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Er wandte sich zu Dornberger und sagte gefaßt: »Ich fürchte, es ist vorbei.«

Die beiden sahen sich an, und beide wußten, daß sie das gleiche empfanden.

O'Donnell spürte, wie weißglühender Zorn in ihm aufstieg. Wütend riß er Maske und Kappe ab. Er zerrte an den Gummihandschuhen und warf sie wild zu Boden.

Er bemerkte, daß die anderen ihn aufmerksam beobachteten. Seine Lippen bildeten eine schmale, grimmige Linie. Er sagte zu Dornberger: »Also gut, gehen wir.« Dann fügte er schroff zu dem Praktikanten gewendet hinzu: »Wenn jemand nach mir fragt, ich bin bei Dr. Pearson.«

XXI

In der Pathologie schrillte das Telefon auf, und Pearson griff nach dem Hörer. Dann hielt er inne. Sein blasses Gesicht verriet seine Nervosität. Er sagte zu Coleman: »Nehmen Sie es an.«

Während David Coleman an den Apparat ging, klingelte das Telefon ungeduldig zum zweitenmal. Gleich darauf sagte er: »Hier Dr. Coleman.« Er lauschte ausdruckslos, sagte dann »Danke« und hängte ein. Sein Blick begegnete dem Pearsons. Still sagte er: »Das Kind ist gerade gestorben.«

Pearson antwortete nicht. Er schlug den Blick nieder. In seinem Bürosessel regungslos in sich zusammengesunken, das zerfurchte, schroffe Gesicht halb im Schatten, sah er alt und geschlagen aus.

Coleman sagte halblaut: »Ich glaube, ich gehe ins Labor hinüber. Einer muß mit John sprechen.«

Er erhielt keine Antwort. Als er den Raum verließ, saß Pearson immer noch schweigend und regungslos, mit Augen, die nichts sahen, und Gedanken, die nur er selbst kannte.

Carl Bannister hatte das Labor verlassen, als David Coleman hereinkam. John Alexander war allein, saß auf einem Hocker vor einem Arbeitstisch an der Wand, die Uhr unmittelbar über seinem Kopf. Er drehte sich nicht um, als Coleman sich mit zögernden Schritten näherte, wobei das Leder seiner Sohlen knirschte.

Eine Weile herrschte Schweigen. Schließlich fragte Alexander, ohne sich umzudrehen, leise: »Ist es.vorüber?«

Wortlos streckte Coleman seine Hand aus und legte sie auf Alexanders Schulter.

Mit verhaltener Stimme fragte Alexander noch einmal: »Er ist tot, nicht wahr?«

»Ja, John«, antwortete Coleman sanft. »Er ist tot. Es tut mir leid.«

Er zog seine Hand zurück, ab Alexander sich langsam umwandte. Das Gesicht des jungen Mannes verriet seinen Schmerz. Tränen liefen ihm aus den Augen. Leise, aber eindringlich fragte er: »Warum, Dr. Coleman, warum?«

David Coleman suchte nach Worten, versuchte, es zu erklären. »Ihr Baby wurde zu früh geboren, John. Seine Chancen waren nicht günstig, selbst wenn. das andere. nicht geschehen wäre.«

Alexander sah ihm gerade in die Augen und sagte: »Aber er hätte leben können.«

Dies war der Augenblick, in dem er der Wahrheit nicht ausweichen konnte. »Ja«, gab Coleman zu, »er hätte leben können.«

John Alexander war aufgestanden. Sein Gesicht war dicht vor Colemans, sein Blick flehte. »Wie konnte es nur geschehen.? In einem Krankenhaus .? Mit Ärzten.?«

»John«, entgegnete Coleman, »das kann ich Ihnen in diesem Augenblick nicht beantworten.« Leiser fügte er hinzu: »Ich kann es mir jetzt selbst nicht beantworten.«

Alexander nickte stumm. Er zog sein Taschentuch und wischte sich über die Augen. Dann sagte er still: »Danke, daß Sie zu mir gekommen sind, um es mir zu sagen. Ich werde jetzt zu Elizabeth gehen.«

Kent O'Donnell hatte auf dem Weg durch das Krankenhaus mit Dr. Dornberger nicht gesprochen. Der wilde Zorn und die Enttäuschung, die wie eine Woge über ihm zusammengeschlagen waren, als er das tote Kind sah, machten ihn verschlossen und schweigsam. Während sie durch die Gänge und über die Treppen hinuntereilten, weil sie nicht die Ruhe besaßen, auf den langsamen Fahrstuhl zu warten, warf sich O'Donnell wieder erbittert seine Passivität gegenüber Joe Pearson und der pathologischen Abteilung des Three Counties Hospitals vor. Gott weiß, dachte er, ich bin oft genug auf die drohende Gefahr hingewiesen worden. Rufus und Reubens hatten ihn gewarnt, und er hatte es mit seinen eigenen Augen gesehen, daß Pearson immer mehr nachließ, je älter er wurde, daß die Verantwortung für die Pathologie in dem vielbeschäftigten, wachsenden Krankenhaus über seine Kräfte ging. Aber nein! Er, Dr. med. Kent O'Donnell, Mitglied der Königlichbritischen Chirurgischen Gesellschaft, Mitglied der Amerikanischen Chirurgischen Gesellschaft, Chef der Chirurgie und Präsident des medizinischen Ausschusses des Three Counties Hospitals - Hut ab vor einem feinen, großartigen Mann! - »Lasse ihn siegreich sein, glücklich und ruhmbedeckt, lang herrsche er, Gott schütze O'Donnell!« -, er war zu beschäftigt gewesen, um sich um seine eigentliche Aufgabe zu kümmern, um die Härte einzusetzen, die seine Stellung verlangte, um es mit den Ungelegenheiten aufzunehmen, die auf Taten folgen mußten. Darum hatte er sich lieber abgewendet, sich eingeredet, es sei alles in Ordnung, als ihm Erfahrung und Instinkt in seinem Innersten sagen mußten, daß er das nur hoffte. Und wo war er die ganze Zeit gewesen - er, der große Mann der Medizin? Er hatte Krankenhauspolitik getrieben, hatte Eustace Swayne umschmeichelt, in der Hoffnung, wenn er nur leisetrete, wenn er den Status quo dulde, wenn er Swaynes Freund Joe Pearson völlig unbehelligt ließe, daß dann der alte Finanzhai dankbar sein Geld für den prächtigen Neubau des Krankenhauses spenden würde - für O'Donnells Traum von einem Reich, in dem er selbst König wäre. Nun, es mochte sein, daß das Krankenhaus das Geld trotzdem bekam, vielleicht aber auch nicht. Doch ob ja oder nein, ein Preis zum mindesten war dafür schon bezahlt. Die Quittung kannst du oben finden: eine kleine Leiche in einem Operationsraum in der vierten Etage. Als sie dann vor Joe Pearsons Tür ankamen, fühlte er, daß sein Zorn verraucht und Trauer an seine Stelle getreten war. Er klopfte und Dornberger folgte ihm hinein.

Joe Pearson saß immer noch an seinem Platz, gerade wie Coleman ihn verlassen hatte. Er sah auf, machte aber keine Anstalten, sich zu erheben.

Dornberger sprach als erster. Er sprach ruhig, ohne Feindschaft, so, als wolle er den Ton für die Unterhaltung bestimmen, als einen Dienst für einen alten Freund. Er sagte: »Das Kind ist tot, Joe. Ich nehme an, du hast es schon erfahren.«

Pearson antwortete langsam: »Ja, ich habe es gehört.«

»Ich habe Dr. O'Donnell alles berichtet, was geschehen ist.« Dornbergers Stimme schwankte. »Es tut mir leid, Joe. Es blieb mir nichts anderes übrig.«

Pearson machte eine kleine, hilflose Bewegung mit seinen Händen. Von seiner alten Aggressivität war keine Spur übriggeblieben. Ausdruckslos antwortete er: »Es ist gut.«

O'Donnell paßte seinen Ton dem Dornberges an. Er fragte: »Haben Sie irgend etwas zu sagen, Joe?«

Zweimal schüttelte Pearson langsam den Kopf.

»Joe, wenn es nur dieser Fall wäre.« O'Donnell suchte nach den richtigen Worten, von denen er wußte, daß es sie nicht gab. »Wir begehen alle Fehler. Vielleicht würde ich.« Das hatte er gar nicht sagen wollen. Er festigte seine Stimme und fuhr strenger fort: »Aber es ist eine lange Liste, Joe. Wenn ich das vor den medizinischen Ausschuß bringen muß . Ich glaube, Sie wissen genau, was die Kollegen sagen werden. Sie würden es sich und uns allen erleichtern, wenn morgen vormittag um zehn Uhr Ihre Rücktrittserklärung bei der Verwaltung vorläge.«

Pearson sah O'Donnell an. »Zehn Uhr«, bestätigte er. »Sie sollen sie haben.«

Es entstand eine Pause. O'Donnell wandte sich ab, drehte sich wieder um. »Joe«, sagte er, »es tut mir leid. Aber Sie wissen ja selbst, daß ich keine Wahl habe.«

»Ja.« Die Antwort kam flüsternd, während Pearson dumpf nickte.

»Natürlich steht Ihnen Ihre Pension zu. Das ist nach zweiunddreißig Jahren nur recht und billig.« O'Donnell hörte deutlich, wie hohl seine Worte klangen.

Zum erstenmal, seit sie hereingekommen waren, veränderte sich Pearsons Ausdruck. Mit dem Anflug eines gequälten Lächelns sah er O'Donnell an. »Danke.«

Zweiunddreißig Jahre! O'Donnell dachte: Mein Gott, das ist der größte Teil der Lebensarbeit eines Mannes. Und so muß es enden. Er hätte gern mehr gesagt, versucht, es für alle leichter zu machen, Worte zu finden, um das Gute anzuerkennen, das Joe Pearson geleistet hatte - er mußte viel Gutes in seinem Leben geleistet haben. Während er noch nach Worten suchte, kam Harry Tomaselli herein.

Der Verwaltungsdirektor war in Eile. Er hatte sich nicht damit aufgehalten, erst anzuklopfen. Er sah zuerst Pearson an. Dann fiel sein Blick auf Dornberger und O'Donnell. »Kent«, sagte er gehetzt, »ich bin froh, daß Sie hier sind.«

Ehe O'Donnell antworten konnte, wandte Tomaselli sich wieder Pearson zu. »Joe«, begann er, »können Sie sofort mit in mein Büro kommen? In einer Stunde habe ich eine dringende Sitzung des Stabes einberufen. Ich wollte nur vorher noch mit Ihnen sprechen.«

Scharf fragte O'Donnell: »Eine Sondersitzung? Weshalb?«

Tomaselli drehte sich um. Sein Gesicht war ernst, seine Augen besorgt. »Im Krankenhaus wurde Typhus entdeckt«, verkündete er. »Dr. Chandler hat zwei Fälle gemeldet, und vier weitere sind typhusverdächtig. Es liegt eine Epidemie vor, und wir müssen den Ursprung finden.«

Elizabeth sah auf, als sich die Tür öffnete und John eintrat. Er schloß die Tür hinter sich, lehnte sich einen Augenblick mit dem Rücken dagegen. Es wurde kein Wort gesagt, nur ihre Augen sprachen - Trauer, flehende Bitten und eine überwältigende Liebe.

Sie streckte die Arme aus, und er eilte zu ihr.

»Johnny, Johnny, Liebling.« Das war alles, was sie murmeln konnte, ehe sie leise zu weinen begann.

Nach einer Weile, während der er sie fest umfangen hielt, löste er sich von ihr und trocknete ihre Tränen mit demselben Taschentuch, das er selbst schon dazu benutzt hatte.

Später sagte er: »Elizabeth, Liebste, wenn du es immer noch willst. Jetzt würde ich es gern versuchen.«

»Was es auch ist«, antwortete sie, »selbstverständlich: ja.«

»Ich glaube, du hast es immer gewünscht«, sagte er, »jetzt will ich es auch. Ich schreibe morgen um die Papiere. Ich will versuchen, doch noch Medizin zu studieren.«

Mike Seddons stand von seinem Stuhl auf und ging in dem kleinen Krankenzimmer auf und ab. »Aber das ist lächerlich«, sagte er hitzig. »Es ist absurd, es ist sinnlos, und ich werde es nicht tun.«

»Um meinetwillen, Liebling.«

Vivian drehte sich im Bett, so daß ihr Gesicht ihm zugewendet war.