174189.fb2 Letzte Diagnose - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 57

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Harry Tomaselli warf dazwischen: »Wir geben noch das Abendessen aus, Joe, und das ist die letzte Mahlzeit. Wir schicken alle Patienten nach Hause, die wir entlassen können, und verlegen die meisten in andere Krankenhäuser.«

Es herrschte Schweigen. Pearsons Gesichtsmuskeln arbeiteten. Seine tiefliegenden, rotgeränderten Augen schienen den Tränen nahe. Fast flüsternd sagte er: »Ich hätte nie geglaubt, den Tag zu erleben.«

Während sich die Gruppe abwandte, sagte O'Donnell still: »Offen gesagt, Joe, ich auch nicht.«

Sie hatten die Tür erreicht, als John Alexander ausrief: »Hier habe ich es!«

Wie auf einen Befehl drehte sich die Gruppe um. Pearson fragte scharf: »Was haben Sie entdeckt?«

»Eine eindeutige Typhusreaktion.« Alexander deutete auf die Reihe der Reagenzgläser mit den Zuckerlösungen, die er untersucht hatte.

»Lassen Sie mich sehen.« Pearson lief fast durch das Labor. Die anderen traten näher. Pearson betrachtete die Reihe Reagenzgläser. Seine Zunge fuhr nervös über die Lippen. Wenn Alexander recht hatte, war das der Augenblick, für den sie gearbeitet hatten. »Lesen Sie von der Tabelle ab«, befahl er.

Alexander nahm das Handbuch auf, in dem eine Tafel aufgeschlagen war. Es war die Tabelle der biochemischen Reaktionen von Bakterien in Zuckerlösungen. Er legte einen Finger auf die Spalte mit der Überschrift >Salmonella typhi< und war bereit, vorzulesen.

Pearson nahm das erste der zehn Reagenzgläser. Er rief auf: »Glukose.«

Alexander verglich auf der Liste und antwortete: »Säurebildung, aber kein Gas.«

Pearson nickte. Er stellte das Glas zurück und nahm das nächste. »Laktose.«

»Keine Säure, kein Gas«, las Alexander vor.

»Richtig.« Eine Pause. »Dulcitol.«

Wieder las Alexander: »Keine Säure, kein Gas.«

»Sucrose.«

»Keine Säure, kein Gas.« Wieder die richtige Reaktion für Typhusbazillen. Die Spannung in dem Raum wuchs.

Pearson nahm das nächste Glas. »Mannitol.«

»Säurebildung, aber kein Gas.«

»Richtig.« Die nächste: »Maltose.«

»Säure, aber kein Gas.«

Pearson nickte. Das waren sechs. Es blieben noch vier. Jetzt sagte er: »Xylose.« Noch einmal las Alexander: »Säure, aber kein Gas.« Sieben. »Arabinose.«

John Alexander las: »Entweder Säure, aber kein Gas, oder gar keine Reaktion.« Pearson verkündete: »Keine Reaktion.« Acht. Noch zwei. »Rhamnose.« »Keine Reaktion.«

Pearson prüfte das Glas. Leise bestätigte er: »Keine Reaktion.«

Noch eine.

Von dem letzten Glas las Pearson ab: »Indol-Bildung. « »Negativ«, antwortete Alexander und legte das Buch zurück.

Pearson wandte sich den anderen zu. Er sagte: »Es besteht keine Frage: Das ist der Typhusträger.« »Wer ist es?« Der Verwaltungsdirektor fragte als erster. Pearson drehte die Petrischale um. Er las die Nummer ab:

»Zweiundsiebzig. «

David Coleman hatte schon nach einem Schreibheft gegriffen. Es enthielt die Liste des Personals in seiner eigenen Handschrift. Er gab bekannt: »Charlotte Burgess.«

»Ich kenne sie«, sagte Mrs. Straughan schnell. »Sie arbeitet an der Essenausgabe.«

Unwillkürlich sahen alle auf die Uhr. Es war sieben Minuten nach fünf.

Mrs. Straughan rief erschrocken: »Das Abendessen! Sie fangen gerade an, es auszugeben.«

»Schnell in die Kantine.« Noch ehe er ausgesprochen hatte, war Harry Tomaselli bereits an der Tür.

Im zweiten Stock des Krankenhauses trat die Oberschwester der Station mit gehetztem Ausdruck in Vivians Zimmer und warf dabei einen schnellen Blick auf die Zimmernummer.

»Ah ja, Sie sind Miss Loburton.« Sie sah auf ihre Notiztafel und machte mit ihrem Bleistift eine Notiz. »Sie werden in die West-Burlington-Klinik verlegt.«

Vivian fragte: »Wann denn, bitte?« Sie hatte schon früher am Nachmittag von der bevorstehenden Verlegung und ihren Gründen erfahren.

»Die Krankenwagen haben sehr viel zu tun«, antwortete die Oberschwester. »Ich vermute, es wird noch ein paar Stunden dauern. Wahrscheinlich gegen neun Uhr heute abend. Ihre Stationsschwester wird rechtzeitig kommen, um Ihnen zu helfen.«

»Danke«, antwortete Vivian.

Mit ihren Gedanken schon wieder bei ihrer Notiztafel, nickte die Oberschwester und ging hinaus. Jetzt war es Zeit, entschied Vivian, Mike zu rufen. Ihre fünf Tage der Trennung waren erst morgen vorüber, aber keiner von beiden hatte mit etwas Derartigem gerechnet. Außerdem bereute sie schon ihren ganzen Einfall mit der Trennungszeit. Sie sah jetzt ein, daß er eine dumme Idee und überflüssig war, und wünschte, sie sei nie darauf gekommen.

Sie streckte die Hand nach dem Telefon auf dem Nachttisch aus, und diesmal zögerte sie nicht. Als sich die Zentrale meldete, sagte Vivian: »Dr. Michael Seddons, bitte.«

»Einen Augenblick.«

Sie mußte ein paar Minuten warten, ehe sich die Zentrale wieder meldete. »Dr. Seddons ist nicht im Krankenhaus. Er ist mit einem der Krankenwagen unterwegs. Kann Ihnen ein anderer Arzt helfen?«

»Nein, danke«, antwortete Vivian. »Ich würde aber gern eine Nachricht für ihn hinterlassen.«

Die Zentrale fragte: »Betrifft es eine medizinische Angelegenheit?«

Sie zögerte. »Nein, eigentlich nicht.«

»Wir können jetzt nur dringende medizinische Benachrichtigungen übernehmen. Rufen Sie bitte später wieder an.« Es folgte ein Knacken, und die Leitung war tot. Langsam legte Vivian den Hörer zurück.

Von draußen auf dem Gang konnte sie Unruhe und erhobene Stimmen vernehmen. Sie spürte die allgemeine Aufregung. Ein scharfer Befehl wurde gegeben, dann folgte ein Klappern, als etwas zu Boden fiel, und jemand lachte. Es klang ganz alltäglich, und doch wünschte sie sich in diesem Augenblick, dabeizusein, an dem, was vorging, teilnehmen zu können. Dann fiel ihr Blick auf das Bett, auf den Punkt, wo ihr linkes Bein endete und die Decke unvermittelt flach abfiel. Zum erstenmal spürte Vivian eine plötzliche Angst und fühlte sich verzweifelt einsam.

»Oh, Mike«, flüsterte sie, »Mike, Liebling, wo du auch bist, bitte, komm bald zu mir.«

Schwester Penfield war im Begriff, die Kantine zu betreten, als sie die Gruppe erblickte, die hinter ihr herkam. Sie erkannte den Verwaltungsdirektor und den Chef der Chirurgie. Hinter ihnen bemühte sich die Küchenleiterin Mrs. Straughan mit heftig wallendem Busen, mit ihnen Schritt zu halten.

Harry Tomaselli verlangsamte sein Tempo, als sie durch den Eingang der Kantine traten. Er sagte zu Mrs. Straughan: »Es muß schnell und unauffällig gehen.«

Die Küchenleiterin nickte, und durch einen Nebeneingang betraten sie die Küche.