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XIII. KapitelZwei schöne Frauen

Hathumar hatte keinerlei Erfahrung im Umgang mit Frauen. Im Kloster von Corbie gab es keine Frauen, nur sonntags durften die Bäuerinnen und Mägde der Umgebung die Klosterkirche betreten. Und selbstverständlich war es den Mönchen verboten, mit ihnen zu reden.

So stammten Hathumars Kenntnisse des weiblichen Wesens aus seiner Kindheit, bestanden aus der Erinnerung an seine Mutter und seine Schwestern. Die Frauen seines Dorfes hatten hart arbeiten müssen. Feldarbeit war zum größten Teil Frauenarbeit, und ab dem zwölften oder dreizehnten Lebensjahr brachten die verheirateten Frauen ein Kind nach dem anderen zur Welt. Viele Mütter starben im Kindbett, nur wenige erlebten dreißig Winter. Dann galten sie als alt und verbraucht, mit eingefallenen, zahnlosen Mündern verzehrten sie ihr Gnadenbrot, während sich der Ehemann oft eine Jüngere nahm, um weiter Kinder zu zeugen.

Allerdings gab es einen geheimnisvollen Ort, an dem die Frauen unter sich waren, den kein Mann betrat: die Spinnstube. Im Sommer, wenn die Männer auf dem Kriegszug waren, versammelten sich die Frauen in der Spinnstube und sponnen gemeinsam das Garn. Hathumar erinnerte sich an das Mißtrauen seines Vaters, der sich stets abfällig über die weibliche Spinnerei, wie er es nannte, ausließ. Als Junge hatte er nicht verstanden, was sein Vater damit meinte.

Die beiden Frauen, die ihm jetzt gegenübersaßen, waren ganz anders als die Frauen seines Dorfes. Sie waren in kostbare Stoffe gekleidet und rochen angenehm. Ihren Händen konnte man ansehen, daß sie keine schwere Arbeit verrichten mußten, ihre Gesichter waren nicht von Wind und Wetter gegerbt, in ihren Mündern blitzten gesunde Zähne. Hathumar wurde sich auf einmal bewußt, daß er ein Mann war und nicht unempfänglich für weibliche Schönheit. Und diese beiden waren keine unnahbaren Heiligen, sondern ganz und gar irdische Wesen.

Die Frauen kicherten.

Der Mönch spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoß. Sein Blick irrte suchend umher, nach einem unverfänglichen Halt, der ihm gestattete, wieder ruhig zu atmen.

Es war nicht einfach gewesen, die Erlaubnis für den Besuch zu bekommen. Hathumar hatte den cancellarius aufgesucht und auf seine Vollmachten gepocht, doch dem Beamten schien die Angelegenheit so heikel, daß er die Entscheidung dem König selbst überlassen wollte. So mußte Hathumar einige Stunden warten, denn Karl war mit wichtigeren Dingen beschäftigt.

Madelgard und Regina, die beiden überlebenden Konkubinen des Königs, wohnten in einem Steinhaus am nördlichen Rand der Pfalz. Die Stube, in die man Hathumar schließlich eingelassen hatte, war ausgestattet mit weichen Samtkissen, die in allen Farben schillerten.

„Was ich von Euch erfahren möchte", sagte Hathumar mit einer Stimme, die ihm selbst fremd vorkam: „Wußtet Ihr, daß sich Gerswind mit Odo treffen wollte?"

Madelgard sah Regina an und kicherte erneut. „Sie hat es uns nicht gesagt, aber wir haben geahnt, daß ein anderer Mann im Spiel war. Gerswind hat sich in letzter Zeit merkwürdig benommen. Sie war fröhlich und tat geheimnisvoll, eben wie eine - Verliebte."

„Könnte jemand anderes davon gewußt haben?"

„Mit Sicherheit war ihre Zofe eingeweiht", sagte Regina.

„Und sonst? Hatte Gerswind eine Vertraute oder einen Vertrauten in der Pfalz?"

Die beiden Frauen dachten nach.

„Nein", antwortete Madelgard.

„Ist Euch an dem Tag, als Gerswind getötet wurde, etwas aufgefallen? Ist sie von jemandem besucht worden?"

Ein heftiges Pochen an der Tür unterbrach ihre Konversation. Bevor Madelgard oder Regina antworten konnten, stürmte Giselher herein. Die Zornesader auf seiner Stirn war unübersehbar. Flüchtig begrüßte er die Frauen, indem er einen Handkuß andeutete, dann fuhr er Hathumar barsch an: „Wieso hast du mir nichts gesagt? Seit wann machst du Alleingänge?"

„Es erschien mir nicht so wichtig", antwortete der Mönch ausweichend.

„Wichtig oder nicht - ich möchte über jeden deiner Schritte unterrichtet sein. Vergiß nicht, daß wir dem König gemeinsam verantwortlich sind."

„Aber Marschall!" sagte Madelgard tadelnd. „Seid Ihr nicht zu streng mit dem Bruder? Er ist so ein liebenswürdiger und keuscher junger Mann."

Hathumar errötete erneut.

Madelgard schenkte ihm einen koketten Augenaufschlag. „Und wir haben ihm bestimmt keine Geheimnisse verraten."

„Und wenn schon", knurrte Giselher.

Nach dem kurzen Geplänkel wiederholte Hathumar seine Frage.

Sowohl Madelgard wie auch Regina versicherten, daß sie an dem besagten Tag nichts außergewöhnliches bemerkt hätten.

Doch Hathumar war das kurze Zögern Reginas nicht entgangen. Und auch nicht der Blick, mit dem sie Giselher streifte.

Hathumar wartete, bis die Nacht hereingebrochen war, bevor er sich erneut zum Haus der Konkubinen aufmachte. Nachdem er sich vergewissert hatte, daß niemand in der Nähe war, schlich er zu einem Fenster und klopfte zart gegen die milchige Scheibe. Das mulmige Gefühl in seinem Bauch wurde stärker. Neben der Furcht, der scara in die Hände zu fallen und einem peinlichen Verhör unterzogen zu werden, kam die Sorge, des Königs Wahl könnte in dieser Nacht auf Regina gefallen sein. Dann wäre er das Wagnis völlig umsonst eingegangen.

Nach einer Weile wiederholte er das Klopfen, diesmal etwas stärker.

Im Inneren fluchte eine weibliche Stimme. Sie klang weder nach Regina noch nach Madelgard.

Plötzlich wurde das Fenster aufgestoßen, der Schein einer Kerze beleuchtete ein rundes, derbes Frauengesicht.

„Was willst du? Was soll das Geklopfe?"

„Ich möchte mit Regina sprechen", wisperte Hathumar.

Die Frau lachte. „Das wollen viele. Meine Herrin hat sich bereits niedergelegt. Versuch es morgen noch mal!"

„Bitte!" Hathumar machte eine beschwörende Handbewegung. Die Frau würde noch ganz Paderborn aufwecken. „Sag ihr, der Mönch, der sie am Nachmittag besucht habe, wünsche sie zu sehen."

„Männer!" Kopfschüttelnd verschloß die Zofe das Fenster.

Hathumar horchte in die Nacht. Jeden Moment glaubte er, die schweren Schritte von bewaffneten Männern zu hören.

Nach einer Ewigkeit öffnete sich das Fenster zum zweiten Mal. Die Stimme der Zofe war zwar immer noch abweisend, aber um einiges höflicher: „Kommt auf die andere Seite! Ich geleite Euch hinein." Zum Glück lag die Vorderseite des Hauses ebenfalls im Dunkeln. Schemenhaft erkannte Hathumar die Gestalten zweier Krieger, die den Eingang zur Pfalz bewachten. Falls sie ihn entdeckten, würde er sich neben Odo im Verlies wiederfinden. War es das wert?

Er schaffte es, ein Stoßgebet zum Himmel zu senden. Dann winkte ihn eine breite Hand durch den geöffneten Türspalt.

Schlaftrunken kuschelte sich Regina in einen weiten Hausrock. Ihre dunklen Augen blickten müde, doch um den Mund kräuselte sich das frivole Lächeln, das er bereits kannte. „Ich hätte nicht gedacht, Euch so schnell wiederzusehen."

„Ich komme nicht wegen Euch", sagte Hathumar schnell, begriff, welchen Unsinn er redete, und verhaspelte sich prompt: „Ich meine, ich."

Regina überging die Verlegenheit des Mönches. „Setzt Euch, Bruder!"

„Danke." Hathumar schluckte. „Verzeiht, daß ich Euch so spät störe! Ich wollte vermeiden, daß mich jemand sieht."

„So?"

„Nicht aus dem Grund, den Ihr vielleicht annehmt."

„Welcher Grund sollte das sein?" Ihre Augen bohrten sich in die seinen. Hathumar hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen.

„Ich. ich hatte den Eindruck, daß Ihr mir nicht alles gesagt habt."

„Wie kommt Ihr darauf?"

„Ein Gefühl, nichts weiter. Nennt es, wie Ihr wollt. Vielleicht die Art, wie Ihr Giselher angesehen habt."

„Der Marschall ist Euer Freund, nicht wahr?" forschte die Konkubine.

„Wir sind als Kinder gemeinsam aufgewachsen. Danach haben wir uns aus den Augen verloren. Erst hier, in Paderborn, hat uns der Zufall wieder zusammengeführt. Meine Freude, ihn nach so langer Zeit zu sehen, bedeutet nicht.", Hathumar suchte nach den richtigen Worten, „. daß ich ihm bedingungslos vertraue."

„Ihr seid also auch ein Sachse?"

„Ja. Ich bin als Geisel zum Kloster von Corbie gekommen."

Regina schaute ihn prüfend an. „Warum sollte ich Euch vertrauen? Der Marschall könnte Euch vorgeschickt haben, damit Ihr mich aushorcht. Er ist ein mächtiger Mann am Hof. Man sagt, daß der König ihm wohlgesonnen ist und ihm höhere Aufgaben anvertrauen will."

Der Mönch hob die Hand zum Schwur. „Ich schwöre bei Gott, daß ich Euch nicht verraten werde."

Die Konkubine nickte. „Gerswind wohnte nicht hier, bei Madelgard und mir, sie hatte eine Kammer in der Pfalz. Sie war", Regina verzog das Gesicht, „in letzter Zeit die Favoritin des Königs. Deshalb weiß ich nicht, welchen Umgang sie pflegte. Aber am Tag ihres Todes, da hat sie sich mit dem Marschall gestritten."

„Woher wißt Ihr das?"

„Die beiden standen vor dem Dom. Ich bin zufällig dort vorbeigekommen, weil ich etwas einkaufen wollte."

Hathumar beugte sich vor. „Worüber haben Gerswind und Giselher gestritten?"

Regina zuckte mit den Schultern. „Ich verstehe kein Sächsisch. Gerswind gehörte auch zu Eurem Stamm."

„Und wie kommt Ihr darauf, daß sie einen Streit hatten?"

„Das sah man. Gerswind war sehr wütend."

Hathumar bemühte sich, seine Enttäuschung zu verbergen.

Die schöne Frau lächelte. „Habt Ihr mehr erwartet, Bruder?"

„Ich bin Euch zu großem Dank verpflichtet." Er stand auf. „Aber nun will ich Eure Nachtruhe nicht länger stören."

Regina erhob sich ebenfalls. „Von Euch lasse ich mich gerne stören."

Sie kam näher. Hathumar schluckte, sein Mund war trocken.

„Ich. ich muß jetzt gehen", stammelte er und ging eilig zur Tür, um nach draußen zu flüchten. Von den Lockungen, die seine Sinne betörten, war er so verwirrt, daß er die Männer erst bemerkte, als sie ihn eingekreist hatten.

„Sieh an!" dröhnte ein bärtiger Krieger. „Wen haben wir denn da?"

Hathumar taumelte entsetzt zurück - und stieß gegen Regina, die ihm gefolgt war.

Die Konkubine packte ihn an den Schultern und zog ihn zur Seite.

„Was erlaubt ihr euch?" fuhr sie die Krieger an. „Seht ihr nicht, daß er ein Priester ist? Meine Zofe ist schwer erkrankt. Ich habe ihn rufen lassen, damit er ihr Trost spenden kann."

Trotz der Angst, die ihn beinahe überwältigte, brannten auf Hathumars Rücken die beiden Stellen, die Reginas Brüste berührt hatten.