177534.fb2 Tod im Tal der Heiden - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 15

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Kapitel 13

Eadulf war sichtlich nervös, als er seinen Stehplatz vor dem Brehon Murgal einnahm, der traditionell links neben Laisre saß. Der Fürst sah keineswegs glücklich aus; er hing schweigend in seinem Sessel lag und hatte Murgal die Verhandlungsführung überlassen. Fidelma war von Rudgal aus ihrer Haftkammer geholt worden; er stand dicht hinter ihrem Stuhl, der vor Laisre und Murgal aufgestellt war.

Wie es schien, hatten sich sämtliche Einwohner des rath eingefunden, um das Ereignis mitzuerleben. Eadulf erkannte den Tanist Colla und seine Frau Orla an der rechten Seite des Fürsten. Auch der junge Bruder Dianach war anwesend, seine Miene war finster. Neben ihm saß Esnad. Artgal stand im Hintergrund, immer noch verächtlich grinsend. Die hübsche Apothekerin Marga war da, und an ihrer Seite saß der ansehnliche junge Pferdehändler Ibor von Muirthemne.

Sogar Cruinns umfängliche Gestalt war im Hintergrund zu erblicken. Es herrschte erwartungsvolle Spannung.

Murgal hatte Ruhe gefordert, aber das war kaum nötig. Eine tiefe Stille war eingetreten in dem Augenblick, als Fidelma hereingeführt und ihr bedeutet wurde, sie dürfe sich setzen.

Noch nie war dem Clan von Gleann Geis ein solches Schauspiel geboten worden, wie Colla hinterher zugab.

Murgal eröffnete in aller Form die Anhörung.

»Mir ist der Wunsch Fidelmas von Cashel übermittelt worden, den Antrag zu stellen, daß sie auf Grund ihrer eigenen Sicherheitsleistungen freigelassen werden und in Freiheit bleiben solle bis zu dem Zeitpunkt in neun Tagen, an dem sie, wie vom Gesetz vorgeschrieben, sich gegen die Beschuldigung des Mordes an Solin aus Armagh zu verantworten hat. Ist das richtig?«

»Das ist richtig«, bestätigte Eadulf. »Ich spreche an dieser Stelle für sie.«

Laisre war unzufrieden.

»Hat der Angelsachse das Recht dazu, Murgal?« wollte der Fürst wissen.

»Das hat er, Lord.« Murgals Antwort klang beinahe entschuldigend.

Laisre preßte den Mund zu einer dünnen, geraden Linie zusammen, gab aber das Zeichen, die Anhörung fortzusetzen.

»Verzeih mir, Laisre von Gleann Geis«, begann Ea-dulf stockend und verließ den Verfahrensweg, den Fürsten direkt ansprechend. »Vielleicht darf ich dich über meine Stellung beruhigen. Du nennst mich zu Recht einen Angelsachsen; es stimmt, daß ich nicht in diesem Land geboren wurde. Ich war gerefa in meinem Land, ein Amt, das ich von meinem Vater erbte, ein Friedensrichter ähnlich einem Brehon, und habe nach den Gesetzen meines Volkes Recht gesprochen. Zu dem Weg Christi wurde ich von einem Mann namens Fursa bekehrt, einem Mann aus Eireann, der gekommen war, um die neue Religion in meinem Lande des Südvolks zu predigen. Er überredete mich, meine Ausbildung hier in Eireann fortzusetzen, und ich studierte in Dur-row und Tuam Brecain, obgleich meine Kenntnis eurer Sprache und eurer Gesetze noch lückenhaft ist.«

Murgal antwortete für den finster dreinblickenden Fürsten.

»Deine Rede beweist, daß du dich sehr streng beurteilst, Angelsachse. Du machst dem Vertrauen Fursas in dich alle Ehre. Du brauchst dieses Gericht nur darum zu bitten, dann werden wir dich mit Nachsicht in unseren Gesetzen anleiten. Aus welchen Gründen hast du uns hier zusammenkommen lassen, um darüber zu entscheiden, ob Fidelma von Cashel bis zu ihrer Verhandlung in Freiheit zu setzen sei?«

Eadulf blickte Fidelma kurz mit einem aufmunternden Lächeln an, denn sie saß blaß und steif da in der ungewohnten Rolle als Angeklagte vor einem Brehon. Sie schaute mit ausdrucksloser Miene in die Ferne. Eadulf fuhr fort.

»Ich bin hier, um für die Freilassung Fidelmas von Cashel auf Grund ihres Ranges zu plädieren.«

Laisre schüttelte den Kopf und lehnte sich zu Murgal hinüber.

»Tut er das zu Recht?«

Murgal ignorierte die Frage des Fürsten. Schließlich war er der Brehon und hatte hier den Vorsitz.

»Das ist ein ungewöhnlicher Schritt, Angelsachse. Fidelma von Cashel wird des Mordes beschuldigt. Selbst hoher Rang gewährt in dieser Hinsicht nicht automatisch solche Rechte.«

»Dem möchte ich widersprechen. Das Berrad Ai-rechta sagt, wenn ich den Text richtig verstanden habe, daß selbst bei einer Anklage wegen Mordes der Verdächtige, wenn er von prinzlichem Rang ist und einen guten Ruf hat und die Beweislage unklar ist, durch Entscheidung eines Brehons auf freien Fuß gesetzt werden kann, bis die neun Tage abgelaufen sind, nach denen die Verhandlung stattfinden muß.«

Fidelma sah Eadulf anerkennend an. Er hatte die Zeit gut genutzt. Allerdings zweifelte sie, ob dieses Gesetz unter den gegebenen ungünstigen Umständen genügen würde, um ihr die Freiheit zu verschaffen.

»Du hast dich gut belesen«, sagte Murgal, ebenfalls voller Anerkennung. »So lautet das Gesetz tatsächlich. Nun erkläre mir, weshalb du meinst, ich sollte es in diesem Fall anwenden.«

Eadulf machte eine nervöse Kopfbewegung.

»Du wirst mich verbessern, wenn ich mich irre?« fragte er.

»Worauf du dich verlassen kannst«, versicherte ihm Murgal mit grimmigem Humor.

»Die Kommentare zu dem Gesetz, so wie ich sie verstehe, besagen, daß der Status und der Ruf des Verdächtigen bei der Entscheidung zu berücksichtigen sind. Will jemand vor diesem Gericht bestreiten, daß Schwester Fidelma hochadligen Status und Rang besitzt, nicht nur durch ihre Abstammung, sondern auch durch ihre Ausbildung als dalaigh?«

Es entstand Bewegung unter den Menschen im Saal.

»Das haben wir nie bestritten«, erwiderte Murgal mit müder Stimme.

»Will jemand vor diesem Gericht die Tatsache in Zweifel ziehen, daß Schwester Fidelma einen untadeligen Ruf besitzt und ihr Name nicht nur in Cashel, sondern auch in den Hallen von Tara mit Hochachtung genannt wird?«

Wieder schallte seine Stimme herausfordernd durch den Raum, und es herrschte Schweigen.

»Niemand bezweifelt das«, bestätigte Murgal.

»Dann müßt ihr nach dem Gesetz einwilligen, wenn Schwester Fidelma den Eid fir testa ablegt, wie ihr ihn nennt, dann müßt ihr ihr Wort als Sicherheit akzeptieren, falls nicht beschworene Beweise gegen sie vorliegen. Daraufhin kann Schwester Fidelma das Gericht auf Grund ihrer eigenen Sicherheitsleistung verlassen.«

Laisre sah Murgal scharf an, eine Augenbraue fragend hochgezogen, doch Murgal schüttelte den Kopf und sagte zu Eadulf: »So lautet das Gesetz. Wie du sagst, können wir ihren Eid akzeptieren, wenn nicht ein beschworener Beweis gegen sie vorliegt. Aber wir haben einen Zeugen, dessen Aussage ihren Eid ungültig macht.«

Fidelma hatte das kommen sehen. Sie hatte genug Fälle erlebt, die vor sachkundigen Brehons verhandelt wurden, und war sich sicher gewesen, daß Murgal wußte, daß eine entsprechende Aussage eines Augenzeugen des Mordes den Eid, auf den sich Eadulf berufen hatte, ungültig machte. Auch wenn der Zeuge oder die Zeugin nur berichtete, was er oder sie gesehen zu haben glaubte, so wurde dadurch die Aussage nicht anfechtbar, falls nicht während der Anhörung bewiesen wurde, daß sie falsch war.

Eadulfs Blicke suchten Artgal, der grinsend im hinteren Teil des Saals stand.

»Dann laß deinen Zeugen vortreten«, forderte Ea-dulf kühl. »Laß ihn aussagen.«

»Er wird in der Verhandlung in neun Tagen aussagen«, erwiderte Murgal scharf. »Jetzt ist nicht die Zeit dafür.«

»Er muß jetzt aussagen!« beharrte Eadulf und erhob die Stimme, um das Gemurmel der Leute zu übertönen. »Heute geht es um die Gültigkeit von Fi-delmas Eid, und wenn sein Zeugnis diesen Eid ungültig macht, dann muß er es jetzt ablegen.«

Murgal schluckte schwer. Er starrte den Angelsachsen mit einer Mischung aus Überraschung und wachsender Bewunderung an. Der hatte einen juristischen Kniff angewendet, um Artgals Aussage zu prüfen, ohne auf die Verhandlung zu warten.

Artgal stolzierte nach vorn, noch bevor Murgal ihn dazu aufforderte.

»Hier bin ich, Angelsachse«, verkündete er prahlerisch, »und ich ändere meine Aussage nicht, auch wenn du noch so angibst und tust, als wärst du ein dalaigh

Murgal war das feindselige Auftreten Artgals offensichtlich unangenehm.

»Artgal«, verwarnte er ihn scharf, »der Angelsachse ist fremd in unserem Land. Wir wollen ihm beweisen, daß wir die Gesetze der Gastfreundschaft achten, indem wir ihn achten.«

Artgals Miene blieb höhnisch. Er schwieg.

Eadulf blickte den Brehon dankbar an, dann wandte er sich dem Krieger zu.

»Ich verlange nicht von dir, daß du deine Aussage änderst, Artgal«, begann er ruhig. »Ich betrachte das, was du berichtet hast, als das, was du zu sehen geglaubt hast.«

Mehrere Leute holten überrascht Luft, und selbst Fidelma schaute Eadulf verwundert an und fragte sich, was er mit dieser Taktik bezweckte.

»Warum willst du ihn dann vernehmen?« wollte Murgal wissen und stellte damit die Frage, die sich ihr auch aufgedrängt hatte.

»Entschuldige, Murgal«, - Eadulf bat ihn geradezu -, »ich brauche an dieser Stelle einen Rat zu diesem Gesetz.«

Fidelma war nicht die einzige, die sich fragte, ob Eadulf nicht merkte, welchen Vorteil er damit aus der Hand gab, daß er Artgals Aussage nicht weiter verfolgte und zu erschüttern suchte. Fidelma schien das der einzig logische Weg zu sein.

Murgal räusperte sich vernehmlich.

»Nun, mein Rat lautet, wenn du Artgal nicht vernehmen willst, um ihn zur Änderung seiner Aussage gegen Fidelma zu veranlassen, dann muß er nicht vorgeladen werden, und seine Aussage gegen Fidelma bleibt bestehen. Wenn das so ist, entfällt damit auch dein Antrag auf Freilassung Fidelmas.«

Artgal lachte spöttisch auf und wollte zu seinem Platz zurückgehen.

»Bleib, wo du bist!« rief Eadulf scharf.

Dieser Ton kam so überraschend, daß Artgal verblüfft stehenblieb. Alle Blicke richteten sich auf Ea-dulf, als könne niemand glauben, daß der Bittsteller von eben so hart reden könne. Selbst Fidelma war einen Augenblick verwirrt von seinem strengen Befehlston.

Eadulf wandte sich wieder an Murgal.

»Ich habe meine Frage noch nicht gestellt«, sagte er ruhig, wenn auch ein leichter Vorwurf mitschwang.

Murgal blinzelte überrascht.

»Dann sprich weiter«, forderte er ihn auf.

»Ich weiß nicht viel über die Verfahrensweise bei Gericht, aber ich habe den Text >Fünf Wege zum Ur-teil< zu Rate gezogen. Artgal gilt als ein Zeuge der Art, die ihr fiadü nennt, >einer, der sieht<.«

»Das ist richtig«, bestätigte Murgal.

»Der Text besagt, daß ein solcher Zeuge vernünftig,

ehrlich, gewissenhaft und von gutem Gedächtnis sein muß.«

»Das bin ich alles, Angelsachse«, schaltete sich Artgal ein und entspannte sich lächelnd. »Also, was soll’s?«

Eadulf ignorierte ihn und fuhr fort: »Erklär mir, gelehrter Richter, was bedeutet der gesetzliche Grundsatz im Text, der da lautet: foben inracus accobar?«

Die Frage hörte sich ganz harmlos an, aber plötzlich trat Stille im Saal ein.

»Er bedeutet, daß >Gier die Ehrlichkeit vermindert««, übersetzte Murgal, obgleich jeder ahnte, daß Eadulf das genau wußte.

»Das heißt also, daß eine Person nicht aussagen kann, wenn ihr das einen Vorteil bringt, nicht wahr? Ihr Zeugnis wird dann nicht angenommen wegen dieses gesetzlichen Grundsatzes.«

Die Stille war so tief geworden, daß Fidelma meinte, man könne es hören, wenn ein Sandkorn zu Boden fiele. Sie fragte sich, zu welchem Ziel Eadulf mit seiner Argumentation gelangen wolle. Er hatte sich jetzt Artgal zugewandt, dessen Miene nicht mehr verächtlich war. Sein Gesicht war ernst und etwas blaß geworden.

»Artgal, ziehst du einen Nutzen aus deiner Aussage gegen Fidelma von Cashel?«

Artgal gab keine Antwort. Das Sprechen schien ihm schwerzufallen.

Nach einigen langen Augenblicken sagte Murgal langsam und deutlich: »Zeuge, du mußt antworten -und denke daran, du stehst unter Eid nicht nur als Angehöriger des Clans, sondern auch als ein bevorzugtes Mitglied der Leibwache unseres Fürsten.«

Artgal merkte, welch schlechten Eindruck sein Zögern machte, und versuchte, seine Haltung zurückzugewinnen.

»Weshalb sollte ich daraus einen Nutzen ziehen?«

»Eine Gegenfrage ist keine Antwort auf die Frage, die ich dir gestellt habe«, fuhr ihn Eadulf an. »Hast du einen Nutzen von deiner Aussage?«

»Nein.«

»Nein? Du hast einen Eid geleistet.«

»Nein.«

»Wieder nein? Muß ich dich daran erinnern, daß ein Betrag von zwei seds bereits den Besitzer gewechselt hat und ein weiterer sed in deine Hände gelangt, wenn Fidelmas Verhandlung vorbei ist? Wobei jeder sed den Wert einer Milchkuh darstellt?«

Ein Murmeln lief durch den Saal.

»Diese Beschuldigung wirst du beweisen müssen, Angelsachse«, rief Murgal.

»O ja, die werde ich beweisen, keine Angst«, erwiderte Eadulf mit grimmigem Lächeln. »Soll ich den Namen der Person nennen, von der dieser Reichtum kam, Artgal?«

Vor Eadulfs zuversichtlicher Haltung schien der Krieger zusammenzuschrumpfen. Er schüttelte den Kopf.

»Dann sag uns, wofür du dieses Geld erhalten hast beziehungsweise noch erhalten sollst?«

»Es war keine Bestechung«, protestierte Artgal.

»Keine Bestechung?« Nun war es an Eadulf zu spotten. »Warum solltest du dann für deine Aussage bezahlt werden, wenn es keine Bestechung war?«

»Ich habe doch Fidelma im Stall gesehen. Ich habe wirklich gesehen, wie sie sich über Solin beugte. Sie muß ihn getötet haben.«

»Muß? Das ist etwas anderes, als was du gesagt hast, nämlich daß du sie tatsächlich dabei gesehen hast«, warf Murgal ernst ein.

»Eins folgt aus dem anderen«, wehrte sich der Krieger und Grobschmied.

»Muß bedeutet nur >sollte< oder >könnte<, aber nichts, was tatsächlich war«, stellte Eadulf fest.

»Das Gericht kennt die Bedeutung des Wortes«, erklärte Murgal gereizt. »Und wir nehmen zur Kenntnis, daß Artgal seine Aussage geändert hat. Aber, Artgal, gibst du auch zu, daß du für sie bezahlt wurdest?«

»Nicht dafür, daß ich sie gemacht habe«, widersprach Artgal. »Nur dafür, die Aussage nicht zu ändern.«

Eadulf atmete tief durch und warf erst jetzt Fidelma einen triumphierenden Blick zu. Sie starrte auf den Boden, die Schultern angespannt und gebeugt.

»Ich verstehe das nicht«, sagte Murgal. »Warum hättest du deine Aussage ändern sollen?«

»Das wollte ich ja auch nicht. Sie ist wahr. Aber ein paar Stunden nach Fidelmas Verhaftung kam ein Mann zu mir und bot mir zwei seds, wenn ich bei meiner Aussage bliebe. Die wollte er gleich zahlen und noch einen sed, wenn die Verhandlung gegen Fidelmavon Cashel vorbei war. Mit Geld kann man in Gleann Geis nicht viel anfangen, und so stimmte ich zu, daß er mir statt dessen drei Milchkühe überlassen wollte. Die nahm ich als Zahlung an. Das bedeutet für mich Sicherheit für den Rest meines Lebens.«

»Wer war dieser Mann, der dir das Geld anbot?« fragte Laisre ernst.

»Das weiß ich nicht, Lord. Es war dunkel, und ich habe ihn nicht gesehen. Ich hörte nur seine Stimme.«

»Und wie hörte die sich an?« forschte Murgal.

Artgal hob hilflos die Hand.

Etwas ließ Eadulf ein Risiko eingehen.

»Du hast die Stimme des Mannes deutlich genug vernommen, Artgal«, hakte er nach. »Sprach er mit nördlichem Akzent?«

Artgals Miene war kläglich geworden. Die Prahlerei war völlig daraus verschwunden.

»Sprach er mit einem Akzent wie ein Mann aus Ulaidh?« beharrte Eadulf.

Artgal nickte trübsinnig.

Alle Blicke richteten sich dahin, wo Ibor von Mu-irthemne saß. Dessen Gesicht hatte sich gerötet, aber er starrte mit steinerner Miene vor sich hin.

»Was hat diese Stimme dir gesagt?« fragte Murgal grimmig.

»Der Mann sagte mir, wenn ich heute morgen hinausginge, würde ich dicht bei meinem Hof zwei Milchkühe angebunden finden. In neun Tagen würde ich eine dritte vorfinden, vorausgesetzt, ich änderte meine Aussage gegen Fidelma nicht. Ich schwöre, ich hatte keine Wahl, als darauf einzugehen. Er stand in der Dunkelheit an meinem Bett. Er hätte mir ebensogut einen Dolch in die Kehle stoßen können, statt mir Geld anzubieten.«

»Und du bist am Morgen, am heutigen Morgen, hinausgegangen und hast die Milchkühe vorgefunden?« fragte Murgal.

»Ja.«

»Kurzum, deine Aussage wurde erkauft«, faßte Ea-dulf triumphierend zusammen.

»Ich hatte meine Aussage schon gemacht, bevor ich die Kühe bekam«, wandte Artgal ein.

Laisre wandte sich fast eifrig an Murgal.

»Darin hat er recht. Das kann man doch nicht als Bestechung zur Aussage werten?«

Eadulf wollte schon Einspruch erheben, doch Murgal rieb sich nachdenklich das Kinn, bevor er dem Fürsten antwortete.

»Es bedeutet, daß wir nach dem Gesetz Artgals Aussage gegen Fidelma nicht verwenden können. Er hat seine Ehre verwirkt und ist nicht mehr glaubwürdig. Einen anderen Beweis gegen Fidelma von Cashel außer seiner Aussage gibt es nicht.«

Mit kaum unterdrückter Wut wandte sich Laisre an Artgal.

»Der Mann, der dir die Kühe anbot, sprach mit dem Akzent des Königreichs im Norden, sagst du?«

»Ja, Lord.«

»Bist du sicher, daß er mit nördlichem Akzent sprach? Könnte es nicht zum Beispiel ein angelsächsischer Akzent gewesen sein?«

Ein lautes Gemurmel erhob sich, als die Versammelten mit Staunen die offene Beschuldigung des Fürsten vernahmen.

»Mein Fürst«, mahnte Murgal besorgt, »man kann nicht einfach unterstellen, daß der Angelsachse Artgal in eine Falle lockte, um ihn unglaubwürdig zu machen und damit diese Entscheidung zu erreichen.«

Laisre schaute Eadulf finster an.

»Warum nicht? Die eine Erklärung ist so gut wie die andere.«

»Lord, überdenke deine voreiligen Worte noch einmal. Die Beweislage ist klar. Artgal kann einen nördlichen Akzent von einem angelsächsischen unterscheiden und hätte das auch gesagt. Wenn du das bestreitest, bringst du dein Amt in schlechten Ruf.«

Laisre sah aus, als hätte er die Auseinandersetzung gern noch weitergeführt, doch wegen Murgals Ablehnung seines Einspruchs konnte er das nicht tun.

»Nun gut. Wir müssen jetzt wohl alle mit nördlichem Akzent befragen, nehme ich an.«

Bruder Dianach stand auf und erhob Protest. Selbst Eadulf war überrascht von seinem plötzlich veränderten Verhalten, denn er war immer scheu und unsicher gewesen. Doch Zorn und vielleicht auch Furcht brachten ihn dazu, aus sich herauszugehen.

»Ihr wißt alle, daß außer Bruder Solin nur ich und der Pferdehändler aus dem Norden hier sind. Ich verwahre mich gegen jede Beschuldigung!«

Seine Stimme hatte sich fast zum Falsett gesteigert. Sein Gesicht war feuerrot.

»Der Junge war es nicht«, erklärte Artgal hastig. »Es war eine tiefere Männerstimme.«

Nur Fidelma bemerkte, daß Laisres Besorgnis für einen Moment der Befriedigung gewichen war.

Die Blicke richteten sich auf den Platz, an dem Ibor von Muirthemne gesessen hatte. Er war nicht mehr da.

»Gelehrter Richter«, schaltete sich Eadulf eilig ein, »ehe wir das Hauptthema dieser Verhandlung aus dem Auge verlieren: Dieser Zeuge hat genug gesagt, um meine Behauptung zu bestätigen, daß seine Annahme des Geldes seine Aussage entwertet.«

Murgal stimmte düster zu.

»Das ist richtig. Artgal, du darfst diesen Raum verlassen, aber halte dich im rath auf. Ich muß überlegen, was mit dir geschehen soll. Du hast deinem Fürsten und deinem Clan Schande bereitet.«

Artgal hatte kaum seinen Platz im Zeugenstand verlassen, als Eadulf wieder das Wort ergriff.

»Ich schlage vor, da Artgals Aussage hinfällig ist, daß Schwester Fidelma auf fir testa hin sofort freigelassen wird.«

Murgal wollte schon zustimmen, als Laisre überraschend die Hand hob und sich zu Eadulf vorbeugte.

»Eine Beschuldigung verhindert das, Angelsachse.« Sein Ton war scharf. »Als Fidelma von Cashel dieses Verbrechen angelastet wurde, hat sie ihren guten Ruf dadurch geschädigt, daß sie die Schuld auf jemand anders zu schieben versuchte - nämlich auf meine Schwester Orla. Sie schwor, sie habe Orla aus der Stalltür kommen sehen. Orla war jedoch durch das Zeugnis ihres Ehemannes Colla in der Lage zu beweisen, daß sie nicht im Stall war. Nun genügt das Ablegen eines falschen Eides, wie ich das Gesetz verstehe, um Fidelma von Cashel hinter Schloß und Riegel zu halten, bis wir sie für schuldig befinden oder nicht. Ich sage das ungeachtet der Unehrlichkeit Artgals.«

Die meisten Leute erschraken über die harte und unfreundliche Haltung ihres Fürsten. Eadulf ließ das Gemurmel im Raum verebben, bevor er wieder sprach.

»Fürst, du kannst mir glauben, wenn ich dir sage, daß ich verstehe, wie sehr du dich von einer Behauptung beleidigt fühlst, die deiner Meinung nach deine Familie falsch beschuldigt. Dennoch erkläre ich, daß das kein Grund ist, das zu übergehen, was heute hier geschehen ist.«

Nun wandte er sich an Murgal, denn der hatte das endgültige Urteil zu fällen und würde sicherlich Lais-re hinsichtlich der Gesetzeslage beraten.

»In den Lehren der Druiden«, fuhr Eadulf ruhig fort, »so habe ich gehört, gibt es immer einen Mittleren Weg zum Herangehen an die Dinge, einen dritten Weg. Vielleicht war Schwester Fidelma im Irrtum, als sie Orla zu erkennen glaubte. Das kann in der Dunkelheit leicht passieren. So wie Artgal, bevor er ein Opfer seiner Habgier wurde, sich irrte, als er meinte, da Fidelma sich über die Leiche Solins aus Armagh beugte, müsse sie ihn auch getötet haben. Fidelma und Artgal zogen voreilige Schlüsse. Der dritte Weg wurde nicht gegangen.«

Murgal war sichtlich beeindruckt von Eadulfs Ausführungen.

»Gibt es noch einen anderen Grund, weshalb wir deiner Argumentation folgen sollten?« fragte er.

»Da sind natürlich noch die praktischen Beweise.«

»So?«

»Die Tatsache, daß Fidelma auf ihren Hinweis hin durchsucht wurde und nicht im Besitz der Mordwaffe war. Auch als der Stall abgesucht wurde, fand man diese Waffe nicht. Daraus folgt, daß der Mörder oder die Mörderin die Waffe mitnahm. Vielleicht kann man ihn oder sie daran erkennen. Laisre wird bestätigen, daß seine Krieger sorgfältig nachgeforscht haben. Es gab keine Möglichkeit, die Waffe zu verbergen, zwischen dem Zeitpunkt, als Artgal eintrat, und dem, an dem er Fidelma sich aufrichten sah, wie er behauptet. Mit anderen Worten, die Fakten passen genau zu Schwester Fidelmas Darstellung - mit einer Ausnahme: Sie glaubte, Orla gesehen zu haben. Ich bitte dich, zu glauben, daß sie irgend jemanden gesehen hat.«

Murgal beugte sich zu Laisre hinüber und flüsterte eine Weile mit ihm. Laisre wandte anscheinend etwas ein, doch Murgal blieb beharrlich, und schließlich gab der Fürst widerwillig nach. Murgal lehnte sich zurück.

»Du hast gut argumentiert, Angelsachse. So gut, daß du bei deinem Antrag, Fidelma von Cashel möge bis zu ihrer Verhandlung in Freiheit gesetzt werden, alle Beweise gegen sie widerlegt hast. Mir scheint, wenn wir den Mann finden, der Artgal bestach, dann finden wir vielleicht auch die Waffe, mit der Solin getötet wurde. Es ist uns nicht entgangen, daß Artgal sagte, der Mann habe mit dem Akzent von Ulaidh gesprochen, und daß der Pferdehändler Ibor von Mu-irthemne diese Versammlung verlassen hat. Die Tatsache, daß Solin ebenfalls aus Ulaidh kam, könnte darauf hindeuten, daß die Tragödie aus einem persönlichen Streit entstand. Es gibt keinen Grund, Fidelma noch länger in Gewahrsam zu nehmen.«

Lautes Stimmengewirr brauste durch den Raum.

Eadulf wandte sich mit einem aus Erleichterung und Triumph gemischten Lächeln zu Fidelma um. Fidelmaerhob sich zum erstenmal, ihr Gesicht war nach wie vor ernst.

»Murgal«, sagte sie mit lauter und fester Stimme, »ich danke dir und ebenso Laisre für die Gerechtigkeit, die ihr heute geübt habt. Aber der Mörder Bruder Solins muß noch gefaßt werden. Ich bitte um eure Erlaubnis, diesen Mord untersuchen zu dürfen. Wenn Ibor von Muirthemne der Schuldige ist, dann laßt mich ihn vor Gericht bringen. Ich behaupte, daß eine Verbindung besteht zwischen dem Tod Bruder Solins und dem eigenartigen Ritual mit den dreiunddreißig toten jungen Männern.«

Laisre schaltete sich ein, bevor Murgal antworten konnte.

»Ich würde es vorziehen, daß wir die Verhandlungen zu Ende führen, zu denen du hergekommen bist, und daß du dann so schnell wie möglich nach Cashel zurückkehrst. Du kannst versichert sein, daß wir unser Bestes tun werden, um Ibor von Muirthemne zu finden, der einen meiner besten Krieger bestochen und entehrt hat.«

»Ist das ein Befehl?« fragte Fidelma zu Eadulfs Überraschung, denn wenn er zu entscheiden gehabt hätte, dann hätten sie Gleann Geis so schnell wie möglich verlassen.

»Sagen wir, es wäre mein Wunsch, Fidelma von Cashel. Das Wichtigste, was wir miteinander zu regeln haben, ist, daß wir unsere Vereinbarungen abschließen. Jede weitere Beziehung zwischen uns ist kein Anlaß zur Freude. Je eher du aus diesem Tal fort bist, desto besser, denn ich kann die Kränkung meiner Familie nicht vergessen - selbst wenn ich die Erklärung des Angelsachsen akzeptiere, daß du dich dabei geirrt haben magst. Wir wollen uns diese Nacht ausruhen und morgen mit unseren Beratungen beginnen. Jetzt ... Ich meine, wir haben unsere heutige Aufgabe erfüllt.«

Laisre stand auf und verließ den Saal. Er wirkte nicht gerade glücklich. Orla und Colla folgten ihm rasch. Es blieb Murgal überlassen, die Verhandlung für beendet zu erklären. Eadulf sah, daß Bruder Dia-nach davoneilte. Sein Gesicht war gerötet von Besorgnis. Von Artgal war keine Spur. Eadulf wollte zu Fidelmagehen, als er merkte, daß Esnad ihn anlächelte. Orlas Tochter zeigte ein warmes, anziehendes Lächeln, und als er ihrem Blick begegnete, schlug sie nicht mädchenhaft die Augen nieder, sondern sah ihn offen und provozierend an. Verlegen senkte Eadulf als erster den Blick.

Die vierzehnjährige Tochter von Orla und Colla flirtete ganz bewußt mit ihm.