176949.fb2 The Mysterious Mr Quin - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 3

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Der Zaubertrick

Mr Sattersway war verärgert. Der ganze Tag war schon schief gelaufen. Sie konnten erst spät abfahren, erwischten dann eine falsche Abzweigung und verfuhren sich in der einsamen Gegend von Salisbury. Es war schon bald acht Uhr, und Marswick Manor, der vereinbarte Treffpunkt, war noch immer etwa vierzig Meilen entfernt. Und jetzt kam noch ein Plattfuß dazu.

Mr Sattersway, der an einen kleinen aufgeplusterten Vogel erinnerte, schritt vor der Dorfgarage auf und ab, während sich sein Fahrer leise mit dem einheimischen Fachmann unterhielt.

»Mindestens eine halbe Stunde«, lautete das endgültige Urteil.

»Wobei wir noch von Glück sagen können«, bemerkte Masters, der Fahrer. »Eher drei viertel Stunden, schätze ich.«

»Wie heißt eigentlich dieser – Ort?«, fragte Mr Sattersway verdrossen. Er wollte keineswegs verletzend sein, darum sagte er »Ort« statt »gottverlassenes Nest«, was ihm näher gelegen hätte.

»Kirtlington Mallet.«

Jetzt war Mr Sattersway zwar genauso klug wie vorher, aber der Name kam ihm ganz entfernt bekannt vor. Verzweifelt sah er sich um. Kirtlington Mallet schien nur aus einer lang gezogenen Straße zu bestehen, mit Garage und Postamt auf der einen und drei undefinierbaren Geschäften auf der anderen Seite. Immerhin konnte Mr Sattersway weiter unten etwas knarrend im Wind Baumelndes erkennen, und seine Laune besserte sich sofort.

»Das muss ein Gasthof sein«, bemerkte er.

»Zu den Schellen und Narren«, erklärte der Mechaniker. »So heißt er.«

»Darf ich mir einen Vorschlag erlauben?«, warf Masters ein. »Warum nicht einen Versuch wagen? Sie werden dort bestimmt etwas zu essen bekommen – wenn auch nicht in der gewohnten Qualität.« Er schob eine entschuldigende Pause ein, denn Mr Sattersway war an die Kochkünste der besten Küchenchefs des Kontinents gewöhnt und hatte sogar einen eigenen Spitzenkoch in seinen Diensten, dem er ein fürstliches Gehalt zahlte.

»Wir werden in den nächsten drei viertel Stunden nicht weiterfahren können, Sir, das ist sicher. Und es ist bereits nach acht Uhr. Sie könnten Sir George vom Gasthof aus anrufen, Sir, und ihm den Grund Ihrer Verspätung mitteilen.«

»Sie scheinen alles besser zu wissen, Masters«, sagte Mr Sattersway giftig.

Masters war tatsächlich dieser Ansicht und hielt sich daher respektvoll zurück.

Mr Sattersway war in einer Stimmung, wo er jeden Vorschlag, der ihm unterbreitet wurde, am liebsten abgelehnt hätte. Trotzdem sah er mit Interesse die Straße hinunter zum knarrenden Wirtshausschild. Er hatte einen Appetit wie ein Vogel, aber auch ein Vogel musste sich ernähren.

»Zu den Schellen und Narren«, murmelte er nachdenklich, »ein seltsamer Name für ein Wirtshaus. Ich glaube nicht, ihn je schon gehört zu haben.«

»Auf jeden Fall verkehren dort merkwürdige Leute«, meinte der Mechaniker. Er beugte sich über das Rad und war daher nur dumpf und undeutlich zu hören.

»Merkwürdige Leute? Was soll das heißen?«, fragte Mr Sattersway.

Der Mann schien es nicht genau zu wissen. »Leute, die kommen und gehen. Von dieser Sorte«, sagte er unklar.

Mr Sattersway überlegte, dass jeder, der einen Gasthof betrat, ihn notgedrungen auch wieder verlassen musste. Die Erklärung kam ihm zu wenig präzise vor. Aber seine Neugier war erwacht. Er musste in jedem Fall drei viertel Stunden opfern. In diesem Wirtshaus war es bestimmt nicht schlechter als anderswo.

Mit gewohnt gezierten Schritten ging er die Straße hinunter. In der Ferne hörte man Donnergrollen. Der Mechaniker sah auf und sagte zu Masters: »Es kommt ein Gewitter. Ich spüre es schon lange.«

»Ach, du meine Güte, und noch vierzig Meilen zu fahren«, jammerte Masters.

»Es ist sinnlos, sich jetzt zu beeilen. Sie können doch nicht weiter, bevor das Unwetter vorüber ist. Ihr kleiner Boss sieht nicht so aus, als habe er Freude an Donner und Blitz.«

»Hoffentlich kümmert man sich ordentlich um ihn«, murmelte der Fahrer. »Ich werde dort auch was essen.«

»Jones ist in Ordnung«, beruhigte ihn der Mechaniker. »Er hat eine gute Küche.«

Mr William Jones, ein großer, bulliger Mann von fünfzig Jahren, der Inhaber des Wirtshauses, beugte sich zu diesem Zeitpunkt schmeichelnd zu dem kleinen Mr Sattersway hinunter.

»Ich kann Ihnen ein schönes Steak braten, Sir, und Kartoffeln dazu. Danach gibt’s den besten Käse, den Sie sich vorstellen können. Hier durch, Sir, in das Frühstückszimmer. Wir sind gegenwärtig nicht sehr besetzt, weil die letzten Sportfischer eben weg sind. Aber bald werden wir zur Jagd wieder alles belegt haben. Nur ein Gentleman ist zurzeit hier, ein Mr Quin – «

Mr Sattersway blieb wie angewurzelt stehen. »Quin? Sagten Sie Quin?«, fragte er aufgeregt.

»Ja, so heißt er. Vielleicht ein Freund von Ihnen?«

»Und ob! O ja, ganz bestimmt!« Zitternd vor Erwartung bedachte Mr Sattersway gar nicht, dass es mehr als einen Mann dieses Namens auf der Welt geben konnte. Es bestand für ihn überhaupt kein Zweifel. Auf seltsame Weise passte es zu dem, was der Mechaniker gesagt hatte: Leute, die kommen und gehen. Eine sehr glückliche Beschreibung von Mr Quin. Und der Name des Gasthofs passte seltsamerweise auch genau.

»Du meine Güte! Ein sehr merkwürdiger Zufall, dass wir uns hier wiedersehen! Mr Harley Quin, stimmt’s?«

»Ja, Sir. Er ist im Frühstückszimmer, Sir. Hier sitzt der Gentleman.«

Dunkel, groß und lächelnd erhob sich die bekannte Gestalt von Mr Quin, und die vertraute Stimme sagte:

»Ach, Mr Sattersway, so treffen wir uns also wieder! Welch ein Zufall!«

Mr Sattersway schüttelte ihm herzlich die Hand. »Ich bin entzückt. Was für ein Glück, dass ich eine Panne hatte! Wohnen Sie längere Zeit hier?«

»Nur eine Nacht.«

»Dann habe ich wirklich ausgesprochenes Glück.« Mr Sattersway setzte sich mit einem kleinen zufriedenen Seufzer seinem Freund gegenüber und betrachtete erwartungsvoll dessen lächelndes Gesicht.

Der andere schüttelte leicht den Kopf.

»Ich versichere Ihnen, dass ich kein Glas mit Goldfischen oder ein Kaninchen aus dem Ärmel zaubern werde.«

»Wie schade!« Mr Sattersway war ein wenig enttäuscht. »Ja, ich muss gestehen, dass ich Ihnen gegenüber diese Erwartung hege. Sind Sie ein Magier. Ha, ha! So sehe ich Sie – als Zauberer!«

»Und doch«, wandte Mr Quin ein, »machen Sie die Zauberkunststücke, nicht ich!«

»Aber ohne Sie kann ich sie nicht ausführen«, widersprach Mr Sattersway sofort. »Mir fehlt – sagen wir – die Fantasie.«

Mr Quin wehrte lächelnd ab. »Das ist zu hoch gegriffen. Ich liefere Ihnen die Stichworte, das ist alles.«

In diesem Augenblick brachte der Wirt Brot und gelbe Butter. Als er beides auf den Tisch stellte, zuckte ein greller Blitz auf, dem sofort ein Donnerschlag folgte.

»Eine stürmische Nacht, Gentlemen.«

»In einer Nacht wie dieser – «, hob Mr Sattersway an, hielt aber inne.

»Sehr seltsam«, meinte der Wirt. »Das wollte ich auch gerade sagen. In einer Nacht wie dieser führte Captain Harwell seine Braut heim, genau am Tag, bevor er für immer verschwand.«

»Ach ja!«, rief Mr Sattersway. »Natürlich!«

Jetzt hatte er das Stichwort gefunden. Er wusste nun, warum ihm der Name Kirtlington Mallet bekannt vorgekommen war. Vor drei Monaten hatte er jede Zeile über Captain Richard Harwells erstaunliches Verschwinden gelesen. Wie alle Zeitungsleser in ganz England hatte er an den Details dieses Verschwindens herumgerätselt und darüber seine eigene Theorie entwickelt.

»Natürlich«, wiederholte er, »das war ja in Kirtlington Mallet.«

»In diesem Hause stieg er letzten Winter zur Jagd ab«, erzählte der Wirt. »Ich kannte ihn gut. Ein sehr gut aussehender junger Mann. Nicht dass Sie glauben, er war nicht ganz normal gewesen! Meiner Meinung nach wurde er umgebracht. Ich habe ihn oft mit Miss Le Couteau vorbeireiten sehen. Das ganze Dorf glaubte, sie würden bald ein Paar, und so geschah es dann auch. Eine sehr schöne junge Dame und sehr angesehen, obwohl sie Kanadierin und eine Fremde war. Ach, es ist eine tragische Geschichte! Wir werden die Wahrheit nie erfahren. Es brach ihr das Herz, das ist sicher. Sie haben bestimmt gehört, dass sie das Haus verkaufte und ins Ausland zog. Sie konnte es nicht ertragen, dass alle sie anstarrten und mit dem Finger auf sie zeigten – obwohl sie ganz unschuldig war, das arme Ding. Eine düstere Geschichte, das ist mal sicher.«

Er schüttelte den Kopf, erinnerte sich dann plötzlich an seine Pflichten und ging hinaus.

»Eine düstere Geschichte«, wiederholte Mr Quin leise.

Seine Stimme klang in Mr Sattersways Ohren nach Herausforderung. »Wollen Sie behaupten, dass wir einen Fall klären können, bei dem sogar Scotland Yard aufgeben musste?«, fragte er.

Der andere machte eine charakteristische Geste.

»Warum nicht? Die Zeit vergeht. Nach drei Monaten sieht vieles anders aus.«

»Es ist schon merkwürdig, dass Sie glauben, im Nachhinein sehe man die Dinge besser als in der Gegenwart«, meinte Mr Sattersway zögernd.

»Je mehr Zeit verstrichen ist, umso schärfer zeigt sich alles in den richtigen Proportionen. Die eigentlichen Zusammenhänge werden deutlich.«

Für einige Minuten entstand ein Schweigen.

»Ich bin nicht sicher, dass ich mich noch genau an die Fakten erinnere«, sagte Mr Sattersway langsam.

»Doch, ich glaube schon«, erwiderte Mr Quin ruhig.

Auf diese Ermunterung hatte Mr Sattersway eigentlich nur gewartet. Meist fiel ihm im Leben die Rolle des Zuhörers und Zuschauers zu. Nur in Mr Quins Gesellschaft waren die Rollen vertauscht. Hier war Mr Quin der aufmerksame Zuhörer, und Mr Sattersway stand im Rampenlicht.

»Vor etwa einem Jahr ging Ashley Grange in den Besitz von Miss Eleanor Le Couteau über«, begann er. »Es ist ein wunderschönes, altes Haus, aber es war vernachlässigt und stand viele Jahre leer. Es hätte keine bessere Besitzerin finden können. Miss Le Couteau war Frankokanadierin. Ihre Vorfahren waren während der Französischen Revolution hinüber geflüchtet und hatten ihr eine Sammlung fast unbezahlbarer französischer Antiquitäten hinterlassen. Sie kaufte und sammelte selbst und hatte einen sehr guten und sicheren Geschmack. Das zeigte sich, als sie nach der Tragödie Ashley Grange samt der Einrichtung verkaufen wollte. Mr Cyrus G. Bradburn, der amerikanische Millionär, fackelte nicht lange und bezahlte ihr für das ganze Anwesen samt Möbeln und allem den fantastischen Preis von sechzigtausend Pfund.«

Mr Sattersway machte eine Pause. »Das ist zwar nicht wichtig für die Geschichte«, räumte er ein, »aber nützlich, um sich die Situation in Erinnerung zu rufen, sozusagen die Atmosphäre um die junge Mrs Harwell.«

Mr Quin nickte. »Atmosphäre ist immer wichtig«, warf er bedeutungsvoll ein.

»So bekommen wir ein Bild von dieser jungen Frau«, fuhr der andere fort. »Erst dreiundzwanzig, dunkelhaarig, schön, gebildet und reich – das dürfen wir nicht vergessen! Sie war Waise. Und Mrs St. Clair, eine Dame bester Herkunft, lebte als Gesellschafterin bei ihr. Eleanor Le Couteau hatte die alleinige Verfügungsgewalt über ihr Vermögen, und an Glücksrittern fehlte es nie. Mindestens ein Dutzend junge Habenichtse riss sich um sie bei jeder Gelegenheit, beim Jagen, auf Bällen, wo immer sie auftauchte. Der junge Lord Leccan, die beste Partie weit und breit, bat sie um ihre Hand, aber sie wollte lieber ungebunden bleiben. Das heißt, bis Captain Richard Harwell auftauchte.

Captain Harwell war im hiesigen Gasthof zur Jagdzeit abgestiegen. Er war ein glänzender Reiter, ein gut aussehender, strahlender Teufelskerl von einem Mann. Erinnern Sie sich an den alten Spruch ›Jung gefreit hat noch niemand gereut‹? Das Sprichwort hat sich hier wenigstens teilweise bewahrheitet. Schon nach zwei Monaten waren Richard Harwell und Eleanor Le Couteau verlobt.

Die Hochzeit folgte drei Monate später. Das glückliche Paar fuhr auf eine zweiwöchige Hochzeitsreise ins Ausland und kehrte dann zurück, um sich in Ashley Grange niederzulassen. Der Wirt hat uns eben gesagt, dass sie in einer Gewitternacht wie dieser zurückkehrten. Vielleicht ein Omen, wer weiß? Auf jeden Fall wurde am folgenden Morgen – etwa um halb acht – Captain Harwell von einem der Gärtner, John Mathias, gesehen, wie er im Garten umherging. Er war barhäuptig und pfiff. Da haben wir ein Bild von Sorglosigkeit, von heiterem Glück. Und doch wurde von diesem Augenblick an Captain Richard Harwell nie wieder gesehen, soviel man weiß.«

Mr Sattersway machte eine Pause. Er genoss die Dramatik des Augenblicks sichtlich. Mr Quins bewundernder Blick zollte ihm den notwendigen Tribut, und er fuhr fort:

»Dieses Verschwinden war auffallend – unerklärlich. Erst am nächsten Tag benachrichtigte seine Frau beunruhigt die Polizei. Wie Sie wissen, ist es nicht gelungen, das Rätsel zu lösen.«

»Vermutlich gab es einige Theorien?«, fragte Mr Quin.

»Ach, massenhaft! Theorie Nummer eins war, dass Captain Harwell ermordet wurde. Aber wo war dann die Leiche? Sie konnte sich kaum in Nichts aufgelöst haben. Und abgesehen davon, aus welchem Grund? Soweit bekannt, hatte Captain Harwell keinen einzigen Feind auf der Welt.«

Er hielt plötzlich inne, als sei er unsicher geworden: »Stephen Grant, falls ich mich richtig erinnere, hatte sich um Captain Harwells Pferde zu kümmern und war wegen einer Bagatelle von seinem Herrn entlassen worden. Am frühen Morgen nach der Rückkehr des Paares wurde Stephen Grant in der Nähe von Ashley Grange beobachtet, konnte aber keinen triftigen Grund für seine Anwesenheit angeben. Er wurde von der Polizei verhaftet wegen Verdachts auf Beteiligung am Verschwinden von Captain Harwell, aber man konnte ihm nichts nachweisen und musste ihn laufen lassen. Vielleicht hat er sich tatsächlich für seine Entlassung an Captain Harwell rächen wollen, aber als Motiv war dies zweifellos zu schwach. Vermutlich musste die Polizei einfach etwas unternehmen. Sie sehen, wie ich eben sagte, dass Captain Harwell nicht einen Feind auf der Welt hatte.«

»Wir kennen jedenfalls keinen«, berichtigte ihn Mr Quin nachdenklich.

Mr Sattersway nickte. »Darauf kommen wir noch. Was wissen wir denn überhaupt von Captain Harwell? Als die Polizei Nachforschungen über seine Vergangenheit anstellte, fand man nur äußerst wenig heraus. Wer war Richard Harwell? Wo kam er her? Er war wie aus dem Nichts aufgetaucht, wie es schien, ein hervorragender Reiter und offenbar gut betucht. In Kirtlington Mallet hatte sich niemand die Mühe genommen, Näheres über ihn zu erfahren. Miss Le Couteau hatte keine Eltern oder Verwandte, die in der Vergangenheit ihres Verlobten herumschnüffeln konnten. Sie war ihr eigener Herr und Meister. Die Polizei ließ da keinen Zweifel aufkommen. Ein reiches Mädchen und ein frecher Hochstapler, das alte Lied!

Aber ganz so war es nicht. Es stimmt, dass Miss Le Couteau keine Eltern oder Verwandte hatte, aber sie wurde von ausgezeichneten Anwälten in London beraten, die alles Geschäftliche für sie erledigten. Das macht die Geschichte noch verwirrender. Eleanor Le Couteau wollte ihrem zukünftigen Mann sofort eine Summe überschreiben, aber er schlug sie aus mit der Begründung, er habe keine finanziellen Sorgen. Es gab stichhaltige Beweise, dass Harwell nie einen Penny von seiner Frau bezog. Ihr Vermögen blieb unangetastet.

Er war also kein alltäglicher Schwindler, aber möglicherweise hatte er eine raffinierte Taktik. Vielleicht wollte er mit Erpressung drohen, sobald Eleanor Harwell später einen anderen Mann zu heiraten beabsichtigte. Ich gebe zu, dass mir diese Möglichkeit immer am glaubhaftesten erschien. Jedenfalls bis heute Abend.«

Mr Quin lehnte sich vor und fixierte ihn. »Bis heute Abend?«

»Seit heute Abend bin ich damit nicht mehr zufrieden. Wie konnte er zu dieser Tageszeit so plötzlich und spurlos verschwinden, wo alle Leute zur Arbeit unterwegs waren? Und auch noch barhäuptig?«

»Besteht über diesen Punkt kein Zweifel? Der Gärtner hat ihn gesehen?«

»Ja, der Gärtner – John Mathias. Steckt vielleicht hier mehr dahinter?«

»Die Polizei hat ihn bestimmt nicht übersehen«, meinte Mr Quin.

»Sie quetschten ihn gründlich aus. Er widersprach sich nie. Seine Frau hatte ihn hinausgeekelt. Er ging um sieben von seiner Hütte zu den Gewächshäusern und kehrte um zwanzig vor acht wieder zurück. Die Dienstboten im Haus hörten etwa um Viertel nach sieben die Haustür gehen. Das zeigt, wann Captain Harwell das Haus verließ. Ja, ich weiß, was Sie jetzt denken.«

»Tatsächlich? Das wundert mich«, antwortete Mr Quin.

»Ich glaube schon. Mathias hatte genügend Zeit, um seinen Herrn umzubringen. Aber warum, Mann, warum? Und wo hätte er die Leiche versteckt?«

»Tut mir leid, dass ich Sie so lange habe warten lassen, Gentlemen.«

Der Geruch der Speisen stieg Mr Sattersway verlockend in die Nase. Er war in bester Laune. »Das sieht fabelhaft aus! Ganz ausgezeichnet! Wir haben von Captain Harwells Verschwinden gesprochen. Was wurde eigentlich aus dem Gärtner Mathias?«

»Er bekam eine Stelle in Essex, soviel ich weiß. Er wollte nicht mehr in der Gegend bleiben. Einige Leute haben ihn scheel angesehen, wissen Sie. Aber ich habe nie geglaubt, dass er etwas damit zu tun hatte.«

Mr Sattersway bediente sich zuerst. Mr Quin folgte. Der Wirt schien zu einem Schwätzchen aufgelegt zu sein. Mr Sattersway war nicht abgeneigt, im Gegenteil. »Was für ein Kerl war dieser Mathias?«

»Ein Mann in mittleren Jahren, wahrscheinlich früher sehr kräftig, aber schon vom Rheuma geplagt. Er war sehr schlecht dran, konnte manchmal gar nicht mehr aufstehen und seiner Arbeit nachgehen. Ich glaube, Miss Eleanor hat ihn aus reiner Freundlichkeit behalten. Als Gärtner war er längst nicht mehr tauglich, wenn auch seine Frau sich im Hause nützlich machen konnte. Sie war früher Köchin und immer bereit, mit Hand anzulegen.«

»Was für eine Frau war sie?«, warf Mr Sattersway schnell ein.

Die Antwort des Gastwirts fiel enttäuschend aus. »Eine einfache Person. Um die vierzig, ziemlich mürrisch. Und taub. Ich kannte sie nicht näher. Sie waren ja erst einen Monat hier, wissen Sie, als das Unglück geschah. Man sagte, er sei früher ein besonders guter Gärtner gewesen. Miss Eleanor besaß hervorragende Zeugnisse von ihm.«

»Interessierte sie sich für den Garten?«, fragte Mr Quin leise.

»Nein, Sir, das könnte man nicht behaupten. Jedenfalls nicht wie einige Damen in der Umgebung, die ihre Gärtner gut bezahlen und trotzdem den ganzen Tag im Garten auf den Knien herumrutschen. Ganz schön verrückt, meine ich. Wissen Sie, Miss Le Couteau war nicht sehr oft hier, außer im Winter zur Jagdzeit. Meist war sie in London und in diesen ausländischen Badeorten, wo angeblich die französischen Damen nur die Zehenspitzen ins Wasser tauchen aus Angst, ihre Kleider zu ruinieren. Jedenfalls habe ich das gehört.«

Mr Sattersway lächelte. »Hatte keine – eh – andere Frau die Hand im Spiel?«, fragte er. Obwohl seine frühere Theorie widerlegt war, gab er sie nicht gerne auf.

Mr William Jones schüttelte den Kopf. »Gar nichts in dieser Art. Nicht der kleinste Hinweis. Ja, es ist eine sehr tragische Geschichte, das ist sicher.«

»Und zu welcher Theorie neigen Sie selbst?«, fragte Mr Sattersway.

»Was ich davon halte?«

»Ja.«

»Ich weiß es nicht. Ich glaube, dass er ermordet wurde, aber durch wen – das kann ich nicht sagen. Jetzt hole ich den Käse.«

Er nahm die leeren Teller und ging hinaus. Das Gewitter, das bereits weitergewandert zu sein schien, brach plötzlich wieder heftig los. Ein greller Blitz, auf den sofort ein lauter Donner folgte, ließ den kleinen Mr Sattersway zusammenfahren. Bevor das letzte Grollen verhallt war, brachte ein Mädchen den versprochenen Käse.

Sie war groß und dunkel und auf eine trotzige Art hübsch. Ihre Ähnlichkeit mit dem Wirt verriet, dass sie seine Tochter sein musste.

»Guten Abend, Mary«, begrüßte sie Mr Quin. »Das ist eine stürmische Nacht.«

Sie nickte. »Ich hasse Gewitter«, murmelte sie.

»Haben Sie etwa Angst vor dem Donner?«, erkundigte sich Mr Sattersway freundlich.

»Angst vor dem Donner? Bestimmt nicht! Ich habe selten Angst. Aber bei einem Gewitter ist es jedes Mal das Gleiche. Dann wird geredet und geredet, immer wieder über dasselbe, wie Papageien. Vater macht den Anfang: ›Ich erinnere mich ganz genau, in einer Nacht wie dieser kam Captain Harwell nachhause…‹, und so weiter. Endlos!« Sie wandte sich Mr Quin zu. »Sie haben ja gehört, wie er loslegt. Was soll’s? Kann man die Vergangenheit nicht endlich ruhen lassen?«

»Eine Sache wird erst Vergangenheit, wenn sie erledigt ist«, meinte Mr Quin.

»Ist sie denn etwa nicht erledigt? Vielleicht wollte er verschwinden. Das soll bei feinen Herren vorkommen.«

»Glauben Sie, dass er freiwillig verschwand?«

»Warum nicht? Es wäre jedenfalls wahrscheinlicher, als dass ihn ein so gutmütiger Teufel wie Stephen Grant umbrachte. Was hätte er davon, frage ich mich. Stephen trank mal einen über den Durst und warf dem Captain ein paar Wahrheiten an den Kopf und wurde deshalb entlassen. Na, wenn schon! Er fand eine andere Stelle, die ebenso gut ist. Soll das ein Grund sein, um einen Menschen kaltblütig umzubringen?«

»Die Polizei war bestimmt überzeugt von seiner Unschuld«, beruhigte Mr Sattersway sie.

»Die Polizei! Die spielt doch keine Rolle! Wenn Stephen am Abend in ein Lokal kommt, sieht ihn jeder schief an. Sie sind nicht ganz überzeugt, dass er Harwell umbrachte, aber weil sie es für möglich halten, sehen sie ihn scheel an. Kein schönes Leben für einen Mann, wenn alle Leute ihm ausweichen, als hätte er die Pest. Warum will Vater nicht, dass wir heiraten, Stephen und ich? ›Du kannst was Besseres kriegen, meine Tochter. Ich habe nichts gegen Stephen, aber – man weiß es eben nicht …‹«

Sie hielt inne. Ihr Busen wogte vor Empörung. »Das ist grausam, jawohl!«, brach sie von Neuem los. »Stephen tut keiner Fliege was zu Leide! Aber sein ganzes Leben lang werden gewisse Menschen glauben, er habe es getan. Er wird schon ganz seltsam und verbittert. Das wundert mich nicht. Und je mehr er so wird, umso mehr Menschen glauben, dass etwas dran sein muss.«

Sie unterbrach sich wieder. Ihre Augen waren die ganze Zeit auf Mr Quin geheftet, als zwänge sie etwas in seinem Gesicht zu diesem Ausbruch.

»Kann man nichts dagegen unternehmen?«, fragte Mr Sattersway. Er war ehrlich bekümmert. Eine solche Reaktion war unvermeidlich, das sah er ein. Gerade die Dürftigkeit des Beweismaterials gegen Stephen Grant machte es diesem noch schwerer, die Anschuldigungen zurückzuweisen.

Das Mädchen sah Mr Sattersway an. »Nur die Wahrheit kann ihm helfen!«, rief sie. »Wenn man Captain Harwell fände, wenn er zurückkäme! Wenn die wahren Hintergründe endlich bekannt würden…«

Sie brach in Schluchzen aus und rannte hinaus.

»Ein prächtiges Mädchen, aber ein trauriger Fall. Ich wünschte wirklich, dass man etwas tun könnte«, sagte Mr Sattersway.

»Wir tun, was wir können«, erwiderte Mr Quin. »Wir haben immerhin noch fast eine halbe Stunde, bis Ihr Wagen fertig ist.«

Mr Sattersway starrte ihn entgeistert an. »Sie glauben, wir können den Fall lösen, indem wir einfach darüber reden?«

»Sie kennen das Leben gut«, meinte Mr Quin bedeutungsvoll, »besser als die meisten Menschen.«

»Es ist an mir nur vorbeigezogen«, gab Mr Sattersway bitter zu.

»Aber es hat Ihren Blick geschärft. Wo andere blind sind, können Sie sehen.«

»Das stimmt«, antwortete Mr Sattersway. »Ich bin ein sehr guter Beobachter.«

Selbstgefällig plusterte er sich auf. Der bittere Augenblick war vorbei. »Ich sehe es folgendermaßen«, begann er nach ein paar Augenblicken. »Um einer Ursache auf den Grund gehen zu können, muss man die Wirkung studieren.«

»Sehr gut«, stimmte Mr Quin zu.

»In diesem Fall ist die Wirkung, dass Miss Le Couteau – ich meine Mrs Harwell – eine Ehefrau ist und doch wieder keine. Sie ist nicht frei – sie kann nicht heiraten. Und wie wir es auch betrachten, Richard Harwell ist eine dunkle Figur, ein Marin aus dem Nirgendwo mit fragwürdiger Vergangenheit.«

»Das stimmt«, räumte Mr Quin ein. »Sie sehen, was offensichtlich ist und nicht zu übersehen ist: Dass Captain Harwell im Rampenlicht steht und eine verdächtige Figur ist.«

Mr Sattersway sah ihn zweifelnd an. Die Worte schienen ein anderes Bild in ihm heraufzubeschwören. »Hier haben wir also die Wirkung, oder nennen wir es: das Resultat«, fuhr er fort. »Und jetzt können wir übergehen zu – «

Mr Quin unterbrach ihn. »Sie haben das Resultat noch nicht von der rein materiellen Seite her untersucht.«

»Sie haben Recht«, gab Mr Sattersway nach kurzem Nachdenken zu. »Man muss gründlicher sein. Sagen wir also, dass als Resultat der Tragödie Mrs Harwell eine Ehefrau ist und doch wieder keine, dass sie nicht heiraten kann und Mr Bradburn Ashley Grange samt Einrichtung für sechzigtausend Pfund – nicht wahr? – kaufen konnte. Und jemand in Essex hat John Mathias als Gärtner angestellt. Deshalb verdächtigen wir noch lange nicht diesen Unbekannten in Essex oder Mr Bradburn, das Verschwinden von Captain Harwell inszeniert zu haben.«

»Sie sind sarkastisch«, warf Mr Quin ein.

Mr Sattersway sah ihn scharf an. »Aber Sie sind sicher einverstanden, dass…«

»Ja, natürlich«, erwiderte Mr Quin. »Diese Vorstellung wäre absurd. Was kommt jetzt?«

»Versetzen wir uns doch in jenen Schreckenstag zurück. Nehmen wir an, das Verschwinden habe bereits stattgefunden – heute Morgen.«

»Nein, nein«, widersprach Mr Quin lächelnd. »Da wir ja wenigstens in unserer Fantasie Einfluss auf die Zeit haben, wollen wir sie weiterdrehen. Nehmen wir an, Harwells Verschwinden habe vor hundert Jahren stattgefunden. Und wir befinden uns im einundzwanzigsten Jahrhundert und blicken zurück.«

»Sie sind ein seltsamer Mensch«, sagte Mr Sattersway langsam. »Sie glauben an die Vergangenheit, nicht an die Gegenwart. Warum?«

»Gerade eben verwendeten Sie das Wort Atmosphäre. Es liegt keine Atmosphäre in der Gegenwart.«

»Vielleicht stimmt das«, gab Mr Sattersway nachdenklich zu. »Ja, es stimmt. Die Gegenwart ist manchmal – so beschränkt.«

»Eine treffende Bezeichnung«, meinte Mr Quin.

Mr Sattersway machte eine hübsche, kleine Verbeugung. »Sehr freundlich!«

»Also, nehmen wir – nicht das gegenwärtige Jahr, das wäre zu schwierig. Sagen wir – letztes Jahr«, fuhr sein Gegenüber fort. »Fassen Sie es doch zusammen, da Sie immer die richtigen Worte finden.«

Mr Sattersway dachte eine Minute nach. Er wollte seinen Ruf nicht aufs Spiel setzen.

»Vor hundert Jahren war die Zeit von Puder und Schönheitspflästerchen. Sagen wir, heute ist das Zeitalter der Kreuzworträtsel und Fassadenkletterer.«

»Fabelhaft«, lobte Mr Quin.

»Über Kreuzworträtsel weiß ich allerdings nicht gut Bescheid«, gestand Mr Sattersway. »Aber die Fassadenkletterer haben auf dem Kontinent viel Aufsehen erregt. Erinnern Sie sich an die berühmte Serie von Einbrüchen in französische Schlösser? Angeblich war es eine ganze Bande. Mit den erstaunlichsten Kunststücken verschafften sie sich Zugang. Nach der einen Theorie soll es eine Akrobatentruppe gewesen sein – die Clondinis. Ich sah einmal eine Vorstellung von ihnen – wirklich meisterhaft! Mutter, Sohn und Tochter. Sie verschwanden auf geheimnisvolle Art von der Bühne. Aber wir weichen da eigentlich vom Thema ab.«

»Nicht sehr weit«, entgegnete Mr Quin. »Nur bis über den Kanal.«

»Wo die französischen Damen nur die Zehenspitzen ins Wasser tauchen, wie unser Wirt behauptet«, sagte Mr Sattersway lächelnd.

Es entstand eine bedeutungsvolle Pause.

»Warum verschwand er?«, rief Mr Sattersway. »Warum? Warum? Es ist nicht zu fassen! Wie ein Zauberkunststück!«

»Ja, wie ein Zauberkunststück«, erwiderte Mr Quin. »Das trifft die Sache genau. Schon wieder Atmosphäre, sehen Sie! Und worin liegt das Wesentliche eines Zaubertricks?«

»Je geschickter die Hand, umso täuschender für das Auge«, sagte Mr Sattersway sofort.

»Das ist alles, nicht wahr? Das Auge wird getäuscht. Manchmal mit einem Trick, manchmal – mit anderen Mitteln. Die Zauberer haben viele Ablenkungsmanöver: Einen Pistolenschuss oder das Wedeln eines roten Taschentuchs, und etwas erscheint wichtig, das es in Wirklichkeit nicht ist. Das Auge wird vom Hauptgeschehen durch eine spektakuläre Handlung abgelenkt, die gar keine Bedeutung hat – gar keine.«

Mr Sattersway beugte sich mit leuchtenden Augen vor. »Da ist etwas dran! Das ist eine Idee!« Und leise fuhr er fort: »Der Pistolenschuss des Zauberers! Was war der Pistolenschuss bei dem Zauberkunststück, von dem wir hier reden? Was ist das ablenkende Moment, das die Fantasie beschäftigt?«

Plötzlich hielt er den Atem an. »Sein Verschwinden!«, rief Mr Sattersway. »Lässt man es weg, bleibt nichts mehr.«

»Wieso nicht? Nehmen wir an, die Dinge nahmen denselben Verlauf, auch ohne dieses dramatische Verschwinden.«

»Sie meinen – wenn Miss Le Couteau trotzdem Ashley Grange an Mr Bradburn verkauft hätte und wegfuhr – ohne Grund?«

»Ja.«

»Ja, warum nicht? Es hätte vermutlich Staub aufgewirbelt. Wahrscheinlich hätte man sich viel mehr für die wertvolle Einrichtung interessiert – ach, warten Sie!«

Er schwieg einen Moment und brach dann los: »Sie haben Recht, es liegt zu viel Betonung auf Captain Harwell. Und folglich bleibt sie im Hintergrund: Miss Le Couteau! Jeder fragt sich: Wer war Captain Harwell? Wo kommt er her? Da sie die Benachteiligte ist, stellt niemand Nachforschungen über sie an. War sie wirklich Frankokanadierin? Hatte sie diese wundervollen Antiquitäten wirklich geerbt? Sie hatten Recht, als Sie eben sagten, wir seien nicht weit vom Thema abgeschweift, ›nur über den Kanal‹. Diese so genannten Erbstücke waren aus französischen Schlössern gestohlen, waren vorwiegend wertvolle Sammelstücke und folglich schwer abzusetzen. Sie kauft das Haus – wahrscheinlich für ein Butterbrot –, lässt sich hier nieder und zahlt einer über alle Zweifel erhabenen Engländerin eine erhebliche Summe, damit sie sie begleitet. Dann taucht Harwell auf. Das ist von langer Hand vorbereitet. Die Heirat, das Verschwinden… was gibt es Natürlicheres, als dass eine Frau mit gebrochenem Herzen alles verkaufen will, das sie an ihr vergangenes Glück erinnert? Der Amerikaner ist ein Kenner, die Sachen sind echt und schön, einiges davon gar nicht teuer. Er macht ein Angebot, sie nimmt es an. Sie verlässt die Gegend, eine traurige und tragische Figur. Der große Coup ist gelungen. Das Auge des Publikums wurde durch eine geschickte Hand und einen sensationellen Trick getäuscht.«

Mr Sattersway hielt inne, die Wangen vor Begeisterung gerötet.

»Aber ohne Sie hätte ich es nie herausgefunden«, sagte er plötzlich bescheiden. »Sie haben eine höchst merkwürdige Wirkung auf mich. Man sagt so oft Dinge, ohne zu erkennen, was sie wirklich bedeuten. Sie haben die Gabe, es einem zu zeigen. Aber eines ist mir immer noch nicht ganz klar. Es muss für Harwell sehr schwierig gewesen sein zu verschwinden. Schließlich suchte ihn die Polizei in ganz England.«

»Bestimmt suchten sie ihn in ganz England«, bestätigte Mr Quin.

»Am einfachsten hätte er sich im Hause selbst versteckt gehalten«, überlegte Mr Sattersway, »falls dies möglich war.«

»Ich glaube, er war ganz in der Nähe«, antwortete Mr Quin.

Sein bedeutungsvoller Blick verfehlte seine Wirkung auf Mr Sattersway nicht.

»In Mathias’ Hütte?«, rief er. »Aber die Polizei wird sie doch durchsucht haben?«

»Mehrmals, würde ich sagen«, räumte Mr Quin ein.

»Mathias«, überlegte Mr Sattersway stirnrunzelnd.

»Und Mrs Mathias«, ergänzte Mr Quin.

Mr Sattersway blickte ihn nachdenklich an. »Falls es wirklich die Clondinis waren«, meinte er träumerisch, »dann handelt es sich um drei Personen. Die beiden jungen waren Harwell und Eleanor Le Couteau. Und die Mutter spielte Mrs Mathias. Aber in diesem Fall…«

»Mathias litt an Rheuma, nicht wahr?«, warf Mr Quin unschuldig ein.

»Oh, jetzt hab ich’s!«, rief Mr Sattersway. »Aber war es auch durchzuführen? Ich glaube schon. Hören Sie zu! Mathias war einen Monat dort. Während dieser Zeit befanden sich Harwell und Eleanor zwei Wochen auf Hochzeitsreise. Die zwei Wochen zuvor hielten sie sich angeblich in London auf. Ein geschickter Mann hätte beide Rollen – die von Harwell und die von Mathias – spielen können. Wenn Harwell in Kirtlington Mallet auftauchte, lag Mathias passenderweise mit Rheuma im Bett, und Mrs Mathias musste das bekräftigen. Ihre Rolle war sehr wichtig. Ohne sie hätte jemand die Wahrheit herausfinden können. Wie Sie sagen, versteckte sich Harwell in Mathias’ Hütte. Denn er spielte auch Mathias. Als man schließlich beschloss, Ashley Grange zu verkaufen, verbreiteten sie die Kunde, Mathias und seine Frau hätten die Stellung in Essex gefunden. Dann verschwanden sie von der Bildfläche – für immer.«

Es klopfte, und Masters trat ein.

»Der Wagen ist da, Sir.«

Mr Sattersway erhob sich. Mr Quin ging zum Fenster und schob die Vorhänge zur Seite. Ein Mondstrahl fiel in den Raum. »Das Gewitter ist vorbei«, sagte er.

Mr Sattersway zog seine Handschuhe an. »Nächste Woche esse ich mit dem Polizeipräsidenten«, sagte er gewichtig. »Ich werde ihm meine Theorie unterbreiten.«

»Sie ist leicht zu erhärten oder zu widerlegen«, meinte Mr Quin. »Man muss nur die Einrichtung von Ashley Grange mit der Liste der französischen Polizei über gestohlene Antiquitäten vergleichen.«

»Genau«, bestätigte Mr Sattersway. »Ziemliches Pech für Mr Bradburn, aber…«

»Ich bin sicher, er wird den Verlust überleben«, meinte Mr Quin. Mr Sattersway reichte Mr Quin die Hand. »Auf Wiedersehen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich dieses unerwartete Zusammentreffen außerordentlich genossen habe. Sie fahren erst morgen ab, glaube ich?«

»Vielleicht noch heute Abend. Meine Aufgabe hier ist erledigt. Ich komme und gehe, wie Sie wissen.«

Mr Sattersway erinnerte sich, diese Worte schon früher am Abend gehört zu haben. Wie merkwürdig!

Er ging hinaus zum Wagen und zum wartenden Masters. Aus der offenen Tür zur Bar erscholl die Stimme des Wirts, laut und selbstzufrieden:

»Eine düstere Geschichte«, sagte er gerade. »Eine sehr düstere Geschichte. Das ist mal sicher!«

In Wahrheit verwendete er nicht das Wort »düster«, sondern einen viel farbigeren Ausdruck. Mr William Jones war ein Mann der feinen Unterscheidungen und passte seine Adjektive der jeweiligen Kundschaft an. Und die Gäste in der Bar liebten gut gewürzte Reden. Mr Sattersway lehnte sich auf dem komfortablen Sitz der Limousine zurück. Seine Brust war triumphgeschwellt. Er sah, wie das Mädchen Mary vor die Tür trat und unter dem knarrenden Wirtshausschild stehen blieb.

Sie hat noch keine Ahnung, was ich vorhabe, dachte Mr Sattersway. Keine Ahnung!

Das Wirtshausschild schwang leise im Wind.