177535.fb2 Tod in der K?nigsburg - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 24

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Kapitel 22

Finguine richtete sich plötzlich im Sattel auf, als sei er zu einem Entschluß gekommen, wendete sein Pferd und trabte die Hauptstraße entlang auf die über der Stadt aufragende Festung zu. Fidelma und Eadulf warteten eine Weile, ehe sie aus dem Schatten heraustraten.

»Warum treibt sich Finguine bei Samradans Haus herum?« flüsterte Eadulf. »Er scheint schlechte Gesellschaft zu bevorzugen. Erst Solam, dann Gionga und jetzt den Kaufmann.«

»Hoffen wir, daß wir Samradan bewegen können, uns unsere Fragen ehrlich zu beantworten«, erwiderte Fidelma.

Eadulf blickte am Hause hoch.

»Die Vorderseite ist auch dunkel. Vielleicht ist er gar nicht hier?«

»Und sein Hund ist im Hof angebunden?« Sie ging voran und faßte an den Türgriff. Die Tür war nicht verschlossen. Vorsichtig trat Fidelma ein und winkte Eadulf, ihr zu folgen.

Schon standen sie in dem einzigen Raum des Erdgeschosses, er diente als Wohnzimmer, Küche und Lagerraum. Eine kurze Treppe führte zum Schlafraum hinauf. Auf dem Herd in der Mitte glomm ein Feuer, und in seinem Schein erkannte Fidelma, daß niemand hier war.

»Was habe ich gesagt?« brummte Eadulf. »Er ist nicht zu Hause.«

»Weit kann er aber nicht sein, denn das Feuer ist noch nicht heruntergebrannt. Bitte entzünde doch eine Kerze daran.«

Eadulf tat es. Fidelma sah sich genauer um.

»Ich weiß nicht, was du hier zu finden gedenkst«, murrte Eadulf und schielte nervös zur Tür. »Samradan kann jeden Moment zurückkommen. Was dann?«

Fidelma antwortete nicht und ging zur Hintertür. Sie öffnete sie und spähte hinaus. Der Hund lag nach wie vor neben dem Pfosten und winselte im Schlaf. Irgendwas stimmte hier nicht. Normalerweise wurden die Hunde in Muman nachts losgebunden und hatten die Häuser vor Räubern, tierischen wie menschlichen, zu bewachen. Warum schlief dieser Hund?

Ohne auf Eadulfs Protest zu achten, lief Fidelma zu ihm hin und beugte sich nieder.

Eadulf kam ihr nach. Wäre es nach ihm gegangen, sie wären schleunigst von hier verschwunden. In seiner Eile hatte er die Kerze in der Hand behalten.

Fidelma bedeutete ihm, ihr zu leuchten. Der Hund rührte sich nicht, er hatte Schaum vor der Schnauze.

»Der Hund ist betäubt worden.« Fidelma erhob sich so rasch, daß Eadulf zurückprallte. »Warum aber?«

fragte sie. Eadulf schwieg, weil er das für eine rhetorische Frage hielt.

Fidelma schaute zu dem dunklen Haus zurück.

Dann eilte sie wieder hinein. Eadulf folgte ihr. Was mochte wohl in sie gefahren sein?

Noch einmal schaute sie sich kurz im Hauptraum um, dann rannte sie die Treppe hoch.

Eadulf zuckte hilflos die Achseln und jagte ihr nach.

Fidelma stand inzwischen in Samradans Schlafraum und starrte auf sein Bett.

Hinter ihr hob Eadulf die Kerze hoch.

Der Kaufmann Samradan lag quer auf dem Bett ausgestreckt in seinem Blut, ein Messergriff ragte aus seiner Brust. Seine Augen waren offen, doch im Tode erstarrt.

»Zu spät«, murmelte Fidelma. »Jemand hat befürchtet, Samradan könnte uns die Wahrheit enthüllen.«

»Welche Wahrheit?« fragte Eadulf verzweifelt.

Doch Fidelma antwortete nicht. Sie war offenbar mit ihren Gedanken woanders. Sie beugte sich vor und musterte das Messer, aber es unterschied sich in nichts von hundert ähnlichen Messern. Nichts an ihm ließ auf seinen Besitzer schließen, nichts verriet den Mörder.

»Finguine!« folgerte Eadulf. »Er ritt fort, als wir ankamen. Er steht mit Solam und Gionga im Bunde. Mein Gott! Jetzt verstehe ich, warum du so darüber entsetzt warst, daß Finguine Bruder Mochta und das Reliquiar an sich gebracht hat.«

Sie nickte zerstreut. Dann fiel ihr etwas ins Auge. Im Zurücksinken mußte Samradan sich an der Kleidung seines Mörders festgeklammert haben, denn in seinen verkrampften Händen hielt er ein Stück Tuch, das wohl von einem Leinenhemd stammte. Bei soviel Blut mußte auch auf der Kleidung des Mörders welches sein. Sie zog das Tuch aus Samradans Fingern und merkte, daß etwas daran hing.

Es war eine kleine Silberspange in Form einer Sonne, mit Granatsteinen besetzt, auf jedem der fünf Strahlen der Sonne einer. Sie zeigte sie Eadulf und steckte sie dann rasch in ihren Tragebeutel.

»Sie muß dem Mörder gehören«, stellte Eadulf fest. Es war offenkundig.

»Hast du sie nicht schon mal gesehen?« fragte Fi-delma.

»Sie kommt mir bekannt vor«, gab Eadulf zu.

»Sie ist das Kernstück in unserem tomus-Spiel«, lächelte sie und begann die Leiche zu untersuchen.

Plötzlich packte Eadulf sie an der Schulter. Sie fuhr zusammen, blickte sich um und wollte schon losschimpfen, als sie sah, daß er den Finger auf den Mund legte. Mit einer Kopfbewegung wies er auf die Treppe.

Nun hörte sie deutlich, daß jemand im unteren Stockwerk umherging.

Fidelma richtete sich auf. »Mach dich bereit«, flüsterte sie.

Die Schritte kamen die Treppe herauf. Erst tauchte eine Schwertspitze auf, dann ein Kopf. Es war Donn-dubhain.

Verblüfft starrte sie der junge Thronfolger von Cashel an.

»Was macht ihr denn hier?« fragte er, kam die letzten Stufen herauf und steckte sein Schwert ein. »Ich dachte, ich hätte gehört .«

Sein Blick fiel auf Samradans Leiche, und er stockte.

»Was ist denn hier passiert?«

Fidelma antwortete nicht.

»Und was machst du hier?« fragte sie schließlich.

»Ich ritt gerade vorbei. Es sind so viele Menschen zu der Verhandlung nach Cashel gekommen, da dachte ich, ich sollte lieber die Wachen rundum kontrollieren. Ich war in der hinteren Gasse, als ich hier Licht sah und daß die Hintertür offenstand und sich Gestalten bewegten. Der Hund schien zu schlafen, und ich fragte mich, was hier los wäre. Deshalb kam ich rein. Ich war unten, und dann hörte ich oben ein Geräusch. Und nun finde ich euch.« Er sah Samradans Leiche ungerührt an. »Habt ihr ihn umgebracht?«

»Natürlich nicht!« fauchte Eadulf. »Wir sahen Fin .«

»Wir haben auch den Hund und die offene Tür gesehen«, unterbrach ihn Fidelma. Sie log, als wäre das selbstverständlich. »Wir sind auch gerade erst hereingekommen.«

»Ein Raubmord?«

Fidelma zeigte auf die Lederbörse, die noch an Samradans Gürtel hing.

Donndubhain nahm sie und öffnete sie. Er holte eine Handvoll Silbermünzen heraus.

»Ein Raubmord war es also nicht«, überlegte er laut. »Es kann doch wohl nicht mit dem Attentat zusammenhängen? Was sollte Samradan damit zu tun haben?«

»Hier scheint es nichts zu geben, was uns Aufschluß bietet«, meinte Fidelma.

Eadulf wunderte sich, daß Fidelma Donndubhain so wenig verriet.

Sie wandte sich zur Treppe. Eadulf und Donndub-hain folgten ihr.

»Diese Angelegenheit kann ich dir überlassen, Donndubhain«, erklärte Fidelma. »Eadulf und ich kehren in den Palast zurück.«

»Ich werde die Wache benachrichtigen«, stimmte der Thronfolger ihr zu. Er ging zur Hintertür, wo er sein Pferd gelassen hatte, und blieb auf der Schwelle stehen, als sei ihm ein Gedanke gekommen. »Wart ihr schon in Samradans Stall dort hinten? Vielleicht war es doch ein Raubmord?«

»Ich dachte, Samradan hätte alle seine Waren in dem Lagerhaus am Marktplatz?« meinte Fidelma.

»Ob das so ist, weiß ich nicht. Aber ihm gehört der Stall dort auf der anderen Seite des Bachs.«

Er wies auf den dunklen Schatten eines Gebäudes hinter dem Haus.

»Dann sehen wir lieber nach, ob uns dort etwas weiterhilft«, erwiderte Fidelma.

Donndubhain nahm eine Lampe und entzündete sie am Feuer.

Sie kamen an dem betäubten Hund vorbei, dann mußten sie über den kleinen Bach springen, der Wasser für das Haus lieferte. Dahinter stand ein dunkler, nicht eben großer Stall.

»Ich wußte nicht, daß dieser Stall Samradan gehört«, sagte Fidelma. Donndubhain schritt voran und öffnete ihnen die Tür.

Drinnen gab es mehrere Boxen, in denen zwei Pferde standen.

»Samradan hatte aber viele Pferde«, brummte Donndubhain. »Doch das hier sind keine Zugpferde, das sind Warmblüter.«

Fidelma blickte sich in dem Stall um. Es gab nichts darin außer den Pferden und ihrem Geschirr. Der herbe Geruch von Leder und der Duft von Heu und Gerste überwältigten fast die Sinne.

Fidelma trat zu dem größeren Pferd, einer mächtigen kastanienbraunen Stute. Sie bemerkte alte, längst verheilte Narben an Schulter und Flanke. Das Tier hatte offenbar als Streitroß gedient. Sie beugte sich vor und tätschelte ihm das Maul. Dann öffnete sie die Box und ging hinein. Die Stute blieb ruhig stehen und ließ sich über das warme, schweißige Fell streichen. Fi-delma sah sich die Hufe an.

»Nicht die Art von Pferd, die sich ein einfacher Kaufmann anschafft«, bemerkte Donndubhain.

»Anscheinend ein Streitroß«, pflichtete sie ihm bei. »Das andere ist aber keins.«

Fidelma wandte sich dem zweiten Pferd zu. »Es ist eine kräftige, reinrassige Stute, aber kein Schlachtroß. Freilich ein gutes Reitpferd.«

Sie streichelte es und kam wieder heraus.

Donndubhain untersuchte inzwischen einen Sattel und einen Zaum.

»Schau mal, Fidelma«, sagte er eifrig, »das gehört zur Ausrüstung eines Kriegers. Das ist unverkennbar.«

Auch Eadulf besah sich den reich verzierten Sattel.

»Der Fürst hat recht«, murmelte er. »Hier ...«

An dem Sattel hing ein langer schmaler Sack. Er hatte die Form eines Köchers, war aber keiner. Darin mochte ein Krieger seinen Vorrat an Pfeilen aufbewahren. Eadulf hatte ihn aufgebunden und zog einen Pfeil heraus.

»Ist das nicht ...«, begann er.

Fidelma nahm den Sack. »Ja. Die Pfeile tragen die Zeichen von Cnoc Äine. Es sind die gleichen Pfeile, wie sie unser Freund, der Bogenschütze, benutzte. Solche, wie sie der Schmied Nion herstellte.«

»Und schau mal hier ...« Donndubhain zeigte auf ein silbernes Wappen unter den Verzierungen des Sattels.

»Ach«, sagte Eadulf aufgeregt, »ist das nicht ein Eber, das Wappen des Fürsten der Ui Fidgente?«

»Dann hatten wir doch recht!« rief Donndubhain. »Weißt du noch, wie wir überlegten, daß die Attentäter zu Pferde gekommen sein müßten und sie wahrscheinlich hinter Samradans Lagerhaus angebunden hätten? Vermuteten wir nicht, ein Dritter hätte die Pferde weggeschafft, nachdem die Attentäter getötet worden waren? Hier stehen sie nun, und das beweist, daß Samradan an dem Attentat beteiligt war.«

»Aber Samradan war doch schon mindestens eine Woche vorher in Imleach«, wandte Fidelma ein.

»Na, er könnte einem seiner Leute den Auftrag dazu gegeben haben, einem Komplizen.« Ihr Vetter geriet nur einen Moment aus dem Konzept.

»Es ist vieles dabei zu bedenken«, pflichtete ihm Fidelma bei. »Diese Geschirre helfen uns wirklich, die Hintermänner des Attentats zu finden. Ist in dem Beutel dort irgend etwas?«

Sie zeigte auf einen Lederbeutel, der am Sattel hing. Donndubhain schnürte ihn auf und öffnete ihn. Er holte Kleidungsstücke heraus.

»Nichts weiter als Kleidung«, sagte Eadulf enttäuscht.

»Das alles hilft uns nicht weiter. Aber das Wappen der Ui Fidgente, das spricht Bände«, stellte Donn-dubhain fest. »Das reicht uns eigentlich.«

Fidelma langte nach dem Beutel, schaute hinein und fühlte mit der Hand darin nach. Dann gab sie ihn zurück.

»Du hast recht.«

Sie verließen den Stall und gingen langsam zur Hoftür zurück. Bei Donndubhains Pferd blieben sie stehen.

»Nun, ich werde der Wache Bescheid geben, daß hier ein Mord geschehen ist«, sagte Donndubhain und band sein Pferd los. »Wollt ihr hier warten, bis ich die Wache schicke, und mit mir zusammen zum Palast zurückkehren?«

»Nein«, erwiderte Fidelma. »Wir machen uns allein auf den Weg. Es ist ja nicht weit. Sei unbesorgt, Donndubhain, wir kommen schon heil hin.«

Sie sahen zu, wie er aufsaß und ins Dunkel davonritt, dann gingen sie langsam durch das Haus zur Hauptstraße zurück. Ab und zu tauchte noch eine Gestalt auf, ein später Zecher, der aus dem Wirtshaus nach Hause schlich. Niemand belästigte sie, als sie auf die hohen Mauern des Palasts zuschritten.

»Nun«, meinte Eadulf, »die Pferde beweisen endgültig, daß Samradan an dem Attentatsversuch beteiligt war. Sie müssen seitdem dort gestanden haben.«

»Nein. Sie standen kaum eine halbe Stunde da«, widersprach ihm Fidelma mit Bestimmtheit. »Ihr Fell war noch feucht von dem raschen Weg aus ihrem Versteck dorthin.«

Eadulf machte große Augen. Er staunte noch mehr, als Fidelma leise zu lachen begann. Sie blieb unter der Lampe eines Gasthauses stehen und hielt ihm etwas hin.

Er sah es sich genau an. Es war eine winzige Silbermünze.

»Die habe ich in dem Lederbeutel gefunden. Man hatte sie übersehen.«

»Was ist denn das?« fragte Eadulf.

»Eine Münze aus Ailech, der Hauptstadt der Ui-Neill-Könige im Norden. Sie heißt piss.«

»Und was bedeutet das?«

»Mein lieber Eadulf« - solche Zufriedenheit in ihrer Stimme hatte er seit Tagen nicht gehört -, »heute abend ist mir ein Licht aufgegangen. Mein Lehrer, der Brehon Morann, sagte einmal, wenn du das Unmögliche ausschließt, dann muß das, was bleibt, und wenn es noch so unwahrscheinlich ist, die Antwort sein. Jetzt weiß ich, wer hinter dem Attentat und der Verschwörung steckt. Trotz aller Versuche, mich in die Irre und auf falsche Fährten zu führen, die mich, zugegeben, bis heute abend verwirrt haben, habe ich jetzt den Fuchs erspäht!«