37286.fb2 Alexander K?nig von Asien - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 29

Alexander K?nig von Asien - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 29

»Hephaistion, schau, da!« schrie in diesem Augenblick einer der Hetairoi und deutete mit dem ausgestreckten Arm auf den höchsten Turm der Stadtmauer von Halikarnassos. Hephaistion schirmte mit der Hand die Augen ab, um besser sehen zu können, und nun erkannte auch er ihn: einen Krieger in glänzender Eisenrüstung und mit korinthischem Vollvisier-Helm mit einer langen, schmalen Lanze in der Hand.

Ein Schrei hinter seinem Rücken lenkte Hephaistion ab: »Der König!« Und da sah er Alexander auch schon auf Bukephalos daherfliegen, gefolgt von der versammelten Königsschwadron. Einen Moment später stand der Freund neben ihm und starrte ebenfalls zu dem Turm hinüber, auf dessen Spitze die Rüstung des antlitzlosen Kriegers in der Sonne glänzte.

Alexander beobachtete ihn still und wußte, daß er seinerseits beobachtet wurde. »Das ist er«, murmelte er schließlich. »Ich spüre es, das ist er.«

Ungefähr zur selben Zeit, jedoch ein gutes Stück von hier entfernt, hinter der Stadt Kelainai, stieg Barsine mit ihren Kindern in einem Gasthof entlang der Königsstraße ab, um sich ein wenig zu erfrischen. Als sie in ihrem Reisegepäck nach einem Taschentuch suchte, um sich den Schweiß abzutrocknen, entdeckte sie dort einen Gegenstand, ein Etui, das sie selbst nicht dort hineingetan hatte. Sie machte es auf, und zum Vorschein kam der Papyrusbogen, auf dem Apelles mit wenigen meisterhaften Strichen die Gesichtszüge ihres Mannes Memnon festgehalten hatten. Mit Tränen in den Augen las sie die Worte, die mit hastiger Schrift auf den unteren Rand des Blattes gekritzelt waren:

»Genauso deutlich hat sich dein Antlitz in das Gedächtnis von Alexander eingeprägt.«

24

Auf der Hügelkuppe angekommen, kletterte Alexander vom Pferd, und seine Gefährten taten es ihm nach. Von hier oben konnte man die ganze Stadt übersehen, der Anblick war herrlich: Einem natürlichen Theater gleich fiel die sanfte Mulde, in deren Zentrum Halikarnassos lag, zum Meer hin ab. Grüne Olivenhaine, aus denen hier und da eine schwarze Zypresse aufragte, bedeckten die Hänge bis hinunter zu der mächtigen Stadtmauer, die den Ort nach Norden und Osten hin abschirmte - eine sehr harmonisch wirkende Landschaft, wäre da nicht die große rotbraune Scharte gewesen, der Graben, den Memnon etwa zweihundert Fuß von der Mauer entfernt hatte ausheben lassen.

Links konnte man die Akropolis mit ihren Tempeln und Statuen erkennen: Von einem der Altäre stieg der Rauch eines Feueropfers in den blauen Himmel empor. Halikarnassos bat die Götter um einen Sieg über seine Feinde.

»Unsere Priester haben auch geopfert«, meinte Krateros. »Ich frage mich, wen die Götter wohl erhören.«

Alexander drehte sich um. »Den stärkeren«, sagte er.

»Schaut euch den Graben an - da kommen unsere Belagerungsmaschinen nie rüber«, schaltete sich Ptolemaios ein. »Und von der anderen Seite aus können wir die Mauer nicht unter Beschuß nehmen - das ist viel zu weit weg.«

»Natürlich«, sagte Alexander. »Als erstes müssen wir den Graben zuschütten.«

»Den Graben zuschütten?« fragte Hephaistion entgeistert. »Hast du eine Vorstellung davon, wie . . .«

»Und du fängst sofort damit an«, fuhr Alexander fort, ohne mit der Wimper zu zucken. »Nimm dir Männer, so viele du brauchst, und schütte den Graben zu. Wir geben euch vom Rand aus mit Katapulten Deckung - Krateros, das erledigst du. Was machen unsere Kriegsmaschinen?«

»Sie sind in einer geschützten Bucht abgeladen worden, etwa fünfzehn Stadien vom Lager entfernt. Die meisten sind auch schon zusammengebaut. Perdikkas bringt sie her.«

Am Horizont begann die Sonne im Meer zu versinken. Ihre Strahlen überzogen das gigantische Mausoleum im Zentrum von Halikarnassos mit flüssigem Gold, und die Bronzequadriga oben auf der Pyramidenspitze schien sich jeden Moment von ihrem Sockel loslösen und auf den purpurroten Wolken der Abenddämmerung davonstieben zu wollen. Unten fuhren in diesem Augenblick mehrere Fischerboote mit gestrichenen Segeln in den Hafen ein - Schafen gleich, die mit Einbruch der Dunkelheit in den Stall zurückkehren. Wenig später würde frischer Fisch die Einkaufskörbe füllen und in die Häuser getragen werden, in denen die Familien sich aufs Abendessen vorbereiteten.

Die Blätter der uralten Ölbäume ringsum säuselten in der lauen Meeresbrise. Auf den gewundenen Pfaden der Hügel kehrten Bauern und Hirten gemächlich heim, und auch die Vögel flogen in ihre Nester zurück. Abendlicher Friede senkte sich über die Welt.

»Hephaistion«, sagte der König.

»Zur Stelle.«

»Ich will, daß die Pioniere die ganze Nacht durcharbeiten ... wie damals, als wir die Stufen in den Berg Ossa gehauen haben. Die Arbeit darf keinen Augenblick ruhen, nicht einmal, wenn es regnen oder hageln sollte. Laß die Männer mit tragbaren Dä-chern schützen, und wenn das Werkzeug nicht ausreicht, sollen unsere Schmiede noch mehr herstellen. In maximal vier Tagen und vier Nächten müssen unsere Belagerungsmaschinen in Stellung sein.«

«Wäre es nicht besser, morgen anzufangen?«

»Nein. Ihr fangt jetzt an. Und wenn es dunkel ist, zündet ihr Fackeln oder Lagerfeuer an - das genügt, schließlich geht es hier nicht um Präzisionsarbeit, sondern nur darum, Erde in einen Graben zu schaufeln. Zu Abend gegessen wird erst, wenn die Katapulte aufgestellt sind und die Arbeiten begonnen haben.«

Hephaistion nickte und ritt im Galopp zum Lager zurück. Kurz darauf bewegte sich ein langer Zug von Männern - mit Spaten, Schaufeln und Spitzhacken bewehrt und gefolgt von mehreren Ochsengespannen - auf den Graben zu. Neben ihnen zogen Maultiere die Wurfmaschinen - riesige Bögen aus Eichen-und Buchenholz, mit denen man Eisenharpunen fünfhundert Fuß weit schleudern konnte. Vor dem Graben angekommen, ließ Krateros die Katapulte aufstellen, und sobald die feindlichen Bogenschützen von der Mauer herunterschossen, gab er Befehl, mit einer Salve schwerer Geschosse zu antworten. Auf diese Weise waren die Wehrgänge der Stadtmauer schon bald wie leergefegt.

»Ihr könnt anfangen!« schrie er den Pionieren zu, während seine Männer die Wurfmaschinen neu luden.

Die Pioniere sprangen in den Graben, durchquerten ihn und kletterten auf der gegenüberliegenden Seite wieder hoch. Dann begannen sie, den Graben mit der Wallerde vollzuschütten, wobei zunächst noch der Wall selbst ihnen Deckung bot, so daß keine Schutzdächer nötig waren. Als Krateros alle in Sicherheit wußte, richtete er die Katapulte auf das nach Osten gelegene Mylasator und seine Seitenpforte für den Fall, daß die Belagerten Ausfälle gegen die Pioniere wagen sollten.

Hephaistion schickte unterdessen andere Mannschaften mit Sägen und Äxten in die umliegenden Hügel, um Feuerholz für die nächtliche Beleuchtung des Arbeitslagers zu schlagen. Das zyklopische Unternehmen hatte begonnen.

An diesem Punkt ritt Alexander ins Lager zurück und lud seine Kameraden zum Abendessen ein, doch vorher gab er Anweisung, ihn stündlich über den Fortgang der Arbeiten und die allgemeine Lage zu unterrichten.

Die Nacht verlief ohne größere Zwischenfälle, und die Zu-schüttungsarbeiten wurden fortgesetzt, wie der König befohlen hatte, ohne daß der Feind irgend etwas dagegen unternehmen konnte.

Am vierten Tag waren große Abschnitte des Grabens mit Erde aufgefüllt und eingeebnet, so daß die Belagerungsmaschinen dicht an die Stadtmauer herangeführt werden konnten. Es waren dieselben Maschinen, die König Philipp vor Perinthos benützt hatte: bis zu achtzig Fuß hohe Türme mit Rammböcken in mehreren Stockwerken, die Soldaten von innen bedienten. Bald schon hallte die ganze Talmulde unter dem rhythmischen Dröhnen der eisernen Köpfe, die mit gewaltiger Wucht gegen die Stadtmauer gestoßen wurden. Und die Pioniere fuhren unterdessen fort, den Graben mit Erde zu füllen.

Die Belagerten hatten nicht damit gerechnet, daß ihr riesiger Graben in so kurzer Zeit zugeschüttet werden könnte, und standen dem Zerstörungswerk der makedonischen Kriegsmaschinen machtlos gegenüber. Nach sieben Tagen war die erste Bresche gelegt und ein beträchtlicher Teil der Mauer rechts und links des Mylasators eingerissen. Alexander schickte Sturm-truppen los, die sich von den Trümmerbergen herab einen Weg ins Innere der Stadt bahnen sollten, aber Memnon hatte bereits ausreichend Verteidiger zusammengezogen, die den Angriff mühelos abwehrten.

In den darauffolgenden Tagen fuhr man fort, die Mauer mit Rammböcken zu bearbeiten und ihre Verteidiger mit Katapulten und sonstigen Wurfgeschützen zu beschießen. Als die Bresche erheblich verbreitert und der Sieg bereits in greifbarer Nähe schien, versammelte Alexander den Befehlsstab in seinem Zelt, um die letzten Dinge vor dem Einfall zu besprechen.

Vor der Mauer waren nur die Mannschaften in den Kriegsmaschinen zurückgelassen worden sowie eine gewisse Anzahl von Wachtposten, die in regelmäßiger Entfernung zueinander standen und das Bollwerk unentwegt im Auge behielten.

Da Neumond war, herrschte völlige Finsternis, und so konnten die Wachtposten nur durch Zurufe Kontakt miteinander halten, aber da war noch jemand, der ihnen zuhörte: Memnon. In seinen Umhang gehüllt, stand er reglos auf der Mauer und lauschte angestrengt in die Dunkelheit hinaus.

Vor ein paar Tagen war eine Gruppe von makedonischen Adligen eingetroffen - Freunde des Attalos und der verstorbenen Königin Euridike -, die sich an Alexander rächen und den Bewohnern von Halikarnassos gegen ihn helfen wollten.

An sie erinnerte sich Memnon plötzlich. Er befahl seinem Feldadjutanten, der ebenfalls auf der Mauer war, die Makedo-nen augenblicklich zu suchen und zu ihm heraufzuschicken. Die Nacht war ruhig. Eine laue Meeresbrise vertrieb die Hitze des langen Spätfrühlingstages. Immer wieder blickte der Söldnerführer zum sternenübersäten Himmelszelt hinauf. Er dachte an Barsine, daran, wie sie das letzte Mal nackt auf dem Bett gelegen, die Arme ausgebreitet und ihn mit brennenden Augen angeschaut hatte. Schmerzliche Sehnsucht überkam ihn bei diesen Gedanken.

Am liebsten wäre er Alexander im Zweikampf begegnet: Er war sicher, daß das Verlangen nach Barsine seinen Arm stark und ihn selbst unüberwindlich machen würde . . . Die Stimme des Feldadjutanten holte ihn in die Gegenwart zurück:

»Herr, die Männer, nach denen du verlangt hast, sind hier.«

Memnon drehte sich um und sah, daß die Makedonen bewaffnet und in voller Montur erschienen waren. Er gab ihnen ein Zeichen, näher zu treten.

»Hier sind wir, Memnon«, sagte einer von ihnen. »Zu allem bereit - du brauchst nur zu befehlen.«

»Hört ihr diese Rufe?«

Die Männer spitzten die Ohren. »Ja. Das müssen Alexanders Wachtposten sein.«

»Genau. Legt jetzt eure Rüstungen ab und behaltet nur Messer und Schwert bei euch - ihr dürft in der Dunkelheit keinen Lärm machen und müßt sehr beweglich sein. Hört, was ich von euch will: Ihr schlüpft durch die Seitenpforte aus der Stadt, und dann schleicht sich jeder von hinten an einen der Wachtposten heran, macht ihn kalt und nimmt augenblicklich seinen Platz ein - das heißt, daß ihr auf die Zurufe der anderen Posten antworten müßt. Ihr habt dieselbe Aussprache, denselben Akzent - keiner wird etwas merken.

Sobald ihr einen guten Abschnitt der Verteidigungslinie unter eure Kontrolle gebracht habt, gebt ihr mir ein Zeichen, und ich schicke eine Sturmtruppe mit Fackeln und Brandpfeilen los, damit sie Alexanders Maschinen in Brand stecken. Verstanden?«

»Verstanden. Und an was für ein Zeichen hast du gedacht?«

»An den Ruf eines Käuzchens.«

»In Ordnung.«

Die Makedonen zogen sich zurück, legten ihre Rüstungen ab und stiegen kurz darauf die Treppe zum Wehrgang hinunter, der sie zur Seitenpforte des Mylasators führte. Nach Verlassen der Pforte teilten sie sich und krochen auf dem Boden jeder auf einen der feindlichen Wachtposten zu.

Memnon wartete still auf der Mauer und spähte dabei unablässig zu den großen Belagerungstürmen hinüber, die wie Riesen in der Dunkelheit aufragten. Irgendwann glaubte er, die Stimme eines Wachtpostens erkennen zu können: Der erste Teil der Mission schien gelungen zu sein. Tatsächlich hörte er wenig später, zuerst leise, dann immer lauter und deutlicher, den Ruf eines Käuzchens - er kam von einem Punkt, der sich genau auf halber Strecke zwischen den beiden Belagerungstürmen befand.

Nun mußte rasch gehandelt werden. Memnon rannte die Treppe hinunter und benachrichtigte die Männer, die sich in der Zwischenzeit auf den Überfall vorbereitet hatten.

»Vorsicht: Wenn ihr mit brennenden Fackeln rauslauft, werdet ihr sofort gesehen; wir dürfen unseren Vorteil nicht so leichtsinnig preisgeben! Hört meinen Plan: Ihr müßt euch zu der Stelle schleichen, wo unsere Leute die makedonischen Wachtposten aus dem Weg geräumt haben: genau zwischen den beiden Belagerungstürmen. Dort bleibt ihr versteckt und rührt euch nicht, bis eine zweite Gruppe Feuer bringt: Amphoren mit Bitumen und Glut in abgedeckten Krügen. Erst dann stoßt ihr aus vollen Backen in die Trompeten und greift die makedonischen Wachtruppen an. Die andern zünden unterdessen die Türme an.

Hört, Männer: Die Makedonen sind überzeugt, daß sie den Sieg bereits in der Tasche haben. Sie rechnen todsicher nicht mit einem Überfall, und schon gar nicht mitten in der Nacht. Verlaßt euch drauf: Unser Ausfall wird ein voller Erfolg sein. Und jetzt, los!«