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Als sich die Tür schloß, empfand Vivian zum erstenmal einen ahnungsvollen, furchtsamen Schauer.
Als sie ein Stück den Gang hinuntergegangen waren, fragte Lucy: »Was meinen Sie dazu, Joe?«
»Es kann ein Knochentumor sein.« Pearson sagte es langsam, nachdenklich.
»Bösartig?«
»Das ist möglich.«
Sie kamen zu den Fahrstühlen und blieben stehen. Lucy sagte: »Wenn er bösartig ist, muß ich das Bein amputieren.«
Pearson nickte kngsam. Er sah plötzlich sehr alt aus. »Ja«, antwortete er, »daran dachte ich auch gerade.«
XI
Die Viscount legte sich weich gegen den Wind und begann, an Höhe zu verlieren. Fahrgestell und Landeklappen waren ausgefahren, und sie flog genau Landebahn Nr. 1 des Flughafens Burlington an. Während Dr. Kent O'Donnell das näher kommende Flugzeug von dem Terrassencafe aus beobachtete, überlegte er flüchtig, daß Luftfahrt und Medizin vieles gemeinsam hätten. Beide fußten auf den Erkenntnissen der Wissenschaften, beide veränderten das Leben in der Welt und beseitigten überkommene Vorstellungen. Beide bewegten sich unbekannten Horizonten und einer nur dunkel erahnten Zukunft entgegen. Es gab noch eine Parallele. Der Luftfahrt fiel es heute schwer, mit ihrer eigenen Entwicklung Schritt zu halten. Ein Flugzeugkonstrukteur, den er kannte, hatte ihm kürzlich gesagt: »Wenn ein Flugzeug für den Einsatz fertig ist, ist es auch schon überholt.«
In der Medizin, dachte O'Donnell, während er seine Augen vor der strahlenden Nachmittagssonne beschattete, war es weitgehend das gleiche. Krankenhäuser, Kliniken und die Ärzte selbst waren nie in der Lage, ihr Wissen auf dem jüngsten Stand zu erhalten. Ungeachtet, wie sehr sie sich darum bemühten, immer waren ihnen die Forschung, die Entwicklung, die neuesten Techniken voraus, manchmal um Jahre. Heute konnte ein Mensch sterben, obwohl das rettende Medikament bereits erfunden war und in begrenztem Umfang vielleicht schon angewendet wurde. Aber es brauchte Zeit, bis die neuen Entwicklungen bekannt wurden und Anerkennung fanden. Das galt auch für die Chirurgie. Ein Chirurg oder eine Gruppe von Chirurgen entwickelte vielleicht eine neue lebensrettende Technik, aber ehe sie allgemein angewendet werden konnte, mußten sie ihr Können weitergeben und andere die neuen Methoden beherrschen. Manchmal war das ein langwieriger Prozeß. Die Herzchirurgie beispielsweise war jetzt ziemlich weit verbreitet und für die meisten erreichbar, die ihrer dringend bedurften. Aber lange Zeit war nur eine Handvoll Chirurgen qualifiziert oder willens, sich daran zu wagen.
Außerdem erhob sich bei jeder Neuerung die Frage, ob sie gut, ob sie eine kluge Entwicklung war. Nicht jede Veränderung bedeutete Fortschritt. Oft war die Medizin falschen Spuren gefolgt, Theorien, die den Tatsachen widersprachen, und begeisterten und besessenen Einzelgängern, die manches wagten, was erst halb geklärt war, und andere durch ihr Beispiel verleiteten. Manchmal war es schwer, den mittleren Kurs zwischen Aufgeschlossenheit und vernünftiger Vorsicht einzuhalten. Im Three Counties Hospital mit seinen Vertretern der unerschütterlich konservativen und der fortschrittlichen Richtung - in beiden Lagern gab es gute Leute stand ein Mann wie O'Donnell ständig vor dem Problem, in jedem Augenblick genau zu wissen, wo und bei wem er seine Verbündeten suchen mußte.
Sein Gedankengang wurde durch die heranrollende Viscount abgebrochen, deren dröhnende Motoren die Stimmen um ihn herum übertönten. O'Donnell wartete, bis die Propeller standen und die Passagiere auszusteigen begannen. Als er Dr. Coleman unter ihnen erkannte, ging er die Treppe hinunter, um den neuen stellvertretenden Direktor der pathologischen Abteilung des Krankenhauses in der Halle zu empfangen.
David Coleman war überrascht, als er den Chef der Chirurgie, der sich groß und sonnengebräunt aus der Menschenmenge heraushob, mit ausgestreckter Hand auf sich warten sah. O'Donnell sagte: »Ich freue mich, Sie zu sehen, Dr. Coleman. Joe Pearson hatte keine Zeit, wir waren aber der Ansicht, daß jemand Sie hier abholen und willkommen heißen sollte.« Was O'Donnell nicht hinzufügte, war, daß Joe Pearson sich rundheraus geweigert hatte, und da Harry Tomaselli nicht in der Stadt war, hatte sich O'Donnell die Zeit genommen und war selbst hinausgefahren.
Während sie durch die dichte Menschenmenge in der heißen Halle gingen, beobachtete O'Donnell, wie Coleman sich umsah. Er gewann den Eindruck, daß der junge Pathologe sich schnell ein Urteil über seine Umgebung verschaffen wollte. Vielleicht war das seine Gewohnheit. Falls ja, war es eine gute. Zweifellos schnitt David Coleman bei dieser Prüfung günstig ab. Obwohl er einen dreistündigen Flug hinter sich hatte, war sein Gabardineanzug nicht zerdrückt. Sein gut geschnittenes Haar war sorgfältig gescheitelt und gebürstet, und er war sauber rasiert. Er trug keinen Hut, was ihn jünger als seine einunddreißig Jahre erscheinen ließ. Er war schlanker als O'Donnell, seine Züge waren klar geschnitten und gut geformt. Er hatte ein längliches Gesicht mit einem scharfen Kinn. Die Aktentasche unter seinem Arm gab ihm einen Akzent verläßlicher Nüchternheit. Das Bild eines jungen Wissenschaftlers, dachte O'Donnell. Er führte Coleman zur Gepäckausgabe. Dort wurde ein Rollkarren mit Koffern entladen, und sie schlossen sich der Gruppe Reisender, die mit Coleman eingetroffen waren, an.
O'Donnell sagte: »Das ist das beim Fliegen, was ich verabscheue.«
Coleman nickte und lächelte schwach. Es wirkte fast, als wolle er sagen: Wir sollten unsere Fähigkeiten nicht auf hohle Konversation vergeuden, meinen Sie nicht?
Das ist ein kühler Zeitgenosse, dachte O'Donnell. Wie bei seiner ersten Begegnung fielen ihm die stahlgrauen Augen auf, und er fragte sich, was man brauche, um hinter sie zu dringen. Coleman blieb jetzt unberührt in der Menge stehen und sah sich um. Fast wie auf Befehl trat ein Gepäckträger, ohne die anderen Reisenden zu beachten, auf ihn zu.
Zehn Minuten später, als O'Donnell seinen Buick durch den dichten Verkehr um den Flughafen steuerte und zur Stadt fuhr, sagte er: »Wir haben Sie im Roosevelt Hotel einquartiert. Es ist so komfortabel und ruhig, wie man nur wünschen kann. Ich glaube, unser Verwaltungsdirektor hat Ihnen wegen des Apartments geschrieben.«
»Ja, das tat er«, antwortete Coleman. »Ich würde das gern so schnell wie möglich in Ordnung bringen.«
»Sie werden keine Schwierigkeiten haben«, entgegnete O'Donnell und fügte hinzu: »Es steht Ihnen frei, sich ein oder zwei Tage Zeit zu nehmen, um eine geeignete Unterkunft zu suchen, ehe Sie Ihren Dienst im Krankenhaus übernehmen.«
»Danke, das ist wohl nicht nötig. Ich beabsichtige, morgen früh anzutreten.«
Coleman war höflich, aber entschieden. O'Donnell dachte: Das ist ein Mann, der sich genau überlegt, was er will, und es dann klar ausspricht. Er macht auch den Eindruck, als ob er sich nicht leicht etwas ausreden ließe. O'Donnell überraschte sich bei der Überlegung, wie Joe Pearson und David Coleman miteinander auskommen würden. Zunächst einmal sah es so aus, als würden sie aneinandergeraten. Aber das konnte man nie wissen. In Krankenhäusern wurden manchmal die unwahrscheinlichsten Freundschaften fürs Leben geschlossen.
Während sich David Coleman auf der Fahrt durch die Außenbezirke der Stadt nach allen Seiten umsah, empfand er fast so etwas wie Aufregung über das, was vor ihm lag. Das war ungewöhnlich, weil er meistens alles, was kam, mit sachlicher Nüchternheit hinnahm. Aber schließlich ging es um seine erste Stellung im Ärztestab eines Krankenhauses. Er sagte sich: Über eine ganz allgemein menschliche Regung braucht man sich nicht zu schämen, mein Freund. Dann lächelte er innerlich über diese stumme Selbstkritik. Alte Gewohnheiten im Denken sind schwer abzulegen, dachte er.
Er fragte sich, was der neben ihm sitzende O'Donnell wohl für ein Mann war. Über den Chef der Chirurgie am Three Counties Hospital hatte er nur Gutes gehört. Wie kommt es, wunderte er sich, daß ein Mann mit O'Donnells Ausbildung und Qualifikation sich eine Stadt wie Burlington aussucht? Besaß auch er hintergründige Motive? Oder folgte er anderen Überlegungen? Vielleicht gefiel es ihm hier einfach? Es mußte auch Menschen geben, vermutete Coleman, deren Wünsche gradlinig und unkompliziert waren.
O'Donnell bog aus, um einen Lastzug zu überholen. Dann sagte er: »Ich würde Ihnen gern einiges sagen, wenn ich darf.«
Coleman antwortete höflich: »Aber bitte, gern.«
»Wir haben in den letzten Jahren im Three Counties Hospital eine Reihe von Veränderungen vorgenommen.« O'Donnell sprach langsam, überlegte seine Worte. »Harry Tomaselli sagte mir, daß Sie schon einiges darüber gehört haben. Auch über unsere Pläne.«
Coleman lächelte. »Ja, das stimmt.«
O'Donnell drückte auf seine Hupe, und ein Wagen vor ihnen wich zur Seite. Er sagte: »Die Tatsache, daß Sie zu uns kommen, ist für uns ein wichtiger Schritt, und ich kann mir vorstellen, daß sich daraus Änderungen ergeben mögen, die Sie selbst wünschen werden, wenn Sie sich bei uns eingelebt haben.«
Coleman dachte an die pathologische Abteilung des Krankenhauses, wie er sie während seines kurzen Besuches gesehen hatte. »Ja«, antwortete er, »davon bin ich überzeugt.«
O'Donnell schwieg. Dann fuhr er noch behutsamer fort: »Wenn es irgend möglich war, versuchten wir, Veränderungen friedlich herbeizuführen. Manchmal war das nicht möglich. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die bereit sind, nur um des Friedens willen ein Prinzip zu opfern.« Er sah Coleman von der Seite an. »Ich möchte, daß Sie in diesem Punkt klarsehen.«
Coleman nickte, antwortete aber nicht.
O'Donnell fuhr fort: »Trotzdem würde ich Ihnen empfehlen, behutsam vorzugehen, - soweit wie es möglich ist.« Er lächelte. »Tun Sie alles, was Sie können, durch Überredung, und sparen Sie das schwere Geschütz für Dinge auf, die wirklich wichtig sind.«
Unverbindlich antwortete Coleman: »Ich verstehe.« Er war sich nicht sicher, was O'Donnells Worte bedeuteten. Er mußte ihn erst besser kennen, um das entscheiden zu können. Aber war sein Eindruck von O'Donnell falsch gewesen? War der Chef der Chirurgie am Ende doch ein Leisetreter? Wurde ihm hier und jetzt bei seiner Ankunft schon gesagt, den Kahn nicht zum Schaukeln zu bringen? Wenn das der Fall war, so würden sie bald merken, daß sie an den Falschen geraten waren. David Coleman nahm sich vor, keinen langfristigen Mietvertrag für das Apartment, das er in Burlington etwa fand, abzuschließen.
O'Donnell fragte sich jetzt, ob es klug gewesen war, das auszusprechen. Sie hatten das Glück gehabt, diesen Coleman zu bekommen, und er wünschte nicht, ihm von Anfang an Zügel anzulegen. Aber die ganze Zeit hatte das Problem Joe Pearson und Pearsons bekannter Einfluß auf Eustace Swayne O'Donnells Gedanken beschäftigt. Soweit er konnte, wollte O'Donnell Orden Brown gegenüber loyal bleiben. Bisher hatte der Ausschußvorsitzende vieles getan, um den Chef der Chirurgie zu unterstützen. O'Donnell wußte, daß Brown Swaynes Viertelmillion Dollars haben wollte, und natürlich brauchte das Krankenhaus sie dringend. Und wenn das bedeutete, Joe Pearson etwas nachzugeben, war O'Donnell dazu bereit -innerhalb vernünftiger Grenzen.
Aber wo hörte die Krankenhauspolitik auf, und wo begann O'Donnells Verantwortung als Arzt? Das war die Frage, die ihm keine Ruhe ließ. Vielleicht mußte er eines Tages entscheiden, wo die Grenzlinie lag. Spielte er selbst jetzt in der Politik mit? O'Donnell vermutete es. Aus welchem anderen Grund hätte er sich sonst gerade in dieser Weise Dr. Coleman gegenüber geäußert? Macht korrumpiert, dachte er, dem kann man nicht entgehen, gleichgültig, wer man ist. Er überlegte, ob er über dieses Thema noch weiter mit Coleman sprechen und den jüngeren Mann vielleicht in sein Vertrauen ziehen solle. Dann entschied er sich dagegen. Coleman war schließlich ein Neuling, und O'Donnell war sich klar bewußt, daß er noch nicht hinter diese kühlen, grauen Augen gedrungen war.
Sie erreichten jetzt das Stadtzentrum. Die Straßen Burlingtons waren heiß und staubig, die Bürgersteige flimmerten, und die schwarz geteerte Straßendecke war von der Hitze aufgeweicht. Er lenkte den Buick in den Vorhof des Roosevelt Hotels. Ein Hausdiener öffnete die Wagentür und begann, Colemans Koffer hinten herauszuheben.
O'Donnell fragte: »Soll ich mit Ihnen hineinkommen, um mich zu vergewissern, daß alles in Ordnung ist?«
Coleman, der schon ausgestiegen war, antwortete: »Das ist wirklich nicht nötig.« Wieder eine ruhige, aber unmißverständliche Feststellung.
O'Donnell beugte sich über den Sitz. »Nun gut. Wir erwarten Sie also morgen. Viel Glück.«
»Danke.«
Der Hoteldiener warf die Tür zu, und O'Donnell lenkte seinen Wagen in den Stadtverkehr zurück. Er blickte auf seine Uhr. Es war zwei. Er entschied sich, zuerst in seine Privatsprechstunde und später in das Krankenhaus zu fahren.
Elizabeth Alexander saß auf der lederbespannten Bank vor dem Labor für ambulante Patienten des Three Counties Hospitals. Sie fragte sich, warum die Wände des Ganges wohl in zwei verschiedenen Brauntönen gestrichen worden waren, statt in helleren und freundlicheren Farben. Er lag ohnehin in dem düsteren Teil des Krankenhauses. Ein wenig Gelb oder auch ein helles Grün hätte diesen Gang viel freundlicher gemacht.
Solange sie sich zurückerinnern konnte, hatte Elizabeth helle Farben geliebt. Sie erinnerte sich daran, wie sie als kleines Mädchen die ersten Vorhänge für ihr eigenes Zimmer zu Hause genäht hatte. Sie waren aus lichtblauem Chintz mit einem Muster aus eingewebten Sternen und Monden gewesen. Heute war sie der Meinung, daß sie die Vorhänge recht schlecht genäht hatte, aber damals fand sie sie großartig. Um sie aufzuhängen, ging sie damals in den Laden ihres Vaters hinunter und hatte ihre Freude daran, die Dinge zusammenzusuchen, die sie dazu brauchte. Eine Vorhangstange in der richtigen Länge, Ringe und Beschläge, Schrauben und einen Schraubenzieher. Sie erinnerte sich, wie ihr Vater zwischen den anderen Metallwaren nach dem suchte, was sie wünschte. Im Laden war alles in hohen Stapeln unordentlich übereinandergeschichtet, so daß er meistens lange nach allem suchen mußte, was seine Kunden verlangten.
Das war vor langem in New Richmond in Indiana gewesen, zwei Jahre, ehe ihr Vater bei einem Unfall ums Leben gekommen war. Oder waren es drei? Es fiel einem schwer, sich genau zu erinnern; die Zeit verging so schnell. Sie wußte noch, daß es sechs Monate vor dem Tod ihres Vaters gewesen war, als sie John zum erstenmal traf. In gewisser Weise hatte auch das mit Farben zu tun. Er war in den Ferien von der Oberschule und kam in das Geschäft, um rote Farbe zu kaufen. Damals half Elizabeth schon im Laden mit, und sie hatte ihm Rot ausgeredet und statt dessen Grün verkauft.
Oder war es umgekehrt gewesen? Auch das war jetzt schon verschwommen. Sie wußte jedoch, daß sie sich beim ersten Anblick in John verliebte. Vielleicht wollte sie ihn nur länger im Geschäft festhalten, als sie ihm vorschlug, eine andere Farbe zu nehmen. In der Erinnerung schien es ihr, daß es seitdem niemals einen Zweifel gegeben hatte, welche Gefühle sie füreinander hegten. Ihre Jugendliebe überdauerte auch Johns Aufstieg von der Oberschule zum College, und sechs Jahre nach ihrer ersten Begegnung heirateten sie. Seltsamerweise drängte sie niemand, damit zu warten, obwohl keiner von ihnen Geld hatte und John mit einem Stipendium das College besuchte. Alle, die sie kannten, schienen ihre Heirat als natürlich und selbstverständlich anzusehen.
Manchen Leuten wäre ihr erstes gemeinsames Jahr vielleicht schwierig erschienen. Für John und Elizabeth war es eine strahlende, glückliche Zeit. Im Jahre vorher hatte Elizabeth eine Abendschule besucht, und in Indianapolis, wo John auf dem College studierte, arbeitete sie als Stenotypistin und verdiente den Lebensunterhalt für sie beide.
In diesem Jahr diskutierten sie ernsthaft über Johns Zukunft; ob er sein Ziel höherstecken und versuchen solle, Medizin zu studieren, oder sich mit der kürzeren Ausbildung als medizinischer Laborant begnügen. Elizabeth gab dem Medizinstudium den Vorzug, obwohl es bedeutete, daß es noch einige Jahre dauern würde, bis John zu verdienen anfing. Aber sie war bereit gewesen, weiterzuarbeiten. John war sich dagegen nicht so sicher. Schon immer hatte er sich gewünscht, Arzt zu werden, und vom College konnte er gute Zeugnisse vorlegen, aber er wartete ungeduldig darauf, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Als Elizabeth dann feststellte, daß sie in anderen Umständen war, war für John die Frage entschieden. Gegen den Protest seiner Frau meldete er sich bei einer medizinischtechnischen Fachschule an, und sie zogen nach Chikago.
Dort bekamen sie ihr Baby und nannten es Pamela. Vier Wochen später starb das Kind an einer Bronchitis, und eine Zeitlang schien Elizabeth die Welt über ihr zusammengestürzt zu sein. Trotz ihrer Festigkeit und ihrer Vernunft brach sie zusammen und nahm an nichts mehr Anteil. John tat alles, was er konnte. Nie war er freundlicher oder rücksichtsvoller gewesen, aber es half nichts. Sie spürte, daß sie fortgehen mußte, und kehrte zu ihrer Mutter nach New Richmond zurück. Aber nach einer Woche empfand sie Sehnsucht nach John und ging wieder zu ihm nach Chikago. Von diesem Tag an gewann sie langsam, aber sicher ihr normales Selbst wieder. Sechs Wochen vor Johns Abschlußexamen wußte sie, daß sie wieder ein Kind erwartete. Das war das Erlebnis, das über ihre endgültige Erholung entschied. Jetzt fühlte sie sich gesund, hatte ihre alte Fröhlichkeit wiedergewonnen, und bei dem Gedanken an das ungeborene Kind in ihr stieg ihre freudige Erwartung. In Burlington hatten sie eine kleine, aber freundliche Wohnung gefunden. Die Miete war billig, aus ihren vorsorglichen Ersparnissen hatten sie die Möbel anbezahlt und konnten die monatlichen Raten aus Johns Gehalt am Krankenhaus decken. Im Augenblick ist alles sehr schön und gut, dachte Elizabeth, außer diesem abscheulichen Braun an den Korridorwänden.
Die Tür des Labors wurde geöffnet, und die Frau, die vor Elizabeth gewartet hatte, kam heraus. Eine medizinische Assistentin im weißen Kittel stand hinter ihr. Die Assistentin sah auf ihre Notiztafel. »Mrs. Alexander?«