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VIII. KapitelGegenspieler

Hathumar schaute betreten zu Boden. „Ich weiß nicht recht, Hoheit."

„Was heißt das, du weißt nicht recht?"

„Nun, er ist gesehen worden, als er den Dom betrat, also hatte er die Gelegenheit. Er kommt aus Spanien, demzufolge hätte er den Skorpion mitbringen können. Aber er ist ein geistig verwirrtes Geschöpf, auf mich wirkt er fast wie ein Kind. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß er dazu fähig ist, einen solchen Mord zu planen."

„Und wenn ihm Felix von Urgelis dazu den Auftrag erteilt hat?"

„Ich glaube nicht, daß."

„Ja oder nein?"

Hathumar widerstrebte es, den freundlichen Felix von Urgelis zu belasten. Er zögerte.

„Bibliothekar von Corbie, ich habe dir eine Frage gestellt", quäkte Karls helle Stimme.

„Aio vertraut seinem Herrn, das ist wahr. Ich schätze, er würde ihm bedingungslos folgen."

Nachdem er erfahren hatte, daß der Diener von Felix im Kerker lag, hatte der König die beiden Sachsen zu einer Audienz bestellt.

Jetzt wandte er sich an Giselher: „Was meinst du, Marschall?"

„Für mich ist er der Mörder", sagte Giselher geradeheraus.

„Die Beweise sprechen eindeutig gegen ihn. Er hat noch nicht gestanden, aber es ist nur eine Frage der Zeit. Einige Tage im feuchten, dunklen Kerker, mit nichts als Wasser und ein bißchen Brot, dazu aufmunternde Peitschenhiebe, und er wird reden, auf Lateinisch oder in welcher Sprache auch immer. Dann werden wir erfahren, ob der abgesetzte Bischof von Urgelis dahintersteckt."

Karl nickte. „Ich will ein Geständnis. Bring ihn nicht vorzeitig ums Leben!"

Der Kämmerer erschien in der Tür. „Ich bitte um Verzeihung, Hoheit. Zwei Herren aus Rom sind eingetroffen. Der primicerius* Paschalis mit seinem Begleiter Campulus. Sie wünschen Euch zu sprechen."

„Sag ihnen, sie sollen in der Aula warten! Und bitte Erzbischof Hildebald, Erzbischof Arn und Bischof Theodulf, zu mir zu kommen!" Er bedachte die beiden jungen Männer, die vor ihm standen, mit einem freundlichen Lächeln. „Das ist vorläufig alles. Meldet euch, wenn ihr etwas Neues habt. Und, Marschall!" Halb drohend, halb scherzend hob er den Zeigefinger. „Beim nächsten Mal möchte ich rechtzeitig unterrichtet werden."

„Wie Ihr wünscht, Hoheit." Giselher verbeugte sich, und auch Hathumar neigte den Kopf.

„Ich bin nicht deiner Meinung", sagte Hathumar, als sie durch den fensterlosen Gang schritten. „Felix von Urgelis ist viel zu gutmütig, um einen solchen Mord zu planen. Und von sich aus würde Aio so etwas nicht tun."

„Auf den ersten Blick wirkt Felix harmlos", gab Giselher zu. „Aber du hast nicht meine Menschenkenntnis. In deiner abgeschiedenen Klosterwelt gibt es keine Lügen und Intrigen."

„Das glaubst du!" stieß Hathumar hervor.

„Wenn man am Hof lebt, so wie ich", fuhr Giselher unbeirrt fort, „erfährt man täglich, wieviel Falschheit in den Menschen steckt. Nach außen tun sie freundlich, und hintenrum wüschen sie einem den Tod."

„Ah, die beiden Mördersucher."

Sie waren so in ihr Gespräch vertieft gewesen, daß sie Bischof Theodulf nicht bemerkt hatten, der plötzlich vor ihnen stand.

Aus der Nähe fiel Hathumar auf, daß die strohblonden Haare des Bischofs an den Wurzeln dunkler waren.

Er ist eitel, dachte Hathumar. Er färbt seine Haare mit Asche und Seife.

„Habt ihr schon - wie sagt man - jemanden im Verdacht?"

„Ich habe den Diener Felix' von Urgelis in Ketten legen lassen", berichtete Giselher.

„Und ihr seid sicher, daß ihr den Richtigen erwischt habt?"

„Davon bin ich überzeugt", sagte der Marschall mit Nachdruck.

Theodulf schaute Hathumar an. „Du scheinst anderer Meinung zu sein, Mönch?"

„Ja, ich habe meine Zweifel", gab Hathumar zu.

„Nun, dann solltet ihr euch schnell einigen. Sonst wird nachher noch ein Bischof gestochen."

Theodulf ließ sie stehen.

„Das ist einer von denen, die ich meine", flüsterte Giselher. „In seinen Gedichten verspottet Theodulf den Hofkreis, sogar den König, ohne daß dieser es merkt."

Hathumar war der Bischof von Orleans unheimlich.

„Wenn statt Bischof Odoaker, so wie vorgesehen, Erzbischof Hildebald die Messe gelesen hätte und gestorben wäre, wer würde dann seine Stelle als Erzkappelan am Hof einnehmen?"

„Erzbischof Arn von Salzburg oder Bischof Theodulf", antwortete Giselher.

„Theodulf ist Westgote, er kommt aus Spanien. Er muß sich mit Skorpionen auskennen."

„Worauf willst du hinaus?" zischte Giselher. „Bist du verrückt? Sag so etwas bloß nicht laut!"

„Wir müssen an alle Möglichkeiten denken", beharrte Hathumar.

Giselher schnaufte. „Theodulf hat die Macht, uns als Sklaven verkaufen zu lassen."

Der Mönch lächelte. „Das würde meinen Status kaum verändern."

„Aber meinen. Ich führe am Hof ein angenehmes Leben. Fünfzig Stallknechte hören auf mein Kommando. Das will ich nicht verlieren, verstehst du? Also hüte gefälligst deine Zunge!"

„Was sagt ihr dazu?" fragte Karl in die Runde seiner Berater.

Erzbischof Hildebald sah bekümmert aus. Er hatte sich von seinem Krankenlager erhoben, aber seine Augen glänzten fiebrig, und die fahlen Wangen waren hohl. Auch hatte er inzwischen erfahren, daß der Mordanschlag eigentlich ihm gegolten hatte, was seiner Genesung alles andere als förderlich gewesen war.

„Selbst wenn nicht jede Behauptung, die sie erheben, einer Überprüfung standhalten würde, der größte Teil dürfte der Wahrheit entsprechen. Es stimmt mit dem überein, was wir seit Jahren aus Rom hören. Bedenkt, Hoheit, daß wir Papst Leo bereits vor einem Jahr gewarnt haben. Ihr selbst habt ihn in einem Schreiben ermahnt, einen ehrbaren Lebenswandel zu führen und die simonistische Ketzerei auszurotten, welche den Körper der heiligen Kirche an vielen Orten befleckt."

„Ich weiß, was ich habe schreiben lassen", sagte der König ärgerlich. „Ach, ich wünschte, Alkuin wäre hier. Gerade jetzt wäre sein Rat von unschätzbarem Wert."

„Wenn ich an seiner Stelle reden darf", erbot sich Erzbischof Arn. „Was Alkuin den Anklägern antworten würde, ist sonnenklar: 'Wer von euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein!'"

Arn zog einen Brief aus seinem Gewand. „Dieser Tage habe ich ein Schreiben Alkuins erhalten."

„Laßt hören!" drängte Karl.

„Alkuin schreibt: Ich höre, Feinde des Heiligen Vaters versuchen, ihn durch hinterlistige Vorspiegelungen abzusetzen. Sie beschuldigen den Papst des Ehebruchs und des Meineides und verlangen, er solle sich durch einen Eid von diesen Verbrechen reinigen, widrigenfalls er sich in ein Kloster zurückziehen müsse. Welcher Bischof bleibt noch unangetastet, wenn selbst das Haupt der Christenheit abgesetzt werden kann?'"

„Unser väterlicher Freund macht es sich ein wenig zu einfach", widersprach Bischof Theodulf. „Wir können nicht so tun, als seien alle Vorwürfe nur hinterlistige Vortäuschungen."

In der Tat waren Paschalis und Campulus recht konkret geworden. Sie hatten berichtet, daß sich Leo rücksichtslos bereichere, indem er hohe Kirchenämter an den Meistbietenden vergab, bezahlte Gefälligkeitsurteile lieferte und die Bewohner Roms bis aufs Blut auspreßte. Auch über den unsittlichen Lebenswandel des Papstes hatte sie einige delikate Einzelheiten preisgegeben.

Auf die Heiligkeit des Amtes angesprochen, die seinen Inhaber moralisch erhöhe, hatte Paschalis mit Hohn geantwortet.

„Wenn die Höhe besser mache", sagte der primicerius, „dann hätten Luzifer nicht im Himmel, Adam nicht im Paradies und der blutschänderische Lot nicht auf einem Berg gesündigt."

Unumwunden hatten die Gegner des Papstes verlangt, daß Karl ihn absetzen und in ein Kloster verbannen möge. Dann könne in Rom eine neue Wahl stattfinden, die einen geeigneteren Kandidaten auf den Stuhl Petri heben würde.

„Alkuin tritt für eine strikte Trennung zwischen dem kirchlichen und dem weltlichen Reich ein", fuhr Theodulf fort. „Euch, Hoheit, sieht er in der Rolle des Beschützers, der die Kirche Christi nach außen gegen Heiden und Ungläubige mit Waffen verteidigt, während der Papst mit erhobenen Händen wie Moses durch Gebet unseren Kampf unterstützt. Aber der Papst ist nicht nur Priester, er ist auch weltlicher Herrscher des Kirchenstaates, der in Eurem Einflußgebiet liegt. Also müßt Ihr Euch um die Angelegenheit kümmern."

„Wer bin ich, daß ich den Papst absetze?" rief Karl verzweifelt. „Wer gibt mir die Macht dazu? Ich bin nur ein König, der seine Krieger anführt."

„Und was wäre die Konsequenz?" hieb Erzbischof Arn in dieselbe Kerbe. „Würde man Euch nicht in Zukunft bei jedem theologischen Streit, der in Rom ausbricht, als Schiedsrichter anrufen? Würden nicht aus allen Teilen des Reiches Leute kommen, die einen unliebsamen Bischof oder sogar Abt absetzen wollen?"

„Trotzdem wäre es fatal, die Dinge laufen zu lassen", pflichtete Hildebald Theodulf bei. „Wir können Papst Leo nicht einfach in den Lateran-Palast zurückkehren lassen, als wäre nichts geschehen. Er würde dort leben wie ein Gefangener. Das Volk Roms ist gegen ihn, früher oder später wird es rebellieren."

„Ihr habt recht", sagte der König. „Wir können die Dinge nicht laufen lassen. Es muß eine gründliche Untersuchung geben. Sie wird zu einer Entscheidung führen, einem Freispruch oder." Er wandte sich an Theodulf: „Was ist eigentlich mit diesem Papst Symmachus geschehen, den Ennodius so beherzt verteidigt hat?"

„Er wurde von einem Konzil freigesprochen", sagte Theodulf. „Ich bezweifle allerdings, daß Ennodius etwas dazu beigetragen hat. Die Gegner des Symmachus behaupteten, die Konzilteilnehmer seien bestochen worden."