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Nach diesem Aufschrei des Königs brach in der Großen Halle die Hölle los. Zornige Rufe der Adligen von Muman mischten sich in die Empörung des Volkes. Von allen Seiten wurden Fidelma Drohungen entgegengeschleudert, während sie ruhig vor den Richtern stand.
Brehon Rumann sah bestürzt aus. Es verstieß gegen jedes Protokoll, daß ein König die Verhandlung mit einem solchen Ausbruch störte. Es war auch gegen alle Regeln, daß ein Anwalt der Verteidigung sich in den Ankläger derer verwandelte, die er zu vertreten hatte. Das Geschrei in der Großen Halle war ohrenbetäubend. Rumanns Hammer konnte allein dem nicht Einhalt gebieten. Auch als der Haushofmeister mit seinem Stab auf den Boden klopfte, dauerte es noch eine Weile, bis der Lärm in ein unwilliges Gemurmel überging.
»Colgü von Cashel«, wandte sich Rumann streng an den König, »du mußt dich wieder auf deinen Platz setzen.«
Colgü war völlig verwirrt und konnte nicht glauben, was seine Schwester da gesagt hatte. Er zögerte, dann ließ er sich von seinem Barden und Ratgeber Cerball zu seinem Platz zurückführen. Abt Segdae hatte sich nicht gerührt. Er war bleich geworden vor Entsetzen.
Der Fürst der Ui Fidgente tauschte ein triumphierendes Lächeln mit Solam.
Nachdem etwas Ruhe eingetreten war, wandte sich Brehon Rumann mit einem ärgerlichen Stirnrunzeln an Fidelma.
»Fidelma von Cashel, ich habe dir in dieser Verhandlung sehr viel Freiheit gelassen. Das kann ich nicht weiter tun. Zur Eröffnung habe ich die Anforderungen erläutert, die ich an diese Verhandlung stelle. Kein Anwalt darf in seinem Plädoyer die Seite wechseln und die Interessen seines Klienten verraten. Du hast dich eines Verstoßes gegen die Regeln dieses Gerichts schuldig gemacht, und ich verhänge über dich eine Geldstrafe von ...«
»Brehon Rumann!« Fidelmas Stimme war so scharf, daß sie den Vorsitzenden Richter innehalten ließ. »Ich habe weder die Seite gewechselt, noch habe ich die Interessen des Königs von Muman verraten. Laß mich das erklären.«
Rumann starrte sie entgeistert an. »Du hast doch aber tatsächlich die Seite gewechselt, denn in deinem Eröffnungsplädoyer hast du ganz klar vor Zeugen geäußert ...« Er nahm ein Blatt zur Hand, das ihm einer der Schreiber gereicht hatte. »Du hast gesagt, es gäbe keine Verschwörung des Königs von Muman mit dem Ziel, den Fürsten der Ui Fidgente ermorden zu lassen. Du hast deutlich erklärt, das würdest du beweisen. Jetzt sagst du, es gab eine solche Verschwörung des Königs von Muman.«
Fidelma schüttelte den Kopf.
»Nein. Ich drücke mich sehr genau aus, wie ich es auch vom Gericht erwarte. Ich habe gesagt, ich kann die Eoghanacht nicht von der Verantwortung freisprechen. Ich habe nicht gesagt, daß Colgü verantwortlich ist. Weiser Richter«, fuhr Fidelma fort, »laß mich die Aufklärung dieser Angelegenheit in meiner eigenen Weise vortragen.«
Die Brehons Dathal und Fachtna neigten sich zu Rumann, und die drei Richter hielten eine Beratung im Flüsterton ab. Dann verkündete Rumann: »Dein Ersuchen ist ungewöhnlich, doch da der Fall den Frieden dieses Königreichs berührt, gewähren wir dir eine gewisse Freiheit in deiner Darlegung.«
Fidelma seufzte erleichtert. »Dies war auch kein gewöhnlicher Fall. Ich wurde einige Zeit durch andere Dinge abgelenkt, von denen ich annahm, daß sie mit der Lösung zu tun hätten, die jedoch nur eine Reihe unzusammenhängender Vorfälle darstellten, die den Weg eines der schrecklichsten Komplotte kreuzten, die die Vernichtung des Königreichs von Muman zum Ziel hatten.«
Erneut entstand Lärm unter den Zuhörern, und Rumann klopfte mehrmals mit seinem Hammer.
Solam war wieder aufgesprungen. »Behauptet sie jetzt, wir hätten vorgehabt, Colgü zu stürzen?« fauchte er. »Ich weiß nicht mehr, was sie will, denn in einem Augenblick behauptet sie dieses und im nächsten Moment das Gegenteil!«
Fidelma hob beide Hände. »Weise Richter, es gibt keinen kürzeren Weg zur Wahrheit, als wenn ihr mir die Zeit laßt, sie auf meine Art zu erklären.«
»Diese Freiheit hast du bekommen«, bestätigte Rumann. »Ich gestatte keine weiteren Unterbrechungen, bis die Anwältin für Cashel fertig ist.«
Widerwillig setzte sich Solam hin.
»Nun gut«, sagte Fidelma. »Ich brauche nicht zu erläutern, daß es Spannungen zwischen Muman und dem nördlichen Königreich von Ulaidh gibt. Die Ui Neill und die Eoghanacht liegen im Streit, seit dieses Land zuerst unter ihnen aufgeteilt wurde, seit jener grauen Vorzeit, als Eremon im Norden herrschte und Eber Fionn im Süden. Die Nachfahren Eremons, die Ui Neill, glauben wie einst Eremon selbst, sie sollten über ganz Eireann herrschen. Das war und ist der Grund der Spannungen in diesem Land. Auch jetzt noch, da wir unsere heidnische Vergangenheit hinter uns gelassen haben, sind die Bereiche der Häupter des Glaubens nach diesen politischen Grenzen geteilt. Der Comarb von Patrick in Armagh unterstützt seinen König, den Ui Neill, während hier in Muman der Comarb von Ailbe zu den Eoghanacht hält.«
»Geschichte!« höhnte Solam halblaut. »Müssen wir unsere Zeit mit alten Geschichten vergeuden? Wozu brauchen wir solche dunklen Überlieferungen?«
Zornig fuhr Fidelma zu ihm herum. »Ohne die Geschichte müßten wir kleine Kinder bleiben und würden nicht wissen, wer wir sind und woher wir kommen. Wenn wir die Vergangenheit nicht kennen, können wir die Gegenwart nicht verstehen, und wenn wir die Gegenwart nicht verstehen, können wir keine bessere Zukunft schaffen.« Sie wandte sich wieder an die Richter. »Weise Richter, bedenkt jene historischen Spannungen, denn sie sind wichtig.«
Sie hielt einen Moment inne. Jetzt herrschte Stille. Jeder kannte die Reibereien und Eifersüchteleien, an die sie erinnert hatte. Nicht zuletzt auch die Ui Fid-gente, die mehrmals bei ihrem Vorgehen gegen Cashel von ehrgeizigen Monarchen der Ui Neill unterstützt worden waren.
»Ich komme nun zu den Einzelheiten. Zunächst möchte ich sagen, daß es einen jungen Fürsten im Königreich Muman gibt, der von brennendem Ehrgeiz erfüllt ist. Er strebt nach der Macht, und um der Macht willen schert er sich nicht um Recht und Moral.«
»Nenne seinen Namen!« kamen sofort die Rufe von mehreren Seiten.
»Seinen Namen werde ich nennen«, erwiderte Fi-delma ruhig, »doch zu gegebener Zeit. In seiner Gier nach der Macht war dieser junge Mann entschlossen, Muman zu stürzen, damit er in die Machtlücke treten könnte. Nun ist Muman ein großes und starkes Königreich. Aber wo liegt Mumans Schwäche?«
Sie wandte sich Donennach zu, dem Fürsten der Ui Fidgente. Er wurde rot und schaute sie böse an.
»Es ist bekannt, daß die Ui Fidgente seit langem behaupten, eigentlich sollten sie in Cashel herrschen«, sagte sie.
»Das leugne ich nicht«, antwortete Donennach trotzig »Das ist Geschichte. Wie du es so schön ausgedrückt hast - es ist Geschichte.«
»Genau«, lächelte Fidelma. »Die Jahrhunderte hindurch haben die Eoghanacht viele Schlachten mit den Ui Fidgente ausgefochten. Dabei ging es immer um Cashel. Nun hat dieser junge Mann, wie ich schon sagte, ein Fürst dieses Landes, ein hinterhältiges Komplott geschmiedet, um Zwistigkeiten in Muman zu erregen. Er wollte ein Attentat in die Wege leiten, die Ermordung des Königs von Cashel. Der Attentatsversuch auf den Fürsten der Ui Fidgente war nur eine Verschleierung des wahren Zwecks .«
Sie schwieg, weil der Lärm ohrenbetäubend wurde. Solam und Donennach waren schreiend aufgesprungen, und die Krieger der Ui Fidgente mit Gionga an der Spitze stampften mit den Füßen, um ihren Unwillen zu bekunden. Die Großen Hallen durfte bei Festen oder Gerichtsverhandlungen niemand betreten, der nicht seine Waffen am Eingang abgelegt hatte. Wenn Gionga und seine Männer ihre Waffen zur Hand gehabt hätten, das wußte Eadulf, dann hätte es jetzt ernste Auseinandersetzungen gegeben.
Brehon Rumann bemühte sich um Ruhe. Schließlich gelang es ihm, die Versammlung zur Ordnung zu rufen. Er wollte etwas sagen, doch Fidelma setzte ihre Ausführungen fort.
»Als dieser Fürst erfuhr, daß die Ui Fidgente an einem bestimmten Tag nach Cashel kommen würden, sandte er einen vertrauten Boten zu den Ui Neill von Ailech, ließ ihnen seinen Plan eröffnen und bat ihren ebenso ehrgeizigen König um Hilfe. Ihm wurde Unterstützung zugesagt. Es gab in Armagh zufällig einen Bruder Baoill, der ebenfalls davon überzeugt war, daß die Ui Neill und Armagh über die fünf Königreiche herrschen sollten. Durch einen seltsamen Zufall war er der Zwillingsbruder von Bruder Mochta, dem Bewahrer der heiligen Reliquien Ailbes.
Nun wurde der Plan kompliziert. Das Ziel war, nicht nur den König von Muman zu ermorden, sondern Muman in völliges Chaos zu stürzen, indem man die heiligen Reliquien Ailbes stahl und versteckte. Ich brauche kaum zu erwähnen, daß diese Reliquien nicht nur von unschätzbarem Wert, sondern auch das politische Symbol des ganzen Königreichs von Muman sind. Ailbe war unser geistiger Lenker. Das Verschwinden seiner Reliquien würde uns in größte Verwirrung und Verzweiflung stürzen. Man stelle sich dieses Zusammentreffen vor! Der Tod des Königs und der Verlust der Reliquien.
Doch damit waren die Verschwörer noch nicht zufrieden. Für den Fall eines Fehlschlags schickte der Ui Neill von Ailech eine Schar seiner Leute in dieses Land. Es war nicht der erste Überfall dieser Art. Dieser Söldnertrupp war es, der Imleach angriff und den heiligen Eibenbaum fällte.«
Brehon Dathal beugte sich vor. »Doch in seinen Stumpf wurde von den Angreifern ein aufgerichteter Eber eingeritzt, das Zeichen der Ui Fidgente.«
»Damit man den Ui Fidgente die Schuld geben könnte. Ich faßte diesen Verdacht, als ich sah, daß der Angreifer, den wir gefangennahmen und der dann unglücklicherweise getötet wurde, ein Schwert trug, wie ich es auf meinen Reisen im Norden gesehen hatte. Es war ein claideb det, ein mit Tierzähnen verziertes Schwert. Erst nach einer Weile fiel mir ein, daß solche Schwerter nur vom Clan Brasil hergestellt werden. Ein Schwert derselben Art trug Baoill bei dem Attentatsversuch. Armagh liegt im Gebiet des Clans Brasil.«
Erstaunt hatte sich Solam zu ihr umgewandt, als er begriff, worauf sie hinauswollte. »Du willst damit also sagen, daß die Ui Fidgente an all dem unschuldig waren? Daß du nicht Donennach beschuldigst und behauptest, er wäre der Urheber der Verschwörung?«
Sie lächelte kurz. »Ich fürchte, das Verhalten der Ui Fidgente war nicht dazu angetan, ihre Unschuld zu beweisen, von dem Moment an, als Gionga die Brücke über den Suir von seinen Kriegern sperren ließ. Doch das war nicht die einzige Handlung, die mich auf die falsche Spur brachte. Das taten eine Zeitlang noch andere Ereignisse, die kaum in einem Zusammenhang standen.«
»Und welche waren das?« fragte Solam und lehnte sich entspannt auf seinem Stuhl zurück.
»Die Verwicklung Samradans in diese Angelegenheit. Darauf komme ich gleich zurück. Verfolgen wir erst den Hauptstrang weiter. Der ehrgeizige junge Fürst erwartete nun Hilfe aus Ailech. Sein Bote nach Ailech war der Mann, den wir als den Bogenschützen kennen. Nach Armagh und zum Comarb von Patrick entsandte er Samradan. Der Bogenschütze war natürlich der Mann, der Colgü zu ermorden versuchte. Sein wirklicher Name ist nur dem Hauptverschwörer bekannt. Dieser Hauptverschwörer, der ehrgeizige junge rigdomna, war es auch, der dem Bogenschützen das Kreuz der Goldenen Kette gab, mit dem Auftrag, es zu hinterlassen, wenn er nach dem Anschlag flüchtete.
Der Bogenschütze kehrte mit Bruder Baoill nach Muman zurück. Diesen hatte der Comarb von Patrick aus Armagh mitgeschickt, weil er um Baoills Verwandtschaft mit Mochta wußte. Baoill versuchte, seine Tonsur des heiligen Petrus zu verbergen, indem er sein Haar wachsen ließ, doch die Zeit reichte nicht aus, sie ganz zu bedecken. In Imleach nahm er Kontakt zu Bruder Mochta auf. Zuerst forschte Baoill seinen Bruder aus, um zu prüfen, ob man ihn für die Verschwörung gewinnen könnte. Als Mochta nicht darauf einging, versuchte Baoill erst durch List und dann mit Gewalt, die heiligen Reliquien an sich zu bringen. Es gelang ihm nur, Ailbes Kruzifix zu erbeuten.
Bruder Mochta wurde bei dem Kampf verwundet. Er vertraute sich seinem Freund Bruder Bardan an, und da ihnen klar war, daß ein Komplott im Gange war, beschlossen sie, daß sich Bruder Mochta mit den übrigen Reliquien verstecken sollte, bis Bruder Bar-dan jemanden fand, dem er vertrauen und den er einweihen konnte.«
»Warum vertraute er sich nicht seinem Abt an?« wollte Brehon Dathal wissen.
»Wie er mir sagte, ist der Abt ein ehrenhafter Mensch, und er hätte darauf bestanden, daß die Reliquien in die Kapelle zurückgebracht würden. Den Drohungen Baoills hatten Mochta und Bardan entnommen, daß man Krieger zur Abtei schicken würde, um die Reliquien zu rauben. Wenn Mochta und die Reliquien verschwanden, so meinten sie, entfiele der Grund für einen Angriff auf Imleach.«
»Aber dieser Angriff fand doch statt«, warf Brehon Rumann ein.
»Ja, aber nicht auf die Abtei. Baoill und sein Freund der Bogenschütze hatten schon einen anderen Plan in Gang gesetzt. Der Hauptzweck aller dieser Aktionen bestand ja darin, Entsetzen und Angst im Volk von Muman hervorzurufen, um das Königreich zu spalten. Der Angriff und das Fällen des heiligen Eibenbaums der Eoghanacht hätten eine ebenso verheerende Wirkung auf Muman wie das Verschwinden der Reliquien. Sobald man wußte, daß die heiligen Reliquien und Mochta weg waren, wurde der große Eibenbaum das Ziel. Es war das einzige, was in gleicher Weise Furcht und Verzweiflung in Muman auslösen konnte.«
Zum erstenmal schaltete sich Brehon Fachtna in den Vortrag ein. »Du erzählst uns eine interessante Geschichte, Fidelma von Cashel. Du hast den Fürsten der Ui Fidgente von dieser Sache freigesprochen. Deine Geschichte würde noch interessanter, wenn du uns sagen würdest, wer dein Hauptverschwörer ist. Wer steckt dahinter?«
»Es war ein Kutscher Samradans, der mich zuerst auf die richtige Spur brachte.«
Brehon Dathal sah sie fragend an. »Von Kaufmann Samradan? Du meinst, Samradan war der Bote nach Armagh zum Comarb von Patrick?«
»Er sagte mir, daß er in den letzten beiden Monaten zweimal in Armagh war. Er erzählte das so arglos, daß ich annahm, er wüßte vielleicht gar nicht, worin er da verwickelt war. Ihm ging es nur um seine illegalen Geschäfte.«
»Seine illegalen Geschäfte?« forschte Brehon Ru-mann. »Ist der Mann hier anwesend?«
»Nein. Er wurde in der vorletzten Nacht ermordet. Man brachte ihn um, weil man fürchtete, durch ihn könnte ich zu dem Hauptverschwörer gelangen.«
Ein hörbares Raunen der Überraschung durchlief die Große Halle.
»Samradan befaßte sich hauptsächlich mit illegalen Geschäften. Er und seine Leute hatten eine kleine Silbermine dicht bei Imleach entdeckt. Das Land gehört der Abtei, also durfte Samradan sie nicht ausbeuten. Doch da er unter dem Schutz des Hauptverschwörers stand - eines mächtigen Fürsten, wohlgemerkt -, ermutigte ihn derselbe Fürst dazu, das Silber abzubauen, und nahm seinen Anteil am Ertrag. An dieser Bergwerksverschwörung war noch jemand beteiligt .«
Nion, der bo-aire von Imleach, versuchte heimlich die Halle zu verlassen.
»Capa!« rief Fidelma und zeigte auf den Schmied.
Der stämmige Hauptmann der Leibwache Colgüs packte den Schmied mit überraschender Kraft an der Schulter und zwang ihn, stehenzubleiben.
»Bring ihn hierher vors Gericht«, ordnete Brehon Rumann an.
Nion war blaß geworden. »Ich hatte nichts mit der Verschwörung zum Sturz von Cashel zu tun«, keuchte er.
»Gibst du zu, daß du mit diesem ... diesem Kaufmann Samradan zusammengearbeitet hast?« fragte ihn Brehon Rumann.
»Das leugne ich nicht. Ich machte aber nur Geschäfte mit ihm, weil er mir Erz aus der Mine brachte. Ich schmolz das Silber aus, und manchmal bearbeitete ich es auch.«
Fidelma nickte. »Ja. Ich glaube dir, daß du manchmal sehr schöne kleine Spangen mit Sonnensymbol angefertigt hast. Unglücklicherweise zerstörten die Angreifer deine Schmiede, so daß am Tag nach dem Überfall Samradan mit nur einem Sack Silber, das du ausgeschmolzen hattest, und einem Sack Roherz das Bergwerk verlassen mußte.«
»Meine Schmiede konnte kein Silber mehr ausschmelzen«, bestätigte Nion.
»Hast du jemals Samradans Schutzherrn gesehen?«
»Nie. Ich hatte mit dem Plan zum Sturz von Cashel nichts zutun .«
Fidelma wandte sich an die Richter. »Das verwirrte mich«, gestand sie. »Eine Weile dachte ich, Samradan und sein illegales Bergwerk wären der Schlüssel zu dem Problem. Noch dazu stellte ich fest, daß das Bergwerk in demselben Netz von Geheimgängen lag, in dem Bruder Mochta und die heiligen Reliquien verborgen waren. Es war reiner Zufall, daß Bruder Bardan auf dem Wege zu Mochta auf Samradans Bergleute stieß und von ihnen gefangengenommen und nach Cashel gebracht wurde. Samradan wollte die Verantwortung für den Tod eines Mönchs nicht auf sich laden, deshalb versteckte er Bardan im Keller unter seinem Lagerhaus und wartete auf die Entscheidung seines Schutzherrn. Der Fürst entschied, daß sowohl Samradan als auch Bruder Bardan sterben müßten. Er fürchtete, sie könnten mich zu ihm führen. Samradan war tot, als ich ihn fand. Zum Glück hatte ich Bruder Bardan schon vorher aus dem Lagerhaus befreit. Er ist hier und steht dem Gericht als Zeuge zur Verfügung.«
»Du sagtest aber vorhin, Samradan hätte dich auf die richtige Spur gebracht. Doch er war tot, als du ihn fandest. Wie kann ein toter Mann reden?« fragte Bre-hon Rumann.
»Ich erwähnte Samradans Kutscher«, erwiderte Fi-delma. »Der Kutscher wollte sich mit mir treffen und mir etwas über den Bogenschützen und Baoill mitteilen. Dieser Kutscher, dessen Namen wir nicht kennen, wußte nichts von der Verwicklung seines Herrn in diese Affäre und auch nicht, daß dieser noch einen Schutzherrn besaß. Samradan jedoch nahm an, er wolle mir etwas über seinen illegalen Bergbau verraten, denn ich hatte dummerweise Samradan merken lassen, daß ich davon wußte. Ich hatte ihn gefragt, ob er mit Silber handele, und er hatte es abgestritten. Samradan fügte dem Kutscher eine tödliche Verletzung zu, doch vor seinem Tode konnte mir der Mann noch vor einem Zeugen, dem Bruder Eadulf hier« - sie nickte zu ihm hinüber -, »gewisse Dinge mitteilen, die mich zu Bruder Mochta führten. Noch wichtiger war das, was er mir von dem Bogenschützen erzählte: als dieser im Gasthaus nahe der Abtei von Imleach wohnte, wo auch der Kutscher oft abstieg, hatte er sich mit einem unbekannten Mann getroffen, einem jungen Mann, in einen Mantel gehüllt. Es war nachts.«
»Wenn er den Mann nicht kannte, wie konnte dir das weiterhelfen?« wollte Brehon Fachtna wissen.
»Der Bogenschütze redete den Mann mit ngdomna an, also Fürst, und verriet damit seinen Rang. Das war der Hauptverschwörer. Bruder Bardan hatte gehört, wie die Angreifer mit Samradan sprachen, und dabei erfahren, daß dieser rigdomna mit einem Comarb im Komplott war.«
Fidelma sah Nion an, der, von Capa scharf bewacht, noch vor dem Gericht stand. Dann wandte sie sich dorthin um, wo Finguine, der Fürst von Cnoc Äine, saß.
»Finguine möchte vor die Richter treten«, rief sie leise.
Wieder durchlief ein Flüstern die Große Halle.
Finguine erhob sich zögernd und ein wenig ängstlich.
»Tritt vor«, brummte Brehon Rumann. »Komm nach vorn, Finguine.«
Der junge Fürst von Cnoc Äine ging langsam nach vorn.
»Du trafst gleich nach dem Überfall in Imleach ein?« fragte Fidelma.
»Ja.«
»Damals warst du sicher, daß die Ui Fidgente die Angreifer waren?«
»Ja. Nion glaubte das. Dann war da noch der eingeritzte Eber in dem Baumstamm und die Tatsache, daß die Angreifer nach Norden abzogen. Alles wies auf die Ui Fidgente hin.«
»Wie es beabsichtigt war«, stimmte ihm Fidelma zu. »Mit einer Ausnahme natürlich, dem Krieger, den wir gefangen hatten.«
»Ja. Aber der war getötet worden, bevor wir ihn identifizieren konnten«, sagte Finguine.
»An dem Abend, bevor du Imleach verlassen hast, kam Bruder Bardan in der Kapelle zu dir und gestand dir, er wüßte, wo Bruder Mochta sich mit den heiligen Reliquien verbarg.«
Finguine wies auf die Zeugen. »Dort sitzt Bruder Bardan. Er wird das bestätigen.«
»Er hat sich erboten, Mochta und die heiligen Reliquien zu dir zu bringen?«
»Ja.«
»Darf ich also annehmen, daß es ein Zufall war, der Solam an jenem Morgen mit dir zusammenführte?«
»Es war so, wie ich es dir schon sagte. Ich war gezwungen, ihn nach Cashel zu geleiten. Aber wir wurden aufgehalten, weil ich Bardan mein Wort gegeben hatte und er nicht erschienen war. Ich erklärte Solam so viel, wie ich für nötig hielt. Später erfuhr ich, daß du mit dem Angelsachsen und Bruder Mochta auf der Straße nach dem Brunnen von Ara gesehen worden warst. Man beschrieb mir, daß du etwas bei dir trugst, was nur das Reliquiar sein konnte. Was Bardan anbelangte, er war einfach verschwunden.«
»Wie hast du herausgefunden, wo ich Bruder Mochta und die heiligen Reliquien verborgen hatte?«
»Nion beobachtete dich, als du aus Dellas Haus kamst. Es war nicht viel Phantasie nötig, um Erkundigungen einzuziehen und zu erfahren, daß du mit ihr befreundet bist.«
»Bist du deshalb in Dellas Haus eingedrungen und hast Mochta und das Reliquiar mitgenommen? Eins ist mir ein Rätsel. Du hast mehr als einmal deinen Verdacht gegen die Ui Fidgente geäußert. Warum hast du dann Gionga von den Ui Fidgente mitgenommen und ihn Dellas Haus verwüsten lassen?«
Finguine blickte die Richter ängstlich an. »Ich mußte sofort handeln, nachdem Nion mir Bericht erstattet hatte. Als Nion mit mir sprach, war Solam dabei. So-lam bestand darauf, daß Gionga mich begleitete. Er war mißtrauisch und verlangte, daß ein Ui Fidgente als Zeuge dabei sei. Ich hatte keine Zeit, meine Krieger zu holen, deshalb mußte ich mich auf Gionga verlassen.«
Solam wandte sich um und nickte zustimmend. »So war es, Fidelma.«
»Als du festgestellt hattest, daß ich Bruder Mochta und das Reliquiar nach Cashel gebracht hatte, Fingui-ne, weshalb hieltest du es da für nötig, beide aus meiner Verwahrung wegzuschaffen?«
Finguine blickte verlegen drein, dann sah er ihr für einen Moment in die Augen. »Weil wir glaubten, du stündest hinter der Verschwörung gegen Cashel.«
Fidelma verschlug es die Sprache, was ausgesprochen selten vorkam.
Ihr Schweigen ermutigte Finguine, fortzufahren.
»Du warst nach Jahren der Abwesenheit gerade erst in dieses Königreich zurückgekehrt. Als du jung warst, gingst du zum Studium zu Brehon Morann nach Tara. Danach verbrachtest du viele Jahre in der Abtei Cill Dara. Du warst auch im Ausland, in Oswys Königreich im Lande der Angeln und in Rom. Wie sollten wir dir da vertrauen?«
»Ich sehe immer noch nicht ein, weshalb ihr glaubtet, ich wäre an einer solchen Verschwörung beteiligt?« vermochte Fidelma schließlich zu fragen.
Nion kam Finguine zu Hilfe. »Ich berichtete Fin-guine, was ich von Samradan gehört hatte. Er hatte sich gebrüstet, sein Schutzherr sei mächtig, jemand, der dem König von Cashel sehr nahestünde. Er hat nie gesagt, ob dieser Schutzherr männlich oder weiblich sei. Erst jetzt haben wir gehört, daß der Schutzherr mit ngdomna angeredet wurde.«
»Und rigdomna ist männlich und nicht weiblich?« fragte Fidelma spöttisch.
»Das ist nicht zum Lachen«, fuhr Brehon Rumann gereizt dazwischen. »Du hast dich beinahe in die Lage eines Hauptverdächtigen gebracht.«
Fidelma wurde plötzlich ernst. »Dann komme ich am besten wieder zur Sache, weiser Richter, bevor du mich der Verschwörung schuldig findest. Ach, noch eine Frage, Finguine. Was tatest du vorletzte Nacht vor Samradans Haus?«
»Vorletzte Nacht? Ich suchte Samradan, weil ich ihm ein paar Fragen stellen wollte. Ich ritt zu seinem Haus, aber auf mein Klopfen antwortete niemand.«
»Du gingst nicht hinein?«
»Ich stieg nicht einmal von Pferd. Ich ritt nur zur Tür und klopfte an. Als niemand antwortete, ritt ich wieder weg. Am nächsten Tag erfuhr ich, daß Samra-dan tot war - ermordet.«
»Auch im Tode liegt die Antwort bei Samradan«, bemerkte Fidelma. Wieder trat ein eisiges Schweigen ein, jeder lauschte gespannt ihren Worten. »Ich habe schon erwähnt, daß ich ihn ahnungslos fragte, ob er mit Silber handele, und daß er das verneinte. Er leugnete es, weil dieser Handel illegal war. Abgesehen von seinen Arbeitern und von Nion, der das Metall aus dem Erz gewann, wußte nur sein Mitverschwörer von der Silbermine. Dieser Mitverschwörer war der rigdomna, der den Sturz von Muman plante.
Als dieser junge rigdomna am Morgen des Attentats nach Cashel einritt, war er derjenige, der die Hand erhob und damit den Attentätern das Zeichen gab, auf Colgü zu schießen. Nur dadurch, daß Colgü sich plötzlich vorbeugte, um mich zu begrüßen, verfehlte der Schütze sein Ziel. Der zweite Pfeil traf wie vorgesehen und schlug Donennach eine schlimme, aber nicht lebensgefährliche Wunde. Dann galoppierte Gionga los, der die Attentäter erspäht hatte.
Daß seine Mitverschwörer lebend gefangen würden, war das letzte, was der rigdomna wollte. Waren sie tot, konnte der Plan immer noch gelingen. Einem von ihnen hatte er das Kreuz der Goldenen Kette gegeben und gesagt, er solle es am Ort fallen lassen. Er wußte aber nicht, daß der andere, Baoill, immer noch das Kruzifix Ailbes bei sich trug, und davon ging die Spur aus, die zu den Verschwörern führte.«
»Willst du damit sagen, daß Gionga falsch handelte, als er die Attentäter erschlug?« warf Solam ein.
»Er tat das, was er für das Richtige hielt. Er tötete die Attentäter, weil er sich in Gefahr glaubte. Hätte er gezögert, hätte wahrscheinlich der Hauptverschwörer, der ihm gefolgt war, dafür gesorgt, daß die beiden unter irgendeinem Vorwand umgebracht wurden, damit sie nicht mehr reden konnten. Jedenfalls wurden sie getötet. Aber Gionga ist dafür nicht zu tadeln.«
Gionga stand mit zusammengezogenen Brauen da, als sei er in tiefes Nachdenken versunken. Der Vorfall wurde ihm durch ihre Worte nun klarer.
Fidelma blickte aufmunternd zu ihm hinüber.
»Ich biete dir eine Wette an, Gionga. Der Mann, der dir dicht auf den Fersen war und dafür sorgte, daß du die beiden Männer bei Samradans Lagerhaus erschlugst, war derselbe, der dir andeutete, ich wäre entschlossen, auf jeden Fall Beweismaterial gegen Fürst Donennach herbeizuschaffen. Ist es nicht so? Hat er nicht vorgeschlagen, deine Krieger sollten mir den Weg nach Imleach versperren? Du solltest eine Wache auf die Brücke stellen?«
Giongas Gesicht erhellte sich. Er nickte eifrig. »Das stimmt. Aber er ...«
»Du hast nicht begriffen, daß du ihm in die Falle gingst, denn dadurch, daß du Krieger aussandtest, um mich am Verlassen von Cashel zu hindern, hast du noch mehr Verdacht auf deinen Fürsten gelenkt. Dein Verhalten schien die Schuld der Ui Fidgente noch zu vergrößern.«
Gionga schlug sich mit der Hand vor die Stirn. »Daran habe ich nicht gedacht.«
»Wer ist dieser Mann?« rief Brehon Rumann ungeduldig aus. »Genug der Anspielungen, nenne seinen Namen!«
»Welcher Mann hob die Hand, als die Leibwache König Colgüs an jenem Morgen auf den Marktplatz ritt?« fragte Fidelma. »Wir alle dachten, es sei ein Signal für seine Reiter, aber es war ein Signal für die Attentäter. Welcher Mann ritt sofort hinter Gionga her? Welcher Mann riet Gionga, eine Wache auf die Brük-ke über den Suir zu schicken? Welcher Mann sagte mir in einem unbedachten Moment, er habe eine gewisse Silberspange von Samradan gekauft, während doch Samradan aus seinen Silbergeschäften ein solches Geheimnis machte, daß der einzige, der außer Nion davon wußte, sein Partner und Schutzherr war?«
Langsam war Donndubhain aufgestanden und Fi-delma vor den Richtern gegenübergetreten. Während der ganzen Verhandlung hatte er geschwiegen. Er hatte mit unbewegtem Gesicht auf seinem Platz gesessen, hatte einfach vor sich hin gestarrt, weder nach rechts noch nach links gesehen. Jetzt war der Augenblick gekommen, da endlich alle wußten, wen Fidelma beschuldigte. Er stand nun gerade noch einen Schritt von ihr entfernt. Nach wie vor bewahrte er eine gelassene Miene.
»Was versuchst du mir da anzuhängen, Kusine?« Sein Ton war freundlich, doch seine Augen blickten hart und starr.
»Dir anzuhängen? Du bist der Drahtzieher einer üblen Verschwörung, Vetter. Du warst eifersüchtig, als Colgü zum Tanist gewählt und König von Muman wurde, denn du meintest, der Königstitel stände eigentlich dir zu. Selbst als du zum Tanist, zum Thronfolger für Colgü, gewählt wurdest, genügte dir das nicht. Colgü ist noch jung, und wenn nichts Unvorgesehenes eintrat, konntest du nicht hoffen, jemals König zu werden. Also hast du beschlossen, das Unvorhergesehene selbst herbeizuführen.
Colgü sollte ermordet werden. Die Schuld würde man den Ui Fidgente geben. Unruhe und Aufruhr würden Muman zerreißen, und du, lieber Vetter, würdest dann plötzlich ans Licht treten und die Krone für dich fordern, mit dem Versprechen, das Königreich wieder zu einen. Du hättest die Unterstützung des ganzen Königreichs, wenn du gegen die Ui Fid-gente marschieren würdest, um sie zu vernichten. Aus der Asche dieses Landes würdest du den Tribut an die Ui Neill zahlen und damit Mael Düin von Ailech die Gelegenheit geben, erneut seine blutige Hand nach der Herrschaft über unser Königreich auszustrecken.«
Viele hatten sich erhoben in der Großen Halle und drängten dorthin, wo sich das Drama abspielte. Eadulf wurde von ihnen mitgerissen und nach vorn geschoben. Er klammerte sich verzweifelt an seinen Pilgerstab, um in der Masse auf den Beinen zu bleiben.
Er geriet in die Nähe von Donndubhain und Fi-delma. Ihm gefiel das Mienenspiel des Tanist nicht, das sein hübsches Gesicht zu einer Maske ungebän-digten Hasses verzerrte. Es war deutlich, daß Fidel-mas Wahrheiten ihn ins Mark getroffen hatten.
Der Tanist von Cashel versuchte ihre Beschuldigungen selbstbewußt zurückzuweisen.
»Die Brehons wollen Beweise und keine Vermutungen hören, Kusine«, sagte er, vorgeblich belustigt. »Wo hast du die Beweise für diesen empörenden Unsinn?«
»Meinst du, ich habe noch nicht genug Beweise geliefert? Dort steht Gionga. Er wird dir sagen, wie du ihn überredet hast, seine Krieger auszusenden .«
»Und wenn schon? Für alles andere hast du keine Beweise. Baoill und Fedach sind tot, und .«
Fidelmas breites Lächeln ließ ihn innehalten. »Welchen Namen hast du eben genannt?« fragte sie ruhig.
»Baoill und .« Er brach ab, als er merkte, welchen Fehler er soeben begangen hatte.
»Ich glaube, der Name, mit dem du den Bogenschützen meintest, war Fedach? Habe ich nicht gesagt, daß niemand seinen Namen kannte? Daß der einzige lebende Mensch ...«
»Das ist noch kein Beweis. Ich kann ihn von jemand anderem gehört haben und .«
»Dein Entschluß, Samradan neulich nachts zu töten, war ein verhängnisvoller Fehler. Ohne diesen Mord wäre das Puzzlespiel, unser tomus-Spiel, das wir als Kinder spielten, nicht aufgegangen.«
»Aber ich habe dich doch zum Versteck der Pferde der Attentäter in Samradans Stall geführt«, wandte Donndubhain ein. »Hätte ein Schuldiger das getan?«
»Ja. Du hast die Pferde selbst dort versteckt. Zur Zeit des Attentats war Samradan in Imleach. Die Pferde standen erst woanders, vielleicht in deinen eigenen Ställen. Du hast sie an demselben Abend zu Samradan gebracht, an dem du ihn erstachst, um den Kreis zu schließen, damit die Schuld auf den Toten fiele. In deinem Eifer, mich auf die falsche Fährte zu setzen, hast du einen Fehler gemacht, indem du mir die Pferde zeigtest. Sie waren noch erhitzt und feucht von dem Weg dorthin aus ihrem vorherigen Versteck. Wahrscheinlich läßt sich feststellen, welcher deiner Diener die Pferde auf deinen Befehl verbarg. Aus deinem eigenen Mund haben wir den Namen des Bogenschützen erfahren - Fedach.«
»Unsinn! Der Name beweist gar nichts.«
»Du hattest alle Erkennungsmerkmale von den Pferden entfernt, außer dem Zeichen der Ui Fidgente am Sattel, in der Hoffnung, dadurch könnte mein Verdacht immer noch auf Fürst Donennach gelenkt werden. Du hattest auch die Börse des Bogenschützen geleert, und das war dumm von dir, denn das zeigte deutlich, daß alles arrangiert war. Aber eine Münze hattest du übersehen, einen piss, eine Münze der Ui Neill.«
Sie hielt sie hoch.
»Dadurch wußte ich, daß der Bogenschütze kurz zuvor in Ailech gewesen war.«
»Aber das beweist nicht, daß ich im Solde von Ai-lech stehe«, sagte Donndubhain. »Das weist mir keine Schuld nach.«
»Nein. Doch der tote Samradan zeigte mir, daß du ihn ermordet hast. Wo ist die Silberspange, die du von Samradan gekauft hast und deren Silber aus eurem gemeinsamen illegalen Bergbau stammte? Die er bei Nion ganz speziell für seinen Schutzherrn in Auftrag gab, die mit den fünf Granatsteinen?«
Donndubhains Hand fuhr unwillkürlich zu seiner Schulter. Sein Gesicht wurde totenbleich.
Fidelma hielt ihm die Spange hin, die sie aus Samra-dans starrer Hand gewunden hatte. Sie zeigte sie allen.
»Ich fand sie in Samradans Hand. In seinem Todeskampf hatte er sie Donndubhain abgerissen zusammen mit dem Stück Stoff, das daran hängt.«
»Du kannst aber nicht beweisen, daß es meine ist. Eine Silberspange mit Sonnensymbol und roten Granaten an den Spitzen«, höhnte Donndubhain. »Ich hab schon mehrere davon gesehen. Schau mal!«
Er zeigte auf Nion. Tatsächlich trug der Schmied eine ähnliche Spange mit Sonnensymbol und roten Granaten.
Zornig blickte Donndubhain auf Finguine.
»Und dort! Er trägt genau die gleiche.«
Fidelma schüttelte den Kopf. »Ja, Finguines Sonnenspange wurde auch von Nion angefertigt. Deshalb sind sie so ähnlich. Die Spangen stammen von demselben Kunstschmied. Aber die Spangen von Nion und Finguine tragen drei rote Granaten, und diese wurde speziell für dich gefertigt und hat fünf rote Granaten. Ich sah sie an dir am Tage des Attentatsversuchs. Vielleicht soll sie die fünf Königreiche von Ei-reann darstellen. Reicht dein Ehrgeiz so weit, Donn-dubhain?«
Donndubhain reagierte blitzschnell. Seine eine Hand fuhr in sein Hemd und zog einen kurzen Dolch hervor, den er im Gürtel verborgen hatte. Mit der anderen Hand packte er Fidelma. Sie hatte nicht damit gerechnet und sah sich im nächsten Augenblick mit dem Rücken gegen seine Brust gepreßt und spürte seinen Dolch an der Kehle.
»Donndubhain!« rief Colgü aufspringend. »Du Narr! Du kannst doch nicht entkommen!«
Die Große Halle war ein einziges Chaos entsetzter Ausrufe.
»Wenn ich nicht entkomme, dann stirbt deine liebe Schwester mit mir«, schrie der Fürst über die Menge hinweg.
Sein Dolch war so dicht an Fidelmas Kehle, daß ein Blutstropfen an der Klinge entlanglief.
»Befiehl Capa, mir ein schnelles Pferd zu satteln. Und keine Tricks, denn Fidelma nehme ich mit . «, forderte Donndubhain.
Vorsichtig bewegte er sich rückwärts von den bleich gewordenen Richtern und den angstvollen Blicken der Menge in der Großen Halle fort auf die Tür zu.
Da gab es einen dumpfen Laut. Donndubhains Hand zitterte, dann fiel ihm der Dolch aus den schlaff gewordenen Fingern. Einen Augenblick später schlug der bewußtlose Körper des Tanist von Cashel auf den Boden nieder.
Mit weit geöffneten Augen fuhr Fidelma herum und holte tief Atem.
Eadulf schaute sie voller Sorge an. Seinen Pilgerstab hielt er fest in beiden Händen. Plötzlich lächelte er, als er Fidelma in die Augen blickte.
»Was bei einem canis lupus wirkt, hilft auch gegen einen menschlichen Wolf.«
Fidelma warf den Kopf zurück, lachte erleichtert los und umarmte ihren Gefährten.