177531.fb2 Tod auf der Northumberland - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 15

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»Vivés ist der Koch an Bord der Northumberland, einer der Köche.«

»Oh!«, sagte Emmeline und wärmte sich an ihrem eigenen Sarkasmus. »Da haben Sie aber mal so richtig was ermittelt, wie?«

Gowers ging nicht auf die Beleidigung ein, obwohl er sich jetzt fragte, was eigentlich mit ihr los war. War sie böse, weil er in der Sache nicht vorankam, weil er von Carvers Werbung wusste, weil er ihr Liebesleben angesprochen hatte oder weil er eben darüber nicht reden wollte? Oder war es eine dieser wirren Gefühlsmischungen, die er bei Frauen noch nie verstanden hatte und die er manchmal auf seinen Gedächtnisscheiben als schwarzen Fleck, als unberechenbare Größe einsetzen musste?

»Ihr Vater hat mehrfach mit diesem Vivés geredet, ich meine, er hat ihn in der Kombüse aufgesucht und längere Gespräche mit ihm geführt. Haben Sie eine Idee, warum?«

»Nein. Vielleicht wollte er sich über das Essen beschweren.«

Zwecklos, dachte Gowers und fragte, nur um sicherzugehen: »Er hat nicht mit Ihnen darüber geredet?«

»Nein.«

»Das war schon alles. Entschuldigen Sie nochmals.«

»Entschuldigen Sie sich nicht dauernd!« Offenbar gefiel es ihr nicht, dass er ihr Liebesleben dadurch zu einem so wenig erwähnenswerten Thema machte. »Passen Sie lieber auf, was Sie sagen.«

»Das werde ich«, sagte Gowers und dachte beim Hinausgehen: Und zu wem!

»Ach, Mr. Gowers?« Nun war es an Emmeline, beschämt zu sein.

»Ja?«

»Was wissen Sie über ihn?«

Gowers grinste in sich hinein, und ein dunkler Fleck auf seinen Gedächtnisscheiben lichtete sich. »Nun, er ist etwa fünfzig Jahre alt, in La Rochelle geboren, nach dem Krimkrieg zur britischen Handelsmarine …«

»Nein!« Sie errötete heftig. »Ich meine über … Charles.«

Er war froh, sein Lächeln jetzt offen zeigen zu dürfen.

»Zweiundzwanzig. Gute Schulen, gute Familie, wenn auch nicht unbedingt reich zu nennen. Hat in Indien gute Aussichten hochzukommen, jedenfalls eine sichere Zukunft. Integer. Kein Dummkopf …« Langsam gingen ihm die bekannten Fakten aus, und er befürchtete schon, einen Hymnus auf Leutnant Charles Carver von den 16. Füsilieren singen zu müssen, aber da merkte sie, dass sie auch mit den aufforderndsten Blicken nichts Wesentliches mehr aus ihm herausholen könnte. Bis auf eines.

»Und … meint er es ernst?«

»Ich denke ja.«

»Hm«, sagte Emmeline Thompson.

43.

Sie lagen nackt auf den beiden Matratzen, die mitten in der ehemaligen Admiralskabine zusammengeschoben waren. Dazu die weichen Kissen und französischen Plumeaus, die ihn jedes Mal an ein besseres Leben denken ließen.

George drehte sich erschöpft auf den Bauch und genoss das Gefühl, seinen Schweiß an den sauberen Laken abzustreifen. Dann fühlte er wieder die weiche Hand, die von seiner Kniekehle über den Oberschenkel wanderte, seine Hinterbacken streichelte.

»Was wollte dieser Thompson von dir?«

»Nichts Besonderes.« George war zu müde, um eine wirkliche Antwort zu geben oder um zu spüren, dass eine von ihm erwartet wurde. Genoss auch das ungewohnte Streicheln zu sehr, das aber urplötzlich zu einem schmerzhaften Druck wurde.

»Warum schiebt er dir dann die Zigarren vorn und hinten rein?«

»Lass das!« George zuckte weg. »Ich bin schon ganz wund.«

»Oh, haben die bösen Matrosen dir wehgetan?«

»Nein, du hast mir wehgetan!«

»Das wollte ich nicht, mein Schatz.« Die Stimme sang beinahe, blieb aber so ruhig und sicher, dass auch ein erfahrenerer Mann als George Barclay den mitschwingenden Sadismus kaum bemerkt hätte. Die Hand nahm ihre sanfte Bewegung wieder auf, erreichte die Innenseite der Oberschenkel, ihr Druck war zärtlich.

George spürte weiche Küsse an seinem Hals, seinem Rücken. Er drehte sich um, die Küsse streiften über seine Rippen, seinen Bauch. Freche, zärtliche Finger reizten ihn. Er zitterte vor Erschöpfung und wieder erwachender Lust.

»Was wollte er?«, sang die Stimme. »War er lieb zu dir? So lieb wie ich?«

»Nein«, sagte George. Die Wärme des Mundes durchströmte seinen Unterleib, seine Hände wühlten sich in blonde Locken. Langsam begann er, sich zu bewegen. Da zog sich der Mund zurück.

»Also?«

»Nichts, wirklich. Nach seinem Vater hat er gefragt, ein bisschen.«

»Und was noch?« Die Hand schloss sich um seine Hoden.

»Tu mir nicht weh«, sagte George.

»Was noch?«

»Ein Zeitungsschreiber ist er. Reden will er mit mir, über die Passagiere. Weil ich doch überall hinkomme.«

»So, weiß er, wo du überall hinkommst, mein kleiner Kajütjunge, mein Seemännchen?«

Der Druck wurde stärker, aber nicht unangenehm. George stöhnte vor Angst und Erregung. »Er weiß nichts, gar nichts. Er will über die Reise schreiben, hat er gesagt. Tu mir nicht weh!«

Die Hand verwandelte sich in eine warme, weiche Höhle, die George umschloss. Dunkle Augen betrachteten, wie er sich in der Bewegung wand, drehte, keuchte. Ein hübscher, voller Mund lächelte böse, als der Junge sich den Bewegungen der Hand vollkommen ergab.

»Du wirst ihm natürlich nur sagen, was ich dir sage!« Die Stimme sang nicht mehr, als George sich angezogen hatte und hinausgehen wollte. Er nickte gehorsam.

»Und George, mein Schatz?! Stell den Spiegel auf, wenn du gehst!«

George Barclay gehorchte wieder. Der Spiegel gehörte zu diesem seltsamen Spiel, das er nicht wirklich verstand. Er war groß wie ein Folioband, mit einem schmalen, silbernen Rahmen.

Der Junge befestigte den Spiegel an den Verschlüssen des Schrankkoffers, aus dem er ihn herausgenommen hatte. Warf noch einen Blick auf das Matratzenlager und sah, was der Spiegel sah: den bleichen, nackten Leib des dritten Lord Eden, der jetzt nur noch mit sich selbst beschäftigt war, die tiefliegenden Augen ganz in sein Spiegelbild versenkt.

Eden liebte es, sich so zu sehen. Alles zu sehen, was er George und so vielen anderen vorher geschenkt und genommen hatte. Und er wartete nicht einmal, bis der Junge gegangen war, bevor er sich ganz den Gedanken hingab an alles, was er getan hatte und was er noch tun würde.

44.

Immer, wenn sie einfuhr, hatte sie das Gefühl, John nahe zu sein. Nicht unten in der Dunkelheit, der Enge, der schlechten Luft. Nicht bei der qualvoll schweren Arbeit des Kohleschleppens. Aber in der halben, der Dreiviertelstunde im Förderkorb, wenn sie den dumpfen Geräuschen der Tiefe entgegensank und der Strom der Wetterluft in ihren Ohren brauste.

Wenn sie den Beginn der Fahrt in den Knien, im Magen, der Kehle spürte, dann schloss Jane die Augen und glaubte, in seine Arme zu fallen. Und sie dachte an nichts mehr, nicht an das jämmerliche Zimmer, nicht an die grauenhaften Zustände, die sie unten erwarteten, nicht an Vergangenheit, Zukunft, nicht einmal an ihren Jungen; nur daran, dass sie John näher kam.