37676.fb2 Das Buch Von Ascalon - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 35

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9.

Das Tier schien kein bestimmtes Ziel zu haben.

Auf seinen acht Beinen kroch es über den sandigen Boden, wandte sich bald hierhin und bald dorthin auf der Suche nach Beute. Die beiden Scheren waren halb geöffnet, der Giftstachel am Ende des nach vorn gebogenen Schwanzes bereit zum Stich. In seiner Welt mochte es ein erbarmungsloser Jäger sein.

Hier war es das Opfer.

Eine Stiefelsohle fiel herab und zerquetschte das Tier, bewegte sich so lange hin und her, bis eine zähe Flüssigkeit hervorquoll, die langsam im Sand versickerte.

»Skorpione«, knurrte Guillaume de Rein. »Wie ich sie hasse.«

»Dies Land ist verflucht«, zischte Renald de Rein. Erschöpft vom langen Marsch des Tages ließ sich der Baron auf den Hocker niedersinken, den seine Diener im Zelt aufgestellt hatten. »Vor zwei Wochen haben wir Dorylaeum als glorreiche Sieger verlassen, und nun sieh, was aus uns geworden ist. Die Hitze quält uns, Hunger und Durst geißeln uns wie eine Seuche!«

»Ihr sagt das, als ob ich daran Schuld trüge, Vater«, entgegnete Guillaume, während er mit vor Ekel herabgezogenen Mundwinkeln die Reste des Skorpions von seinem Stiefel zu entfernen suchte.

»Und?« Renald rollte angriffslustig mit den vom Staub entzündeten Augen. Seine fleischigen Gesichtszüge waren von der Sonne verbrannt. »Ist das etwa nicht so? Wessen Einfall war es, sich diesem Unternehmen anzuschließen?«

»Macht Euren Sohn nicht für etwas verantwortlich, für das er nichts kann«, drang eine dünne, krächzende Stimme aus dem abgetrennten Schlafraum des Zeltes. Der Vorhang wurde beiseitegeschlagen, und Eleanor de Rein erschien. Infolge der Entbehrungen und Anstrengungen der Reise war sie noch hagerer geworden. Ihre einstmals so blasse Haut, die sich direkt über den Gesichtsknochen und den tief liegenden Augen spannte, hatte unter dem Einfluss von Hitze und Trockenheit die Farbe von Pergament angenommen.

Renald streifte sie mit einem Seitenblick. »Du sprichst mit mir, meine Gemahlin? Welch unerwartetes Privileg!«

In der Tat wechselten sie kaum noch Worte. Seit ihrer Abreise aus England beschränkte sich Eleanor darauf, der Dienerschaft Anweisungen zu erteilen und sich mit ihrem Sohn zu unterhalten, mit dem sie seit London noch viel mehr teilte als nur das gleiche Blut. Ein Bündnis war zwischen ihnen entstanden, das Renald ausschloss und ihm das Gefühl gab, in seinem eigenen Zelt ein Fremder zu sein.

»Ihr solltet wissen, dass weder Guillaume noch diese Unternehmung der Grund dafür ist, dass wir darben«, ergriff sie einmal mehr für ihren Sohn Partei. »Vielmehr sind es diese elenden Ungläubigen, die ihr eigenes Land in eine Ödnis verwandeln, um uns zu schaden.«

»In der Tat«, stimmte de Rein mit vor Sarkasmus triefender Stimme zu. »Wer konnte auch damit rechnen, dass sie Widerstand leisten würden? Ich habe in vielen Kriegen gekämpft – zuerst gegen die Angelsachsen, dann gegen die Briten und schließlich gegen die Pikten. Und keiner von ihnen hat seinen angestammten Boden freiwillig hergegeben.«

»Ihr solltet nicht darüber spotten, Vater«, sagte Guillaume, nachdem er seine Bemühungen, die Reste des Skorpions loszuwerden, zu einem einigermaßen zufriedenstellenden Ergebnis gebracht hatte. »Ihr seid in dieser Ödnis ebenso gefangen wie wir.«

»So ist es«, bestätigte de Rein grimmig, »und das verdanke ich dir. Hättest du es nicht so eilig damit gehabt, dich bei dem verfluchten Brandstifter anzubiedern …«

»Ihr wisst, dass dies Unsinn ist«, fiel Eleanor ihm ins Wort. »Ihr solltet nicht Guillaume für etwas zürnen, an dem er keine Schuld trägt.«

»Das ist wahr.« Wutentbrannt schoss de Rein von seinem Hocker hoch und funkelte seine Gattin wütend an. »Stattdessen sollte ich dir zürnen, mein teures Weib, denn du bist es gewesen, die mit Flambard paktiert hat. Du trägst Schuld daran, dass wir fauliges Wasser saufen und Echsen, Würmer und Ratten fressen, um nicht elend zu verrecken!«

Eleanors Miene verriet keine Regung, so als wäre sie aus Stein gemeißelt. »Nicht mehr lange«, war alles, was sie erwiderte.

»Natürlich, ich vergaß«, tönte Renald und rollte abermals mit den Augen. »Euer großartiger Plan! Warum, in aller Welt, wurde er noch immer nicht in die Tat umgesetzt? Hat euch der Mut verlassen?«

»Dafür gibt es viele Gründe«, beschied Eleanor ihm ebenso lakonisch wie rätselhaft, was ihn nur noch wütender machte. »Die passende Gelegenheit hat sich noch nicht ergeben.«

»Unsinn. Während der Schlacht hätte es unzählige Gelegenheiten gegeben, einen Speer oder einen scheinbar verirrten Pfeil so ins Ziel zu lenken, dass er das schmutzige Werk verrichtet – aber dazu«, fügte er an Guillaume gewandt hinzu, »hätte man Manns genug sein müssen, an vorderster Front zu kämpfen.«

»Was wollt Ihr damit sagen, Vater?«

»Das weißt du sehr genau. Wie jeder andere meiner Gefolgsmänner hast du einen feierlichen Eid geleistet, mir zu dienen. Wo aber bist du gewesen, als während der Schlacht mein Pferd getroffen wurde und unter mir zusammenbrach?«

»Dort, wo auch Eure anderen Ritter waren – im erbitterten Kampf gegen die Muselmanen.«

»Du hast mich feige im Stich gelassen«, schnaubte Renald unbeirrt, »und hätte es nicht jenen fremden Streiter gegeben, der mir unversehens zur Hilfe kam, wäre ich an jenem Tag getötet worden. Aber vermutlich wäre das euren Plänen nicht einmal ungelegen gekommen.«

»Vater!«, ereiferte sich Guillaume.

»Ihr geht in Euren Mutmaßungen zu weit, mein Gemahl«, war auch Eleanor überzeugt. Ihre Stimme klirrte vor Kälte.

»Tatsächlich?« Renald fuhr mit der Zunge über seine von der Trockenheit spröden Lippen. »Womöglich ist es ja der nagende Hunger, der mich dazu treibt, oder der brennende Durst.«

Guillaume schnaubte. In England hatte es gute Gründe dafür gegeben, die Vorhaltungen seines Vaters widerspruchslos über sich ergehen zu lassen – aber nicht hier. Die Unterstützung seiner Mutter und das Wissen um den geheimen Bund, dem er sich angeschlossen hatte und von dessen Existenz sein Vater nichts wusste, beflügelten ihn. »Ich bin kein Feigling, Vater, und das werdet Ihr schon sehr bald merken, wenn ich über Euch stehe und auf Euch herabblicke.«

»Du?« Renald musterte ihn mit unverhohlener Geringschätzung. »Ausgeschlossen. Denn Macht verlangt nach Mut und Verantwortungsgefühl – Eigenschaften, die du von jeher entbehrst. Andernfalls hättest du vor Dorylaeum an der Seite deines Lehnsherrn gefochten, statt dich in der hintersten Schlachtreihe zu verstecken. Jener andere Kämpfer hingegen, der sich dem angreifenden Muselmanen entgegenstellte und mich vor dem sicheren Tod bewahrte, vereinte in sich all diese Eigenschaften.«

»Habt Ihr ihm deshalb Euren goldenen Ring geschenkt?«, fragte Guillaume spitz und voller Eifersucht.

»In der Tat. Und vielleicht hätte ich ihm auch noch den Rest meines Besitzes vermachen sollen, denn er wäre seiner allemal würdiger als du.«

»Renald!«, rief Eleanor entrüstet.

»Es ist die Wahrheit«, beharrte der Baron. »Ich habe einst große Hoffnungen in dich gesetzt, Guillaume, als meinen Nachkommen und Erben. Aber in diesen Tagen sehe ich, was ich für ein Narr gewesen bin, wenn schon ein gemeiner Soldat mehr Edelmut im Herzen hat, als du jemals besitzen wirst.«

»Warum liegt Euch so viel daran, mich zu erniedrigen, Vater?«, fragte Guillaume mit nur mühsam zurückgehaltenem Zorn. Dass der Baron einen hergelaufenen Gemeinen seinem eigenen Sohn vorzog, machte ihn rasend vor Wut und Eifersucht.

»Ich habe dich nicht erniedrigt. Das hast du ganz allein getan, zusammen mit deiner Mutter«, fügte er an Eleanor gewandt hinzu. »Eure Falschheit und euer Ehrgeiz haben uns hierhergebracht und dafür gesorgt, dass wir Kaktusnadeln kauen und unsere eigene Pisse saufen. Eine schlimmere Erniedrigung kann ich mir nicht vorstellen.«

»Und wenn schon!«, begehrte Guillaume auf, so laut, dass es vermutlich auch außerhalb des Zeltes zu hören war, aber er scherte sich nicht darum. Er hatte es satt, sich all die Vorwürfe, die Herabsetzungen und Beleidigungen anzuhören, an denen es seinem Vater niemals zu gebrechen schien. »Glaubt Ihr nicht, dass unsere Ziele diese Opfer wert sind? Mir werft Ihr vor, feige und mutlos zu sein, dabei seid Ihr es selbst, der die Strapazen scheut und sich fortwährend beschwert.«

»Sei vorsichtig, was du sagst«, zischte de Rein.

»Das war ich lange genug, aber ich werde nicht länger schweigen und Eure Ungerechtigkeit ertragen. Wäre es Euer Ansinnen gewesen, sich an diesem Feldzug zu beteiligen, würdet Ihr die Entbehrungen widerspruchslos hinnehmen. So aber leugnet Ihr selbst die Erfolge, die wir errungen haben.«

»Was für Erfolge?«

»Trotz aller Strapazen geht der Vormarsch nach Süden rasch vonstatten, und unser Sieg vor Dorylaeum scheint auf die Türken einen solch tiefen Eindruck hinterlassen zu haben, dass sie vor uns die Flucht ergreifen und sich seither nicht ein einziges Mal zum Kampf gestellt haben.«

»Das brauchen sie nicht. Das Land führt den Krieg für sie.«

Guillaume holte keuchend Luft und suchte nach weiteren Argumenten, aber es fielen ihm keine ein. Wie leid er es war, sich vor seinem Vater zu rechtfertigen! In seiner ohnmächtigen Wut ruckte seine Hand kaum merklich in Richtung des Dolchs an seinem Gürtel – dem Baron jedoch blieb die Bewegung nicht verborgen.

»Nur zu«, forderte er ihn auf, erhob sich von seinem Hocker und trat auf Guillaume zu. »Gib mir einen Grund, meine Klinge zu ziehen – ich schwöre, dass ich nicht zögern werde, es zu tun.«

»Nein!« Mit einem entsetzten Ausruf stürzte Eleanor aus dem Nebenraum und stellte sich vor ihren Sohn, die Arme schützend ausgebreitet. »Seid Ihr von Sinnen? Renald, ich beschwöre Euch!«

De Rein, dessen Hand zwar auf dem Schwertgriff lag, der jedoch keine Anstalten unternommen hatte, die Waffe zu zücken, lachte leise. »Ist das deine Vorstellung von Tapferkeit, Guillaume? Dich wie ein Säugling im Schoß der Mutter zu verkriechen?« Er schüttelte den Kopf. »Geh mir aus den Augen.«

Es wurde still im Zelt.

Schweigend standen sie einander gegenüber, Mutter und Sohn auf der einen, der Baron auf der anderen Seite. Wut, Verachtung, Hass und Furcht ballten sich unter dem Zelt wie ein Ungewitter an einem schwülen Sommertag, das sich durch fernen Donner angekündigt hatte und nun reif war, sich zu entladen.

Aber es kam nicht dazu.

Abrupt wandte sich Guillaume ab und stürzte aus dem Zelt.

Er wusste selbst nicht, ob es taktische Erwägung war, die ihn flüchten ließ, oder die Furcht vor der Konfrontation, nur eines war ihm klar: dass er weg wollte von diesem Mann, aus dessen übermächtigem Schatten er sich einfach nicht lösen konnte.

Zu Beginn des Feldzugs waren die Verhältnisse noch klar gewesen: Guillaume und seine Mutter hielten das Heft des Handelns in den Händen, während der Baron zur willenlosen Spielfigur verkommen war. Doch dies hatte sich geändert. Mit derselben Mischung aus Rücksichtslosigkeit und Loyalität, die ihn schon in England zu einem wohlhabenden Mann gemacht hatte, war er wiederum dabei, sich die Gunst der Fürsten zu erschleichen, besonders jene des Italiers Bohemund – und Guillaume merkte, wie ihm die eben erst gewonnene Kontrolle bereits wieder zu entgleiten drohte.

Mit hastigen Schritten eilte er durch das nächtliche Lager. Abgerissene Gestalten kauerten um die Feuer, die mit leeren Blicken in die Flammen starrten. Viele Gemeine, aber auch manche Edle nächtigten unter freiem Himmel, weil sie ihre Zelte entweder gegen Proviant eingetauscht hatten oder zu schwach waren, sie zu errichten. Mangel und Entbehrung herrschten, wohin das Auge blickte. Auf einem Karren, dessen Zugochse wie ein lebender Kadaver erschien, kauerte eine weinende Frau. Vermutlich hatte sie ihr Kind verloren, wie so viele andere auf dem Zug. Warum, fragte sich Guillaume mitleidlos, hatten sie ihre Bälger auch nicht zu Hause gelassen?

Sein Ziel war das Zelt von Eustace de Privas.

Noch immer sah er in dem Edelmann aus der Provence, der der Bruderschaft der Suchenden vorstand, einen Rivalen. Doch in Anbetracht des überstrengen Vaters war Eustace für ihn auch das geworden, was einem Freund am nächsten kam.

Das Zelt war nicht zu verfehlen. Nicht nur, weil es ein prächtiges Gebilde war, um dessen Annehmlichkeit Eustace beneidet wurde, sondern auch, weil es ein wenig abseits des Lagers stand. Bewaffnete Vasallen umlagerten es, grimmig starrten sie in das umgebende Dunkel.

»Halt!«, rief einer der Wächter, als Guillaume sich näherte, dabei senkte er seinen Speer. »Keinen Schritt weiter!«

»Was soll das?«, fuhr Guillaume den Mann an. »Weißt du nicht, wer vor dir steht?«

Dem tumben Augenpaar, das unter dem Nasalhelm hervorstierte, war die Verunsicherung anzumerken. »Nein«, gestand der Wächter kleinlaut, seine Stellung jedoch behauptete er tapfer.

Guillaume straffte sich, dann nannte er Namen und Titel und genoss es zu sehen, dass der Posten zusammenzuckte wie ein geprügelter Hund. Der Mann verbeugte sich, dann gab er den Weg frei, das Haupt noch immer demütig gesenkt.

»In Zukunft«, zischte Guillaume, während er ihn passierte, »solltest du deine Augen besser aufmachen, Tölpel. Sonst könnte es sein, dass sie dir ausgestochen werden.«

Unter dem Baldachin hindurch trat er in die Vorkammer des Zeltes, die durch schwere Vorhänge vom Hauptraum getrennt war. Eustaces Knappe wartete dort, der den Besucher jedoch erkannte und ihn ungehindert passieren ließ.

Warmer Lichtschein drang Guillaume entgegen, der von mehreren Öllampen rührte. In der Mitte des länglichen Zeltes war ein Tisch aufgestellt, an dem de Privas und einige andere provenzalische Ritter saßen, allesamt Mitglieder der Bruderschaft. Sie alle hatten mit Fleisch gefüllte Teller und Kelche mit Wein vor sich stehen, während anderswo im Lager gehungert wurde. Der Geheimbund, das hatte Guillaume längst festgestellt, sorgte gut für jene, die sich seiner Sache verschrieben hatten.

»Ah«, machte Eustace, der am Ende der Tafel saß und eine halb abgenagte Keule in der Hand hielt, »unser normannischer Freund ist hier. Was führt Euch zu Euren Waffenbrüdern, mein guter Guillaume? Habt Ihr wieder Ärger mit Eurem Vater?«

Guillaume antwortete nicht. Wortlos nahm er an der Tafel Platz, griff nach einem großen Brocken Fleisch und biss davon ab. Er kaute ihn kaum, sondern spülte ihn mit einem tiefen Schluck Wein hinunter.

»Das bedeutet wohl ja«, bemerkte Eustace trocken. Das schulterlange schwarze Haar des Provenzalen glänzte, der Kinnbart war wie immer säuberlich gepflegt, selbst an einem Ort wie diesem. »Was ist geschehen? Hat der Baron einen weiteren Teil Eures Erbes an hergelaufenen Pöbel verschenkt?«

»Schlimmer noch«, erklärte Guillaume kauend. Das Fleisch, das er wütend hinunterschlang, sorgte für ein wärmendes Gefühl in seinem Magen, und er beruhigte sich ein wenig. »Der Baron hält mich für einen Feigling, für einen nichtswürdigen Versager!«

Die übrigen Ritter bekundeten lautstark ihre Ablehnung. Zwei von ihnen, Landri und Huidemar mit Namen, sprangen wütend auf. »Das ist ein Affront«, fasste Eustace ihre wütende Reaktion in Worte, »ein Angriff auf uns alle – denn wir hätten Euch sicher nicht in unsere Reihen aufgenommen, werter Guillaume, wenn Euer Vater recht hätte. Die Zeit wird kommen, da er seinen Irrtum begreift.«

»Hoffentlich«, knurrte Guillaume.

»Bis dahin«, fuhr der Anführer der Bruderschaft fort, »müsst Ihr Euch noch gedulden, mein Freund – übrigens auch, was den Ring Eures Vaters betrifft, den Ihr zurückhaben wollt. Leider ist es meinen Leuten bislang noch nicht gelungen, diesen Angelsachsen ausfindig zu machen. Das Lager ist groß, und ein Name allein ist nicht gerade viel, wenn es darum geht, jemanden zu finden.«

»Das verstehe ich. Ich danke Euch dennoch für Eure Bemühungen, Bruder.«

»Nehmt stattdessen diesen Ring«, fügte der Provenzale hinzu und pflückte ein Schmuckstück von seinen eigenen Fingern, das er Guillaume zuwarf. »Betrachtet ihn als Trost sowie als Zeichen unserer Wertschätzung.«

Guillaume betrachtete das Kleinod. Es war kunstvoll gearbeitet und mit fremdartigen Mustern versehen, die den orientalischen Ursprung verrieten. »Woher stammt dieser Ring?«

»Von einem Muselmanen, der auf dem Weg nach Edessa war und den Fehler beging, den Weg unseres geschätzten Waffenbruders Landri zu kreuzen«, verriet Eustace prompt, worauf seine Anhänger in lautes Gelächter verfielen. »Er braucht ihn nicht mehr.«

»Ich danke Euch«, sagte Guillaume, steckte sich das Schmuckstück an und betrachtete es eitel.

»Wisst Ihr, wie uns der Araber genannt hat, als er im Sand verendete?«, fragte der Ritter namens Landri beifallheischend in die Runde. »Er nannte uns tafura

»Und was bedeutet das?«, wollte ein anderer wissen.

Landri lächelte, Stolz funkelte in seinen Augen. »Es bedeutet soviel wie ›wild‹ oder ›ungezähmt‹«, erklärte er dann voller Genugtuung. »Das bedeutet wohl, dass diese verdammten Heiden anfangen, uns zu fürchten.«

Die anderen Ritter lachten schallend, und Guillaume schloss sich ihnen an. Dabei wünschte er sich, dass sein Vater ihn jetzt sehen könnte, unter Gleichgesinnten sitzend, jungen Männern von edler Herkunft, die ihn anerkannten und respektierten und seine ehrgeizigen Pläne teilten, anstatt sie zu verlachen.

Plötzlich jedoch merkte er, dass etwas nicht stimmte.

Das wohlig warme Gefühl, das seinen Magen eben noch gefüllt hatte, war nicht mehr da. Stattdessen hatte Guillaume das Gefühl, eine mit winzigen Stacheln versehene Metallkugel im Bauch zu haben – das Fleisch, das er nur halb zerkaut hinabgeschlungen, und den Wein, den er gedankenlos darübergeschüttet hatte.

Er merkte, wie die noch unverdaute Speise nach Ausgang verlangte, und einen quälenden Augenblick lang versuchte er, sie seinem inneren Drang zum Trotz bei sich zu behalten.

Dann schoss er in die Höhe, stürzte aus dem Zelt und übergab sich.