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Überrascht sah O'Donnell auf seine Uhr. Es war fast eins. Schon dreieinhalb Stunden waren sie zusammen. Ihm kam die Zeit viel kürzer vor. Er sah Denise an. Sie schüttelte den Kopf.

»Nein, danke«, antwortete er und bezahlte die Rechnung, die der Kellner ihm reichte. Sie tranken ihre Gläser aus und standen auf, um zu gehen. Der Kellner wünschte höflich »Gute Nacht«; sein Trinkgeld war großzügig gewesen. O'Donnell fühlte sich in gehobener Stimmung.

Im Foyer wartete er auf Denise, während ein Page zum Parkplatz ging, um seinen Wagen zu holen. Als sie kam, nahm sie seinen Arm. »Eigentlich schade, daß wir schon gehen. Ich wünschte beinahe, wir hätten uns doch noch einen Drink bestellt.«

Er zögerte und schlug dann unbefangen vor: »Wir können bei mir vorbeifahren, wenn Sie mögen. In meiner Bar ist alles vorhanden, und es liegt auf dem Weg.«

Einen Augenblick fürchtete er, das sei ungeschickt gewesen. Er glaubte, bei ihr eine plötzliche Kühle, die Andeutung einer peinlichen Überraschung zu bemerken. Dann war es verschwunden. Sie erwiderte einfach: »Warum eigentlich nicht?«

Draußen wartete der Buick. Die Türen wurden aufgehalten, der Motor lief. Durch die Stadt fuhr er vorsichtig, langsamer als gewöhnlich, weil er sich bewußt war, daß er eine ganze Menge getrunken hatte. Es war eine warme Nacht, und die Wagenfenster waren heruntergedreht. Von dem Sitz neben sich nahm er wieder den duftigen Hauch ihres Parfüms wahr. Vor seiner Wohnung parkte er den Wagen auf der Straße, und sie fuhren im Fahrstuhl hinauf.

Nachdem er die Drinks gemixt hatte, brachte er sie durch das Zimmer und reichte Denise den Old Fashioned. Sie stand vor dem offenen Wohnzimmerfenster und sah auf die Lichter Burlingtons hinunter. Der Fluß, der durch die Stadt lief, bildete zwischen seinen Ufern eine breite, dunkle Schlucht.

Als er neben ihr stand, sagte er ruhig. »Es ist schon eine Zeitlang her, daß ich einen Old Fashioned gemixt habe. Ich hoffe, daß er nicht zu süß ist.«

Sie probierte ihn. Dann sagte sie leise: »Wie so vieles an Ihnen, ist er absolut richtig, Kent.«

Ihre Blicke begegneten sich. Er nahm ihr das Glas aus der Hand. Als er es abgestellt hatte, trat sie weich, ungezwungen zu ihm. Er umschlang sie fest mit seinen Armen, als sie sich küßten.

Plötzlich schrillte gellend, herrisch, hinter ihnen im Zimmer das Telefon auf. Es ließ sich nicht überhören.

Sanft löste sich Denise von ihm. »Liebster, ich glaube, du mußt dich melden.« Mit ihren Lippen berührte sie leicht seine Stirn.

Während er durch das Zimmer ging, bemerkte er, daß sie ihre Tasche, ihre Stola und ihre Handschuhe aufnahm. Offensichtlich war der Abend vorüber. Fast ärgerlich nahm er den Hörer ab, meldete sich knapp und hörte zu. Sein Ärger schwand schnell. Es war das Krankenhaus, der Praktikant im Nachtdienst. Einer von O'Donnells Patienten zeigte Symptome, die ernst zu sein schienen. Er stellte zwei schnelle Fragen, dann: »Also gut, ich komme sofort. Benachrichtigen Sie inzwischen die Blutbank und bereiten Sie eine Transfusion vor.« Er hängte ein und rief den Nachtportier an, um eine Taxe für Denise zu bestellen.

XIV

Meistens legte Dr. Joseph Pearson Wert darauf, früh schlafen zu gehen. An Abenden, an denen er mit Eustace Swayne Schach spielte, wurde es jedoch zwangsläufig sehr spät. Infolgedessen war er am nächsten Morgen noch müder und reizbarer als gewöhnlich. Unter dieser Wirkung stand er nach dem gestrigen Schachabend auch jetzt.

Augenblicklich sah er gerade die Einkaufsanforderungen für Labormaterial durch, eine Arbeit, die er schlechthin verabscheute und an diesem Tage mehr denn je. Er knurrte und legte eines der Formulare beiseite. Dann kritzelte er ein paar weitere Unterschriften, unterbrach sich und zog ein zweites Formular aus dem Packen. Dieses Mal begleitete ein Stirnrunzeln sein Knurren. Wer ihn kannte, hätte das als Sturmzeichen erkannt. Dr. Pearson stand vor einem Wutausbruch.

Der Augenblick kam, als er über einem dritten Formular zögerte. Dann schleuderte er plötzlich heftig seinen Bleistift auf den Tisch, packte alle Papiere in einem unordentlichen Stoß und eilte zur Tür. Er stürmte in das serologische Labor und sah sich nach Bannister um. Er fand den ersten Laboranten in einer Ecke, wo er eine Stuhlkultur vorbereitete.

»Lassen Sie alles stehen und liegen und kommen Sie her!« Pearson warf den Stoß Papiere auf den Mitteltisch. Ein paar flatterten zu Boden, und John Alexander bückte sich, sie aufzuheben. Unwillkürlich war er erleichtert, daß Pearsons Ärger sich gegen Bannister und nicht gegen ihn selbst richtete.

»Was ist denn los?« Bannister kam gelassen näher. Er war an diese Ausbrüche so gewöhnt, daß sie ihn manchmal ruhiger werden ließen.

»Ich will Ihnen sagen, was los ist. Diese ganzen Einkaufsanforderungen hier sind los!« Pearson schien sich zu beherrschen. Seine Wut siedete nur noch, statt zu kochen. »Manchmal scheinen Sie sich einzubilden, wir seien hier in der Mayo-Klinik.«

»Wir müssen doch Labormaterial haben, oder etwa nicht?«

Pearson ignorierte die Frage. »Es scheint fast so, als ob Sie das Zeug fressen. Und habe ich Ihnen nicht immer wieder gesagt, Sie sollen bei jeder außergewöhnlichen Bestellung schriftlich erklären, wozu sie gebraucht wird?«

»Habe ich das vergessen? Das kann mal passieren«, antwortete Bannister resigniert.

»Na schön. Aber Sie könnten anfangen, sich daran zu erinnern.« Pearson nahm das oberste Formular von dem Stoß. »Wozu soll das Kalziumoxyd sein? Wir haben es hier nie verwendet.«

Bannister verzog sein Gesicht zu einem boshaften Grinsen. »Sie haben mich selbst beauftragt, es zu bestellen. Sie brauchen es doch in Ihrem Garten.« Der erste Laborant verwies auf etwas, das ihnen beiden bekannt war, wovon sie aber selten sprachen. Pearson war einer der führenden Rosenzüchter im Gärtnerverein des Counties und zweigte eine ansehnliche Menge Chemikalien aus dem Krankenhaus ab, um seinen Garten zu düngen.

Er besaß den Anstand, verwirrt zu erscheinen. »Oh... ja, richtig. Lassen wir das also.« Er legte das Formular beiseite und nahm ein anderes. »Was soll diese Anforderung hier? Wozu brauchen wir plötzlich Coombs-Serum? Wer hat das bestellt?«

»Das war Dr. Coleman«, antwortete Bannister bereitwillig. Jetzt war der Augenblick gekommen, auf den er gewartet hatte. John Alexander neben ihm wurde es unbehaglich.

»Wann?« Pearsons Frage klang scharf.

»Gestern. Dr. Coleman hat die Anforderung sowieso unterschrieben.« Bannister deutete auf das Formular und fügte boshaft hinzu: »Da, wo Sie sonst unterschreiben.«

Pearson sah auf das Blatt. Er hatte noch nicht bemerkt, daß es eine Unterschrift trug. Er fragte Bannister: »Wozu will er das? Wissen Sie es?«

Der erste Laborant blieb gelassen. Er hatte das Räderwerk der Rache in Bewegung gesetzt und konnte die folgende Szene als Zuschauer genießen. Zu John Alexander sagte er: »Los, erklären Sie es.«

Etwas unbehaglich sagte Alexander: »Es ist für einen Blutsensibilitätstest, Dr. Pearson. Für meine Frau. Dr. Dornberger hat ihn angefordert.«

»Weshalb Coombs-Serum?«

»Es ist für einen indirekten Coombs-Test, Doktor.«

»Sagen Sie mal, ist Ihre Frau etwas Besonderes?« Pearsons Stimme hatte einen sarkastischen Ton. »Was ist an den Tests mit Salzlösung und konzentriertem Protein verkehrt, die wir in allen anderen Fällen anwenden?«

Alexander schluckte nervös. Es entstand eine Pause. Pearson drängte: »Ich warte auf Antwort.«

»Nun, Sir.« Alexander zögerte. Dann platzte er heraus: »Ich habe Dr. Coleman vorgeschlagen - und er stimmte mir zu -, es wäre zuverlässiger, wenn wir nach den anderen Tests einen.«

»Sie haben Dr. Coleman vorgeschlagen? So!« Der Ton der Frage ließ keinen Zweifel darüber, was jetzt kommen mußte. Alexander, der es spürte, fuhr schnell fort:

»Ja, Sir, wir sind der Ansicht, daß Antikörper in Salzlösung und konzentriertem Protein manchmal nicht festgestellt werden können, und der zusätzliche Test.«

»Nun aber Schluß!« Die Worte kamen laut, scharf und brutal. Während Pearson sie aussprach, klatschte er seine Hand hart auf die Formulare auf dem Tisch. In dem Labor herrschte eisiges Schweigen. Mühsam atmend wartete der alte Mann und musterte Alexander. Als er sich so weit gefaßt hatte, erklärte er grimmig: »Sie haben einen großen Fehler. Sie nehmen sich etwas zuviel heraus mit dem Zeug, das Sie da auf der Fachschule gelernt haben.«

Pearsons Erbitterung brach durch seine Worte hindurch - die Erbitterung gegen alle, die jünger waren, die sich einmischten, die versuchten, seine Autorität zu beschneiden - seine Autorität, die bisher unbedingt und unantastbar gewesen war. In einer anderen Stimmung und zu einer anderen Zeit hätte er sich vielleicht duldsamer gezeigt, aber jetzt entschloß er sich, diesen jungen Anfänger ein und für allemal in seine Schranken zu verweisen.

»Hören Sie mir zu, und passen Sie genau auf. Ich habe es Ihnen schon einmal gesagt, und ich beabsichtige nicht, es noch einmal zu wiederholen.« Jetzt sprach die Autorität, der Leiter der Abteilung, der mit harter Hand einer kleinen Hilfskraft klarmachte, daß von nun an keine weiteren Warnungen mehr erfolgen würden, sondern nur Aktionen. Das Gesicht dicht vor dem Alexanders sagte Pearson: »Ich bin derjenige, der diese Abteilung leitet. Und wenn Sie oder jemand anders Fragen haben, werden sie mir vorgelegt, verstehen Sie mich?«

»Ja, Sir.« In diesem Augenblick wünschte Alexander, die Szene wäre vorüber. Er wußte schon, daß er zum letztenmal einen Vorschlag gemacht hatte. Wenn das der Lohn dafür war, daß man mitdachte, würde er von jetzt an nur still seine Arbeit tun und seine Gedanken für sich behalten. Sollten sich doch andere Leute den Kopf zerbrechen, sollten sie doch die Verantwortung tragen.

Aber Pearson war noch nicht zu Ende. »Unternehmen Sie nichts hinter meinem Rücken«, drohte er, »und versuchen Sie nicht, Dr. Coleman auszunutzen, weil er neu ist.«

Kurz flackerte Alexanders Widerspruch auf. »Ich habe niemand ausgenutzt.«

»Das taten Sie doch, sage ich, und ich rate Ihnen, das zu unterlassen«, schrie der alte Mann wütend. Seine Gesichtsmuskeln arbeiteten, seine Augen funkelten.

Alexander stand vernichtet und schweigend da.

Einen Augenblick noch musterte Pearson den jungen Mann grimmig. Dann, als ob er sich überzeugt habe, daß er den gewünschten Eindruck erreicht hatte, sprach er weiter: »Nun will ich Ihnen noch etwas über diesen Test sagen.« Sein Ton war jetzt zwar nicht freundlich, aber doch zumindest weniger schroff. »Aus dem Test in Salzlösung und konzentriertem Protein ist alles zu erkennen, was wir brauchen, und ich will Sie daran erinnern, daß ich Pathologe bin und weiß, worüber ich spreche. Haben Sie das begriffen?«

Mürrisch antwortete Alexander: »Ja, Sir.«

»Nun gut. Ich will Ihnen sagen, was ich tun werde.« Pearsons Ton wurde noch gemäßigter. Es war fast, als biete er eine Versöhnung an. »Da Sie so begierig darauf sind, daß dieser Test richtig vorgenommen wird, übernehme ich ihn selbst. Jetzt sofort. Wo ist die Blutprobe?«

»Im Kühlschrank«, sagte Bannister.