37286.fb2 Alexander K?nig von Asien - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 2

Alexander K?nig von Asien - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 2

Alexander hörte schon länger nicht mehr zu; sein Blick war auf die junge Lokrerin geheftet, die damit beschäftigt war, duftendes Öl in die Lampen zu gießen. Ein von hinten kommender Sonnenstrahl hatte ihr dünnes Peplon durchsichtig gemacht, so daß Alexander ihren schönen Körper betrachten konnte, und dabei begegnete er immer wieder den scheuen Augen des Mädchens, die etwas sehr Geheimnisvolles hatten.

»Ob diese Rüstung nun tatsächlich Achill und die Kithara Paris gehört hat, spielt doch überhaupt keine Rolle«, sagte Kal-listhenes. »Im Dioskurentempel in Sparta ist das Ei ausgestellt, aus dem angeblich Helenas Brüder, die Zwillinge Kastor und Polydeukes, geschlüpft sind ... Ich bin überzeugt, daß es sich in Wahrheit um das Ei eines libyschen Vogels handelt, den man Vogel Strauß nennt - er kann so groß wie ein Pferd werden. Und unsere eigenen Tempel sind im übrigen ja auch voll von solchen

Votivgeschenken. Echt oder nicht, ist völlig egal. Wichtig ist nur, was die Leute glauben, denn das einfache Volk braucht einen Glauben, an den es sich klammern, und etwas, wovon es träumen kann.«

Bei diesen Worten hatte Kallisthenes sich nach Alexander umgedreht, der gerade auf die große Bronzerüstung zutrat; sie war mit schönen Zinn- und Silberornamenten verziert. Alexander strich mit dem Finger über den Schild, auf dem Szenen aus der »Ilias« dargestellt waren, und über den prächtigen Helm mit dem dreifachen Helmbusch.

»Und wie soll diese Rüstung hierher gelangt sein?« fragte er den Priester.

»Bekanntlich hat Odysseus sie dem Aias weggenommen, aber später plagte ihn das schlechte Gewissen so sehr, daß er sie zurückgebracht und vor dem Grab des Aias niedergelegt hat -sozusagen als Opfergabe für eine heile Rückkehr nach Ithaka. Irgendwer hat sie dann von dem Grab hierher in den Tempel gebracht.«

Alexander trat ganz dicht neben den Priester und sagte: »Du weißt doch, wer ich bin, oder?«

»Natürlich, Herr. Du bist Alexander, der König von Makedonien.«

»Richtig. Und mütterlicherseits bin ich auch ein direkter Nachfahre von Pyrrhos, dem Sohn des Achill und Begründer des Königshauses von Epeiros. Du wirst also einsehen, daß ich als Erbe des Achill ein Anrecht auf diese Rüstung habe. Ich möchte sie mitnehmen!«

»Aber Herr ...«, stammelte der Priester erschrocken.

»Wie?« meinte Ptolemaios grinsend. »Wir sollen dir glauben, daß dies hier die Kithara des Paris ist und das dort die Waffen des Achill sind, vom Gott Hephaistos persönlich für ihn geschmiedet, und du nimmst uns nicht einmal ab, daß unser König von Achilleus abstammt?«

»Doch, doch«, beteuerte der Priester, »die Sache ist nur, daß es sich hier um geweihte Gegenstände handelt, die diesen Tempel nicht verlassen dürfen ...«

»Unsinn«, unterbrach ihn Perdikkas, »laß eine Kopie davon machen und häng die an die Säule, das merkt keiner. Du siehst doch, daß unser König die Rüstung braucht, und da sie nun einmal seinem Vorfahren gehörte . ..« Er hob die Schultern und breitete bedauernd die Arme aus, wie um zu sagen: Erbschaft ist Erbschaft...

»Schafft mir die Rüstung ins Lager«, befahl Alexander. »Sie soll vor jeder Schlacht wie ein Banner gehißt werden. Und jetzt gehen wir. Unser Tempelbesuch ist zu Ende.«

Die jungen Makedonen verließen nacheinander den Tempel, nicht ohne sich noch einmal umzusehen und das ein oder andere der vielen Votivgeschenke zu betrachten, die hier verehrt wurden.

Der Priester merkte, daß Alexander dem Mädchen nachsah, während es die Tempelhalle durch eine kleine Seitentür verließ.

»Daunia badet jeden Abend nach Sonnenuntergang bei der Skamandros-Mündung im Meer«, raunte er ihm zu.

Der König sagte nichts und ging. Von der Schwelle des Tempels aus sah der Priester ihn kurz darauf sein Pferd besteigen und in Richtung des Lagers am Strand reiten, in dem es wie in einem Ameisenhaufen wimmelte.

Alexander sah sie schnellen, sicheren Schritts durch die Dunkelheit kommen. Sie ging am linken Flußufer entlang und blieb dort stehen, wo sich der Skamandros mit dem Meer vereinte.

Es war eine windstille, heitere Nacht, und da just in diesem Augenblick der Mond aus dem Meer auftauchte, spannte sich ein breites Silberband vom Horizont bis zum Gestade. Das Mädchen legte seine Kleider ab, löste sich das Haar und glitt ins Wasser. Sanfte Wellen umspielten seinen Körper, der wie weißer Marmor im Mondlicht leuchtete.

»Du bist schön wie eine Göttin, Daunia«, murmelte Alexander, indem er sich zu erkennen gab.

Das Mädchen tauchte bis zum Kinn ins Wasser und wich erschrocken zurück. »Tu mir nichts an. Du weißt, ich bin geweiht.«

»Um eine Vergewaltigung zu sühnen, die vor tausend Jahren passiert ist?«

»Um jedwede Vergewaltigung zu sühnen. Auch heute gibt es noch genug Männer, die sich an wehrlosen Frauen vergehen.«

Der König zog sich ebenfalls aus und ging ins Wasser, während sie die Arme vor der Brust verkreuzte, um ihren Busen zu verbergen.

»Ich habe gehört, daß die berühmte Aphrodite des göttlichen Praxiteles genau wie du ihren Busen bedeckt. Denn auch Aphrodite ist schamhaft. . . Aber vor mir brauchst du keine Angst zu haben. Komm her.«

Das Mädchen näherte sich ihm langsam, halb schwamm und halb ging sie und dabei tauchte ihr herrlicher Körper immer weiter aus dem Meer auf, das wie in einer zärtlichen Umarmung zuerst ihren Bauch und dann ihre Hüften umfing. »Laß uns zum Grabhügel des Achill schwimmen. Ich möchte, daß niemand uns sieht.«

»Folge mir«, erwiderte Daunia. »Ich hoffe, du bist ein guter Schwimmer.« Und mit diesen Worten ließ sie sich seitlich ins

Wasser gleiten und schwamm behende wie eine Nereide vor ihm her.

»Das bin ich«, antwortete Alexander und warf sich ebenfalls in die Fluten.

Die Küste, die von den Lagerfeuern der Makedonen beleuchtet wurde, bildete an dieser Stelle eine weite Bucht; sie wurde auf der gegenüberliegenden Seite von einer Landzunge begrenzt, auf deren äußerster Spitze man einen Erdhügel erkennen konnte.

Auf diesen schwamm das Mädchen direkt zu, quer durch den breiten Meerbusen. Sie machte beim Schwimmen keinerlei Geräusch und erinnerte Alexander mit ihren weichen, fließenden Bewegungen an eine Meernymphe.

»Du schwimmst gut«, meinte er keuchend. »Alle Achtung!«

»Ich bin am Meer groß geworden . . . Möchtest du immer noch zu der Landzunge hinüber?«

Alexander antwortete nichts und schwamm weiter, bis er den weißen Schaum der Wellen erkennen konnte, die sich sanft am mondbeschienenen Strand brachen und sogar den Fuß des mächtigen Erdhügels befeuchteten. Das war also das Grab des Achill! Hand in Hand stiegen sie aus dem Wasser und gingen darauf zu. Bei seinem Anblick fühlte Alexander sich vom Geist des großen Helden durchdrungen, und als er sich nach seiner Begleiterin umdrehte, die im silbernen Mondlicht neben ihm stand und seinen Blick suchte, glaubte er die schöne Briseis mit ihren rosa Wangen vor sich zu haben.

»Nur den Göttern sind Augenblicke wie dieser beschieden«, flüsterte er, das Gesicht der lauen Meeresbrise preisgegeben. »Hier hat Achilleus gesessen und den Tod des Patroklos beweint. Und hier hat seine Mutter, die Meergöttin Thetis, die

Waffen niedergelegt, die Hephaistos für ihn geschmiedet hat.«

»Dann glaubst du also?« fragte das Mädchen.

»Ja.«

»Aber warum hast du dann im Tempel. . .«

»Hier ist es anders. Es ist Nacht, der Lärm des Tages ist verebbt . .. Und du stehst hüllenlos und strahlend vor mir.«

»Bist du wirklich König Alexander?«

»Schau mich an. Wer soll ich sonst sein?«

»Du bist der Jüngling, der mir nachts im Traum erscheint, wenn ich mit den anderen Dienerinnen im Tempel der Göttin schlafe. Der Jüngling, den ich gerne geliebt hätte.«

Sie drehte sich zu ihm um und lehnte ihren Kopf an seine Brust.

»Ich breche morgen auf«, sagte Alexander, »und in wenigen Tagen steht mir eine schwere Schlacht bevor. Vielleicht siege ich, vielleicht sterbe ich aber auch.«

»Dann komm in meine Arme und nimm mich, wenn du möchtest, hier, auf dem warmen Sand, sollten wir es später auch bereuen müssen.« Sie küßte ihn lange und streichelte sein Haar. »Du hast recht«, sagte sie dann. »Augenblicke wie dieser sind nur den Göttern beschieden. Und wir beide werden für diese eine Nacht Götter sein.«

2

Alexander zog sich vor dem versammelten Heer splitternackt aus und rannte, wie der alte Brauch es verlangte, dreimal um den Grabhügel des Achill. Dasselbe tat Hephaistion mit dem Grab des Patroklos, und bei jeder Umrundung schrien mehr als vierzigtausend Mann im Chor:

»Alalalai!«

»Was für ein erstklassiger Schauspieler!« rief Kallisthenes aus, der die Szene aus einiger Entfernung verfolgte.