37286.fb2 Alexander K?nig von Asien - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 70

Alexander K?nig von Asien - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 70

Die Priester sahen sich überrascht an, wechselten leise ein paar Worte und verneigten sich ihrerseits vor Alexander. Dann stimmten sie, von Flöten und Harfen begleitet, einen religiösen

Hymnus an und geleiteten den König in einer feierlichen Prozession zu dem grandiosen Tempel. Vor der Vorhalle angelangt, bildeten sie ein Spalier, um Alexander in den Tempel einzuladen. Der König betrat ihn ganz alleine.

Durch ein Loch in der Decke drangen Sonnenstrahlen ein und durchbrachen die dichte Weihrauchwolke, die von einer goldenen Räucherpfanne im Zentrum des Heiligtums aufstieg, aber der Rest des Tempels lag im Dunkeln, so daß man kaum etwas erkennen konnte. Auf einem Granitsockel erhob sich die Statue des Gottes mit dem Widderhaupt - die Augen waren aus Rubinen, die Hörner mit Gold überzogen. Alexander sah sich um: Der Tempel schien verlassen, und das Stimmengemurmel, das von draußen hereindrang, verlor sich sofort in dem Wald aus Säulen, die das Zedernholzdach trugen. Es herrschte mittäglicher Stille.

Plötzlich hatte er den Eindruck, als bewege die Götterstatue sich. Ihre Rubinaugen funkelten, als würden sie von innen beleuchtet, und eine tiefe, sonore Stimme erklang in der großen Säulenhalle:

»Der letzte rechtmäßige Herrscher dieses Landes mußte vor zwanzig Jahren in die Wüste fliehen und ist nie wieder zurückgekehrt. Bist du vielleicht sein Sohn, auf den wir so sehnlich warten und von dem es heißt, er sei fern des Nils geboren?«

Alexander begriff in diesem Moment alles, was man ihm über Ägypten und die Seele seines Volkes erzählt hatte, und erwiderte mit fester Stimme: »Ja, das bin ich.«

»Wenn du es bist«, fuhr die Stimme fort, »so beweise es.«

»Wie?« fragte der König.

»Nur der Gott Ammon kann dich als Sohn anerkennen, aber er spricht ausschließlich durch das Orakel von Siwa, im Herzen der Wüste. Dort mußt du hingehen.«

Siwa, dachte Alexander und erinnerte sich an eine Geschichte, die seine Mutter ihm als Kind erzählt hatte - die Geschichte von den zwei Tauben, die Zeus im Anbeginn der Zeit aus seinen Händen hatte aufsteigen lassen: eine hatte sich auf einer Eiche in Dodona niedergelassen, die andere auf einer Palme in der Oase Siwa, und beide machten seither von ihren Bäumen herab Prophezeiungen. Olympias hatte ihm auch erzählt, daß sie ihn in Dodona zum erstenmal in ihrem Schoß gespürt habe und daß seine zweite Geburt- eine göttliche Geburt - bei einem Besuch des Orakels von Siwa stattfinden würde.

Als die seltsame Stimme verstummt war, verließ Alexander die große, düstere Halle und trat, von heiligen Gesängen und Hymnen empfangen, wieder ins gleißende Sonnenlicht hinaus.

Die Priester führten den heiligen Stier Apis vor ihn, dem er huldigen mußte, indem er ihn mit Girlanden behängte. Danach opferte er dem Gott Ammon eigenhändig eine Antilope.

Von seiner Frömmigkeit beeindruckt, überreichten die Priester ihm die Schlüssel der Stadt, und Alexander bedankte sich, indem er sofort eine dringend notwendige Restaurierung des Tempels veranlaßte.

58

Die Reise zur entlegenen Oase von Siwa begann wenige Tage später, als Alexanders Wunden völlig verheilt waren. Der Großteil des Heers marschierte zu Fuß in Richtung Norden; einen kleinen Teil aber nahm Alexander mit sich auf die Flotte, die entlang der Küste folgte. In einer Lagune, nicht weit vom westlichsten Nilarm des Deltas entfernt, wollte man sich treffen.

Als Alexander ankam, war er überwältigt von der herrlichen Bucht. Eine palmenbestandene Insel, die ihr vorgelagert war, schützte sie gegen Nordwinde, saftiges grünes Flachland säumte den Strand.

Er beschloß, hier erst einmal ein Lager aufzuschlagen, und am nächsten Tag veranstaltete er ein großes Fest, um mit seinen Gefährten und dem ganzen Heer den erfolgreichen Asienfeldzug und die friedliche Aufnahme in Ägypten zu feiern. Bevor das Festbankett wie üblich zu einer Orgie ausartete, ließ er eine Reihe von griechischen und ägyptischen Musikern auftreten sowie seinen Lieblingsschauspieler Thessalos, der auf hinreißende Weise den Monolog des Ödipus aus Sophokles' »Ödipus auf Kolonos« vortrug.

Der rauschende Beifall des Publikums war noch nicht verebbt, als dem König ein Besucher gemeldet wurde.

»Eine seltsame Gestalt«, meinte Eumenes etwas ratlos. »Er sagt, er kennt dich schon lange.«

»Ach ja?« Der König war guter Laune. »Dann laß ihn rein. Was hat er denn so Seltsames an sich?«

»Das wirst du gleich selber sehen«, entgegnete Eumenes und ließ den Besucher ein.

Bei seinem Erscheinen ging ein Raunen durch das Zelt, hier und da ertönte Gelächter. Der Mann, der da auf den König zuschritt - er mochte um die Vierzig sein - war ausschließlich mit einem Löwenfell bekleidet und hatte eine dicke Keule in der Hand, genau wie Herakles.

Alexander mußte sich beherrschen, um nicht lauthals loszu-prusten.

»Wer bist du, fremder Gast, der du meinem Vorfahren, dem Helden Herakles, so ähnlich siehst?« fragte er.

»Dinokrates, ein griechischer Architekt«, erwiderte der Mann.

»Seltsame Kleider für einen Architekten«, meinte Eumenes.

»Nicht die Kleidung zählt«, erwiderte der Besucher mit todernster Miene, »sondern die Projekte, die jemand vorschlagen und eventuell verwirklichen kann.«

»Und was für ein Projekt hast du mir vorzuschlagen?« fragte der König.

Dinokrates klatschte in die Hände, worauf zwei Knaben mit einer Papyrusrolle hereinkamen, die sie vor Alexander auf dem Boden ausbreiteten.

»Bei Zeus!« rief der König aus. »Was ist denn das?«

Dinokrates war sichtlich zufrieden, Alexanders Neugier geweckt zu haben, und begann zu erklären: »Es handelt sich um ein sehr ehrgeiziges Vorhaben, das gebe ich zu, aber es ist deiner Größe und deinem Ruhme angemessen. Ich möchte nämlich aus dem Berg Athos einen Koloß heraushauen, der deine Gestalt hat - ungefähr so, wie du es hier auf der Zeichnung siehst. Und dieser Riese würde in seiner offenen Hand eine Stadt halten, die du persönlich gründest. Ist das nicht eine grandiose Idee?«

»Grandios auf alle Fälle«, erwiderte Eumenes skeptisch. »Ich frage mich nur, ob sie auch umsetzbar ist.«

Alexander betrachtete die Zeichnung des größenwahnsinnigen Architekten, auf der er als Gigant mit einer ganzen Stadt in der Hand dargestellt war, und sagte: »Ich fürchte, dieses Projekt überstiegt ein wenig meine Möglichkeiten ... Und überhaupt: Wenn ich eine solche Riesenstatue von mir anfertigen lassen wollte, würde ich mich an einen jungen Mann namens Karetes wenden, den ich während meiner Studienzeit in Mieza kennengelernt habe - er ist ein Schüler des Lysippos und träumt davon, eines Tages eine achtzig Ellen hohe Bronzestatue zu gießen. Kennst du ihn?«

»Nein.«

»Egal, ich hätte vielleicht ein anderes Projekt für dich.«

»Dieses hier gefällt dir also nicht, Herr?« fragte der Architekt enttäuscht.

»Gefallen schon, aber es scheint mir einfach ein bißchen ... wie soll ich sagen .. . überstiegen. Mein Projekt dagegen ist ganz handfest, und du könntest schon morgen damit beginnen, wenn du möchtest.«

»Aber sicher, Herr. Du brauchst es mir nur zu erklären.«

»Dann folge mir«, sagte der König, indem er das Zelt verließ und zum Strand hinunter schlenderte. Der Mond war in dieser schönen Sommernacht nur eine schmale Sichel, die sich auf der glatten Meeresoberfläche spiegelte.

Alexander streifte sich den Umhang von der Schulter und breitete ihn auf dem Boden aus. »Schau her«, sagte er zu Dino-krates. »Ich möchte, daß du mir eine Stadt entwirfst, die sich in Form dieses makedonischen Mantels um die Bucht schmiegt.«

»Weiter nichts?« fragte der Architekt.

»Nein«, erwiderte der König. »Aber ich möchte, daß du bereits morgen mit den ersten Sonnenstrahlen beginnst. Ich werde eine

Zeitlang unterwegs sein; wenn ich zurückkomme, will ich die ersten Häuser sehen, die ersten Straßen und die ersten Landungsbrücken im Hafen.«

»Ich will mein Bestes tun, Herr. Doch wer gibt mir das Geld?«

»Eumenes, mein Generalsekretär.« Mit diesen Worten wandte Alexander sich ab, um ins Zelt zurückzukehren. »Und daß du mir gute Arbeit leistest!« rief er dem bizarren Architekten noch zu, der alleine am verlassenen Strand zurückblieb.

»Eine letzte Frage, Herr!« schrie Dinokrates. »Wie soll die Stadt heißen?«

»Alexandreia. Sie soll Alexandreia heißen und die schönste Stadt der Welt werden.«

Die Arbeiten begannen schon bald, und Dinokrates, der sein Löwenfell gegen anständige Kleider eingetauscht hatte, erwies sich als kompetenter Architekt und Städtebauer, obwohl andere Kollegen, die den Feldzug schon seit längerem begleiteten, ziemlich eifersüchtig auf ihn waren und nicht begreifen konnten, weshalb der König ausgerechnet einen Unbekannten mit einer so großen Aufgabe betraut hatte. Wer Alexander jedoch kannte, wußte, daß er oft intuitiv handelte und selten schlecht damit fuhr.

Nur ein Vorkommnis warf vorübergehend einen kleinen Schatten auf das grandiose Unternehmen: Dinokrates hatte eine Zeichnung des Stadtplans auf Papyrus angefertigt, dann seine Meßinstrumente aufgestellt, um das Ganze in natura zu übertragen, und begonnen, die Ringmauer der Stadt, ihre Haupt-und Nebenstraßen, die Agora, den Marktplatz und die Tempel mit Kreide auf dem Boden zu markieren. Irgendwann war ihm die Kreide jedoch ausgegangen, und so war er auf die Idee verfallen, sich von der Heeresverwaltung mehrere Säcke Mehl ge-ben zu lassen, um seine Arbeit zu Ende zu bringen. Als soweit alles bereit war, wurde der König gerufen; er sollte sich wenigstens ungefähr eine Vorstellung von dem zukünftigen Alexan-dreia machen können. Doch während Alexander sich in Begleitung seines Sehers Aristandros näherte, stieß plötzlich ein ganzer Schwarm Vögel vom Himmel hernieder und begann das Mehl vom Boden aufzupicken, so daß ein Teil der eingezeichneten Linien fast völlig verschwand.

Der Seher bemerkte sofort die Unruhe im Blick des Königs, der dieses Vorkommnis offenbar als schlechtes Omen deutete, doch Aristandros beruhigte ihn: »Keine Sorge, Herr, meiner Ansicht nach haben wir es hier mit einem sehr günstigen Vorzeichen zu tun: Es bedeutet, daß Alexandreia eine reiche, blühende Stadt sein wird, die Leuten von überallher Arbeit und Unterhalt bieten wird.« Auch Dinokrates war erleichtert über die Prophezeiung des Sehers und machte sich mit frischen Kräften an die Arbeit, um so mehr, als inzwischen neues Kreidepulver eingetroffen war.