37286.fb2 Alexander K?nig von Asien - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 30

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Memnons Soldaten schlüpften im Gänsemarsch durch die kleine Pforte, zuletzt die Männer mit den Glutbehältern und den Amphoren voller Bitumen. Memnon sah ihnen nach, bis sich das eiserne Tor hinter dem letzten geschlossen hatte, dann machte er sich auf den Weg in seine Wohnung, wobei er wie fast jeden Abend die Stadt zu Fuß durchquerte. Sich unerkannt unters Volk zu mischen war eine alte Angewohnheit von ihm: Wenn er wußte, was die Leute untereinander redeten, konnte er sich am besten ein Bild von der allgemeinen Stimmung machen.

Das Haus, in dem er wohnte, lag am Fuße der Akropolis. Eine Treppe und eine steile Gasse führten zu ihm hinauf. Memnon wurde von einem Diener mit brennender Laterne empfangen, der ihn über den Hof in die Eingangshalle begleitete. Von dort begab er sich in sein Schlafzimmer im oberen Stockwerk, wo die Mägde ihm ein heißes Bad vorbereitet hatten. Er öffnete das Fenster und lauschte in die Nacht hinaus: Vor der Mauer im nordöstlichen Teil der Stadt war plötzlich ein schriller Trompetenstoß erklungen. Der Angriff hatte also begonnen.

»Möchtest du baden, Herr?« fragte eine der Mägde hinter seinem Rücken.

Memnon antwortete nichts und wartete, bis er jenseits der Stadtmauer rötlichen Feuerschein und dicken Qualm erkennen konnte.

Erst dann drehte er sich um, löste die Lederriemen seines Harnischs und sagte: »Ja.«

25

Der Mann kam völlig aufgelöst in Alexanders Zelt: »Herr!« schrie er. »Ein Ausfall. Sie verbrennen unsere Türme!«

Alexander sprang auf und packte ihn an der Schulter. »Was sagst du da? Bist du verrückt geworden?«

»Wir sind überrascht worden, König. Sie haben unsere Wachtposten getötet und die Verteidigungslinie durchbrochen. Sie hatten Amphoren mit brennendem Bitumen dabei -wir schaffen es nicht, das Feuer zu löschen.«

Alexander stieß den Mann zur Seite und rannte hinaus. »Schnell! Gebt Alarm! Stellt alle Männer auf, die zur Verfügung stehen. Krateros, die Kavallerie! Hephaistion, Perdikkas, Leon-natos, schickt die Thraker und Agrianer los, schnell, wir dürfen keine Zeit verlieren!«

Mit diesen Worten schwang er sich auf das erstbeste Pferd und preschte davon. Das Feuer war schon von fern zu erkennen, ebenso zwei dicke Rauchsäulen, die sich schwerfällig zum Himmel emporschraubten. Als Alexander bei dem Graben anlangte, hörte er lautes Waffenklirren von allen Seiten: Um jeden der fünf Belagerungstürme herum tobte eine Schlacht.

Wenige Augenblicke später wurde er von Krateros' schwerer Kavallerie und den leichtbewaffneten Reitern der Thraker und Agrianer überholt, die sich augenblicklich ins Getümmel stürzten und die Angreifer hinter ihre Stadtmauer zurücktrieben. Zwei der Türme waren jedoch bereits verloren: Sie brannten lichterloh und stürzten wenig später mit lautem Krachen ein.

Alexander kletterte vom Pferd und ging zu Fuß auf die riesigen Scheiterhaufen zu. Viele seiner Soldaten lagen tot auf dem

Boden, und er sah sofort, daß sie im Schlaf überrascht worden waren, denn sie trugen keine Rüstungen.

Irgendwann gesellte sich Hephaistion zu ihm: »Wir haben sie zurückgeworfen. Was jetzt?«

»Sammelt die Gefallenen ein«, erwiderte Alexander mit finsterer Miene, »und ersetzt die zerstörten Maschinen augenblicklich durch neue. Morgen setzen wir den Angriff mit den übriggebliebenen fort.«

In diesem Moment kam mit hängendem Kopf der Anführer der Turmmannschaften an: »Es ist alles meine Schuld«, sagte er zerknirscht. »Bestrafe mich, wenn du möchtest, aber nicht meine Männer: Sie haben getan, was sie konnten.«

»Deine Verluste sind schon Strafe genug für einen Anführer«, entgegnete der König. »Jetzt müssen wir herausfinden, was unser Fehler war. . . wo wir nachlässig waren. Unsere Wachtposten - sind die denn von niemandem überprüft worden?«

»Doch, König, so seltsam es klingt: Ich habe, kurz bevor der Angriff losging, einen Rundgang gemacht und die ganze Verteidigungslinie abgelaufen. Alle Wachtposten haben ihre Losungen pünktlich weitergegeben. Ich hatte sogar befohlen, nur ausgeprägten makedonischen Dialekt zu sprechen, um unangenehmen Überraschungen vorzubeugen . . .« »Und?«

»Alles, was meine Ohren vernommen haben, war reinster makedonischer Dialekt, Herr. Aber du glaubst mir sicher nicht... »

Alexander fuhr sich mit der Hand übers Gesicht: »Doch, ich glaube dir«, sagte er. »Aber von jetzt an müssen wir uns im klaren darüber sein, daß wir es mit dem gefährlichsten und durchtriebensten Feind zu tun haben, dem wir je begegnet sind. Ab morgen verdoppeln wir die Wachtposten und ändern die

Losung bei jeder Wachablösung. Und jetzt sammle die Gefallenen ein und laß die Verwundeten ins Lager bringen, damit Philipp und seine Chirurgen sich ihrer annehmen können.«

»Zu Befehl, Herr, und . .. ich schwöre dir, daß so etwas nie wieder passieren wird. Und wenn ich selbst Wache stehen müßte!«

»Das ist nicht nötig«, entgegnete Alexander. »Laß dir lieber von unseren Seeleuten beibringen, wie man bei Nacht Licht mit polierten Schilden reflektieren kann.«

Der Kommandeur nickte, aber seine Aufmerksamkeit galt in diesem Moment einer Gestalt, die sich bei den verbrannten Belagerungsmaschinen herumtrieb und von Zeit zu Zeit bückte, als beobachte sie etwas auf dem Boden.

»Wer ist das denn?« fragte er und wies mit dem Finger auf die Gestalt.

Alexander blickte in die angedeutete Richtung und erkannte im Feuerschein das Profil des Mannes.

»Kein Sorge, das ist Kallisthenes«, sagte er, schwang sich auf sein Pferd und galoppierte auf den Geschichtsschreiber zu. »Und paß auf!« schrie er dem Kommandeur noch zu. »Wenn dir so was noch einmal passiert, zahlst du für beide Male!«

Kallisthenes hatte sich gerade wieder gebückt und untersuchte einen der am Boden liegenden Gefallenen, als Alexander neben ihm vom Pferd stieg. Bei dem Toten mußte es sich um einen Wachtposten handeln, denn er trug Rüstung.

»Was schaust du?« fragte der König.

»Dolch«, erwiderte Kallisthenes. »Der Mann ist mit einem Dolch umgebracht worden. Sauberer Genickstoß . .. Und die dort drüben sind genauso gestorben.«

»Dann waren die Angreifer also auch Makedonen.«

»Wie kommst du darauf? Ich sehe da keinen Zusammenhang . . .«

»Der Kommandeur der Wachtposten hat mir gesagt, daß alle seine Männer die Losungen in reinstem makedonischem Dialekt weitergegeben haben - und zwar bis zuletzt.«

»Na ja, verwunderlich wäre es nicht. Du hast viele Feinde daheim in Makedonien, Leute, die dich liebend gerne demütigen oder gar aus dem Weg räumen würden. Der ein oder andere von ihnen könnte gut nach Halikarnassos gekommen sein: Von Therme ist es nicht weit.«

»Sag, was hast du eigentlich hier zu suchen, Kallisthenes?«

»Als Historiker muß man zur Not auch Leichenschauen durchführen, um bestimmte Ereignisse getreu schildern zu können.«

»Dann ist Thukydides dein großes Vorbild? Das wundert mich: Soviel wissenschaftliche Strenge hätte ich dir Genußmenschen gar nicht zugetraut. . .«

»Ich sammle meine Informationen, wo und wie ich kann -je mehr, desto besser. Später wähle ich dann aus und entscheide, was ich erzähle, wie ich es erzähle und was ich verschweige. Das sind die Privilegien eines Geschichtsschreibers.«

»Und doch passieren in diesem Augenblick Dinge, von denen du keine Ahnung hast. Ich dagegen schon.«

»So, und wo, wenn ich fragen darf?«

»In Memnons Kopf, zum Beispiel. Ich bin zu der Einsicht gelangt, daß er alle meine Taten und vielleicht sogar die meines Vaters Philipp genau studiert hat. Das versetzt ihn in die Lage, mir zuvorzukommen.«

»Aha. Und was, glaubst du, spukt ihm in diesem Moment im Kopf herum?«

»Die Belagerung von Perinthos.«

Kallisthenes hätte gerne noch mehr Fragen gestellt, aber Alexander sprang auf sein Pferd und ließ ihn alleine neben dem toten Soldaten zurück, während die letzten Überreste der beiden Holztürme in einem Meer aus Flammen untergingen.

Am nächsten Tag wurde damit begonnen, neue Belagerungsmaschinen zu bauen, ein Unterfangen, das sich als sehr mühsam herausstellte, da nur das Holz von steinharten, knorrigen Olivenbäumen zur Verfügung stand. Die Kriegshandlungen stagnierten. Memnon, der regelmäßig über den Seeweg versorgt wurde, hatte keinerlei Eile, einen Ausfall zu wagen, und Alexander wollte die anderen Maschinen nicht einsetzen, bevor nicht jede einzelne genau überprüft worden war, denn auch sie hatten kleinere Brandschäden erlitten.

Was den König jedoch am meisten besorgte, waren die Geräusche jenseits der Stadtmauer: ein Pochen und Hämmern, ähnlich dem, das seine Zimmerleute beim Bau der Belagerungsmaschinen machten.

Als die neuen Türme endlich in Stellung gebracht waren und ihre Rammböcke die Bresche in der Mauer noch einmal erheblich verbreitert hatten, zeigte sich, daß seine Sorgen berechtigt gewesen waren: Hinter dem äußeren Mauerring war ein weiteres, halbrundes Bollwerk errichtet worden, das die Bresche überbrückte und die noch intakten Abschnitte der Stadtmauer miteinander verband.

»Genau wie in Perinthos«, stöhnte Parmenion, als er die improvisierte Befestigungsanlage plötzlich vor sich aufragen sah. Es war wie ein Schlag ins Gesicht.

»Und das ist noch nicht alles«, sagte Krateros. »Wenn ihr mir kurz folgen wollt. . .«

Sie kletterten auf einen der Belagerungstürme - den, der am weitesten im Osten aufgestellt war -, und von dort konnten sie sehen, was die Belagerten im Innern der Stadt vorbereiteten: ein haushohes, viereckiges Holzgerüst aus kreuz und quer miteinander verstrebten Balken.