37333.fb2 Anne in Avonlea - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 7

Anne in Avonlea - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 7

08 - Marilla adoptiert Zwillinge

Mrs Rachel Lynde saß an ihrem Küchenfenster und strickte eine Baumwolldecke - genau wie etliche Jahre zuvor, als Matthew Cuthbert den Hügel hinuntergefahren kam mit dem, was Mrs Rachel »sein heimgeholtes Waisenkind« nannte. Aber das war im Frühling gewesen, jetzt war es Spätherbst. Alle Bäume waren kahl und die Felder verdorrt und braun. Eben ging die Sonne tiefrot und golden hinter den dunklen Wäldern im Westen von Avonlea unter, als ein Wagen, gezogen von dem behäbigen Braunen, den Hügel heruntergefahren kam. Mrs Rachel betrachtete sie gespannt.

»Da kommt Marilla von der Beerdigung zurück«, sagte sie zu ihrem Mann, der auf dem Sofa in der Küche lag. Thomas Lynde legte sich jetzt öfter als früher aufs Sofa, aber Mrs Rachel, die mit Argusaugen alles außerhalb ihrer eigenen vier Wände erspähte, war das bisher noch nicht aufgefallen. »Und sie hat die Zwillinge dabei ... ja, da, Davy lehnt sich über den Kutschbock und greift nach dem Pferdeschwanz und Marilla zieht ihn zurück. Sie sieht doch immer wie aus dem Ei gepellt aus. Na, diesen Winter wird die arme Marilla die Hände voll zu tun haben, das steht fest. Aber so wie die Dinge liegen, blieb ihr wohl nichts anderes übrig und sie hat ja Anne, die ihr zur Hand gehen kann. Anne ist ganz aus dem Häuschen und sie versteht sich wirklich auf Kinder, das muss ich sagen. Ach je, es kommt mir vor, als wäre es erst gestern gewesen, dass der gute Matthew Anne hergebracht hat. Alle Welt hat gelacht bei dem Gedanken, dass Marilla ein Kind aufziehen will. Und jetzt hat sie Zwillinge adoptiert. Man ist doch sein Leben lang nicht vor Überraschungen sicher.«

Das behäbige Pferd trottete bedächtig über die Brücke von Lynde’s Hallow und den Weg nach Green Gables entlang. Marilla schaute ziemlich finster drein. Von East Grafton bis hierher waren es zehn Meilen und Davy Keith schien nicht eine Minute stillsitzen zu können. Es überstieg Marillas Kräfte den Zappelphilipp zu bändigen. Den ganzen Weg über hatte sie Todesängste ausgestanden, er könnte hinten von der Kutsche fallen und sich das Genick brechen oder über den Kutschbock stürzen und unter die Hufe des Pferdes geraten. Verzweifelt drohte sie ihm schließlich eine gehörige Tracht Prügel an, sobald sie zu Hause wären. Woraufhin Davy auf ihren Schoß kletterte und ihr, ohne auf die Zügel zu achten, seine pummeligen Arme um den Hals legte und sie tolpatschig drückte.

»Das meinst du bestimmt nicht ernst«, sagte er und gab ihr zärtlich einen Kuss auf die runzlige Wange. »Du siehst nicht aus wie eine, die einen kleinen Jungen verprügeln würde, nur weil er nicht stillsitzen kann. Fandest du es nicht schrecklich schwer stillzusitzen, als du noch so klein warst wie ich?«

»Nein, ich habe mich nicht gerührt, wenn man es mir befohlen hat«, sagt Marilla und versuchte ihre Stimme streng klingen zu lassen, obgleich sie spürte, wie ihr Herz unter Davys spontanen Liebkosungen dahinschmolz.

»Hm, bestimmt, weil du ein Mädchen warst«, sagte Davy, der nach einer weiteren Umarmung wieder auf seinen Platz rutschte. »Du warst doch mal ein Mädchen, oder? Auch wenn das ganz komisch ist, wenn ich mir das vorstelle. Dora kann stillsitzen, aber mir macht das keinen Spaß. Bestimmt langweilig, ein Mädchen zu sein. Komm, Dora, ich muntere dich ein bisschen auf.«

Er packte Dora an den Haaren und zog kräftig daran. Dora schrie und fing dann an zu weinen.

»Wie kannst du nur so ungezogen sein, und das, wo deine arme Mutter gerade erst beerdigt ist?«, sagte Marilla verzweifelt.

»Aber sie war froh zu sterben«, vertraute Davy ihr an. »Ich weiß es genau, weil sie es mir selbst gesagt hat. Sie war es so leid immer krank zu sein. Wir haben den letzten Abend, bevor sie gestorben ist, lange miteinander geredet. Sie hat mir gesagt, du würdest Dora und mich den Winter über aufnehmen und ich müsste ein braver Junge sein.

Ich werde brav sein, aber kann man nicht genauso gut brav sein, wenn man herumrennt und nicht stillsitzt? Sie hat gesagt, ich müsste immer nett zu Dora sein und zu ihr halten. Das werde ich auch tun.«

»Nennst du das etwa nett, sie an den Haaren zu ziehen?«

»Naja, ich lasse niemand sonst daran ziehen«, sagte Davy, legte die Fäuste zusammen und runzelte die Stirn. »Ich wollte es nur mal ausprobieren. Ich hab ihr nicht richtig weh getan ... sie hat nur geheult, weil sie ein Mädchen ist. Ich bin froh, dass ich ein Junge bin, aber es ist schade, dass ich ein Zwilling bin. Wenn Jimmy Sprotts Schwester ihm widerspricht, sagt er nur: >Ich bin älter als du, also bin ich der Klügere<, und dann hält sie den Mund. Aber das kann ich zu Dora nicht sagen, und nie will sie, was ich will. Du kannst mich ja mal ein bisschen den Hottemax fahren lassen, ich bin schließlich ein Mann.«

Marilla war heilfroh, als sie endlich in den Hof einbogen, wo der abendliche Herbstwind die braunen Blätter tanzen ließ. Anne erwartete sie am Tor und hob die Zwillinge aus dem Wagen. Dora ließ sich artig einen Kuss geben, Davy dagegen erwiderte Annes Willkommensgruß mit einer herzlichen Umarmung und der freudigen Ankündigung: »Ich bin Mr Davy Keith.«

Am Abendbrottisch benahm sich Dora wie eine kleine Dame. Davys Manieren hingegen ließen sehr zu wünschen übrig.

»Ich hab solchen Hunger, dass ich jetzt nicht die Zeit hab, ordentlich zu essen«, sagte er, als Marilla ihn deswegen tadelte. »Dora hat nicht halb so viel Hunger wie ich. Weil ich so viel in Bewegung war auf dem ganzen Weg hierher. Der Kuchen da ist ganz toll, sind so viele Pflaumen drin. Zu Hause haben wir schon ewig keinen Kuchen mehr gekriegt, weil Mama zu krank zum Backen war, und Mrs Sprott hat gesagt, sie hätte schon genug damit zu tun, Brot für uns zu backen. Mrs Wiggins tut nie Pflaumen in ihre Kuchen. Kann mich mal! Kann ich noch ein Stück haben?«

Marilla hätte ihm keins mehr gegeben, aber Anne schnitt ein großes zweites Stück ab. Allerdings erinnerte sie Davy daran, dass er »danke« dafür zu sagen hatte. Davy grinste sie nur an und nahm einen riesigen Bissen. Als er das Stück aufgegessen hatte, sagte er: »Wenn du mir noch ein Stück gibst, sag ich danke.«

»Nein, es reicht«, sagte Marilla in einem Ton, den Anne nur zu gut kannte, von dem Davy allerdings noch lernen musste, dass das ihr letztes Wort war.

Davy zwinkerte Anne zu, beugte sich dann über den Tisch, schnappte Dora ihr erstes Stück Kuchen, von dem sie erst einen kleinen Happen abgebissen hatte, aus den Händen und stopfte es sich in den Mund, den er sperrangelweit aufgerissen hatte. Doras Lippen zitterten, Marilla war sprachlos vor Entsetzen. Anne rief sofort in ihrer besten »Lehrerinnen«-Manier-, »Davy, ein Gentleman tut so etwas nicht.«

»Das weiß ich«, sagte Davy, sobald er wieder sprechen konnte, »aber ich bin kein Gentleman.«

»Aber willst du denn nicht einer sein?«, fragte Anne schockiert. »Klar. Aber man kann erst ein Gentleman sein, wenn man groß ist.«

»Natürlich kannst du einer sein«, sagte Anne schnell, weil sie das als eine Chance ansah, beizeiten den Samen des Guten zu säen. »Damit kann man schon als kleiner Junge anfangen. Und ein Gentleman nimmt niemals einer Dame etwas weg ... oder vergisst, danke zu sagen . .. oder zieht jemanden an den Haaren.«

»Er hat wenig Spaß im Leben und damit basta«, sagte Davy frei heraus. »Ich glaube, ich warte damit, bis ich groß bin.«

Marilla hatte resigniert noch ein Stück Kuchen für Dora abgeschnitten. Sie wusste im Augenblick nicht, wie sie mit Davy fertig werden konnte. Sie hatte durch die Beerdigung und durch die lange Fahrt einen schweren Tag hinter sich und im Moment blickte sie so pessimistisch in die Zukunft, dass es Eliza Andrews höchstpersönlich zur Ehre gereicht hätte.

Die Zwillinge waren einander bemerkenswert unähnlich, obwohl beide blond waren. Dora hatte langes, glänzendes Haar, das nie zerzaust war. Davy dagegen hatte kurze, struppige, gelbliche Ringellöckchen, die seinen runden Kopf umrahmten. Dora hatte freundliche, sanfte haselnussbraune Augen, Davys dagegen hatten etwas elfenhaft Schelmisches und bewegten sich flink hin und her. Dora hatte eine gerade Nase, Davy eine ausgesprochene Stupsnase. Dora sah immer etwas verkniffen drein, Davys Mund dagegen umspielte stets ein Lächeln. Außerdem hatte er in einer Wange ein Grübchen, in der anderen nicht, was ihm ein liebes, ulkiges, schiefes Aussehen verlieh, wenn er lachte. Der Schalk stand ihm im Gesicht geschrieben.

»Sie gehen am besten ins Bett«, sagte Marilla, die darin momentan den einfachsten Weg sah sie loszuwerden. »Dora schläft bei mir, Davy kannst du in den Westgiebel bringen. Du hast doch keine Angst, allein zu schlafen, nicht wahr, Davy?«

»Nein, aber ich gehe noch lange nicht ins Bett«, sagte Davy vergnügt. »O doch«, war alles, was die viel geplagte Marilla dazu sagte, aber etwas in ihrem Tonfall ließ auch Davy in seinen Grundfesten erschüttern. Gehorsam trottete er mit Anne die Treppen hinauf.

»Wenn ich groß bin, werde ich als Allererstes die ganze Nacht aufbleiben, nur um zu sehen, wie das ist«, vertraute er ihr an.

Noch Jahre später erinnerte sich Marilla nicht ohne Schaudern an diese erste Woche, die sich die Zwillinge in Green Gables aufhielten. Nicht dass diese erste Woche so viel schlimmer gewesen wäre als die darauf folgenden, aber es kam ihr doch so vor, weil alles neu war. Es gab selten einmal eine Minute, in der Davy nicht etwas ausheckte oder anstellte. Aber seine erste wirklich denkwürdige Tat erfolgte zwei Tage nach seiner Ankunft - an einem Sonntagmorgen, einem schönen, warmen Tag, so dunstig und mild wie ein Tag im September. Anne machte ihn fertig für die Kirche, während Marilla sich um Dora kümmerte. Davy weigerte sich zunächst entschieden, sich das Gesicht waschen zu lassen.

»Marilla hat es erst gestern gewaschen und Mrs Wiggins hat mich am Tag der Beerdigung mit Kernseife geschruppt. Das reicht für eine Woche. Ich weiß nicht, was daran gut sein soll, so schrecklich sauber zu sein. Dreckig zu sein ist viel schöner.«

»Paul Irving wäscht sich jeden Tag, und zwar freiwillig«, sagte Anne listig.

Davy war seit wenig mehr als achtundvierzig Stunden auf Green Gables, aber Anne hatte er bereits ins Herz geschlossen und er hasste Paul Irving, auf den Anne am Tag nach Davys Ankunft voller Begeisterung ein Loblied gesungen hatte. Wenn Paul Irving sich jeden Tag wusch, dann war die Sache klar. Er, Davy Keith, würde sich auch waschen, und wenn es ihn umbrachte. Mit dieser Einstellung ließ er alles nun Folgende demütig über sich ergehen. Als es geschafft war, war er wirklich ein hübsches Kerlchen. Anne empfand fast so etwas wie Mutterstolz, als sie ihn zu der altangestammten Kirchenbank von Cuthberts führte.

Davy führte sich anfangs auch ganz manierlich auf, er war damit beschäftigt, die Jungen in Sichtweite heimlich zu mustern, und fragte sich, welcher wohl Paul Irving war. Die ersten zwei Lieder und die Lesung verliefen ohne Zwischenfall. Mr Allan sprach gerade ein Gebet, als das Drama seinen Lauf nahm.

Lauretta White saß in der Bank vor Davy. Sie hielt den Kopf leicht gesenkt. Ihr blondes Haar hing ihr in zwei langen Zöpfen auf die Schultern, dazwischen war verlockend ihr weißer Nacken zu sehen, umhüllt von einer lockeren Spitzenkrause. Lauretta war ein dickes, seelenruhiges Kind von acht Jahren, das sich vom allerersten Tag an, als ihre Mutter sie als ein Baby von sechs Monaten das erste Mal in die Kirche mitgenommen hatte, untadelig benommen hatte.

Davy steckte die Hand in die Tasche und brachte - eine Raupe zum Vorschein, eine haarige, sich windende Raupe. Marilla sah es und packte ihn, aber es war zu spät. Davy ließ die Raupe Lauretta in den Nacken fallen.

Mitten in Mr Allans Gebet ertönten gellende Schreie. Der Pfarrer hielt erschrocken inne und öffnete die Augen. Alle Köpfe gingen in die Höhe. Lauretta White hüpfte in ihrer Bank hin und her und griff sich wie rasend hinten ans Kleid.

»Ih ... Mami... Mami... ih ... tu sie weg ... ih ... hol sie raus... ih ... Mami... sie krabbelt weiter runter... iiihhh.«

Mrs White stand auf und trug mit unbewegter Miene die hysterisch schreiende und sich windende Lauretta aus der Kirche. Ihre Schreie verebbten in der Ferne und Mr Allan fuhr mit der Messe fort.

Zu Hause angekommen, steckte Marilla Davy für den Rest des Tages ins Bett. Er bekam nichts zu essen, nur nachmittags bekam er etwas Brot und Milch. Anne brachte es ihm und saß betrübt neben ihm, während er, ohne einen Anflug von Reue, mit Appetit aß. Aber Annes trauriger Blick beunruhigte ihn.

»Ich schätze«, sagte er nachdenklich, »Paul Irving hätte bestimmt nicht in der Kirche einem Mädchen eine Raupe in den Kragen gesteckt, nicht wahr?«

»Nein, ganz bestimmt nicht«, sagte Anne traurig.

»Hm, dann tut es mir jetzt irgendwie Leid«, gestand Davy. »Aber es war eine sagenhaft große Raupe. Ich hab sie beim Hineingehen auf den Kirchenstufen aufgelesen. Ich fand es schade, sie einfach da liegen zu lassen. Und sag selbst, war es nicht lustig, wie das Mädchen gekreischt hat?«

Am Dienstagnachmittag trafen sich die Frauen vom Hilfswerk auf Green Gables. Anne eilte von der Schule nach Hause, weil sie wusste, dass Marilla ihre Hilfe brauchte.

Dora, sauber und adrett in ihrem sorgfältig gestärkten weißen Kleid und ihren schwarzen Sandalen, saß bei den Frauen im Wohnzimmer. Sie antwortete zurückhaltend, wenn sie gefragt wurde, sonst hielt sie den Mund und benahm sich in jeder Beziehung wie ein Musterkind. Davy, wonnevoll dreckig, machte draußen im Hof Matschkuchen.

»Ich habe es ihm erlaubt«, erklärte Marilla verdrossen. »Ich dachte, das hält ihn davon ab, etwas Schlimmeres anzustellen. Dabei kann er sich höchstens dreckig machen. Bevor wir ihn zu uns zum Tee hereinrufen, trinken zuerst wir Tee. Dora kann bei uns bleiben, aber ich wage es einfach nicht, Davy zusammen mit all den Frauen an einen Tisch zu setzen.« Als Anne die Damen zum Tee bat, stellte sie fest, dass Dora nicht im Wohnzimmer war. Mrs Jasper Bell sagte, Davy wäre an die Verandatür gekommen und hätte sie gerufen.

Nach kurzer Beratung mit Marilla in der Küche beschlossen sie, beide Kinder später hereinzuholen.

Sie waren mit dem Tee halb fertig, als eine Jammergestalt im Esszimmer erschien. Marilla und Anne starrten sie entsetzt an, die Frauen voller Staunen. Konnte das Dora sein ... dieses schluchzende Etwas in dem durchtränkten, triefenden Kleid und Haaren, aus denen das Wasser auf Marillas teuren neuen Teppich tropfte?

»Dora, was ist passiert?«, rief Anne mit einem schuldbewussten Blick auf Mrs Jasper Bell, in deren Familie es, so sagten die Leute, nie zu solchen Unglücken kam.

»Davy wollte, dass ich über den Zaun am Schweinestall klettere«, klagte Dora unter Tränen. »Ich wollte nicht, aber er hat >Angsthase< zu mir gesagt. Dann bin ich runtergefallen. Mein ganzes Kleid war dreckig, das Schwein ist einfach über mich drübergelaufen. Mein Kleid war von oben bis unten dreckig, aber Davy hat gesagt, wenn ich mich unter die Pumpe stelle, würde er es sauber waschen. Das hab ich getan und er hat Wasser über mich darübergepumpt, aber mein Kleid ist überhaupt nicht sauberer geworden und meine schönen Strümpfe und Schuhe sind auch ganz dreckig.«

Den restlichen Nachmittag bestritt Anne die Aufwartung allein, während Marilla mit Dora nach oben ging und ihr alte Sachen anzog. Sie schnappten sich Davy und schickten ihn ohne Essen ins Bett. Am frühen Abend ging Anne zu ihm ins Zimmer und sprach ein ernstes Wort mit ihm - eine Methode, von der sie viel hielt, aufgrund der bisherigen Resultate auch nicht ganz zu Unrecht. Sie sagte, sie wäre sehr ärgerlich über sein Benehmen.

»Es tut mir jetzt selber Leid«, gestand Davy, »aber das Dumme ist, dass es mir immer erst hinterher Leid tut, wenn ich was angestellt habe. Dora wollte mir nicht beim Kuchenbacken helfen und das hat mich ganz rasend gemacht. Schätze, Paul Irving hätte seine Schwester nicht über einen Schweinezaun klettern lassen, wenn er genau gewusst hätte, dass sie runterfällt?«

»Nein, nicht im Traum wäre ihm so etwas eingefallen. Paul ist ein richtiger kleiner Gentleman.«

Davy kniff fest die Augen zu und dachte ein Weilchen darüber nach. Dann kroch er hoch, legte die Arme um Anne und schmiegte sein rotes kleines Gesicht an ihre Schulter.

»Anne, magst du mich denn nicht ein bisschen, auch wenn ich nicht so brav bin wie Paul?«

»Sicher mag ich dich«, sagte Anne ehrlich. Irgendwie musste man Davy einfach mögen. »Aber ich könnte dich noch besser leiden, wenn du nicht so ungezogen wärst.«

»Ich . . . hab heute noch was angestellt«, fuhr Davy mit gedämpfter Stimme fort. »Jetzt tut’s mir Leid, aber ich hab schreckliche Angst davor, es dir zu erzählen. Du ärgerst dich doch nicht so furchtbar, oder? Und du erzählst es nicht Marilla, oder?«

»Ich weiß nicht, Davy. Vielleicht sollte ich es ihr erzählen. Aber ich verspreche dir, es nicht zu tun, wenn du mir versprichst, dass du es nie wieder tust, um was immer es sich auch handeln mag.«

»Nein, ich tu’s nie wieder. Wo es sowieso ziemlich unwahrscheinlich ist, dass ich dies Jahr noch mehr davon finde. Diese eine hab ich auf den Kellerstufen gefunden.«

»Davy, was hast du angestellt?«

»Ich hab Marilla eine Kröte ins Bett gelegt. Du kannst ja hingehen und sie rausnehmen, wenn es dir nichts ausmacht. Aber sag selbst, Anne, wäre es nicht lustig, sie drinzulassen?«

»Davy Keithl«, Anne löste sich aus Davys Armen, sprang auf und stürzte den Flur entlang zu Marillas Zimmer. Das Bett war ein wenig zerwühlt. In nervöser Hast warf sie die Decken zurück - und tatsächlich, da war die Kröte, die sie unter einem Kissen hervor anblinzelte. »Womit kann ich dieses widerliche Ding nur nach draußen befördern?«, sagte Anne schaudernd. Die Feuerschaufel bot sich da an. Anne schlich nach unten, um sie zu holen, währenddessen Marilla sich in der Küche zu schaffen machte. Anne hatte so ihre Schwierigkeiten, als sie die Kröte nach unten trug, denn sie hüpfte dreimal von der Schaufel, einmal dachte Anne, sie hätte sie im Flur verloren. Als sie sie schließlich im Kirschgarten abgesetzt hatte, holte sie vor Erleichterung tief Luft und sagte: »Wenn Marilla es wüsste, würde sie ihr Lebtag nicht mehr ruhigen Gefühls ins Bett gehen können. Ich bin heilfroh, dass der kleine Übeltäter noch beizeiten Reue gezeigt hat. Diana gibt mir von ihrem Fenster aus Zeichen. Ein Segen ... ich brauche dringend etwas Abwechslung, denn Anthony Pye in der Schule und Davy Keith hier haben meine Nerven wirklich mehr strapaziert, als man an einem Tag verkraften kann.«