37286.fb2 Alexander K?nig von Asien - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 40

Alexander K?nig von Asien - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 40

Der König stieg vorsichtig zu dem Mann hinab und sah, daß unmittelbar neben ihm eine Quelle dem Felsen entsprang, sie war kristallklar und spiegelte das Mondlicht; als winziger Bach schlängelte sie sich über den Strand, um sich zuletzt mit den schäumenden Wellen des Meers zu vereinen. Der Mann drehte sich immer noch nicht um, obwohl er ihn doch gehört haben mußte; er schien irgend etwas in der Quelle zu beobachten. Alexander näherte sich ihm behutsam, aber in der Dunkelheit stieß er mit der Scheide seines Schwerts gegen einen Felsbrok-ken. Bei diesem Geräusch fuhr der Mann herum und seine Augen brannten im Licht der Laterne: Es waren die Augen Philipps!

Alexander zuckte zusammen und fühlte, wie es ihm eiskalt über den Rücken lief, während er versucht war, »Vater!« zu schreien.

Aber der Zauber hielt nur kurz an, dann erkannte er, daß der Mann anders aussah als Philipp und auch einen viel dunkleren Bart hatte - ein Unbekannter, dem er noch nie begegnet war.

»Wer bist du?« fragte er ihn. »Was machst du hier?«

Der Mann starrte ihn mit einem seltsamen Gesichtsausdruck an, in dem Alexander neuerlich etwas Vertrautes zu entdecken glaubte: Irgendwie hatten diese brennenden Augen den Blick seines Vaters.

»Ich beobachte diese Quelle«, erwiderte der Mann.

»Warum?«

»Weil ich ein Seher bin.«

»Was kannst du da sehen? Es ist dunkel und das Licht deiner Laterne schwach.«

»Zum erstenmal seit Menschengedenken ist der Wasserspiegel der Quelle um beinahe eine Elle gesunken und hat uns dabei eine Botschaft enthüllt.«

»Eine Botschaft? Wovon redest du?«

Der Mann hielt seine Laterne näher an den Felsen, aus dem die Quelle entsprang, und bald fiel ihr Licht auf eine Inschrift aus geheimnisvollen Zeichen, die in den Stein gemeißelt waren.

»Davon«, sagte er.

»Und du kannst diese Zeichen entziffern?«

Die Stimme des Sehers nahm einen seltsamen Klang an, als spreche ein anderer aus ihm heraus:

»Es kommt der Herrscher Asiens,

dessen Augen der Tag und die Nacht sich teilen.«

Dann beleuchtete er Alexanders Gesicht mit der Laterne und sagte: »Dein rechtes Auge ist blau wie der heitere Himmel, dein linkes düster wie die Nacht. Wie lange hast du mich beobachtet?«

»Nicht lange. Aber du hast meine Frage nicht beantwortet: Wer bist du?«

»Ich heiße Aristandros. Und wer bist du, der du Licht und Dämmerung in den Augen trägst?«

»Kennst du mich denn nicht?«

»Nicht genug.«

»Ich bin der König der Makedonen.«

Der Mann hielt ihm die Laterne dicht ans Gesicht und betrachtete ihn noch einmal eindringlich. »Du wirst über Asien herrschen«, sagte er dann.

»Und du wirst mir folgen, wenn du dich nicht vor dem Un-bekannten fürchtest.«

Der Mann senkte den Kopf. »Ich fürchte mich nur vor einem, vor einer Vision, die mich seit langem verfolgt, ohne daß ich ihre Bedeutung verstünde: eine Feuerbestattung... ein Mann, der nackt auf seinem Scheiterhaufen liegt und bei lebendigem Leib verbrannt wird.«

Alexander sagte nichts; er schien nur dem sanften Rauschen der Brandung zu lauschen. Als er den Blick nach oben richtete, sah er, daß seine Leibwächter die unerwartete Begegnung mit dem Seher vom Gipfel des Felsvorsprungs herab verfolgten. »Ich muß gehen«, sagte er. »Mir steht ein harter Tag bevor. Ich hoffe, dich morgen im Lager zu treffen.«

»Das hoffe ich auch«, erwiderte der Mann und entfernte sich in entgegengesetzter Richtung.

Ein Ruderboot näherte sich langsam dem Admiralsschiff der persischen Flotte, das im Hafen von Chios auf den Wellen schaukelte. Das großkönigliche Banner mit dem Abbild des Gottes Ahura Mazda wehte leicht im Abendwind, und aus dem Achterkastell drang der schwache Schein einer Laterne.

Rings umher, entlang der Hafendämme, waren mit dicken Seilen die Kampfschiffe vertäut: über dreihundert mit mächtigen Rammspornen ausgestattete Drei- und Fünfdecker.

Das Boot glitt bis an die Bordwand des Admiralsschiffs heran. »Ein Brief für Kommandant Memnon!« schrie der Ruderer hinauf.

»Warte«, rief der wachhabende offizier zurück. »Ich laß dir eine Leiter runter.« Kurz darauf kletterte der Mann über eine Strickleiter an Bord des Schiffs und verlangte, zum Flottenführer vorgelassen zu werden.

Der wachhabende offizier unterzog ihn einer gründlichen Leibesvisitation, dann begleitete er ihn ins Achterkastell. Memnon war noch wach. Er schrieb Briefe und las die Berichte, die ihm die Gouverneure und die Vorsteher der persisch gebliebenen Garnisonen sowie seine über ganz Griechenland verteilten Informanten laufend zusandten.

»Kommandant, ich habe eine Botschaft für dich«, verkündete der Mann und überreichte ihm eine Papyrusrolle.

Memnon nahm sie entgegen und erkannte am Siegel, daß sie von seiner Frau kam - es war der erste Brief, den er von ihr erhielt, seit sie sich getrennt hatten.

»Sonst noch etwas?« fragte er.

»Nein, Kommandant. Aber wenn du mir eine Antwort mitgeben möchtest, kann ich warten.«

»Gut, dann warte. Geh zum Bootsmann und laß dir zu essen und zu trinken geben. Ich rufe dich, sobald ich fertig bin.«

Der Mann hatte sich kaum zurückgezogen, als Memnon mit zitternden Händen die Rolle öffnete.

»Barsine an Memnon, ihren geliebten Mann, heil! Mein Liebster, nach langer Reise sind wir gesund und wohlauf in Susa angelangt, wo ich und deine Söhne mit allen Ehren vom Großkönig empfangen wurden. Er hat uns einen ganzen Flügel seines Palasts mit Dienern und Mägden zugeteilt und außerdem einen wundervollen Garten, einen Pairidaeza voll bunter Blumen, herrlich duftender Rosen und Zyklamen, Teiche und Brunnen mit roten und blauen Fischen. Auch seltene Vögel aus allen Teilen der Welt gibt es dort, Pfauen und Fasanen aus Indien und dem Kaukasus, ja sogar gezähmte Geparden aus dem fernen Äthiopien. Wir könnten uns glücklich schätzen, wenn nur du nicht so weit weg wärst. So aber ist mein Bett schrecklich leer, viel zu groß und kalt für mich alleine.

Vorige Nacht habe ich das Buch mit den Tragödien von Eu-ripides zur Hand genommen, das du mir geschenkt hast, und die Alkestis gelesen. Wie ich dabei geweint habe, lieber Gemahl! Die heroische Liebe, die der Dichter so eindrücklich beschreibt, hat mich zutiefst berührt, und ganz besonders die Stelle, wo Alkestis für ihren Mann in den Tod geht und dieser ihr verspricht, daß nie eine andere Frau ihren Platz einnehmen wird, ja daß er von einem großen Künstler ein Abbild von ihr modellieren lassen und neben sich ins Bett legen wird. oh, könnte ich nur dasselbe tun! Hätte nur auch ich einen großen Künstler gerufen, einen von den berühmten Yauna-Meistern wie Lysippos oder Apelles, und hätte von ihm dein Abbild in Stein meißeln oder in herrlichen Farben auf eine Tafel malen lassen, die ich nun in meinem Zimmer aufhängen könnte, im intimsten Winkel meiner Gemächer. Erst jetzt, mein geliebter Gatte, erst jetzt, wo du weit weg bist, begreife ich den Sinn eurer Kunst, die verwirrende Offenheit, mit der ihr Yaunas die nackten Körper eurer Götter und Helden darstellt.

Ich würde alles darum geben, deinen nackten Körper betrachten zu können, und sei es auch nur auf einem Bild oder als Statue; und dann würde ich die Augen schließen und mir vorstellen, daß irgendein Gott deinem Abbild Leben einhaucht, so daß es von seinem Sockel herunterklettert oder aus seinem Rahmen steigt und sich neben mich legt wie du in der letzten Nacht, in der wir uns aneinander erfreuten, und mich mit deinen Händen streichelst und mit deinen Lippen küßt.

Aber der Krieg hält dich fern von mir, der Krieg, der nur Tränen, Trauer und Zerstörung mit sich bringt. Komm zu mir zurück, Memnon, laß doch einen anderen das Heer des Dareios befehligen. Keiner würde dich deswegen tadeln, du hast schon genug vollbracht, und deine Heldentaten zur Verteidigung Halikarnassos' sind in aller Munde. Komm zu mir zurück, sanfter Gemahl, strahlender Held; alle Reichtümer dieser Welt würde ich hingeben für einen einzigen Augenblick in deinen Armen.«

Memnon rollte den Papyrusbogen wieder zusammen, ging hinaus aufs Deck seines Schiffs und stellte sich an die Reling. Die Lichter der Stadt blinkten in der Dunkelheit des friedlichen Herbstabends, und von den Straßen und Plätzen drang das Geschrei versteckspielender Kinder an sein Ohr. Etwas weiter weg war der Gesang eines jungen Mannes zu hören, der seiner Liebsten ein Ständchen brachte.

Memnon wurde von Wehmut ergriffen und verspürte plötzlich unsägliche Müdigkeit, doch gleichzeitig war er sich völlig darüber bewußt, daß die Verantwortung für ein ganzes vom Untergang bedrohtes Reich auf seinen Schultern ruhte und er die Hoffnungen des Großkönigs und der Tausenden und Abertausenden von Soldaten, die an ihn glaubten, nicht enttäuschen durfte, indem er einfach aufgab.

Er hatte erfahren, daß seine letzten Krieger, die sich auf der Akropohs von Halikarnassos verschanzt hatten, heroisch Durst und Hunger trotzten und erbitterten Widerstand leisteten. Hätte er sie vergessen und sich einfach damit abfinden sollen, daß es ihm nicht gelungen war, sie zu befreien? Nein, das war unmöglich. Oh, hätte es ihn doch wirklich gegeben, Ikaros' Vater, den großen Daidalos, der dem Menschen Flügel erfand! Er wäre über Nacht zu seiner Gemahlin geflogen, um sie glücklich zu machen, und noch vor Sonnenaufgang wieder an seinen Platz und zu seiner Pflicht zurückgekehrt.

Aber die Befehle des Großkönigs lauteten anders: Er mußte zur Insel Lesbos aufbrechen, wo er die Landung auf Euboia vorbereiten sollte - seit über einhundertfünfzig Jahren die erste persische Landung auf griechischem Boden.

Erst kürzlich hatte er eine Botschaft der Spartaner erhalten, in der diese sich zu einem Bündnis mit König Dareios bereit erklärten und versprachen, einen Aufstand aller Griechen gegen Makedonien anzuführen.

Mit einem Seufzer ging Memnon an seinen Arbeitstisch zurück und begann zu schreiben.

»Memnon an Barsine, seine süße Gemahlin, heil! Dein Brief hat wundervolle Erinnerungen in mir geweckt und mir die herrlichen Stunden zurückgebracht, die wir vor unserer letzten