nett. «Dann stand er vom Tisch auf und ging aus dem Zimmer, ohne meinen Pfirsichauflauf überhaupt zu probieren.
Mrs. Carpenter sauste ihm hinterher.»Paul! Paul!«, schrie sie.
«Was ist mit deinem Nachtisch?« Mir war es egal. Pfirsichauflauf ist am besten, wenn er ganz heiß ist, aber am nächsten Tag ist er auch noch gut.
Ich trug ihn wieder in die Küche, machte vollends sauber und zog zum Nachhausegehen wieder meine Kleider an.
Weil ich hoffte, dass Mrs. Carpenter mir meine fünf Dollar bezahlte, damit ich Deucy und Earl und Wesley was zu zeigen hatte, blieb ich noch ein Weilchen länger.
Es war aber nicht Mrs. Carpenter, die in die Küche kam, sondern er. Er stand in der Tür, zupfte sich am Ohr und schaute mich an, als wünschte er, ich sollte vom Erdboden verschwinden. Dann schlurfte er in die Küche und kam direkt zu mir her, wo ich mit dem Rücken zum Kühlschrank stand, und fasste mich am Kinn. Er hielt mein Gesicht hoch, so dass ich ihn ansehen musste, wenn ich nicht die Augen zumachte, was ich ein Weilchen auch tat, aber dann machte ich sie wieder auf, weil ich es allmählich mit der Angst bekam. Dann legte er mir die Hand auf die Schulter und nahm meinen Kleiderkragen zwischen die Finger, um ihn sanft zu befühlen. Schließlich redete er.
«Du bist eine Taggert, hab ich recht, Mädchen?« «Ja, stimmt. Ich heiße Jennet Maybelle Taggert. «Ich sagte es voller Stolz, denn in der kurzen Zeit, die ich in der Schule verbracht hatte, hatte ich gelernt, dass viele Leute die Taggerts für Gesockse halten, und die einzige Art, damit umzugehen, ist, sich nicht zu schämen.
Da sagte er plötzlich etwas, was ich nicht begriff.»Bin ich die Taggerts denn nie los? Werden mich die Taggerts noch bis ins Grab verfolgen?« «Sie sehen mir aber ganz gesund aus«, sagte ich und fügte» Sir «hinzu, damit er mich nicht für vorlaut hielt.
Darauf sagte er gar nichts, sondern zog seine Brieftasche hervor und machte sie auf. Ich dachte, er würde mir meine fünf Dollar zahlen, und wollte gerade danke und gute Nacht sagen, als er plötzlich ein Foto rauszog und es mir reichte.
«Was glaubst du, wer das ist?«, fragte er mich.
Nun, ich sah hin, wusste aber nicht, wer es war. Das Foto war in Farbe und zeigte ein Mädchen etwa in meinem Alter mit gelbem Lockenhaar und einem breiten Lächeln.
Sie trug ein wirklich hübsches Kleid, ganz in Blau und mit Rüschen, als würde sie auf eine Party gehen oder zum Tanzen. Ich gab ihm das Foto zurück.
«Sie ist wirklich hübsch, aber ich weiß nicht, wer es ist.« «Das ist meine Tochter Claudia.« Weil ich nicht wusste, was ich sonst noch sagen sollte, sagte ich noch mal:»Sie ist wirklich hübsch.« «Nein, ist sie nicht«, sagte er.»Ein verzogenes Gör ist sie. Sie hält sich für das schönste weibliche Geschöpf, das je auf Erden wandelte. Aber sie ist nichtsnutzig, eingebildet und nicht liebenswert. Und es ist alles meine Schuld.« Ich wusste nicht, wieso er mir das alles erzählte, aber es machte mich ganz nervös, und überhaupt musste ich ja nach Hause, um den Jungs das Abendessen zu machen.
Die würden sich ganz schön aufregen, dass ich so spät dran war.»Hm«, sagte ich,»ich glaub, ich geh dann mal.« «Geh nicht. «Er packte mich am Arm und zerrte mich hinüber, wo ein Spiegel an der Wand hing, damit ich mich davor hinstellte.
«Schau hinein«, sagte er.»Wen siehst du da?« «Na, das bin bloß ich. «Ich versuchte mich von ihm loszumachen, aber er hielt mich fest.
«Das ist eine hübsche junge Frau«, sagte er.»So wie eine junge Frau sein soll — anständig und reinlich und bescheiden. Ich wünschte, du wärst meine Tochter, Jenny Taggert, statt dieser Range, die nicht zu Hause bleibt, da, wo sie hingehört, und sich so aufführt, dass kein vernünftiger Mann sie heiraten würde. Wie fändest du das? Würdest du gern hier wohnen und mein Mädchen sein?« Na, ich merkte, wie mir der Hals rot wurde, weil Ace mir nämlich gesagt hat, wenn ein Mann anfängt, einem Komplimente zu machen, dann hat er bloß eins im Sinn, und ich hatte ja oft genug gehört, wie Deucy seinen Damen auf der Verandaschaukel was vorgesäuselt hat.
«Verzeihen Sie, Mr. Carpenter«, sagte ich,»ich muss aber jetzt nach Hause, würden Sie mir bitte meine fünf Dollar zahlen, damit ich den Jungs was zum Abendessen bringen kann?«Ich wusste, das war gewagt, aber er machte mich ganz nervös, und da rutschte es mir einfach so raus.
Er ließ mich los und zog wieder seine Brieftasche heraus.»Das zahlt Clemmie dir also? Fünf Dollar? Na, das ist nicht genug. Hier hast du, hier und hier.« Die Scheine hüpften nur so aus seiner Brieftasche, und er stopfte sie mir in die Hände. Als ich genau hinsah, hatte ich plötzlich drei Zehndollarscheine. Und nicht nur das – nun schleppte er auch noch das übrig gebliebene Hähnchen heran, das ich schon verräumt hatte, und schob es in eine Papiertüte.
«Nimm den Pfirsichauflauf auch noch«, sagte er,»und was du sonst noch willst. Nimm alles mit.« «Aber das geht doch nicht. Was würde denn Mrs. Carpenter sagen?« «Ich sag ihr einfach, ich hätte nachts noch Hunger bekommen und es gegessen. «Darauf lachte er, doch es hörte sich nicht glücklich an. Es hörte sich an, wie wenn in ihm etwas zerbrechen würde.
«Danke, Sir«, sagte ich und machte mich schnell durch die Hintertür davon, bevor er sich was neues Verrücktes ausdenken konnte und ich Scherereien bekäme.
Seine Stimme kam hinter mir her:»Du kommst morgen doch wieder, nicht wahr?« «Na klar«, rief ich zurück. Ich war mir aber nicht so sicher.
Auf dem ganzen Heimweg dachte ich über Mr. Carpenter und sein seltsames Benehmen nach. Doch ich wurde einfach nicht schlau daraus. Ich konnte mir bloß denken, dass ihn all sein vieles Geld wohl wirr im Kopf gemacht hatte, und dankte Gott, dass wir arme Schlucker waren und es uns nicht leisten konnten, verrückt zu sein.
Das schlug ich mir aber alles aus dem Kopf, als ich an die Schotterstraße kam, die zu unserem Haus führte. Der Mond löste sich gerade von der Spitze des mächtigen alten Fliederbusches am Rand des Grundstücks, und im sanften Licht war die ganze Hässlichkeit, die man tagsüber sehen konnte, etwas abgemildert. Mit den Lichtern, die in den Fenstern leuchteten, wirkte das Haus einladend, und dort im Vorgarten stand Pembrooks klappriges altes Auto. Ich rannte die Veranda hoch, stürzte ins Haus und schrie dabei seinen Namen.
Sie waren alle in der Küche versammelt, und an ihren dunklen Taggert-Gesichtern konnte ich sehen, dass ich in einen Streit reingeplatzt war. Das war mir aber egal. Ich stellte Carpenters Essen auf den Tisch und sagte:»Hier ist Abendessen, Jungs. Haut rein.« Deucy und Earl und Wesley taten genau das und machten sich nicht mal die Mühe, Teller zu holen, sondern grabschten sich das Hähnchen gleich mit den Fingern.
Dann setzte ich mich hin, zog meinen linken Turnschuh aus und holte das Geld heraus.»Da und da und da«, sagte ich, während ich die Scheine auf den Tisch hin zählte.
Deucy kriegte Stielaugen, und Earl und Wesley riefen:
«Juhuuu!«, so gut sie eben konnten mit dem Mund voller Hühnerschlegel.
Pembrook sah aus wie ein Häufchen Elend.
«Wo hast du das denn alles her, Jenny?«, fragte er.
«Ich bin als Hausmädchen gegangen«, teilte ich ihm mit.
«Wohin bist du denn als Hausmädchen gegangen?« «Zu Mrs. Carpenter.« «Und von der hast du das alles?« Ich wollte gerade lügen und ja sagen, aber im Lügen war ich noch nie besonders gut. Mir läuft dabei immer die Nase.»Nein. Von ihm.« «Du wirst da nie wieder hingehen«, sagte Pembrook.
Zwar hatte ich das schon fast selber entschieden, wollte mir aber von Pembrook — so lieb ich ihn auch habe — nicht sagen lassen, was ich zu tun und zu lassen hätte.»Mach ich aber, wenn ich will«, sagte ich.»Wann bist du überhaupt heimgekommen, und wie lang bleibst du da?« «Für immer, wenn ich dich anders vor Ärger nicht bewahren kann.« «Hübscher Ärger ist das«, erklärte Deucy.»Dreißig Dollar für ’nen Tag Arbeit und das ganze Essen dazu. Du solltest auch was nehmen, Pem.« «Halt’s Maul, du Idiot!« So wütend hatte ich Pembrook noch nie gesehen.
Taggert-Blut gerät leicht in Wallung, aber bis zu diesem Moment hatte Pembrook es immer geschafft, sich zu beherrschen. Er wandte sich wieder zu mir, und seine Augen funkelten gemein, wie bei einem Hühnerhabicht, der gleich herabstößt.
«Du wirst nicht wieder zu den Carpenters gehen, nie mehr. Das kannst du dir gleich aus dem Kopf schlagen.
Morgen schick ich das Geld zurück. Und damit hat sich die Sache.« Ich wollte nur eins wissen.»Warum?« «Egal warum.« Da war dann aber doch Schluss! Ich hatte für dieses Geld schwer gearbeitet. Ob es fünf Dollar waren oder dreißig, es war mein Geld. Das erste Geld, das ich je verdient hatte. Und Pembrook hatte kein Recht, es mir wegzunehmen. Soweit ich sehen konnte, hatte ich nichts Falsches getan, und es war nicht fair von ihm, mich zu bestrafen. Ich richtete mich auf meinem Stuhl auf, schaute ihn scharf an und machte den Mund auf.
«Pembrook Taggert, falls du’s noch nicht gemerkt hast, ich bin nicht mehr die süße kleine Jenny. Ich bin eine erwachsene Frau und kann gut selbst entscheiden. Du kannst dich nicht hinstellen und mir Befehle geben und dann sagen, egal warum. Von Pop hab ich’s mir gefallen lassen und von Ace hab ich’s mir gefallen lassen und von den dreien hier lass ich’s mir andauernd gefallen, während du auf dem College bist und lernst, wie du aus dem Dreck hier rauskommst. Ich lass mir’s jetzt nicht mehr gefallen.« Die harte Bitterkeit verflog aus seinem Blick, und er nahm meine beiden Hände in seine.
«Recht hast du, Jenny«, sagte er.»Es gibt da ein paar Sachen, die du wissen solltest. Komm auf die Verandaschaukel raus, dann erzähl ich’s dir.« «Mach aber nicht so ’ne lange Geschichte draus«, rief Deucy uns hinterher.»Ardith Potter kommt heute Abend rüber und wir haben was zu besprechen.« Doch es war eine lange Geschichte, die Pembrook mir da erzählte. Eine, die bis in die Zeit zurückreichte, als ich noch gar nicht geboren war. Die Jungs kannten sie alle, aber Pop hatte sie auf die Bibel schwören lassen, es mir nie zu sagen. Sie erklärte alles, was ich schon immer gern gewusst hätte und nie den Mumm gehabt hatte zu fragen.
Wenn ich gefragt hätte, hätten sie mir’s nicht gesagt, obwohl Pembrook meinte, von Zeit zu Zeit wär er ganz schön in Versuchung gewesen, weil es doch mein Leben war und ich ein Recht drauf hatte, es zu erfahren.
Er sagte mir, dass Pop gar nicht mein richtiger Vater war, sondern Mr. Carpenter. Er sagte mir, etwa einen Monat nach meiner Geburt hätte unsere Mutter Pop die Wahrheit gesagt und ihre Sachen gepackt und gesagt, sie würde mit Mr. Carpenter abhauen, weil sie ein besseres Leben führen und sich nicht mehr auf einer armseligen alten Farm abrackern wollte. Er sagte mir, Pop hätte sie gleich darauf im Schlafzimmer erwürgt, während ich mit meinen blinden Babyaugen aus der Wiege neben dem Bett zugesehen hätte. Und dann ist Pop zu Mr. Carpenter gegangen und hat ihm das Ganze erzählt und ihn dazu gebracht, die Sache zu vertuschen, denn ein Skandal hätte keinem was genützt. Sie behaupteten einfach, unsere Mutter wäre am Kindbettfieber gestorben.
Die Tränen liefen mir übers Gesicht, doch ich brachte die Frage heraus:»Wie konntet ihr hier weiterleben, nachdem er das getan hatte?« «Na ja«, meinte Pembrook,»Ace war der Älteste, und der war erst zwölf. Wir konnten ja sonst nirgends hin. Und er war unser Vater.« «Was ist dann passiert?«, fragte ich.»Wieso ist Pop abgehauen?« «Ist er gar nicht«, sagte Pembrook.»Er liegt unter Mr. Carpenters Rosengarten begraben.« Dann erzählte er mir weiter, wie die Jahre vergangen sind und Pop anfing zu trinken und die Farm noch mehr herunterkam, bis es bloß noch eine einzige Ödnis war.
Eines Tages hatte Pop es sich dann plötzlich in den Kopf gesetzt, Mr. Carpenter sollte sich um sein Kind, also mich, kümmern und Geld bezahlen. Er ging zu den Carpenters, voller Alkohol und Hass, und verlangte eintausend Dollar.
Pembrook und Ace schlichen ihm hinterher und horchten draußen vor dem Fenster, das in einen Raum voller Bücher mit einem großen Schreibtisch und einem Jagdgewehr über dem Kamin ging.
«Den Raum kenn ich«, sagte ich ihm.»Mrs. Carpenter nennt es sein Arbeitszimmer.« Pembrook nickte.»Dort hat es Pop erwischt.« Er erzählte mir, wie er und Ace sie in dem Zimmer hatten streiten gehört, und wie Mr. Carpenter brüllte, das wäre ja Erpressung und das ließe er sich nicht bieten, und dann gab’s ein Geschiebe und Gezerre, während Pop brüllte, er würde Mr. Carpenter dafür umbringen, dass der ihm sein Leben versaut hatte. Und schließlich fiel ein Schuss. Bloß der eine, einzige Schuss, aber der reichte. Sie spähten über das Fensterbrett und sahen Pop auf dem Teppich liegen und verbluten, während Mr. Carpenter mit dem Gewehr in der Hand wie eine Statue dastand.
Sie wollten gerade wegrennen und nach Hause laufen, als Mr. Carpenter sie sah und sagte, sie sollten ins Haus kommen und ihm dabei helfen, Pop in den Rosengarten rauszutragen. Die drei gruben die Rosen aus, legten Pop in die Erde und pflanzten die Rosen wieder darüber. Dann sagte Mr. Carpenter, sie sollten jetzt nach Hause gehen und den Mund halten, sonst würde er den Sheriff schicken und uns alle von der Farm jagen und in die Besserungsanstalt stecken.
Und sie hielten den Mund, bis zu diesem Augenblick.
«Ich nehm an«, sagte Pembrook,»ich nehm an, deswegen ist Ace so wild, aber so lässt sich die Sache auch nicht regeln. Drum studier ich und will Rechtsanwalt werden. Eines Tages werd ich wissen, wie man Mr. Carpenter auf legalem Weg zur Rechenschaft ziehen kann, ein für allemal. Darum will ich nicht, dass du da wieder hingehst, Jenny. Du verdirbst sonst womöglich meinen Plan, und es ist auch nicht gut für ihn, wenn er dran erinnert wird, dass es dich gibt. Ich muss ihn überrumpeln, wenn ich so weit bin.« Ich wischte mir die Augen und putzte mir die Nase und sagte dann:»Danke, Pembrook, dass du’s mir gesagt hast.
Jetzt begreif ich’s.« «Und du gehst auch nicht wieder hin.« «Ich geh jetzt ins Bett.« Und das tat ich auch. Aber ich schlief nicht. Ich lag da und dachte über die Dinge nach, die Pembrook mir erzählt hatte, und versuchte herauszufinden, was richtig war und was falsch. Vielleicht war es falsch von unserer Mutter gewesen, sich mit Mr. Carpenter zu vergnügen, aber wenn sie’s nicht getan hätte, gab’s mich nicht. Pop hatte Unrecht getan, weil er unsere Mutter umgebracht hatte, aber sie hatte ihm in seinen Augen auch einen Grund dafür geboten. Es war falsch von Mr. Carpenter gewesen, dass er Pop erschossen hatte, aber das Taggert-Blut war hochgekocht, und wahrscheinlich hatte Pop ihn zuerst angegriffen. Am schwersten war für mich die Vorstellung, dass ich Mr. Carpenters Tochter war. Wenn es stimmte und er es wusste, wie hatte er mich dann all die schweren Jahre als süße kleine Jenny Taggert leben lassen können, während das andere Mädchen, diese Claudia, alles hatte, was ihr Herz begehrte und sogar noch mehr?
Kurz vor Sonnenaufgang entschied ich, was ich tun würde. Die Jungs, sogar Pembrook, schliefen alle noch tief und fest. Mucksmäuschenstill stand ich auf, zog das grünweiß getupfte Kleid unserer Mutter und meine hohen Turnschuhe an und schlich hinaus in die Scheune. Früher war die Scheune mal sehr belebt gewesen, aber an dem Morgen war sie still und leer. Keine Kühe mehr, die nach mir muhten, damit ich sie melken kam, keine Pferde, die mit traurigen Augen auf einen Apfel oder eine Karotte schielten. Ganz weit hinten hinter dem ganzen aufgehäuften kaputten Zaumzeug, in einer dunkeln, mit Spinnweben verhangenen Ecke fand ich, wonach ich suchte.
Es war eine Büchse mit dem Zeug, das Pop immer ausgelegt hatte, um die Ratten zu töten, von denen es in der Scheune nur so wimmelte und die sich durch das Winterfutter fraßen. Viel war nicht mehr drin in der Büchse, und was noch übrig war, sah trocken und klumpig aus. Vielleicht war es schon so alt, dass es gar nicht mehr wirken würde. Trotzdem schöpfte ich mit einem Teelöffel ein bisschen davon in einen von Deucys Bull-Durham-Tabakbeuteln und machte mich auf den Weg.
Ich sputete mich, denn ich wollte dort sein, bevor Mr. Carpenter in die Bank ging und bevor die Jungs aufwachten und in Pembrooks Auto hinter mir herkamen.
Es war ein frischer, kühler Morgen, und ich schwitzte kein bisschen.
Als ich zum Haus der Carpenters kam, fuhr der Milchmann gerade davon. Ich ging hinten ums Haus herum, nahm die beiden Milchflaschen und klopfte an die Hintertür. Mrs.
Carpenter machte mir auf. Sie sah verschlafen aus, aber erfreut, mich zu sehen.
«Na so was, Jenny«, sagte sie,»da bist du ja in aller Frühe. Komm rein. Komm rein.« «Ja, Madam«, sagte ich.»Ich bin gekommen, um Frühstück zu machen.« «Das ist ja wunderbar. Mr. Carpenter ist gerade beim Rasieren. Er kommt gleich herunter. Er möchte zwei Vierminuteneier — ich kriege sie nie richtig hin —, zwei Scheiben Toast und ganz viel starken schwarzen Kaffee.
Jetzt, wo du da bist, gehe ich vielleicht wieder ins Bett und mach noch einen kleinen Schönheitsschlaf. «Sie kicherte wie ein albernes Mädchen, winkte mir zu und tänzelte davon.
Ich räumte die Milch weg und fing an, den Kaffee zu machen. Es gab eine Kaffeemaschine, aber mein Kaffee ist deswegen so gut, weil ich ihn auf die altmodische Art mache. Ich brachte Wasser zum Kochen, und als es vor sich hin blubberte, warf ich den gemahlenen Kaffee hinein, und zwar reichlich, damit er schön stark wurde.
Dann schaltete ich die Flamme herunter, um ihn heiß zu halten, während er aufbrühte, und schlug ein Ei auf, denn ich wollte eine Eierschale reinwerfen, damit er schön klar wurde. Und das Zeug aus dem Tabakbeutel leerte ich direkt in den Topf.
Als ich seine Schritte auf der Treppe hörte, stellte ich noch einen Topf Wasser auf, um ihm die Eier zu kochen.
Wohlriechend und lächelnd kam er in die Küche.
«Also, Jenny«, sagte er.»Du bist wiedergekommen. Das freut mich, denn du und ich, wir werden uns bestimmt prächtig verstehen. Du wirst glücklich hier sein. Dafür werde ich schon sorgen.« Ich holte ihm Tasse und Untertasse.
«Ich hab da so Sachen gehört, Mr. Carpenter«, sagte ich.
«Sachen, die ich mir nie hätte träumen lassen.« Er sah mich verständnislos an.»Was für Sachen hast du denn gehört, Jenny?« Ich schenkte den Kaffee in die Tasse ein.
«Ich hab gehört, Sie sind mein Daddy.« Er sank auf einen Küchenstuhl.»Ja«, sagte er,»das stimmt ja auch.« Ich stellte die Tasse mit der Untertasse auf die Anrichte, um den Kaffee ein bisschen abkühlen zu lassen, damit er nicht zu heiß für ihn wäre und er einen schönen großen Schluck nehmen konnte.
«Ich hab gehört, Sie haben unseren Pop erschossen und ihn in Ihrem Rosengarten begraben. Das sind ja mächtig schöne Rosen da draußen.« Er hielt seinen Kopf zwischen beiden Händen.»Sie haben geschworen, es dir nie zu sagen. Die Jungs haben es geschworen.« «Pembrook hat’s mir gesagt, weil er Angst hat, mir könnte hier in Ihrem Haus irgendwas passieren. «Ich stellte die Tasse mit der Untertasse vor ihn auf den Tisch.
«Ach, Jenny, süße kleine Jenny, ich würde dir doch nie was antun. Wenn überhaupt etwas, so möchte ich all die Jahre wieder gutmachen, die ich versucht habe, nicht an dich zu denken. Ich hätte gern, dass du hier wohnst als meine Tochter, damit ich dir all das geben kann, was du längst hättest haben sollen.« «Nennen Sie mich nicht so. Ich bin keine Kleine mehr.« «Nein, das bist du nicht. Du bist eine wohlgeratene, reizende Frau, genau wie deine Mutter es war. Gott, was hab ich diese Frau geliebt! Sie war das einzig Schöne, was mir in meinem ganzen Leben je widerfahren ist. Ich wollte sie mitnehmen. Wir waren drauf und dran wegzugehen.
Wir hätten in eine andere Stadt gehen können oder in eine Großstadt, wo uns niemand kennt. Dich hätten wir mitgenommen. Und wir wären glücklich gewesen.
Stattdessen ist sie gestorben.« «Pop hat sie umgebracht. Wegen Ihnen.« «Das weißt du also auch. «Er seufzte.»Ja. Er brachte sie um, und ich brachte ihn um, und nun lebe ich die ganze Zeit mit diesen entsetzlichen Gewissensqualen. Ich habe niemanden, mit dem ich reden könnte. Clemmie hat von der ganzen Sache keine Ahnung. Ich wünschte manchmal, ich wäre tot.« «Trinken Sie Ihren Kaffee.« Das Eierwasser kochte. Behutsam rollte ich die beiden Eier in den Topf und steckte zwei Scheiben Brot in den Toaster. Er kam vom Tisch zu mir herüber, wo ich arbeitete.
«Jenny. «Er legte mir die Hände auf die Schultern und drehte mich zu sich herüber.»Was kann ich für dich tun, um es wieder gutzumachen? Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, und das ist viel, das kannst du mir glauben. Sag einfach, was du willst. Du kriegst es.« Ich überlegte einen Augenblick. Wäre es richtig oder falsch, von diesem Mann etwas anzunehmen? Wie immer hatte ich Schwierigkeiten, zwischen den beiden zu unterscheiden. Wäre es richtig oder falsch, ihn den Kaffee trinken zu lassen?
Dann sagte ich:»Könnten Sie Pembrook sein Jurastudium zahlen?« «Abgemacht.« «Und Earl und Wesley, können Sie denen eine Arbeit besorgen? Die sind gute Arbeiter, bloß vom Pech verfolgt.« «Sag ihnen, sie sollen in die Bank kommen.« «Und was ist mit Deucy? Würden Sie ihm eine neue Gitarre besorgen und eine Fahrkarte nach Nashville? Er kann wirklich gut singen.« «Nicht bloß das. Ich kenne Johnny Cash persönlich. Da lassen wir uns was einfallen.« «Jetzt kommt aber was Schweres: Können Sie Ace aus dem Gefängnis holen und ihn auf die rechte Bahn bringen?« «Der Gefängniswärter ist Clemmies Cousin. Außerdem besitze ich eine Ranch in Wyoming. Dort kann er hin und sich die Hörner abstoßen. Aber was ist mit dir, Jenny?
Was kann ich denn für dich tun?« Ich zuckte die Achseln.»Ach, ich werd vielleicht ein Weilchen hier wohnen. Ich kann ja Mrs. Carpenter zur Hand gehen und so ein bisschen auf alles aufpassen.« Er umarmte mich und gab mir einen herzhaften KUSS auf die Backe.»Bravo, Mädchen«, sagte er.»Ich hatte gehofft, dass du das sagen würdest. Du wirst es nie bereuen. Mmm, der Kaffee riecht aber gut.« Er steuerte wieder auf den Tisch und seine Kaffeetasse zu. Ich war aber vor ihm dort und schnappte sie ihm vor der Nase weg.
«Der Kaffee ist doch kalt«, sagte ich.»Und überhaupt ist die ganze Kanne bitter. Ich hab ihn probiert, bevor sie runterkamen. Ich werd Ihnen frischen machen.« Ich schüttete den ganzen Kaffee in den Ausguss und servierte ihm seine Eier mit Toast. Den frischen Kaffee tranken wir zusammen, und dann ging er in seine Bank.
Und so ist es jetzt gekommen. Pembrooks Plan ist tatsächlich der bessere, und er studiert wirklich fleißig.
Jetzt, wo er nicht auch noch seinen Lebensunterhalt verdienen muss, kann er seinen Abschluss früher machen.
Earl und Wesley gefällt die Arbeit am Bankschalter, und Deucy hat seinen Cadillac mit Leopardenfellsitzen und jede Menge Mädchen, obwohl er meint, er vermisst die Verandaschaukel. Ace hat ein Foto von sich geschickt, wo er auf einem Pferd sitzt und einen riesigen Cowboyhut aufhat. Er sieht komisch aus, sagt aber, es geht ihm gut.
Und ich? Solange die Rosen blühen, schneide ich jeden Tag welche und stelle sie ins Haus. Mrs. Carpenter findet sie einfach himmlisch. Ich warte ab. Eines Tages werden wir Taggerts den Rosengarten umgraben.