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27.

Mons gaudii

7. Juni 1099

Der Tag, auf den die Kreuzfahrer mehr als drei Jahre lang gewartet, auf den sie hingelebt und für den sie unsagbare Opfer gebracht hatten, war ein Dienstag.

Schon einige Tage zuvor war der Normanne Tankred mit einer kleinen Schar von Reitern nach Bethlehem vorgedrungen, jener Stadt, in der der Erlöser geboren worden war. Die Nachricht, dass die Kreuzfahrer jenen Stätten, die sie bislang nur vom Hörensagen gekannt und die das Ziel all ihrer Mühen gewesen waren, nun bereits so nahe waren, hatte sich wie ein Lauffeuer im Heer verbreitet. Obwohl die Pilger erschöpft waren, wollten sie keine Zeit mehr verlieren.

In einem zweitägigen Gewaltmarsch, der begleitet wurde von frohen Gesängen und den aufpeitschenden Reden der Prediger, setzten sie ihren Weg gen Südosten fort. Und schließlich – das Licht des neuen Tages war bereits aufgegangen und tauchte das Land in gleißenden Schein – erreichten sie eine Erhebung, von deren flachem Rücken aus sich ihnen ein überwältigender Anblick bot: Vor ihnen, wie eine ferne Verheißung, jedoch so nah wie noch nie zuvor, lag das Ziel all ihres Sehnens.

Jerusalem die Hohe.

Die Stadt Salomons.

Die Wiege der Christenheit.

Von einer hohen Mauer umgeben und zu beiden Seiten von den Tälern von Hinnom und Kidron begrenzt, bot die Stadt einen prächtigen Anblick. Kirchenkuppeln und Minarette erhoben sich aus einer Wirrnis steinerner Quader, zur Linken ragten die Türme der Zitadelle auf, hier und dort waren Ruinen der römischen Herrschaft zu erkennen, beeindruckend in ihrer schieren Größe. Den prächtigsten Anblick jedoch bot die riesige Kuppel, die sich im Osten der Stadt erhob, inmitten eines von Mauern umgebenen Plateaus, und deren goldenes Dach im frühen Sonnenlicht glänzte – der Felsendom! Viel hatten die Pilger von diesem Ort gehört, den die Anhänger Mohammeds gebaut hatten, um einen der heiligen Orte ihres Glaubens zu schützen. Obwohl er den Streitern Christi, die doch gekommen waren, um das Heilige Land von Heiden zu reinigen, ein Dorn im Auge hätte sein müssen, jubelten sie bei seinem Anblick.

Zum einen, weil die goldene Kuppel das Ende der langen Reise verhieß. Zum anderen, weil die begierigen Augen der Kreuzfahrer ein anderes Wahrzeichen vergeblich suchten: die Grabeskirche, die der römische Kaiser Constantinus einst über den Stätten des Todes und der Auferstehung Jesu Christi hatte errichten lassen.

Pilger, die aus dem Heiligen Land zurückgekehrt waren, hatten zwar berichtet, dass die Muselmanen die heiligste Stätte der Christenheit mutwillig zerstört und eingerissen hätten. Doch hatten die Christen der Stadt durch Vermittlung des byzantinischen Kaisers vor nunmehr fünf Jahrzehnten damit begonnen, das einstmals so prächtige Gebäude neu zu errichten. Ihre Bemühungen schienen allerdings sehr viel weniger weit fortgeschritten, als die Kreuzfahrer es sich erhofft und in ihren Vorstellungen ausgemalt hatten. Ihrer Ergriffenheit tat dies jedoch keinen Abbruch.

Die Reiter stiegen von den Pferden und bekreuzigten sich, zahllose Pilger sanken auf die Knie und priesen den Herrn dafür, dass er sie nach Monaten und Jahren der Irrfahrt, des Krieges und des Leids nun endlich heimgeführt hatte.

Auch Conn und Baldric waren aus den Sätteln gestiegen und hatten sich niedergekniet, dankten Gott in einem stillen Gebet und gedachten jener Kameraden, denen es nicht vergönnt gewesen war, den weiten Weg zu Ende zu gehen. Conn musste dabei an den wortkargen Remy denken, der ihn das Waffenhandwerk gelehrt und ihm in Antiochia treu zur Seite gestanden hatte, und an den geschwätzigen Bertrand, der ihn in mancher dunklen Stunde aufgeheitert hatte.

Es waren bewegende Augenblicke. Die Gesänge waren verstummt, nur leise gemurmelte Gebete waren hier und dort zu hören. Conn streifte Baldric, der neben ihm kniete und mit wässrigem Auge auf Jerusalem starrte, mit einem Seitenblick. Wie mochte es wohl im Herzen des Normannen aussehen, der doch stets nichts anderes gewollt hatte, als die Stätte des Leidens und der Auferstehung Jesu zu sehen und seine unsterbliche Seele damit zu läutern?

Nachdem festgestanden hatte, dass die Kreuzfahrer Acre nicht belagern und es nicht zur Konfrontation mit den Fatimiden kommen würde, hatten Conn und Baldric die Stadt verlassen, zusammen mit rund zweihundert einheimischen Christen, die ebenfalls in den Kerkern der Zitadelle festgehalten worden waren. Der Abschied von Chaya war Conn schwergefallen, und ein Teil von ihm hatte überhaupt nicht gehen wollen. Aber zum einen war ihm klar gewesen, dass in diesen unsicheren Zeiten ein Christ und eine Jüdin auch in Acre keine Zukunft haben würden, zum anderen hatte er Baldric, dem er so viel verdankte, nicht so kurz vor dem Ziel im Stich lassen wollen.

Obwohl seine Wunden ihn noch immer schmerzten und er infolge der schlechten Versorgungslage des Heeres ausgezehrt wirkte, hatte sich der Zustand von Conns Adoptivvater in den letzten Tagen deutlich gebessert, so als erfüllte ihn die Nähe der heiligen Stätten mit neuer Kraft. Und als er sich schließlich bekreuzigte und wieder erhob, da hatte Conn fast das Gefühl, wieder jenen eisernen Recken vor sich zu haben, auf den er damals in London getroffen war.

»Dies ist eine bedeutende Stunde, Conwulf«, sagte er, während er seinen Blick weiter über die Stadt Salomons schweifen ließ. Die Morgensonne beschien die eine Hälfte seines Gesichts, die andere war in Dunkelheit getaucht. »Nun wird es nicht mehr lange dauern, bis sich die Geburtsstätte unseres Glaubens wieder in unserer Hand befindet.«

Südlich des Berges, von dem aus die Kreuzfahrer zum ersten Mal die Heilige Stadt erblickt hatten und dem sie den Namen mons gaudii – Berg der Freude – gegeben hatten, schlugen sie ihr Lager auf.

Kaum jemand schlief in der folgenden Nacht, zu aufregend war die Neuigkeit, zu überwältigend die Aussichten, die sich den Streitern Christi boten. Sollte dem großen Unternehmen nun, da es in sein viertes Jahr gegangen war, endlich Erfolg beschieden sein?

Überall an den Feuern und in den Zelten wurde darüber gesprochen, die Geistlichen hielten Dankgottesdienste und feierliche Gebete ab. Doch zumindest bei den älteren und erfahreneren Kriegern wich die erste Begeisterung schon bald wieder jenen kühlen Überlegungen, die jeder militärischen Operation vorauszugehen hatten. Ernüchterung kehrte ein, denn die Mauern, die Jerusalem umgürteten und von sieben Toren beherrscht wurden, waren im Lauf der Jahrhunderte immer wieder erneuert und ausgebaut worden, sodass sich die Stadt als schier uneinnehmbares Bollwerk präsentierte, dessen Eroberung abermals viele hundert Kreuzfahrer das Leben kosten würde. Zudem würde sich die schon jetzt angespannte Versorgungslage noch verschärfen, je länger die Belagerung der Stadt andauerte.

»Das Ziel ist nahe«, meinte Baldric, während er das letzte Stück Brot kaute, das er in seinem Proviantsack hatte, »aber noch sind wir nicht in Jerusalem.«

»Was, denkst du, wird der Fürstenrat entscheiden?«, fragte Conn, der ihm im Zelt gegenübersaß.

»Schwer zu sagen.« Der Normanne schürzte die Lippen. »Die Noblen werden sich streiten, wie sie es immer tun. Sie werden untereinander uneins sein, wie die Herrschaft über die Stadt zu teilen ist, obschon sie sich noch nicht einmal in ihrem Besitz befindet. Irgendwann jedoch, wenn Vernunft oder Notwendigkeit sie dazu drängen, werden sie sich zum Angriff entschließen, und mit Gottes Hilfe wird es uns gelingen, die Stadt zu erobern und ans Ziel unserer Mühen zu gelangen.«

Conn nickte. »Glaubst du noch immer, dass es Gottes Wille ist?«

»Was meinst du?«

»Jerusalem zu erobern. Muslime und Juden aus dem Heiligen Land zu vertreiben.«

Das eine Auge des Normannen musterte ihn prüfend. Einen Augenblick lang hegte Conn die Befürchtung, sein Adoptivvater könnte zornig werden, wie es früher oft der Fall gewesen war, wenn man den Sinn des Unternehmens in Frage gestellt hatte. Doch Baldric blieb ruhig. »Ich weiß es nicht«, erwiderte er kopfschüttelnd. »Als wir England verließen, hatte ich von unseren Feinden eine klare Vorstellung, ebenso wie ich von unseren Verbündeten eine klare Vorstellung hatte. Doch die Zeit hat gezeigt, dass die Dinge oftmals nicht sind, wie sie scheinen. Kein Sarazene, sondern ein Christ ist es gewesen, der mich gefoltert hat, und eine Jüdin hat dir das Leben gerettet. Wofür also kämpfen wir? Warum suchen wir Jerusalem zu erobern, wenn Freund und Feind nicht einmal mehr zu unterscheiden sind?«

Der Blick, mit dem Conn den Normannen bedachte, war voller Erwartung. Baldric hatte genau die Gedanken geäußert, die auch ihn quälten, und er hoffte, eine schlüssige Antwort zu bekommen. »Nun?«

»Ich weiß es nicht, Junge«, entgegnete Baldric zu seiner Enttäuschung. »Alles, was ich weiß, ist, dass am Ende dieses Pilgerpfades Erlösung auf jene wartet, die ihn lauteren Herzens gegangen sind. Darauf – und nur darauf – richtet sich meine Hoff…«

Er hatte noch nicht ganz ausgesprochen, als sich der Eingang des Zeltes teilte und ein Mann in einer schwarzen Robe eintrat. Conn war so überrascht, dass er aufsprang.

»Berengar!«

Der Mönch zog die Kapuze zurück und enthüllte seine blassen, elend aussehenden Gesichtszüge. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn, und das Haar war wie Stroh.

»Conwulf, Baldric«, – der Benediktiner nickte den beiden zu –, »bitte hört mich an.«

»Ihr wagt es, hier aufzutauchen?«, knurrte Baldric und erhob sich ebenfalls, die Hand am Schwertgriff. »Nach allem, was Ihr getan habt?«

»Ich weiß, dass ich gefehlt habe, Herr«, versicherte der Mönch in einer Demut, die ehrlich wirkte. »Doch ich bitte Euch, nicht über mich zu richten, ehe Ihr nicht die Wahrheit kennt.«

»Die Wahrheit?«, fragte Conn. »Welche Wahrheit? So oft habt Ihr gelogen, wie könnten wir Euch da noch trauen?«

»Es ist wahr, ich habe gelogen und betrogen, weil ich hoffte, Gottes Gegenwart auf Erden dadurch näher zu kommen. Aber es ist mir nicht gelungen, und nun bleibt mir kaum noch

Zeit.«

»Zeit? Wofür?«

»Um dich um Verzeihung zu bitten, Conwulf – und Euch ebenso, Baldric. Mein Verlangen nach dem Buch und dem, was es verbirgt, war so groß, dass ich bereit war, jedes Verbrechen dafür zu begehen.«

»Warum?«, wollte Conn wissen.

»Ist das nicht offensichtlich?« Der schmale Mund des Mönchs verzerrte sich zu einem dünnen Lächeln. »Die Lade ist all das, wonach sich die Menschheit von Anbeginn ihrer Existenz gesehnt hat – eine Verbindung zu Gott! Mögen andere sich für Reichtum und Macht interessieren – mir ging es stets nur darum, ihr Wesen zu ergründen und Gewissheit zu erlangen …«

»… und dafür wart Ihr bereit, die Lade an Guillaume de Rein auszuliefern«, sagte Baldric.

Berengar nickte, dabei rannen Schweißperlen an seinen Schläfen herab. »Schließlich erkannte ich jedoch, wie vermessen mein Ansinnen war, denn eine Religion, die zur Gewissheit wird, bedarf keines Glaubens mehr. Der Glaube an den Erlöser jedoch ist es, der uns von den Heiden unterscheidet. Also tat ich, was nötig war, um zu verhindern, dass Guillaume und seine Mutter in den Besitz des kostbaren Schatzes gelangten.«

»Ihr habt behauptet, die Schriftrolle wäre eine Fälschung, und Chaya und mich damit in tödliche Gefahr gebracht«, ließ Conn sich vernehmen.

»Eine andere Möglichkeit gab es nicht.«

»Aber Ihr musstet doch damit rechnen, dass Guillaume außer sich sein würde vor Zorn! Dass er Chaya und mich zur Rechenschaft ziehen, uns vielleicht sogar töten würde!«

»Auch das ist wahr.«

»Wie konntet Ihr so etwas tun? Wenn Graf Hugo und die Seinen nicht aufgetaucht wären, dann …« Conn unterbrach sich, weil ihm ein neuer Gedanke aufging. »Ihr wusstet, dass Hugo uns zu Hilfe kommen würde? Ihr habt es darauf angelegt?«

»Ich wusste, dass der Graf auf Rache für seinen ermordeten Bruder Adhémar sann und eine Gelegenheit wie diese nicht ungenutzt verstreichen lassen würde. Also erzählte ich ihm von dir und jener Nacht in London, von dem Komplott, von dem du erfahren hattest …«

»Woher wusstet Ihr davon? Ich habe es nie jemandem erzählt!«

»Du selbst hast es berichtet, in Antiochia, als du im Fieber lagst. Du hast im Traum gesprochen.«

»Und das soll ich glauben?«

»Es ist die Wahrheit«, stimmte Baldric zu.

»Du … du wusstest ebenfalls davon?« Conn schaute seinen Adoptivvater fassungslos an. »Die ganze Zeit über? Warum hast du kein Wort gesagt?«

»Weil es nichts geändert hätte. Solange es keinen Beweis dafür gab, war dein Wissen nicht nur nutzlos, sondern auch höchst gefährlich.«

»Ihr habt mir also geglaubt?«

»Nicht nur das«, sagte Berengar. »Ich ahnte schon damals, dass deine Kenntnisse irgendwann hilfreich sein würden. Denn nichts geschieht ohne Gottes Plan.«

»Ohne Gottes Plan?« Conn trat vor, packte den Mönch am Kragen seiner Kutte und riss ihn an sich heran. »Ist Euch nicht klar, was Ihr damit hättet anrichten können, Mann?«

»Doch, Conwulf – und es war die Scham, die mich hinausgetrieben hat in die Wüste und auf die Spur des Verräters. Aber ich sah keine andere Möglichkeit, um Guillaume de Rein aufzuhalten.«

»Warum habt Ihr mir das nicht gesagt? Warum habt Ihr nicht mit mir geredet?«

»Hättest du mir denn zugehört nach allem, was ich dir und Chaya angetan habe?«, fragte Berengar derart entwaffnend dagegen, dass Conn nicht anders konnte, als ihn wieder loszulassen.

»Wohl nicht«, gab er zu.

»Ich habe Guillaume und seine Mutter Eleanor kennengelernt und weiß, wozu sie fähig sind. Wäre die Lade ihnen in die Hände gefallen, wäre sie nur dazu benutzt worden, ihre Macht und ihren Besitz zu vergrößern. Das konnte ich nicht zulassen.«

»Also habt Ihr das Buch verschwinden lassen, nachdem Ihr es zunächst als angebliche Fälschung entlarvt hattet. Und wo befindet es sich jetzt?«

»An einem Ort verborgen, wo Eleanor es nicht zu finden vermag«, entgegnete der Mönch, wobei er immer wieder stockte und Atem schöpfen musste. »Ich bin den Weg des Verräters bis zum Ende gegangen und werde auch den Preis des Verräters bezahlen – nur dass meine Belohnung nicht dreißig Silberlinge gewesen wären, sondern der Ruhm der Eitelkeit. Und Gottes Herrlichkeit schon zu Lebzeiten zu schauen.«

»Was redet Ihr da?« Conn hob die Brauen. All dies Gerede ergab für ihn keinen Sinn.

»Ich habe meine Buße geleistet, glaub mir. Alles, wonach es mich noch verlangt, ist deine Vergebung, Conwulf, denn an dir habe ich mich mehr als an jedem anderen Menschen versündigt. Ich habe dich hintergangen und deine Freundschaft verraten, und daran trage ich schwer. Willst du mir verzeihen?«

Er hatte zuletzt immer langsamer gesprochen, und seine Züge, so hatte es im Licht der Öllampe jedenfalls den Anschein, waren noch fahler geworden. Conn zögerte mit einer Antwort. In den letzten Wochen hatte es Stunden gegeben, da er den Mönch verflucht und ihm die ewige Verdammnis an den Hals gewünscht hatte. Doch nun, da er vor ihm stand, gebeugt und um Vergebung flehend, konnte er nicht anders, als Mitleid zu empfinden.

»Berengar, ich …«, begann Conn – da brach der Mönch zusammen.

Mit einem leisen Stöhnen ging er zu Boden, und es war Conn, der bei ihm niederkniete, um das Haupt des Mönchs in seinen Schoß zu betten, damit es nicht auf hartem Stein zu liegen kam.

»Conwulf …«

»Was ist mit Euch?«

»Bitte vergib mir«, ächzte der Mönch, während der Blick seiner geweiteten Augen ziellos umherirrte. »Mir bleibt kaum noch …« Er verstummte, als ihn ein heftiger Krampf schüttelte. Gleichzeitig trat ihm bitter riechender Schaum über die Lippen.

»Gift«, stieß Baldric hervor. »Er hat sich vergiftet!«

»Musste es tun«, sagte Berengar. »Bin eine Gefahr, solange ich lebe … gelungen, Buch von Ascalon ganz zu entschlüsseln … weiß, wo die Lade zu finden … nicht in falsche Hände gelangen … niemand.« Er machte eine hilflose Armbewegung, wie ein Ertrinkender kurz vor dem Untergehen. »Bitte, Conwulf! Vergib mir«, flehte er, während sein Körper infolge des Gifts in immer heftigere Zuckungen verfiel. »Will nicht … zum Allmächtigen gehen … ohne Wort der Versöhnung …«

Conn biss sich auf die spröden Lippen.

Sein Zorn auf Berengar hatte sich in nichts aufgelöst angesichts des elenden Häufleins Mensch, zu dem der Mönch geworden war. Berengar mochte gesündigt haben, aber im letzten Moment hatte er sich seiner Herkunft und seiner wahren Pflichten besonnen und das Wohl anderer über sein eigenes gestellt.

Conn holte tief Luft, um dem reuigen Sünder die Absolution zu erteilen, nach der er so dringend verlangte, um ihm zu sagen, dass er ihm seine Untaten vergeben hatte – als er sah, dass Berengar sich nicht mehr regte. Jäh hatten die Zuckungen ausgesetzt. Der Blick des Mönchs war starr und glasig, sein Brustkorb hob sich nicht mehr.

»Berengar?«

Conn sprach ihn an, berührte ihn sanft am Arm, als wollte er einen Schlafenden wecken – doch aus dem Schlaf, in den der Mönch gefallen war, gab es kein Erwachen.

Nicht in dieser Welt.

»Ich vergebe Euch«, sagte Conn leise und in der vagen Hoffnung, der Mönch – oder zumindest seine unsterbliche Seele – könnte ihn noch hören. Dann schloss er Berengar die Augen, während die letzten Worte des Mönchs noch in seinem Bewusstsein nachhallten:

Ich bin den Weg des Verräters bis zum Ende gegangen und werde auch den Preis des Verräters bezahlen – nur dass meine Belohnung nicht dreißig Silberlinge gewesen wären, sondern der Ruhm der Eitelkeit.