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Er antwortete: »Bedauerlicherweise konnte ich nicht voraussehen, was kam.«

»Aber du leitest doch das Krankenhaus. Bestimmt kannst du die Verantwortung für ein oder zwei Tage jemand anders übertragen.« Es war offensichtlich, daß Denise nicht verstehen wollte.

Er antwortete fest: »Ich fürchte, das geht nicht.«

Am anderen Ende der Leitung folgte ein Schweigen. Schließlich sagte Denise leichthin: »Ich habe dich gewarnt, Kent. Ich bin eine sehr besitzbewußte Person.«

Er begann: »Denise, Liebste.« Dann brach er ab.

»Ist das wirklich deine endgültige Antwort?« Die Stimme am Telefon klang noch sanft, fast zärtlich.

»Es geht nicht anders«, antwortete er, »es tut mir leid.« Er fügte hinzu: »Ich rufe dich an, Denise, sobald ich mich hier frei machen kann.«

»Ja«, antwortete sie, »tue das, Kent. Adieu.«

»Adieu«, antwortete er und legte nachdenklich den Hörer zurück.

Es war mitten am Vormittag, dem zweiten Tag seit dem Auftreten der Typhusfälle.

Wie Dr. Pearson vorausgesehen hatte, waren gestern zwar noch ein paar Stuhlproben im Labor eingetroffen, aber die große Masse erst in den letzten Stunden.

Die Proben befanden sich in kleinen Pappbehältern mit Deckeln. Sie standen in Reihen auf dem Mitteltisch des pathologischen Labors. Jede war bezeichnet, und Pearson, der auf einem Stuhl an einer Schmalseite des Tisches saß, teilte ihnen eine laufende Nummer des Labors zu und füllte die Untersuchungsformulare aus, auf denen die Untersuchungsergebnisse später eingetragen wurden.

Nachdem Pearson das Formular ausgefüllt hatte, reichte er die Probe an David Coleman und John Alexander weiter, die nebeneinander arbeiteten und in Schalen die Kulturen ansetzten.

Bannister bearbeitete allein an einem Seitentisch die anderen Anforderungen an das Labor, von denen McNeil, der jetzt an Pearsons Schreibtisch thronte, entschieden hatte, daß sie sofort erledigt werden mußten.

In dem Labor stank es.

Mit Ausnahme von David Coleman rauchten alle in dem Raum. Pearson stieß dicke Wolken Zigarrenrauch aus, um gegen den Geruch anzukämpfen, der aus den Behältern aufstieg, wenn die Deckel geöffnet wurden. Er hatte Coleman stillschweigend eine Zigarre angeboten, und der junge Pathologe hatte sie für einige Zeit angezündet. Aber dann war ihm der Zigarrenrauch fast ebenso unangenehm wie die verpestete Luft, und er hatte sie wieder ausgehen lassen.

Der junge Krankenhausbote, Bannisters verschworener Feind, hatte seinen Spaß daran, wenn er die Stuhlproben ablieferte, und begleitete jede neue Partie mit einem neuen Witz. Beim erstenmal hatte er Bannister angesehen und verkündet: »Für das Zeug hier konnten Sie gar keinen besseren Platz finden.« Später sagte er zu Coleman: »Sechs neue Duftsorten für Sie, Doktor.« Jetzt stellte er eine Reihe Pappbehälter vor Pearson hin und fragte: »Nehmen Sie Ihre mit Zucker und Sahne, Sir?« Pearson grunzte nur und schrieb weiter.

John Alexander arbeitete methodisch, seine Gedanken auf die vorliegende Arbeit konzentriert. Mit den gleichen gewandten Bewegungen, die David Coleman aufgefallen waren, als er ihn das erstemal sah, griff er nach einem Behälter mit einer Probe und hob den Deckel ab. Er zog eine Kulturschale näher und übertrug mit einem Fettstift die Nummer von dem Deckel auf die Schale. Dann nahm er eine kleine Platinschleife, die an einem Holzgriff befestigt war, und sterilisierte sie durch Ausglühen in der Flamme eines Spiritusbrenners. Er fuhr mit der Schlinge durch die Stuhlprobe und übertrug eine kleine Menge in ein Reagenzglas mit steriler Salzlösung. Darauf wiederholte er den gleichen Prozeß und übertrug einen Tropfen der Lösung mit einer gleichmäßigen, sicheren Handbewegung auf die Kulturschale.

Anschließend beschriftete er das Reagenzglas mit der Salzlösung und stellte es auf einem Gestell ab. Die Petrischale mit dem Nährboden brachte er zu einem Brutkasten auf der anderen Seite des Labors. Dort blieb sie bis zum folgenden Tag, an dem in den Fällen, in denen es erforderlich war, die Unterkulturen angesetzt wurden. Es war ein umständliches Verfahren, das aber nicht beschleunigt werden konnte.

Als er sich umdrehte, stand David Coleman dicht hinter ihm. Impulsiv sagte Alexander leise, weil ihm bewußt war, daß auch Pearson sich im Raum befand: »Ich wollte Ihnen gern etwas sagen, Doktor.«

»Ja, bitte?« Coleman stellte eine weitere Kulturschale in den Brutkasten und schloß ihn wieder.

»Ich. das heißt wir. haben beschlossen, Ihrem Rat zu folgen. Ich will Medizin studieren.«

»Das freut mich.« Colemans Anteilnahme war echt. »Ich bin überzeugt, daß Sie es schaffen.«

»Was wird er schaffen?« fragte Pearson, der den Kopf gehoben hatte und sie aufmerksam beobachtete.

Coleman ging zu seinem Arbeitsplatz zurück, setzte sich und öffnete eine neue Probe. In gleichgültigem Ton antwortete er: »John hat mir gerade mitgeteilt, daß er sich entschlossen hat, seine Aufnahme bei der medizinischen Fakultät zu beantragen. Ich hatte ihm dazu geraten.«

»Oh.« Pearson sah Alexander scharf an. Er fragte: »Wovon wollen Sie leben?«

»Meine Frau kann arbeiten, Doktor. Das ist eine Möglichkeit, und dann hoffe ich, daß ich außerhalb der Vorlesungen Laborarbeit bekommen kann. Das machen viele Medizinstudenten.« Alexander schwieg. Dann sah er zu Coleman hinüber und fügte hinzu: »Ich bilde mir nicht ein, daß es leicht werden wird, aber wir glauben, es sei der Mühe wert.«

»Ah so.« Pearson blies Rauch von sich. Jetzt legte er seine Zigarre hin. Es schien, als ob er noch etwas sagen wolle, zögerte aber, und schließlich fragte er: »Wie geht es Ihrer Frau?«

Still antwortete Alexander: »Sie wird sich erholen. Danke.«

Eine Weile herrschte Schweigen. Dann sagte Pearson langsam:

»Ich wünschte, ich könnte Ihnen etwas sagen.« Er schwieg wieder. »Aber ich glaube nicht, daß Worte viel helfen würden.«

Alexander sah dem alten Mann in die Augen. »Nein, Dr. Pearson«, antwortete er, »das glaube ich auch nicht.«

Allein in ihrem Krankenzimmer hatte Vivian versucht, einen Roman zu lesen, den ihre Mutter ihr mitgebracht hatte. Aber ihr Verstand erfaßte die Worte nicht. Sie seufzte und legte das Buch fort. In diesem Augenblick wünschte sie verzweifelt, sie hätte Mike nicht das Versprechen abgenötigt, nicht zu ihr zu kommen. Sie fragte sich, ob sie nach ihm rufen solle. Ihr Blick fiel auf das Telefon. Wenn sie ihn anrief, würde er kommen, wahrscheinlich sofort. Hatte diese törichte Idee, sich für ein paar Tage nicht zu sehen, damit sie alles durchdenken konnte, wirklich einen Sinn?

Schließlich liebten sie sich doch. Genügte das nicht? Sollte sie ihn anrufen? Sie streckte die Hand aus, zog sie aber im letzten Moment wieder zurück, weil ihre nüchterne Überlegung sich doch durchsetzte. Nein, sie wollte warten. Heute war schon der zweite Tag. Die anderen drei würden schnell vergehen. Dann würde sie Mike für sich haben - für immer und ewig.

Im Aufenthaltsraum für die Ärzte des Krankenhauses lag Mike Seddons tief in einem ledernen Sessel. Er hatte eine halbe Stunde dienstfrei. Er tat genau das, was Vivian ihm aufgetragen hatte: er stellte sich vor, wie ein Leben mit einer Frau sein mußte, die nur ein Bein hatte.

XXIII

Es war früher Nachmittag. Vier Tage waren vergangen, seit die ersten Typhusfälle im Three Counties Hospital aufgetreten waren.

Im Büro des Verwaltungsdirektors saßen schweigend und mit ernsten Gesichtern Orden Brown, der Ausschußvorsitzende, und Kent O'Donnell und hörten Harry Tomaselli zu, der telefonierte.

»Ja«, sagte der Verwaltungsdirektor jetzt, »ich verstehe.« Es folgte eine kurze Pause, dann fuhr er fort: »Für den Fall, daß das erforderlich ist, werden wir mit allen Vorbereitungen fertig sein. Um fünf Uhr also. Guten Tag.« Er legte den Hörer zurück.

»Nun?« fragte Orden Brown ungeduldig.

»Die städtische Gesundheitsbehörde gibt uns bis heute nachmittag um fünf Zeit«, entgegnete Tomaselli unbewegt. »Wenn wir bis dahin den Typhusträger nicht gefunden haben, werden wir gezwungen sein, die Küche zu schließen.«

»Aber sind die sich denn darüber klar, was das bedeutet?« O'Donnell war aufgesprungen, seine Stimme klang erregt. »Wissen die denn nicht, daß das praktisch der Schließung des Krankenhauses gleichkommt? Sie haben ihnen doch erklärt, daß wir von außerhalb die Verpflegung für nicht mehr als eine Handvoll Patienten bekommen können.«

Immer noch ruhig antwortete Tomaselli: »Das habe ich ihnen auseinandergesetzt, aber darauf wollen sie keine Rücksicht nehmen. Das Problem ist, daß die Gesundheitsbehörde ein Übergreifen der Epidemie auf die Stadt befürchtet.«

Orden Brown fragte: »Liegt noch nichts Neues aus der Pathologie vor?«

»Nein.« O'Donnell schüttelte den Kopf. »Sie arbeiten immer noch. Ich war vor einer halben Stunde unten.«

»Ich kann es nicht verstehen.« Der Aus schußvorsitzende war beunruhigter, als Kent O'Donnell ihn je gesehen hatte. »Vier Tage und zehn Typhusfälle direkt hier im Krankenhaus. Vier davon Patienten. Und wir haben immer noch nicht die Quelle gefunden.«

»Es steht außer Frage, daß es für das Labor eine schwere Aufgabe ist«, erklärte O'Donnell, »und ich bin überzeugt, daß sie dort keine Zeit vergeudet haben.«

»Niemand macht einen Vorwurf«, antwortete Orden Brown scharf. »Jedenfalls nicht in diesem Stadium. Aber wir müssen zu einem Ergebnis kommen.«

»Joe Pearson sagte mir, er rechne damit, daß sie bis morgen vormittag alle Kulturen überprüft haben. Wenn der Typhusträger sich unter dem Küchenpersonal befindet, haben sie ihn bis dahin entdeckt.« O'Donnell wandte sich an Tomaselli. »Können Sie die Gesundheitsbehörde nicht überreden, wenigstens bis morgen mittag zu warten?«

Der Verwaltungsdirektor schüttelte verneinend den Kopf. »Das habe ich schon früher versucht. Sie haben uns schon vier Tage Zeit gelassen, und sie wollen nicht länger warten. Der Leiter des Gesundheitsamts war heute vormittag hier und kommt um fünf Uhr wieder. Wenn wir dann kein Ergebnis vorlegen können, müssen wir, fürchte ich, seiner Anordnung folgen.«

»Und was beabsichtigen Sie in der Zwischenzeit zu tun?« fragte Orden Brown.