37286.fb2 Alexander K?nig von Asien - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 34

Alexander K?nig von Asien - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 34

Bald schon hörte man - wie von Eumenes angekündigt -die ersten Steinblöcke im Nordteil der Mauer mit fürchterlichem Getöse herunterpoltern - und die Rammböcke standen keinen Moment still.

Perdikkas stürzte mit seinen Gardisten und Agrianern nach vorn, dabei schrie er wie ein Besessener und reckte seine Lanze in die Luft, doch just in diesem Augenblick ertönte ein Trompetenstoß, und dann noch einer, langgezogen und schrill.

Ein Melder kam im Galopp auf Alexander zugeprescht und schrie: »König! König! Alarm von der östlichen Flanke. Alarm!«

Hephaistion drehte den Kopf nach Alexander um. »Unmöglich«, sagte er. »Auf der Ostseite hat die Mauer ja gar keine Tore.«

»Doch, und ob!« fuhr Seleukos dazwischen. »In Küstennähe.«

»Aber aus dieser Entfernung hätten wir sie heranrücken sehen«, erwiderte Hephaistion dickköpfig.

Da kam auch schon ein zweiter Bote herangaloppiert: »König! Sie sind über die Mauer geklettert! Sie haben sich an Strickleitern und Fischernetzen abgelassen! Wir haben sie im Nacken, König!«

»Los, im Galopp!« befahl Alexander. »Schnell, schnell!« Er gab Bukephalos die Sporen und sprengte zur Nachhut seines Heeres zurück: Tausende von persischen Soldaten attackierten mit Pfeilen und Wurfspeeren. Dann erklang neuerlich Trompetengeschmetter, diesmal von links.

»Das Mylasator!« schrie Seleukos. »Alexander, schau: noch ein Ausfall!«

»Vorsicht, die Seitenpforte!« brüllte Kleitos. »Ihr sollt vorsichtig sein, verdammt noch mal! Leonnatos! Leonnatos! Hier herüber! Decke deine Flanke!«

Leonnatos und seine Pezetairoi machte eine Wende und standen dem von Ephialtes angeführten Söldnerfußvolk gegenüber. Der Riese Ephialtes hielt ein Bronzeschild vor sich, auf dem ein Gorgonenhaupt mit Schlangenhaaren und glühenden Augen abgebildet war, und schrie: »Los! Vorwärts! Das ist der Moment! Bringen wir sie alle um!«

Der König bahnte sich einen Weg bis zur Kampflinie, wo die persischen Sturmtruppen Seite an Seite mit Ephialtes' griechischen Söldnern wie die Wilden attackierten, während es die Katapulte des Holzturms in hohem Bogen Pfeile regnen ließen.

Der schreckliche Geschoßhagel stiftete Verwirrung unter den Makedonen, die von den griechischen Söldnern mit einer Wand aus Schilden Schritt um Schritt zurückgedrängt wurden. Alexander, der sich in diesem Moment auf dem linken Flügel befand, trieb Bukephalos mitten ins Schlachtgetümmel hinein; er schwang eine Streitaxt und feuerte seine Männer brüllend an. Plötzlich schlug knapp vor ihm ein riesiger Steinbrocken ein und zerquetschte einen seiner Soldaten wie eine Mücke; sein Blut spritzte auf Bukephalos, das Pferd bäumte sich auf und schlug wiehernd mit den Hufen aus.

Vergeblich versuchte der König ins Zentrum vorzudringen, wo seine Krieger am heftigsten vom Feind angegriffen wurden: Das dichte Schlachtgewühl und der Steinhagel der Katapulte hinderten ihn daran durchzukommen, und seine Truppen waren vollauf damit beschäftigt, die Flut von Feinden aufzuhalten, die aus dem Mylasator strömten.

Kleitos sah, daß Ephialtes und seine Männer wie ein Keil ins Zentrum der Makedonen eindrangen, die sich immer weiter zurückzogen. Insbesondere die jungen Pezetairoi wichen dem unglaublichen Druck der kompakt vorrückenden Söldner. Nur Perdikkas am äußersten Rand des linken Flügels hielt stand. Trotzdem wurde die Situation immer brenzliger. Nun begannen die Katapulte des Holzturms auch noch, ganz eigenartige Geschosse über die Mauer zu schleudern: große, mit Pech und Bitumen gefüllte Amphoren, die am Fuß der makedonischen Belagerungsmaschinen zerschellten. Wenig später erschienen persische Bogenschützen auf dem Mauerring und schossen ganze Schwärme von Brandpfeilen ab. Binnen kürzester Zeit hatten sie Alexanders Maschinen in gigantische Fackeln verwandelt.

An diesem Punkt übergab Perdikkas das Kommando seinem Stellvertreter und kletterte inmitten der Flammen auf die erste Plattform eines Holzturms hinauf; die Mannschaft, die dort arbeitete, hatte ihren Rammbock entsetzt fahrenlassen und drängte sich furchtvoll in eine Ecke des brennenden Turms.

»Zurück an eure Plätze!« brüllte Perdikkas. »Zurück an eure Plätze! Die Mauer stürzt jeden Augenblick ein. Einen letzten Stoß, und wir haben es geschafft!« Und mit diesen Worten warf er sein Schild weg und umklammerte selbst die Griffe des Sturmbocks, während bereits die ersten Flammen aus den Ritzen der Bretterwände züngelten.

Perdikkas' übermenschlicher Mut verschlug den Männern die Sprache. Zunächst starrten sie ihn nur ganz verdutzt an, doch dann kehrten auch sie, einer nach dem anderen, an ihre Plätze zurück und nahmen die Arbeit am Rammbock wieder auf. Mit lautem Gebrüll überschrien sie ihre Angst und die unerträgliche Hitze des Feuers, soweit dies überhaupt möglich war. Von tausend verzweifelten Armen geschoben, flog die gewaltige Eisenspitze des Bocks erneut auf die Stadtmauer zu und donnerte mit fürchterlichem Getöse dagegen. Und dann geschah es: Die bereits sehr locker sitzenden Quadersteine gaben vollends nach und polterten inmitten von dicken Rauch- und Staubwolken auf die Erde. Mit jedem weiteren Stoß der fürchterlichen Kriegsmaschine verbreiterte sich die Bresche in der Mauer, und das herabstürzende Gestein erstickte Flammen und Feuer.

Im Zentrum der makedonischen Reihen jedoch gingen die

Pezetairoi unter dem Ansturm Ephialtes' und seiner Krieger einer Niederlage entgegen. Da hob Kleitos der »Schwarze« die Stimme und schrie: »Leonnatos, schlag ihn zurück!« Und Le-onnatos hörte ihn. Mit mächtigen Axthieben kämpfte er sich durch die Schar der Feinde, bis er vor dem Riesen stand.

Die beiden Kolosse starrten sich keuchend und mit hochroten Gesichtern an. Beide bluteten aus zahlreichen Wunden und ihre Körper glänzten vor Schweiß wie Statuen im Regen.

Alexander drehte sich um und sah die Veteranen seines Vaters regungslos im Schatten der Ölbäume stehen; Parmenions wachsames Auge zwang sie in Reih und Glied. »Trompeten! Ruft die Reserve!« befahl er da. Es war die letzte Möglichkeit, die ihm blieb, denn die Kavallerie konnte er auf diesem mit Steinen und Felsbrocken übersäten Gelände nicht einsetzen.

Parmenion vernahm das eindringliche, beinahe flehende Trompetengeschmetter, mit dem er auf den Plan gerufen wurde. Er wandte sich seinen Truppen zu und schrie: »Veteranen, es geht los! Für König Philipp und für König Alexander!« Und dann rollte plötzlich ein Donner über sie hinweg: der Donner von chaironeia!

Im Takt mit der riesigen, zwischen Olivenbäumen verborgenen Trommel marschierte die makedonische Phalanx los. Sie glich einem monströsen, lanzengespickten Igel und brüllte bei jedem Schritt:

»Alalalai! Alalalai!«

Alexander, der sich bis fast ins Zentrum durchgekämpft hatte, befahl Leonnatos' Fußsoldaten, in ihrer Mitte einen Korridor für die Veteranen zu öffnen, und diese strömten auch gleich nach vorn, um Memnons total erschöpfte Söldner wie eine Lawine unter sich zu begraben.

Leonnatos und sein riesenhafter Gegner trugen unterdessen einen wahren Titanenkampf aus; der ohrenbetäubende Klang ihrer aufeinandertreffenden Schwerter war trotz des allgemeinen Schlachtgetöses über die ganze Ebene hinweg zu vernehmen.

Als geübtem Fechter gelang es Leonnatos irgendwann, in einer Finte gegen Ephialtes auszufallen; dieser konnte den Schlag zwar parieren, verlor aber das Gleichgewicht und ging mit einem Knie zu Boden. Eine so günstige Gelegenheit ließ sich der Makedone nicht entgehen: Er riß seine Streitaxt aus dem Gürtel, holte aus und spaltete dem Gestrauchelten mit einem fürchterlichen Streich das Rückgrat.

Die Schlacht wütete noch, als die Abenddämmerung bereits die ersten Schatten vorausschickte. Doch nachdem ihr Anführer gefallen war, begannen die stark dezimierten griechischen Kämpfer, die am Ende ihrer Kräfte waren, dem Druck von Par-memons Veteranen zu weichen und sich immer weiter zurückzuziehen. Zu guter Letzt ergriffen sie sogar die Flucht und stürzten in heilloser Auflösung dem Mylasator und der kleinen Seitenpforte im nördlichen Teil der Stadtmauer zu. Aber die Verteidiger der Stadt hatten die Tore aus Angst vor einem Eindringen des Feindes geschlossen, und so wurden viele der Fliehenden noch am Fuße der Mauer von den Sarissen durchbohrt, die Parmenions Veteranen auf sie schleuderten.

Als Alexander den Befehl zum Abbruch der Schlacht gab, hatte Perdikkas die von ihm geschlagene Bresche im östlichen Abschnitt der Mauer fest in der Hand; eine Abteilung Agrianer war auf die halbrunde Backsteinmauer geklettert und hatte sämtliche Verteidiger von dort vertrieben, während Landsleute von ihnen Memnons hölzernen Turm in ihre Gewalt gebracht und seine Wurfgeschütze und Katapulte auf den Stadtkern gerichtet hatten.

Überall wurden Fackeln angezündet und Lagerfeuer entfacht -der Feind sollte erst gar nicht auf die Idee kommen, einen nächtlichen Überraschungsangriff zu wagen.

Halikarnassos war dem Sieger auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.

29

Alexander tat in dieser Nacht kein Auge zu. Der Ausgang seines »Duells« mit Memnon war bis zum letzten Augenblick so ungewiß geblieben, so oft hatte er sich am Rande einer schmählichen Niederlage gefühlt, daß er nun, wo er kurz vor dem endgültigen Sieg stand, beim besten Willen keinen Schlaf fand.

Seine Männer hatten auf dem oberen Absatz der Backsteinmauer ein großes Feuer angezündet, neben dem der König mit zum Zerreißen gespannten Nerven auf die Morgendämmerung wartete. Die Nacht war dunkel, die gesamte Stadt in Finsternis und Schweigen gehüllt. Feuer brannten nur in der breiten Bresche, die von seinen Soldaten bewacht wurde, auf der von den Agrianern besetzten Backsteinmauer und am Fuß des großen Holzturms. Er, Alexander, war sichtbar - seine Feinde waren verborgen.

Wie viele waren es noch? Wieviel Bewaffnete versteckten sich dort unten, in der dunklen Stadt? Vielleicht bereiteten sie einen Überfall vor, vielleicht wartete Memnon auf Verstärkung vom Meer - wer konnte das sagen?

Der König spürte, daß ihm das Glück auch jetzt, wo sein Triumph zum Greifen nahe war, noch einmal einen Streich spielen konnte; der feindliche Heerführer konnte sich noch bis zum allerletzten Augenblick eine List ausdenken. Älter und erfahrener als er, hatte er ihm bisher noch immer die Stirn geboten, seine Angriffe Schlag auf Schlag abgewehrt, wenn er ihnen nicht gar zuvorgekommen war.

Alexander hatte Befehl gegeben, an diesem Abend augenblicklich jeden hinzurichten, der auch nur einen einzigen

Schluck Wein trank - egal ob einfacher Soldat oder General. Außerdem mußte alles in voller Montur schlafen, um jederzeit kampfbereit zu sein.

Spähtrupps mit Fackeln patrouillierten unablässig von einem Tor zum andern an der Stadtmauer entlang und hielten durch laut zugerufene Losungsworte untereinander Kontakt. Von allen Anführern war Perdikkas der wachsamste. Obwohl er den ganzen Tag wie ein Wilder gekämpft und inmitten eines Meeres aus Flammen die Mannschaft des Rammbocks befehligt hatte, der letztendlich der entscheidende Vorstoß gelungen war, gönnte er sich keinen Moment Ruhe: Rastlos wanderte er von einem Wachtrupp zum andern, rüttelte eingedöste Männer wach, stachelte die jungen Pezetairoi dazu an, das klägliche Bild wiedergutzumachen, das sie während der heutigen Schlacht abgegeben hatten, und lobte die Veteranen für ihren vorbildlichen Einsatz.

Alexander beobachtete ihn, und dann Leonnatos, der sich im Dunkeln auf seine Lanze stützte, Ptolemaios, der mit seiner berittenen Leibgarde die Ebene um Halikarnassos durchkämmte, um Angriffen von außen vorzubeugen, Lysimachos, der aufrecht neben den Katapulten stand und von Zeit zu Zeit die Spannung ihrer Sehnen prüfte. Etwas weiter weg erkannte er im Schein eines Lagerfeuers die graue Mähne Parmenions. Wie ein alter Löwe hatte er sich abseits gehalten, seine eigenen Kräfte und die seiner Männer bis zum Schluß aufgespart, um erst dann zum entscheidenden, tödlichen Prankenhieb auszuholen.

Hin und wieder versuchte Alexander auch, nicht immer nur an Krieg und Kampf zu denken und sich durch andere Gedanken zu zerstreuen; dann dachte er an Mieza und an die Rehe, die an den blühenden Ufern des Flusses gegrast hatten, oder an den nackten Diogenes in seinem Tonkrug am Meer - sicher schlief er in diesem Augenblick friedlich neben dem Hündchen, mit dem er Brot und Lager teilte, eingelullt vom leisen Plätschern der Wellen. Was mochte der alte Weise wohl gerade träumen? Welchen geheimnisvollen Visionen hing er nach?

Alexander dachte auch an seine Mutter, und wenn er sich ausmalte, wie sie alleine in ihrem Schlafgemach saß und Sapphos Gedichte las, fühlte er, daß immer noch ein kleines Kind in ihm schlummerte, das Kind, das aus dem Schlaf schreckte, wenn der Schrei eines Nachtvogels durch den hohlen, leeren Himmel hallte.

Mit solcherlei Gedanken verging eine Zeit, die ihn ewig deuchte. Plötzlich spürte er eine Hand auf seiner Schulter und drehte sich um.

»Ach, du bist es, Hephaistion.«

Der Freund hielt ihm eine Schale heiße Gemüsesuppe hin. »Hier, iß etwas. Das hat Leptine gekocht und durch einen Boten bringen lassen.«

»Was ist das?«

»Bohnensuppe. Sie schmeckt gut, ich habe einen Löffel davon probiert.«

Alexander begann zu essen. »Nicht schlecht. Soll ich dir was übriglassen?«

Hephaistion nickte. »Wie in den alten Zeiten, als wir in die illyrischen Berge verbannt waren . . .«

»Stimmt. Nur daß wir damals von heißer Gemüsesuppe allenfalls träumen konnten.«